5 Klasse Western Juli 2023 (eBook)
700 Seiten
Alfredbooks (Verlag)
978-3-7452-3196-0 (ISBN)
2
John Morgan befand sich bei Bürgermeister Lacenby in dessen Büro in der City Hall.
Morgan war ein hochgewachsener Mann um die 40 Jahre. Blonde Haare, die bereits erste graue Strähnen aufwiesen, lugten unter seinem Stetson hervor. Tief an seinem linken Oberschenkel war der schwere Colt-Revolver festgebunden. Der Knauf aus Walnussholz sah ziemlich abgegriffen aus. Bekleidet war Morgan mit einem dunklen Anzug, der jedoch vom gelben Staub der Wildnis gepudert war. Über Morgans Leib spannte sich eine silberne Uhrkette.
"Okay, Mister Lacenby, zu den gebotenen Konditionen bin ich bereit, den Stern in Ihrer Stadt zu nehmen. Ich werde für Ruhe und Ordnung hier sorgen. Von einer Bedingung jedoch mache ich es abhängig, ob ich in Casa Grande den Stern trage."
"Was für eine Bedingung?", fragte Tom Lacenby, der Bürgermeister. Er war ein schwergewichtiger Bursche mit rotem Gesicht und einer Halbglatze.
"Dass mir niemand ins Handwerk pfuscht. Niemand macht mir irgendwelche Vorschriften. Ich mache den Job so, wie ich denke, dass er zu machen ist."
Lacenby lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Zwischen ihm und Morgan stand der schwere Schreibtisch. "Die Stadt beschäftigt Sie, Morgan. Ich bin der Bürgermeister dieser Stadt. Es gibt einige Bürgerräte. Sie sind dem Bürgerrat unterstellt. Also werden Sie sich auch an die Anordnungen halten müssen. Anders geht das nicht. Sie ..."
"Sie haben mich vielleicht falsch verstanden, Bürgermeister. Natürlich halte ich mich an das Gesetz, an die Anordnungen und Weisungen. Wenn ich sagte, dass mir niemand ins Handwerk pfuschen dürfte, meinte ich meine Kompetenzen innerhalb des gesetzlichen Rahmens. Und die Revolverarbeit. Ich werde mein Amt ohne Ansehen der Person ausüben. Vor dem Gesetz und vor mir sind alle Menschen gleich."
"Das ist in Ordnung", versetzte Lacenby, zog den Schreibtischschub auf, griff hinein und als seine fleischige Hand wieder zum Vorschein kam, hielt sie einen Stern. "Stecken Sie sich ihn an die Weste, Morgan", gab er zu verstehen. "Und dann sprechen Sie mir den Eid nach ..."
Als John Morgan wenige Minuten später die City Hall verließ, war er Town Marshal von Casa Grande. Langbeinig schritt er die Main Street entlang. Er ahnte, dass die fünf abgerissenen Kerle, die sich im Saloon befanden, seinetwegen gekommen waren. Er, John Morgan, hatte den Saloon durch die Hintertür verlassen, als er die fünf kommen sah. Der Bursche, den er in Kingman niederschoss, drohte mit seinen Freunden, ehe er starb. Morgan vermutete, dass ihm die Freunde Jesse Sheldons nach Casa Grande gefolgt waren.
Er fürchtete die fünf Kerle nicht. Er war bereit, sich ihnen zu stellen. Dies aber wollte er mit dem Stern an der Brust machen. Er hatte den Stern in vielen Städten getragen. Das Symbol des Gesetzes hatte ihn legitimiert, in Kingman gegen den Mörder Jesse Sheldon vorzugehen. Und in Casa Grande sollte es ihn legitimieren, Sheldons Kumpanen in den Weg zu treten.
John Morgan ging am Fahrbahnrand entlang, bis er schräg gegenüber den Saloon sehen konnte. Die abgetriebenen, verstaubten und verschwitzten Pferde der fünf Coltschwinger standen am Holm. Auch sein Tier stand da. Morgan war vor einer halben Stunde erst in die Stadt gekommen. Ehe er sich beim Town Mayor vorstellte, hatte er sich den Staub aus der Kehle spülen wollen.
Dann kreuzten die fünf Hombres auf.
Die Schießerei in Kingman war seine letzte Amtshandlung dort gewesen. Er hatte ein lukratives Angebot des Bürgerrats von Casa Grande erhalten. Nach dem Kampf mit Sheldon hatte Morgan den Stern zurückgegeben und war losgeritten. Dass ihm Sheldons Kumpane so dicht auf den Fersen saßen, ahnte er nicht.
John Morgan sah einen der Kerle in dem Schaukelstuhl auf dem Vorbau des Saloons sitzen. Der Bursche vermittelte den Eindruck, vor sich hinzudösen. Seine Füße lagen überkreuzt auf dem Vorbaugeländer. Er hielt die Arme verschränkt. Sein Kinn war auf die Brust gesunken.
