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Das Nachthaus (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman | Neuer Thrill von Weltbestsellerautor Jo Nesbø

***

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
288 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-3031-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Nachthaus -  Jo Nesbø
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Wer einmal im Nachthaus gewesen ist, kommt als ein anderer heraus Als in einer Kleinstadt ein Jugendlicher verschwindet, steht der Schuldige schnell fest: Hat Richard seinen Freund Tom im Wald von einer Brücke in den reißenden Fluss gestoßen? Richard wehrt sich gegen die Anschuldigungen, doch er verstrickt sich dabei in Lügen. Niemand glaubt ihm. Dabei ist Toms Abwesenheit so ungeheuerlich, dass Richard selbst kaum noch zu atmen wagt. Seine Suche nach dem Freund führt ihn auf die dunkle Seite von Ballantyne. Dort steht das Nachthaus. Was geschah in jener Nacht? »Ein unheimliches Vergnügen, das keine Albträume verursacht - oder doch?« KIRKUS REVIEWS

Jo Nesbø, 1960 geboren, ist Ökonom, Schriftsteller und Musiker. Er gehört zu den renommiertesten und erfolgreichsten Krimiautoren weltweit. Jo Nesbø lebt in Oslo.

Jo Nesbø, 1960 geboren, ist Ökonom, Schriftsteller und Musiker. Er gehört zu den renommiertesten und erfolgreichsten Krimiautoren weltweit. Jo Nesbø lebt in Oslo.

Kapitel 1


D-d-d-du spinnst doch«, sagte Tom. Er musste Angst haben, dachte ich, denn er stotterte genau einmal mehr als sonst.

Ich hielt die Luke-Skywalker-Figur hoch über meinen Kopf, bereit, sie gegen die Strömung in den Fluss unter uns zu werfen. Aus dem dichten Wald an den Ufern war ein Schrei zu hören, als wollte mich jemand warnen. Vielleicht eine Krähe. Ich ließ mich aber nicht aufhalten. Weder von irgendwelchen Toms noch von irgendwelchen Krähen. Ich wollte wissen, ob Luke Skywalker schwimmen konnte. Im nächsten Moment flog er auch schon durch die Luft. Die Frühlingssonne fiel durch die gerade grün gewordenen Baumwipfel, und das Licht reflektierte immer wieder auf der sich langsam drehenden Plastikfigur. Luke traf auf dem Wasser mit einem leisen »Plopp« auf. Fliegen konnte er also nicht. Und er blieb auch verschwunden. Da war nur die wirbelnde Oberfläche des Schmelzwasser führenden Flusses, der sich uns wie eine dicke Anakonda entgegenwälzte.

Ich war im letzten Herbst direkt nach meinem vierzehnten Geburtstag in dieses Drecksloch gekommen, weil Verwandte von mir hier wohnten, hatte aber noch immer keine Ahnung, was man als Jugendlicher in Ballantyne tun konnte, ohne sich zu Tode zu langweilen. Als Tom mir erzählte, der F-f-fluss sei jetzt im Frühjahr wild und gefährlich und es sei ihm streng verboten worden, sich dem Ufer auch nur zu nähern, hatte ich auf jeden Fall schon mal einen Ansatzpunkt. Es war mir dann nicht sonderlich schwergefallen, Tom zu überreden, wir waren uns in vielen Punkten ähnlich. Wir hatten keine Freunde und gehörten der Pariakaste der Klasse an. Fatso hatte mir das mit den Kasten noch an dem Morgen in einer Freistunde erklärt, sagte allerdings Piranhakaste. Ich stellte mir sofort die Fische mit den messerscharfen Zähnen vor, die eine Kuh in wenigen Minuten komplett abnagen können, und fand das alles ziemlich cool. Erst als Fatso sagte, dass meine Kaste unter der seinen rangieren würde, den Dicken, war ich auf ihn losgegangen. Leider hat er das dann anschließend unserer Lehrerin Fräulein Vogelgezwitscher gepetzt. Den Namen habe ich ihr gegeben. Sie sah sich prompt zu einem langen Vortrag veranlasst, wie wichtig es doch sei, dass wir nett zueinander sind. Andernfalls würde man zwangsläufig zu einem Loser, das wäre nämlich die logische Konsequenz. Nach ihren Worten bestand kein Zweifel mehr daran, dass der idiotische Neue aus der Stadt in diese Piranhakaste gehörte.

