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Schwachstellen (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
288 Seiten
Kein & Aber (Verlag)
978-3-0369-9634-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schwachstellen -  Yishai Sarid
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Ein grandios komponierter Politthriller

Ein junger IT-Spezialist und begehrtester Aufspürer von Sicherheitslücken bekommt immer größere und politisch brisantere Aufträge, verdrängt ethische Skrupel und kann sich gleichzeitig immer weniger zurücknehmen, sein Können auch privat einzusetzen. Eine erschreckend aktuelle, packende Bestandsaufnahme heutiger Datenkriminalität. Leicht war es nie: Sivs Vater ist ständig pleite, seine Mutter geht mit einem Arzt fremd, und seine jüngere Schwester ist in die Drogensucht abgerutscht. Auch bei den Frauen kann er nicht punkten. Aber als professioneller Hacker - der Beste und Begehrteste in seinem Fach - wird er auf Händen getragen. Seine Aufträge in Israel und im Ausland werden politisch immer brisanter. Als er in einem europäischen Land ein Abhörsystem für Mobiltelefone installieren muss, um Regimekritiker ausfindig zu machen, kommen bei ihm erste ethische Skrupel auf. Einerseits redet er sich ein, nur seinen Job zu erfüllen - und andererseits kann er es immer weniger lassen, Sicherheitslücken von Smartphones mehr und mehr auch für private Zwecke zu nutzen ...

ZWEITER TEIL

Die Stadt lag am Hang auf beiden Seiten des Flusses. Alte Brücken verbanden die Ufer. Ringsum hohe Berge mit schneebedeckten Gipfeln. Vielleicht würden sie mich auf einen Ausflug dort hinauf mitnehmen, wenn ich mit der Arbeit fertig war. Die Gästewohnung der Firma befand sich in einem alten Gebäude aus dem fünfzehnten oder sechzehnten Jahrhundert, an einem kleinen Platz mit winterkahlen Bäumen am Ende einer schmalen Straße. Im großen Wohnzimmer standen dunkle, alte Holzmöbel, und durch die Fenster sah man den Fluss. An den Wänden hingen Dorf- und Jagdszenen in Öl. Die Regale waren voll mit Büchern in der Landessprache, von der ich kein Wort verstand, überhaupt ähnelte sie keiner Sprache, die ich je gehört hatte. In der Ecke stand ein Klavier, und ich klimperte ein bisschen auf den Tasten. Ich hatte mir mal anhand von Online-Tutorials beigebracht, einfache Lieder zu spielen, von Anfang bis Ende und mit Akkorden.

Jeden Tag kamen ein junges Zimmermädchen und eine rotwangige, ältere Köchin, die mir das fürstliche Frühstück auf einem Silbertablett servierte: Rührei mit Wurst, Kaffee und Pflaumensaft, Butter und gutes Brot. Es war ein vorzügliches Mahl aus frischen Zutaten, das schmeckte man. Die Vormittage waren grau, und meist regnete es. Die ältliche Köchin trug eine Schürze und stellte mir das Essen stockstumm auf den Tisch. Ich versuchte, das Schweigen zu brechen, sprach sie auf das Wetter an, aber sie verstand mich nicht oder hatte keine Lust zu reden. Sicher fragte sie sich, warum einer wie ich in einer so prächtigen Wohnung wohnen durfte und solche Mahlzeiten serviert bekam.

Anna, die örtliche Firmenvertreterin, hatte mich am Nachmittag am Flughafen abgeholt: Mitte vierzig, großgewachsen und elegant, grüne Augen, markante Nase und hohe Wangenknochen. Auf den ersten Blick war mir klar, dass sie skeptisch mir gegenüber war, und auch nicht sonderlich beeindruckt, aber gleich darauf veränderte sich ihre Miene, und sie sagte mit breitem Lächeln »herzlich willkommen« auf Englisch. Sie fuhr mich in die Stadt und erklärte mir einiges über Gebäude und Plätze, die wir unterwegs sahen. In ihrem Wagen hing ein feiner Hauch Blumenparfüm. Der Portier am Eingang des Gebäudes, in Schirmmütze und lächerlicher Livree, nahm mir den Koffer ab und brachte uns in einem Fahrstuhl mit Gittertür, wie ich sie nur aus Filmen kannte, in die Wohnung hinauf. Anna stellte mir die Köchin und das blasse Zimmermädchen vor, das mir nicht in die Augen blickte. Die Köchin fragte etwas, wahrscheinlich, ob sie zum Abendessen bleibe, und Anna verneinte, bestellte nur Kaffee für uns beide. Wir setzten uns ins Wohnzimmer. Draußen war alles grau, Regen peitschte an die Fenster, und Anna schlug die Beine übereinander und sagte, sie sei froh, dass ich gekommen sei, es gebe viel zu tun. Sie erkundigte sich nach dem Befinden von »Rani«, wie sie Bulka nannte, und erzählte, er habe vor einigen Monaten hier übernachtet, gefolgt von einigen weiteren Firmengästen. Bulka könnte sich an diese Frau heranmachen, dachte ich, ich hingegen bin winzig klein neben ihr, wie ein Floh. Sie wünschte mir angenehme Nachtruhe und versprach, mich am nächsten Vormittag für ein Treffen auf dem anderen Flussufer abzuholen. Wir tranken Kaffee und aßen großartigen Apfelkuchen, den die Köchin uns aufgetischt hatte. Anna entschuldigte sich, sie müsse jetzt gehen, gab mir ihre Nummer und sagte, ich solle sie jederzeit anrufen, wenn ich etwas brauchte, sogar mitten in der Nacht.

