Dunkle Rache (eBook)
364 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2612-9 (ISBN)
Als der junge Arzt Jonathan Ransom in London in ein Attentat auf den russischen Außenminister gerät, zerbricht sein Leben in Scherben. Die Polizei verdächtigt ihn, mit den Drahtziehern in Verbindung zu stehen, aber er ist unschuldig. Jonathan flieht und macht eine schreckliche Entdeckung: Hinter dem Attentat steckt offenbar seine eigene Frau, die seit Jahren ein Doppelleben führt. Sie scheint eine international gesuchte Topterroristein zu sein und hat bereits ein neues Anschlagsziel, das Tausenden das Leben kosten könnte. Doch Jonathan glaubt nicht, dass seine Frau zu einer solchen Tat fähig ist. Die Suche nach der Wahrheit wird für ihn zu einem Wettlauf gegen die Zeit ...
Das Buch erschien vormals unter dem Titel 'Getäuscht'
Christopher Reich (* 12. November 1961 in Tokio) ist ein US-amerikanischer Autor. Seine Bücher wurden in 20 Sprachen übersetzt und waren mehrfach New York Times-Bestseller.
2.
Flug 99 aus Nairobi, Kenia, landete um 6.11 Uhr auf dem Londoner Flughafen Heathrow. Laut Passagierliste befanden sich zweihundertachtzig Fluggäste und sechzehn Besatzungsmitglieder an Bord des Airbus A340. Tatsächlich waren es jedoch mehr als dreihundert Passagiere, da noch etwa ein Dutzend Kleinkinder auf dem Schoß ihrer Mütter hockten und einige weitere Passagiere Platz auf den aufklappbaren Sitzen gefunden hatten, die eigentlich für die Stewardessen reserviert waren.
Auf seinem Platz in Reihe 43 warf Jonathan Ransom einen besorgten Blick auf die Uhr. Der Flug hatte genau neun Stunden gedauert, eine halbe Stunde weniger als geplant. Die meisten Passagiere freuten sich über die verkürzte Flugzeit, denn so konnten sie dem morgendlichen Berufsverkehr in der Stadt ausweichen oder zeitig mit ihrer Sightseeing-Tour beginnen. Doch Jonathan gehörte nicht zu ihnen. Die ganze letzte Woche hatten sich die Flüge vom Jomo Kenyatta International Airport wegen eines Streiks der kenianischen Flugsicherung erheblich verspätet. Heute endlich war die Maschine pünktlich gestartet und sogar früher gelandet.
Jonathan wusste nicht, ob es bloß Zufall war oder ob etwas anderes dahintersteckte. Etwas, an das er lieber nicht denken wollte.
Ich hätte mich niemals auf diese Sache einlassen sollen, überlegte er. In Kenia war ich in Sicherheit. Wäre ich klug gewesen, hätte ich mich nicht von der Stelle gerührt.
Doch es war nie Jonathans Art gewesen, sich vor einer Herausforderung zu drücken. Und wenn sie ihn wirklich hätten aufspüren wollen, wäre er an keinem Ort der Welt sicher gewesen.
Mit seinen knapp eins neunzig Körpergröße und seiner lässigen Kleidung - Jeans, Hemd und Outdoor-Stiefel - war Jonathan eine sportliche Erscheinung. Sein Gesicht war tief gebräunt vom monatelangen Einsatz unter der Äquatorsonne, und auf dem Rücken seiner markanten Nase schälte sich die Haut ab. Seine Haare mit den grauen Strähnen trug er kurz. Mit seinen dunklen Augen und dem Zweitagebart wirkte er wie ein Südländer oder ein Südamerikaner mit europäischen Wurzeln. Doch Jonathan Ransom war Amerikaner, vor achtunddreißig Jahren in Annapolis, Maryland, geboren, und stammte aus einer alten, vornehmen Südstaatenfamilie.
