Mord auf Belford Castle (eBook)
268 Seiten
Piper Verlag
978-3-377-90008-1 (ISBN)
Philippa Jordan ist das Pseudonym von Friederike Radlof, unter dem sie Krimis schreibt. Die Autorin stammt aus Mecklenburg-Vorpommern und lebt und schreibt mittlerweile in Berlin. Sie hat Politikwissenschaft studiert und mag keinen Kaffee - stattdessen trinkt sie die verrücktesten Teesorten, die man sich vorstellen kann. Wenn sie nicht gerade an ihren Romanen sitzt, findet man sie höchstwahrscheinlich in einer Schwimmhalle.
Philippa Jordan ist das Pseudonym von Friederike Radlof, unter dem sie Krimis schreibt. Die Autorin stammt aus Mecklenburg-Vorpommern und lebt und schreibt mittlerweile in Berlin. Sie hat Politikwissenschaft studiert und mag keinen Kaffee – stattdessen trinkt sie die verrücktesten Teesorten, die man sich vorstellen kann. Wenn sie nicht gerade an ihren Romanen sitzt, findet man sie höchstwahrscheinlich in einer Schwimmhalle.
Kapitel 1
Minna reiste nicht gern. Sie mochte ihre kleine Dachgeschosswohnung, den Schreibtisch, auf dem sie Illustrationen für Kinderbücher anfertigte. Sogar die dicken Tauben, die am Tag vor dem Fenster saßen, sie bei der Arbeit beobachteten und es sich in der Nacht auf dem Baum im Innenhof gemütlich machten. Sie mochte auch die knarrenden Dielen, ihre toten Zimmerpflanzen und den Nachbarn, der immer im schwarzen Satinkleid durch das Haus lief. Sie kannte seinen Namen nicht, schätzte aber seinen Modegeschmack.
Und nun hatte sie ihre Festung verlassen und war zu ihrer Enkelin Charlie ins Auto gestiegen, um sich in irgendein Kaff auf dem Land verfrachten zu lassen. Wo sie trauern und Krimis lesen sollte. Wie eine einsame alte Frau, die heimlich mit ihren Küchengeräten sprach. Nicht dass sie das tat. Oder dass der Toaster je geantwortet hätte.
Belford Castle lag inmitten grüner Hügel und lichter Mischwälder. Das Schloss thronte über einem winzigen Dorf mit Häusern aus Sandstein und einer roten Kirchturmspitze.
Als sie durch das Dorf Belhem fuhren und die Leute begannen, neugierig in den fremden blauen Käfer zu spähen, setzte Minna sich demonstrativ ihre Sonnenbrille auf. Sie war seit Wochen nicht unter Menschen gewesen – und sie konnte nicht sagen, dass ihr das gefehlt hatte.
Charlie hielt an einem Fußgängerüberweg, um zwei kleine Mädchen über die Straße zu lassen, und da beugte sich ein Mann mit riesigen Glupschaugen zum offenen Fenster und fragte: »Sind Sie etwa auch wegen der Gartenausstellung hier?«
»Natürlich«, antwortete Minna. »Sehen Sie nicht die Begonie auf dem Rücksitz?«
Der Mann machte ein verdattertes Gesicht, und sie kurbelte das Fenster hoch.
»Das war unhöflich, Grandma.«
Minna rückte sich die Sonnenbrille auf der Nase zurecht. »Ach was, Liebes. Ich mache nur nette Konversation.« Sie warf einen Blick auf Charlie, deren Mundwinkel verdächtig zuckten.
Sie verließen das Dorf und folgten einer gewundenen Straße den Hügel hinauf, auf dem Belford Castle thronte. Und während Minna das Herrenhaus endlich vor sich aufragen sah, vergaß sie sogar, dass sie eigentlich gar nicht hier sein wollte.
Eine von Pappeln gesäumte Zufahrt führte sie zu einem Schloss im Tudor-Stil, erbaut aus hellem Sandstein mit einem von Säulen flankierten Eingangsbereich. Vor dem Gebäude lag ein Rondell, auf dem in früheren Zeiten sicherlich Kutschen geparkt und auf edle Gäste gewartet hatten, und in der Mitte funkelte das Wasser eines Springbrunnens im Licht der Nachmittagssonne.