Das junge Zimmermädchen, kränklich und leicht gebeugt, schleppte meinen Koffer. Ich sagte, das sei nicht nötig, aber sie beharrte und zeigte mir den Weg zum Schlafzimmer. Wir gingen gut hundert Schritte durch einen langen, breiten Korridor, der vom Wohnzimmer abging und wie eine Museumshalle aussah. Sie schaltete das Licht im Schlafzimmer an und stellte den Koffer ab. An der Decke schwebten gemalte Engel, und mitten im Raum stand ein hohes, altes Bett, wie in Königsschlössern. Auf dem Marmortisch erwarteten mich ein Obstkorb mit silbernem Obstmesser, eine Flasche Sprudelwasser und mehrere Stücke Kuchen, bedeckt mit einer Serviette, für den Fall, dass ich nachts Hunger bekam. Ich ließ mich gern so verwöhnen. Draußen wechselte der Himmel von Grau zu Schwarz, und der Regen hörte nicht auf. »Gute Nacht«, sagte das Zimmermädchen in der Landessprache, ich hörte sie weggehen und die Wohnungstür ins Schloss ziehen. Ich war allein. Im Badezimmer drehte ich die goldenen Wasserhähne auf und schüttete ein Salz aus einem bereitliegenden Stoffsäckchen in die Wanne. Wohlig im Wasser liegend, redete ich mir ein, dass ich das alles verdiente. Ich dachte an Frauen früherer Zeiten, die das Bad betraten, das Knie beugten, einen Fuß ins Wasser tauchten und es im funkelnden Kerzenschein für »angenehm« befanden.

Am nächsten Morgen war es immer noch grau. Daheim, vor der Abreise, hatte Ronit mir gesagt, ich müsse repräsentativ aussehen, und war auf Firmenkosten mit mir Kleidung kaufen gegangen. Wir besorgten einen warmen Mantel, zwei elegante Anzüge, Hemden und Handschuhe. Im letzten Moment kauften wir auch Schuhe, denn mein bestes Paar war abgetreten. Jetzt nahm ich die Kleidungsstücke aus den Tüten, zog mich an und sah aus wie ein Bar-Mizwa-Junge. Ich aß ein reichhaltiges Frühstück, und danach holte Anna mich ab, schrieb mir von unten, ich solle herunterkommen. »Guten Morgen«, sagte sie lächelnd und fragte, ob es mir recht sei, zu Fuß zu gehen, der Regen habe aufgehört, so hätten wir Zeit, uns zu unterhalten, und sie könne mir auch ein wenig über die Stadt erzählen. Sicher, ich gehe gern, sagte ich.

Sie trug Jeans und lederne Schaftstiefel und machte lange Schritte. »Ich habe einen Sohn in deinem Alter«, sagte sie, als wir durch die Altstadt zum Fluss hinabgingen, »er ist Student. Rani hat mir gesagt, du wolltest Astronomie studieren, stimmt das?« Stimmt, erwiderte ich, und mir gefiel, dass sie über mich geredet hatten. Anna sagte, sie habe Rani versprochen, mich zu der berühmten Sternwarte zu bringen, normalerweise sei sie für die Öffentlichkeit gesperrt, aber sie habe bereits mit dem Zuständigen gesprochen, und man werde uns einlassen. »Doch erst mal haben wir Arbeit zu tun«, sagte sie. Die Geschäfte am Flussufer, die Antiquitäten, Stoffe und einiges mehr verkauften, waren noch zu. Wir gingen auf die Brücke mit ihren steinernen Ungeheuern und Meerjungfrauen und blieben kurz stehen. Die Stadt lag vor uns ausgebreitet – Häuser, Paläste, Kirchtürme. »Sieh dir die Kraft des Wassers an«, sagte Anna, »die Strömung hört nie auf.« Ich überlegte, wie weit ein herabgestürzter Mensch forttreiben würde. »Dort gehen wir hin«, sie deutete zur Burg hinauf und erzählte, zehn Generationen von Baumeistern hätten sie zu Kaiserzeiten errichtet, über zweihundert Jahre habe es gedauert, und jetzt residierten dort der Präsident und der Generalstab.