Bedächtig sammelte Jonathan die Zeitschriften und Zeitungsausschnitte mit den Fachartikeln und Kommentaren ein, mit denen er sich auf den Ärztekongress vorbereitet hatte, und verstaute alles in seiner Tasche. Die meisten Artikel behandelten Themen wie »Tropenkrankheit: Diagnose und Vorbeugung« oder »Hepatitis C in Schwarzafrika: Eine klinische Studie« und waren von namhaften Ärzten verfasst worden. In dem letzten Artikel, der sich mit der Behandlung parasitärer Krankheitsbilder bei Kindern befasste, stand: »Jonathan Ransom, MD, Ärzte ohne Grenzen.« Statt einer Krankenhausadresse hatte er seinen letzten Arbeitsplatz angegeben: »UN-Flüchtlingslager 18, Lake Turkana, Kenia.«
Seit acht Jahren arbeitete Jonathan nun schon bei Ärzte ohne Grenzen, der Hilfsorganisation, die in vielen Krisengebieten der Welt medizinische Versorgung leistete. Jonathan hatte in Liberia und Darfur, im Kosovo, im Irak und in etlichen anderen Krisengebieten rund um den Globus gearbeitet. In den letzten sechs Monaten war er als Oberarzt im Flüchtlingslager Turkana an der Grenze zwischen Äthiopien und Kenia tätig gewesen. In diesem Lager hielten sich derzeit etwa hunderttausend Menschen auf. Die meisten waren aus den von Kriegen heimgesuchten Gebieten in Somalia und Äthiopien geflohen. Als einer von drei Ärzten - zudem als einziger zugelassener Arzt im Lager - hatte Jonathan sich um alles Mögliche kümmern müssen, vom gebrochenen Knöchel bis hin zur Geburtshilfe. Allein in diesem Jahr hatte er in hundertvierzig Tagen einhundert Kinder zur Welt gebracht, ohne ein einziges zu verlieren.
Im Laufe der Jahre hatte Jonathan sich zum Experten für parasitäre Erkrankungen entwickelt. Da die westliche Welt ein zunehmendes Interesse an der Bekämpfung von Seuchen in den Entwicklungsländern zeigte, waren Ärzte mit Erfahrungen auf diesem Gebiet sehr gefragt. So hatte Jonathan im Frühling eine Einladung von der Internationalen Internistengesellschaft erhalten, verbunden mit der Bitte, auf ihrem nächsten Kongress einen Vortrag über sein Spezialgebiet zu halten. Jonathan trat nicht gerne als Redner auf, hatte aber zugesagt. Es war ein wichtiges Thema und die Gelegenheit, so viele Menschen auf einer Veranstaltung zu erreichen, die großes öffentliches Interesse erregte, bot sich nicht alle Tage. Die ISIM hatte seine Reise bezahlt, den Flug gebucht und ihm ein Hotel besorgt. Ein paar Tage lang würde er zur Abwechslung in einem richtigen Bett mit sauberen Laken schlafen.
In diesem Augenblick entdeckte Jonathan die Polizeiwagen. Sein Herz setzte einen Schlag aus, als er beobachtete, wie zwei blau-weiße Fahrzeuge der Flughafenpolizei mit Blaulicht neben der ausrollenden Maschine herfuhren. Augenblicke später schlossen sich ihnen zwei weitere Fahrzeuge an.
Jonathan ließ sich in den Sitz zurücksinken.
Aus, dachte er. Alles aus.
Sie waren gekommen, um ihn zu holen.
»Sie haben dich Tag und Nacht im Visier, aber du bemerkst sie nicht. Wenn sie ihr Handwerk verstehen, hast du nicht den Hauch einer Ahnung, dass du verfolgt wirst. Aber sie sind da. Deshalb musst du auf der Hut sein, immer und überall.«
Emma Ransom betrachtete Jonathan nachdenklich über den Tisch hinweg. Ihr lockiges rotbraunes Haar fiel offen über ihre Schultern. Das Feuer des Kamins spiegelte sich in ihren hellbraunen Augen. Sie trug eine cremefarbene Strickjacke. Ihr linker Arm steckte in einer Schlinge vor der Brust. Sie sollte den Arm so wenig wie möglich belasten, damit die Schusswunde in der Schulter heilen konnte.
Es war Ende Februar, fünf Monate vor Jonathans Flug nach London. Jonathan und Emma hielten sich seit drei Tagen in einer Berghütte hoch über dem Dorf Grimentz im Schweizer Kanton Wallis versteckt. Die Hütte war Emmas Schlupfloch, ihr Versteck, wenn es wieder mal zu brenzlig wurde.
»Wer sind ›sie‹?«, fragte Jonathan.
