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Schwarz ist die Gier (eBook)

Der zweite Fall für Johann Briamonte
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
256 Seiten
Kampa Verlag
978-3-311-70442-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schwarz ist die Gier -  Claudia Bardelang
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Die renommierte Kunsthandlung Hellstein & Oehring, ansässig in der Freiburger Altstadt, hat zum Empfang in die prachtvolle Jugendstilvilla Ferrette in St. Blasien geladen. Die unbeschwerte Zusammenkunft endet jäh, als Julian Jeltsch, der Auszubildende der Kunsthandlung, zwei Stockwerke in die Tiefe stürzt. Oder gestoßen wurde? Jeltsch ist auf der Stelle tot, und er nimmt ein Geheimnis mit ins Grab: Wenige Wochen zuvor hat eine ältere Dame ihre Dachbodenfunde der Galerie vorgelegt. Solche Leute bringen selten etwas von Wert, und so traute der Galerist Martin Oehring seinen Augen nicht: eine Ölskizze zum »Turm der blauen Pferde« von Franz Marc aus dem Jahr 1913, ein Werk von unschätzbarem Wert. Kurzerhand entschied Oehring, die Kundin im Ungewissen zu lassen, und beauftragte stattdessen den unangepassten, aber überdurchschnittlich talentierten Jeltsch, unter dem Siegel der Verschwiegenheit eine Kopie anzufertigen ... Und jener Jeltsch ist nun tot! Auch Hauptkommissar Briamonte ist auf dem Empfang zugegen. Statt die Renovierung seines Schwarzwaldhofes voranzutreiben, sich in der einstigen Heimat neu einzugewöhnen und den Sommer in seinem verwilderten Obstgarten zu genießen, muss er nun Licht in die dunklen Machenschaften des Galeristen bringen. Denn Jeltsch bleibt nicht der einzige Tote.

Claudia Bardelang wurde 1964 in der Schweiz geboren, wuchs aber in Emmendingen im Breisgau auf. Die Lithographin und Malerin stellte viele Jahre in Deutschland und Italien aus, bevor sie ihre Liebe zum Schreiben entdeckte. Nach einem späten Studium arbeitet sie heute als Lehrerin. Claudia Bardelang hat eine erwachsene Tochter und lebt mit ihrem Partner in Freiburg im Breisgau.

Claudia Bardelang wurde 1964 in der Schweiz geboren, wuchs aber in Emmendingen im Breisgau auf. Die Lithographin und Malerin stellte viele Jahre in Deutschland und Italien aus, bevor sie ihre Liebe zum Schreiben entdeckte. Nach einem späten Studium arbeitet sie heute als Lehrerin. Claudia Bardelang hat eine erwachsene Tochter und lebt mit ihrem Partner in Freiburg im Breisgau.

5


»»Das da? Gleiches Format?«

»Können Sie das?«

»Natürlich kann ich das. Muss ja nicht mal eine Signatur fälschen. Ich brauche nur einen passenden bespannten Keilrahmen. Möglichst aus der gleichen Zeit.«

»Das habe ich bereits besorgt. Hat nicht hundertprozentig das gleiche Maß, das spielt aber keine Rolle.«

»Aha …«

»Können Sie den Auftrag zu Hause erledigen?«

»Sicher. Wenn ich alles mitnehmen kann, was ich brauche.«

»Können Sie. Leben Sie alleine?«

»Ja, wieso? Ist das wichtig?«

»Haben Sie Haustiere?«

»Nein. Haben Sie Angst, dass es kaputtgeht?«

»Natürlich. Das Bild gehört einem Kunden und darf auf keinen Fall beschädigt werden.«

»Was wollen Sie mit der Kopie? Sie haben doch nicht vor …«

»Es zu verkaufen? Natürlich nicht! Was denken Sie! Das wäre illegal!« Oehring lachte viel zu laut. Sein Gegenüber betrachtete ihn abschätzig, und er wischte sich mit seinem Stofftaschentuch die Stirn.

»Ist Ihnen nicht gut?«

»Doch, doch, unerwartet warm heute … und etwas zu viel Kaffee. War viel los, langer Samstag …«

In Gegenwart ihres Restaurator-Azubis Jeltsch fühlte sich Oehring immer etwas unwohl, keine Ahnung wieso. Der junge Mann hatte schon einige Lebenserfahrung, er war fast dreißig, mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein, lässiger Lebenseinstellung und tendenziell sperrigem Charakter. Aber mit begnadetem Talent, wie sein Ausbilder nie müde wurde zu betonen: »Schwieriger Bursche, aber was für ein Händchen!« Dutzende Male schon hatten sie ihn ermahnen müssen, pünktlich zu sein, die Aufträge auftragsgemäß fertigzustellen und seine Joints nicht im Innenhof der Werkstatt zu rauchen. Für seine beiden Chefs schien er leise Verachtung zu hegen, aber schlussendlich zählten die Ergebnisse. Und die waren, zugegeben, phänomenal.