Wir gingen eine steile Straße hinauf, Anna skizzierte rasch den Aufbau des örtlichen Nachrichtendienstes für mich. Aus historischen Gründen gebe es vier verschiedene Organisationen, die ewig miteinander stritten und um Mittel und Macht konkurrierten, aber seit zwanzig Jahren seien sie alle dem General untergeben, der als zuständiger Minister dem Präsidenten am nächsten stehe. Sie sprach von ihm wie von einer Lichtgestalt. Ich fragte, wen wir jetzt treffen würden, und sie antwortete, uns erwarteten einige Offiziere und Nachrichtendienstler, die dem General unterstellt seien. Wir blieben kurz stehen, um zu verschnaufen, blickten auf die Stadt hinunter, und Anna sagte: »Alles sieht ruhig und schön aus, nicht wahr? Der Fluss strömt, die Paläste funkeln, es gibt Lebensmittel in Fülle. Aber schau dir die Gesichter der Menschen an, sie lächeln nicht. Letztes Jahr haben uns einige Katastrophen heimgesucht. Im Frühjahr gab es eine große Überschwemmung im Tal, die mehrere Dörfer zerstörte, im Sommer stürzte ein Stollen in den Bergen ein und begrub fünfundsiebzig Bergleute unter sich. Vor einigen Wochen ist eine Seilbahn abgestürzt. Die Menschen meinen, der Himmel sei gegen sie. Unsere Wirtschaft ist veraltet, und die jungen Leute flüchten in den Westen. Unser Präsident ist schon über zwanzig Jahre im Amt. Stimmt, die Mehrheit liebt ihn nach wie vor. Er hat uns vor viel Unheil bewahrt und schützt unsere Unabhängigkeit. Aber er hat Gegner, die falsche Gerüchte verbreiten, behaupten, er sei alt und taub und hinter den Kulissen liege die Macht beim General. Letzthin gab es einige Demonstrationen in Provinzstädten und sogar einen Anschlag auf eine Polizeistation. Unser großer Nachbar im Osten versucht, die Lage auszunutzen; sie wittern dort Schwäche und wollen sich unserer bemächtigen. Der Präsident und der General sind höchst besorgt darüber. Sie sehen Horrorszenen von Invasionen und Revolutionen kommen. Davon hatten wir schon genug in unserer schlimmen Geschichte. Der General fragt mich dauernd: ›Was könnt ihr noch für uns tun? Wie kann man uns helfen?‹ Daraufhin haben wir mit Bulka gesprochen. Er hat dem General erzählt, was wir bräuchten, sei einer wie du, einen Experten von deiner Sorte. Und nun bist du da. Wir richten große Hoffnungen auf dich.«

Ich fühlte eine schwere Last auf meinen Schultern landen. Einen wie dich, hatte sie gesagt. Das heißt, einen grauen Maulwurf, der in den unterirdischen Gängen des Netzes gräbt. Es fing wieder an zu regnen, und Anna machte weiter lange Schritte, bis wir das Burgtor erreichten. Davor stand ein kühnes Reiterstandbild. Ich träumte davon, dass man ein solches Denkmal einst für mich errichten würde. Anna wedelte den Wachen mit der Einlassgenehmigung zu, ich sah, wie sie sie gierig anstarrten. Wir betraten den Hof. Die Burg ragte massiv vor uns auf, und Anna sagte, sie...

Erscheint lt. Verlag 15.9.2023
Sprache deutsch
Original-Titel Megale HaChulschot
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Computerkriminalität • Cybersicherheitsfirma • Cyperspace • Datenkriminalität • Ethik • ethische Bedenken • Hacker • Hacker Communities • Hacking • IT-Spezialist • Moralischer Konflikt • moralische Verwerfungen • Nachrichtendienst • Politthriller • Regimekritiker • Schuldgefühle • Sicherheitslücken • Spannungsroman • Spyware • Überwachung • Überwachungstechnologien
ISBN-10 3-0369-9634-6 / 3036996346
ISBN-13 978-3-0369-9634-9 / 9783036996349
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