Nach der Schule waren Tom und ich zur alten Holzbrücke über den Fluss im Wald gegangen. Tom machte große Augen, als ich Luke Skywalker aus meiner Tasche holte.

»W-w-wo hast du den denn her?«

»Na wo wohl?«

»B-b-bei Oscars hast du den jedenfalls nicht gekauft. Die sind alle ausverkauft.«

»Oscars, das ist doch ein Rattenloch«, sagte ich lachend. »Vielleicht habe ich den ja aus der Stadt mitgebracht, aus einem richtigen Spielzeugladen.«

»Nein, das Modell gibt es erst seit diesem Jahr.«

Ich nahm Luke näher in Augenschein. Gab es dieses Ding echt in mehreren Ausführungen? War Luke Skywalker nicht immer derselbe coole Held, den es schon seit ewigen Zeiten gab, und damit basta? Ich hatte mir nie Gedanken darüber gemacht, hatte nie gedacht, dass die Dinge sich ändern und Darth und Luke jemals die Rollen tauschen könnten.

»Vielleicht hab ich ja so einen P-p-prototyp bekommen«, sagte ich.

Tom sah aus, als hätte ich ihm eine Ohrfeige gegeben, es passte ihm ganz offensichtlich gar nicht, dass ich sein Stottern nachäffte. Ich fand das selber doof, konnte es aber irgendwie nicht sein lassen. Das war schon immer so gewesen. Wenn die Leute mich nicht schon von Anfang an verabscheuten, sorgte ich schnell dafür, dass sie es taten. Mit Sicherheit handelt es sich dabei um dieselben Reflexe, die Karen und Oscar jr. dazu bringen, zu lächeln und nett zu sein, damit alle sie mögen. Nur mit umgekehrten Vorzeichen. Es war nicht so, dass ich nicht auch gemocht werden wollte, ich war mir nur einfach verflucht sicher, dass es dazu niemals kommen würde. Deshalb wollte ich den Leuten in gewisser Weise einfach zuvorkommen; immerhin hatte ich sie dann auf meine Weise dazu gebracht, mich nicht zu mögen. Dann hassten sie mich, hatten gleichzeitig aber auch ein bisschen Angst vor mir und würden es folglich nicht wagen, irgendeinen Scheiß mit mir zu machen. Wie jetzt. Ich sah Tom nämlich ganz genau an, dass er wusste, dass ich die Figur geklaut hatte. Er wagte das aber nicht laut zu sagen. Ich hatte sie während des Klassenfestes aus Oscar jr.s Zimmer mitgehen lassen. Seine Eltern hatten ihr Haus zur Verfügung gestellt, und alle, sogar wir in der Piranhakaste, waren eingeladen worden. Das Haus war ganz okay, nicht zu groß und protzig, gewundert hatte mich nur, wie nett Oscars Eltern waren und dass sie das Haus vollgestopft hatten mit dem Besten, was der Spielzeugladen von Oscar sr. zu bieten hatte. Transformer-Figuren, Atari-Spiele, Magic-8-Balls, ja sogar ein Nintendo Game Boy, der eigentlich noch gar nicht auf dem Markt war. Was würde es Oscar da schon ausmachen, wenn eines dieser Spielzeuge weg war, vermutlich würde er es gar nicht merken. Obwohl, vielleicht mit Ausnahme der Luke-Skywalker-Figur, die mir aufgefallen war. Schließlich hatte sie wie ein Kuscheltier in seinem Bett gelegen. Kann man wirklich noch so ein Baby sein?

»D-d-da ist sie!« Tom streckte den Arm aus.

Luke hatte den Kopf über Wasser bekommen und trieb in rasendem Tempo auf uns zu. Es sah aus, als würde er im Fluss auf dem Rücken schwimmen.

»Gut für Luke«, sagte ich.

Die Figur verschwand unter der Brücke. Wir rannten zur anderen Seite, und dort tauchte sie wieder auf. Blickte mit diesem idiotischen Lächeln zu uns hoch. Idiotisch, weil Helden nicht lächeln. Sie sollen kämpfen, sollen ein ernstes Gesicht machen und zeigen, dass sie ihre Feinde genauso doll hassen wie … whatever.

Wir blieben stehen und sahen Luke davontreiben. Der Welt entgegen, dem Unbekannten. Dem Dunkel, dachte ich.