»Ich zahle Ihnen tausend Euro, bar auf die Hand …«

Der junge Mann zog eine Augenbraue hoch: »Wieso fragen Sie nicht den großen Meister Hildebrand?«

»Weil Sie besser sind … Aber das muss unbedingt unter uns bleiben! Haben Sie verstanden? Ein Geschenk für meine Frau.«

Ein Lächeln huschte über das Gesicht des jungen Mannes. »Und dafür müssen die kleinen Kratzer und die Stockflecken auch drauf? Das ist doch gar nicht …«

»Doch! Natürlich ist das nötig! Das ist wichtig!« Oehring schwitzte wie ein Schwein.

»Das heißt, sie soll glauben, es wäre ein Original …«, präzisierte ihr Auszubildender süffisant und drehte sich seelenruhig eine Zigarette.

»Das Original ist leider nicht verkäuflich. Es ist ein schönes Bild und wird ein perfektes Geschenk zum Hochzeitstag sein.« Wieso rechtfertigte er sich überhaupt?

»Hochzeitstag … Aha.« Er glaubte seinem Chef kein Wort, aber das war auch egal. Ein Tausender, bar auf die Kralle, das käme ihm sehr gelegen. Wenn er so viel für diesen Möchtegern-Marc ausgeben wollte, war das seine Sache. Er ließ den Rauch in eleganten Kringeln aus seinem Mund entweichen und weidete sich an der Verlegenheit seines Arbeitgebers. Was für ein blöder Lackaffe, mit seinen hellblau gestreiften Hemden, seidenen Krawatten und dem aufgesetzten Lächeln. Immerhin konnte er sich durch seine Spießerattribute einen gewissen Wohlstand leisten, Porsche Carrera inklusive, das brave Schoßhündchen von Madame. Er lachte heiser.

»Heißt das, Sie machen es?«

»Natürlich mach ich es! Und ich schweige wie ein Grab! Keine Sorge! Indianerehrenwort!« Er hob zwei Finger.

»Wie lange brauchen Sie?«

»Drei Wochen. Ungefähr.«

»So lange?!«

»Natürlich! Was haben Sie denn gedacht. Allerdings, wenn ich Urlaub hätte, ginge es etwas schneller. Wann ist denn der Hochzeitstag?«

»Äh … In einem Monat. Melden Sie sich am Montag krank. Nehmen Sie aus der Werkstatt alles mit, was Sie brauchen … Und absolutes Stillschweigen! Niemand darf davon erfahren! Ist das klar?«

»Glasklar. Aber die Kohle will ich gleich …«

 

Nachdem der junge Mann mit dem Original und dem als Basis dienenden Stillleben unter dem Arm verschwunden war, hatte Oehring eine Art Panikattacke. Was, wenn der verrückte Vogel unterwegs jemanden traf, etwas trinken ging und das Paket irgendwo vergaß? Oder wenn er es zu Hause achtlos abstellte und versehentlich beschädigte? Oder gar selbst verkaufte? Sein Herz raste, und er lockerte hastig den Krawattenknoten. Jetzt hatte er etwas ins Rollen gebracht, was nicht mehr aufzuhalten war.