»Division. Sie haben ihre Leute überall. Es könnte einer der Ärzte sein, mit denen du seit Längerem zusammenarbeitest, oder jemand, den du zufällig triffst, ein UN-Inspektor, zum Beispiel, oder ein Mitarbeiter der Weltgesundheitsbehörde. Leute wie ich.«
Division war der Geheimdienst des US-Verteidigungsministeriums und Emmas Arbeitgeber. Die Organisation war für die heikelsten verdeckten Einsätze zuständig. Selbst der Kongress hatte keine Kontrolle über die Operationen. Damit hob Division sich deutlich von den anderen Geheimdiensten ab. Division-Mitarbeiter waren Spezialagenten, die von den USA ins Ausland geschleust wurden, um politische Ereignisse von manchmal globaler Bedeutung ins Rollen zu bringen - Entwicklungen, die den Interessen der Vereinigten Staaten dienten. Ihre Ziele erreichten die Division-Agenten üblicherweise durch Erpressung, Manipulation, Wahlfälschung, Zerstörung wichtiger Gebäude, Einrichtungen oder Statussymbole eines Landes, oder schlicht und einfach durch Ermordung des Staatsoberhaupts.
Sämtliche Division-Agenten arbeiteten verdeckt. Alle besaßen eine falsche Identität. Alle hatten einen ausländischen Pass. Die kürzesten Einsätze dauerten bis zu einem halben Jahr. Umfangreichere Operationen konnten zwei Jahre und mehr in Anspruch nehmen. Vor einem Einsatz unternahm Division jede nur denkbare Anstrengung, um dem jeweiligen Agenten zu einem lupenreinen Ruf und Lebenslauf zu verhelfen. Sollte der Agent trotzdem auffliegen, leugneten die USA jede Verbindung und ließen ihn fallen wie eine heiße Kartoffel.
»Und was soll ich deiner Meinung nach jetzt machen?«, fragte Jonathan. »Mich für die nächsten zwanzig Jahre in dieser Hütte verstecken?«
»Konzentrier dich auf die Zukunft. Sag allen, dass ich tot bin. Vergiss, dass es mich gibt.«
Jonathan stellte seinen Becher vor sich auf den Tisch. »Das kann ich nicht.«
»Du hast keine Wahl.«
Er ergriff Emmas Hand. »Das ist nicht wahr. Ich habe sehr wohl eine Wahl, genau wie du. Wir können zusammen weggehen. Wir könnten nach Afrika, Fernost oder sonst wohin. An einen Ort, an dem sie uns garantiert nie suchen.«
»Einen solchen Ort gibt es nicht«, sagte Emma. »Die Welt ist ein globales Dorf geworden. Du kannst dich nicht mehr hinter verschlossenen Türen verschanzen oder gar von der Bildfläche verschwinden. Gäbe es nur den Hauch einer Chance, würde ich bei dir bleiben. Ich will mich nicht von dir trennen, aber es gibt keinen anderen Weg für uns. Nur so können wir überleben.«
»Aber …«
»Kein Aber. Es ist die einzige Möglichkeit.«
Jonathan wollte protestieren, doch Emma legte einen Finger auf seine Lippen. »Hör zu. Was immer auch geschieht, du darfst nur dann Kontakt zu mir aufnehmen, wenn ich es erlaube. Ganz gleich, wie sehr du mich vermisst oder wie sicher du dir bist, dass niemand dich beobachtet. Unter keinen Umständen, verstehst du? Ich weiß, dass ich das Unmögliche von dir verlange, aber du musst mir vertrauen.«
»Und wenn ich trotzdem Verbindung mit dir aufnehme?«
»Sie werden da sein. Sie werden mich eher finden als du.«
Zehn Tage zuvor waren Jonathan und Emma in die Schweiz gereist, um bei einem längst überfälligen Skiurlaub auszuspannen. In der Nähe des Furkapasses wurden sie von einem Unwetter überrascht. Bei dem Versuch, eine steile Abfahrt hinunterzujagen, brach Emma sich ein Bein und stürzte nach einer...
Erscheint lt. Verlag | 15.8.2023 |
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Reihe/Serie | Jonathan Ransom Thriller Serie | Jonathan Ransom Thriller Serie |
Übersetzer | Damaris Brandhorst |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | RULES OF VENGEANCE |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Christopher Reich • CSI • Don Winslow • Doppelleben • John Grisham • Richard Pobi • Spion • Spionage • Thriller |
ISBN-10 | 3-8412-2612-4 / 3841226124 |
ISBN-13 | 978-3-8412-2612-9 / 9783841226129 |
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