Der frischgebackene Town Marshal gab sich einen Ruck und überquerte die Fahrbahn. Der Staub knirschte unter seinen Schritten. Sein Handgelenk streifte bei jedem Schritt den Knauf des Revolvers. John Morgan bewegte sich pantherhaft geschmeidig.
Dann stand er am Ende des Vorbaus. Durch das Frontfenster war er für die Kerle im Schankraum nicht zu sehen. Der Stern funkelte im gleißenden Sonnenlicht. "Ihr seid sicherlich meinetwegen nach Casa Grande gekommen", sagte John Morgan halblaut.
James Tanner zuckte zusammen. Er schwang die Füße vom Geländer und setzte sich gerade, rückte sich mit einer hastigen Geste den Stetson aus der Stirn und starrte Morgan an wie eine Erscheinung. Die Zeitspanne zwischen Erkennen und Reagieren dauerte bei ihm einige Sekunden. Dann stieß er hervor: "So ist es. Jesse Sheldon war ein guter Freund von uns. Fahr zur Hölle, Morgan!"
Mit dem letzten Wort wuchs seine Gestalt aus dem Schaukelstuhl in die Höhe. Seine Hand zuckte zum Revolver. Es lief blitzschnell ab. Tanner duckte sich, seine Hand mit dem Colt schwang hoch, er spannte den Hahn ...
John Morgan zog. Es war eine glatte Bewegung von Hand, Arm und Schulter. Das Eisen bäumte sich auf in seiner Faust, Feuer, Rauch und Blei stießen aus der Coltmündung. James Tanner kam nicht mehr zum Schuss. Die Wucht der Kugel warf ihn zurück in den Schaukelstuhl. Seine Faust mit dem Eisen sank kraftlos nach unten, die Hand öffnete sich, der Revolver polterte auf die Bohlen.
John Morgan lief in die Gasse, die am Saloon vorbeiführte.
Im Schankraum erklangen schnelle Schritte. Die Pendeltür flog auf. Zwei Kerle drängten heraus. Sie hielten die Revolver in den Fäusten.
"Verdammt!", zischte einer von ihnen, als er die reglose Gestalt im Schaukelstuhl sah und den sich schnell vergrößernden Blutfleck auf der Brust Tanners wahrnahm. Die beiden tauchten unter dem Geländer hindurch und sprangen auf die Straße.
Aus dem Schankraum trieb eine raue Stimme: "Wer hat auf wen geschossen?"
Einer der Kerle auf der Straße rief: "Tanner ist tot, Ken. Morgan ist verschwunden. Er lauert jetzt wohl darauf, dass wir ihm vor die Mündungen laufen."
Die Schwingtür wurde aufgestoßen. Kenneth Brown trat auf den Vorbau. Sein Revolver steckte im Holster. Er sagte: "Wir werden die Stadt nach Morgan durchkämmen. Es steht immer noch vier zu eins. Wir erwischen ihn."
Er verließ den Vorbau und holte seine Winchester, die im Scabbard am Sattel steckte.
Auch McLeon und Mason holte ihre Gewehre. "Wo ist Lane?", fragte McLeon.
"Er hat den Schankraum durch den Hinterausgang verlassen."
Wie zur Bestätigung seiner Worte begannen hinter dem Saloon Revolver zu donnern. Im ineinander verschmelzenden Schussdonner war ein gellender Aufschrei zu vernehmen, dann verebbten die Detonationen.
Jed McLeon und Phil Mason rannten in die Gasse und bogen in den Hof des Saloons ein.
Da lag ihr Kumpan auf dem Gesicht. Sein Revolver lag neben ihm. Lane Wilder rührte sich nicht.
Gehetzt schauten sich McLeon und Mason um. Der Hof wurde zur Gasse hin und auf der der Gasse gegenüberliegenden Seite von einem mannshohen Bretterzaun begrenzt. Zur Main Street hin schloss ihn der Saloon ab, auf der anderen Seite waren ein flacher Schuppen und ein Stall errichtet.
Das Stalltor knarrte.
McLeon und Phil Mason duckten sich unwillkürlich und schlugen die Eisen an. Niemand zeigte sich. Ihre Anspannung ließ nach. McLeon beugte sich über Lane Wilder. "Tot", murmelte er. "Dieser dreckige Bastard hat auch ihn abgeknallt. Ich ziehe ihm die Haut in Streifen ab, wenn ich ihn in die Finger kriege."
"Ich bin hier!", rief eine dunkle Stimme.
Mason, der dem Stalltor wieder den Rücken zuwandte, wirbelte herum.
McLeon, der noch über seinen Kumpan gebeugt war, richtete sich mit einem Ruck auf. Die beiden Banditen rissen die Colts hoch.
Breitbeinig stand John Morgan in der Tür des Schuppens. In seiner Linken lag ...
Erscheint lt. Verlag | 12.7.2023 |
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Verlagsort | Lengerich |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
ISBN-10 | 3-7452-3196-1 / 3745231961 |
ISBN-13 | 978-3-7452-3196-0 / 9783745231960 |
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