Wobei, das stimmte nicht ganz. Er könnte das Bild immer noch zurückgeben und niemand würde etwas erfahren. Der Besitz einer Kopie war nicht illegal. Vielleicht sollte er das Ganze überhaupt wieder abblasen und der Frau das Bild einfach abkaufen, dann gäbe es überhaupt keine Schwierigkeiten. Nur, was würde passieren, wenn irgendwann herauskäme, dass eine Ölstudie zum Turm der blauen Pferde aufgetaucht war? Nicht allen Kunstsammlern war zu trauen. Nicht alle genossen ihre Kunstwerke für sich selbst und um der Kunst willen, im stillen Kämmerlein sozusagen. Für viele war es der ultimative Beweis für ihren Kunstverstand und ihre Finanzkraft – Kunst als Statussymbol –, weshalb er nicht sicher sein konnte, dass das Bild nicht irgendwann im Rampenlicht der Öffentlichkeit landen würde. Was dann unweigerlich die eigentliche Besitzerin auf den Plan riefe, die sich, völlig zu Recht, übervorteilt fühlen musste. Nein. Es war die richtige Entscheidung, eine Kopie anfertigen zu lassen. Damit könnte das Original auftauchen, ohne Schaden anzurichten. Oehring klopfte das Herz bis zum Hals. Er stürzte ein Glas kaltes Wasser herunter, stützte sich auf den Waschbeckenrand und betrachtete sich im Spiegel. Jetzt bloß nicht durchdrehen. Er hatte lediglich eine Kopie verlangt. Zwar eine mit den beinahe exakten Maßen des Originals und Gebrauchsspuren inklusive, aber für den Eigenbedarf war es ja erlaubt. Er dürfte diese Kopie nur nicht verkaufen. Was ja auch gar nicht seine Intention war. Das hatte er auch deutlich gemacht, oder? Andererseits war klar, dass das kein normaler Auftrag war. Barzahlung und Stillschweigen waren nicht die üblichen Geschäftspraktiken von Hellstein & Oehring, da hatte ihr junger Azubi nicht ohne Grund die Ohren gespritzt. Das mit dem Hochzeitsgeschenk hatte er ihm nicht geglaubt. Hätte er sich denken können. Oehring atmete tief durch, straffte sich und fuhr sich mit nassen Händen durch das perfekt geschnittene silbergraue Haar. Es gab keinen Grund, jetzt die Nerven zu verlieren. Niemand konnte ihm eine kriminelle Handlung unterstellen. Die Frau wollte eine Schätzung für die Bilder ihrer verstorbenen Großtante, so etwas dauerte eine Weile. Dass er sie über die Anfertigung einer Kopie nicht informierte beziehungsweise um Erlaubnis fragte, war nicht ganz korrekt, aber per se noch keine strafbare Handlung. Erst wenn er der ahnungslosen Kundin die Kopie zurückgeben und das Original verkaufen würde, würde er sich strafbar machen. Aber so weit war es ja noch nicht gekommen. Das waren bisher lediglich hypothetische Gedankenkonstrukte. Sollte das Ganze auffliegen, wäre die Kopie tatsächlich ein Geschenk für seine Frau. Ganz einfach.

Oehring versuchte, in den Bauch zu atmen. Aber eines war nicht zu leugnen, er war auf dem besten Weg, ein Krimineller zu werden, er, der oberkorrekte Oberlangweiler. Er, dessen Leben bis jetzt in vollkommen geraden Bahnen verlaufen war. Die wohlbehütete Kindheit im betuchten Elternhaus, als spätes und einziges Kind, das Studium der Kunstgeschichte, die viel beachtete Dissertation, die Hochzeit mit einer attraktiven, erfolgreichen und vermögenden Frau und schließlich der Einstieg ins Berufsleben – erst als Mitarbeiter, dann als Geschäftspartner der namhaften Kunsthandlung Hellstein & Oehring. Eine Abfolge angenehmer Lebensabschnitte, die sich beinahe ohne sein Zutun aneinandergereiht hatten. Immer freundlich, immer verbindlich, immer zuverlässig – so hatte er sein bisheriges Leben verbracht. Diverse Flirts und eine kurze Affäre mit einer fast fünfundzwanzig Jahre jüngeren Studentin waren das einzige Aufbegehren gegen die Langeweile seiner sicheren Existenz und des beginnenden Alters. Er, dessen Wünsche stets erfüllt wurden, bevor er sie nur denken konnte, hatte das erste Mal etwas wirklich gewollt. In diesem Fall die Hingabe einer so jungen Frau, wobei er, als ausgesprochen gut aussehender Charmeur, schon immer die Bewunderung der Damenwelt genossen hatte. Die Heimlichkeit, die dieser Seitensprung mit sich gebracht hatte, war ein Nervenkitzel gewesen, den er als ausgesprochen erfrischend empfunden hatte, auch wenn er es bald mit der Angst zu tun bekommen und die Liaison beendet hatte. Seine Frau durfte das nie erfahren, denn eine Scheidung wäre für ihn ein finanzielles Debakel. In diesem Worst-Case-Szenario wäre sein ausgesprochen angenehmes Leben zu Ende. Seinen gehobenen Lebensstil, den er dank des Vermögens seiner Frau durchaus genoss, wollte er nämlich nicht missen. Von der gesellschaftlichen Ächtung in seinem Freundes- und Bekanntenkreis ganz abgesehen. Eine Frau wie Henriette verließ man nicht.

Aber ein unverhoffter Schatz wie diese Ölskizze von Franz Marc eröffnete ganz neue Perspektiven, und Oehring wusste, dass dieses Bild sein Leben verändern würde. Verbessern würde. Eineinhalb Millionen Taschengeld, für was auch immer. Mehr oder weniger. Er hatte extra nachgesehen. Das viel zitierte Sahnehäubchen. Ein paar Wochen durchhalten, das sollte doch zu machen sein.

In dem Moment klingelte sein Telefon, und er zuckte zusammen. Seine...

Erscheint lt. Verlag 27.7.2023
Reihe/Serie Ein Fall für Briamonte
Ein Fall für Briamonte
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Baden-Württemberg • Freiburg • Krimi • Kunst • Kunsthandlung • Regionalkrimi • Schwarzwald • Süddeutschland
ISBN-10 3-311-70442-8 / 3311704428
ISBN-13 978-3-311-70442-3 / 9783311704423
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