»Und was machen wir jetzt?«, fragte ich. Ich hatte schon wieder dieses Kribbeln, als würde ich auf einem Ameisenhaufen sitzen. Damit das verschwand, musste etwas passieren, ich musste irgendwie auf andere Gedanken kommen.

»I-i-ich muss nach Hause«, sagte Tom.

»Noch nicht«, erwiderte ich. »Komm mit!«

Ich weiß nicht, warum mir auf einmal die Telefonzelle in den Sinn kam, die auf einer kleinen Anhöhe am Waldrand an der großen Straße stand. Es war ein merkwürdiger Ort für eine Telefonzelle, erst recht in einem so kleinen Kaff wie Ballantyne, und ich hatte nie gesehen, dass sie von jemandem benutzt worden war. Wenn da überhaupt jemand war, fuhr er mit dem Auto dran vorbei.

Als wir zu der roten Telefonzelle kamen, stand die Sonne schon recht tief, der Frühling hatte gerade erst begonnen, und es wurde früh dunkel. Tom folgte mir etwas widerwillig, vermutlich wagte er es nicht, mir zu widersprechen. Und wie gesagt, so viele Freunde hatten wir nicht.

Wir schoben uns in die Telefonzelle, und als die Tür hinter uns zugegangen war, waren die Geräusche von draußen nur noch gedämpft zu hören. Auf der Straße fuhr ein Lastwagen mit schlammigen Reifen vorbei. Die Baumstämme ragten bis weit über die Ladefläche. Er verschwand über die Straße, die wie ein gerader Strich zwischen den monotonen, flachen Feldern in Richtung Bezirksgrenze führte.

Auf der Ablage unter dem Telefon lag ein gelbes Telefonbuch. Es war nicht sonderlich dick, vermutlich aber dick genug, um alle Anschlüsse nicht nur in Ballantyne, sondern im ganzen Bezirk aufzulisten. Ich begann zu blättern. Tom sah demonstrativ auf seine Uhr.

»I-i-ich habe versprochen, um …«

»Halt den Mund!«, sagte ich.

Mein Finger stoppte unter einem Jonasson, Imu. Ein seltsamer Name, sicher ein komischer Kauz. Ich nahm den Hörer ab, der seitlich an dem Kasten mit dem Münzeinwurf hing. Das Kabel war durch eine Metallspirale gesichert, vermutlich hatten sie Angst, dass jemand den Hörer abreißen und mit dem grauen Plastikding abhauen könnte. Ich tippte Jonassons Nummer ein. Nur sieben Ziffern, in der Stadt hatten wir neun gehabt, aber hier, wo viertausend Bäume auf einen Einwohner kamen, brauchten sie wohl nicht mehr. Dann reichte ich Tom den Hörer.

»H-h-hää?«, stotterte er nur und sah mich fast panisch an.

»Sag einfach: Hallo Imu, ich bin der Teufel und ich lade dich in die Hölle ein, denn da gehörst du doch wohl hin, oder?«

Tom schüttelte den Kopf und gab mir den Hörer zurück.

»Du machst das jetzt, du Idiot, sonst schmeiß ich dich in den Fluss«, sagte ich.

Tom – der Winzling der Klasse – zog den Hals ein und wurde noch kleiner.

»Ich mache doch nur Witze«, sagte ich und lachte. In dieser kleinen, vakuumartigen Zelle klang meine Stimme aber selbst für mich irgendwie fremd. »Jetzt komm schon, Tom. Ist doch cool, wenn wir das morgen den anderen in der Klasse erzählen.«

Meine Worte weckten in ihm die verlockende Aussicht, Eindruck schinden zu können. Für Tom, dem das in seinem ganzen Leben noch nie gelungen war, wog das schwer. Wie die Tatsache, dass ich wir gesagt...

Erscheint lt. Verlag 19.10.2023
Übersetzer Günther Frauenlob
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Blutmond • Forensik • forensisch • Harry Hole • Horror • Krimi • Kriminalpsychologie • Mobbing • Norwegen • Psychisch • Psychothriller • Schizophrenie • Skandinavien • Skandinavienkrimi • Spannung • Störung • Therapie • Thriller
ISBN-10 3-8437-3031-8 / 3843730318
ISBN-13 978-3-8437-3031-0 / 9783843730310
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