Charlie parkte am Rondell, im Schatten einer mächtigen Pappel, und Minna öffnete nach kurzem Zögern die Tür und stieg aus dem Auto. Der Kies knirschte unter ihren Schuhen, als sie ein paar Schritte auf das Herrenhaus zuging und die hohen Fenster und die Freitreppe betrachtete, die hinauf zum Eingangsportal führte.
In diesem Augenblick schwangen die Türen mit einem Knarren auf, und oben erschien eine Frau. Sie trug eine geblümte Schürze und hatte graues zu einem Knoten gebundenes Haar und rundliche rote Wangen. Als sie die Gäste erblickte, breitete sich ein herzliches Lächeln auf ihrem Gesicht aus.
Mit winzigen Schrittchen kam sie auf Minna und Charlie zugeeilt. »Sie müssen Minna Dickinson sein. Ich bin Mrs Potter, die Haushälterin unseres schönen Belford Castle.« Minna musterte die ausgestreckte Hand ihrer Gastgeberin einige Sekunden lang misstrauisch, bevor sie einschlug.
Mrs Potter schwatzte schon munter weiter. »Belford Castle ist eine wahre Oase, so ruhig und friedlich. Sie werden sich hier sehr wohlfühlen. Der Hausherr kann Sie leider nicht persönlich begrüßen – aber unter uns, ich finde mich im Haus auch viel besser zurecht als unser alter Griesgram.« Sie zwinkerte Minna verschwörerisch zu. »Also, wenn Sie Fragen haben oder jemanden brauchen, um sich einmal alles von der Seele zu reden, dann kommen Sie jederzeit zu mir, Herzchen.«
Minna wusste nicht, wann man sie das letzte Mal »Herzchen« genannt hatte – und auch nicht, ob sie diese Entwicklung befürworten sollte oder nicht.
Sie verabschiedete sich von Charlie, und als diese hupend vom Hof fuhr, legte sich eine eigenartige Stille über Minna. Was sollte sie hier, an diesem fremden Ort, irgendwo auf dem Land?
Mrs Potter nahm ihr den Koffer ab und schenkte ihr erneut ein Lächeln. »Willkommen, liebe Mrs Dickinson. Willkommen auf Belford Castle.«
Es war ein Haus voller Bücher. Minna nahm die Sonnenbrille ab und blinzelte. Nein, nicht voller Bücher. Voller Kriminalromane. Minna hatte ihre Begeisterung nicht zeigen wollen, aber ihr Mund klappte von ganz allein auf. Sie hoffte, sie würde keine Fliegen damit fangen, während sie ihren Kopf in alle Richtungen drehte, um die dicht an dicht stehenden Bücherregale zu betrachten. Sie reichten bis an die Decke, waren aus dunklem Eichenholz gefertigt und vollgestopft bis obenhin. Sie entdeckte Der Name der Rose, die gesammelten Werke von Agatha Christie, Patricia Highsmiths Zwei Fremde im Zug, Sherlock Holmes.
»Ist das nicht wundervoll?« Mrs Potter drehte sich ihr halb zu, während sie den Koffer durch die Eingangshalle bugsierte. »Lord Cliffton sammelt seit vielen Jahren; die schönsten Ausgaben, die größten Schriftsteller der Welt – sie stehen alle hier. Eine besondere Leidenschaft hat er für Kriminalromane. Agatha Christie, Sir Arthur Conan Doyle, Edgar Wallace, Umberto Eco … Auf Belford Castle sind sie alle versammelt.«
Minna blickte nachdenklich über die Reihen um Reihen an Buchrücken, die sich auf allen Seiten der Eingangshalle bis hin zur kuppelförmigen Decke erstreckten. Sie verliehen dem Schloss eine düstere Atmosphäre. Es war, als wäre sie aus einer warmen, sommerlichen Welt in eine ganz andere getreten – eine aus Papier und Tinte. Obwohl der Besitzer dieses beeindruckenden Herrenhauses nirgendwo zu sehen war, fühlte es sich an, als würde er sie aus allen Ecken heraus beobachten.
Sie durchschritten die mächtige Eingangshalle und folgten einer gewundenen Treppe in den ersten Stock. Auch hier war alles voller Bücherregale, die sich an die Wände schmiegten.
Mrs Potter führte Minna in einen lichtdurchfluteten, breiten Flur, vorbei an einer Bibliothek, an einer Art Speisesaal und einem Salon, in dem gemütlich aussehende Ledersessel und eine Couch vor den hohen Fenstern standen. Auch hier stapelten sich in hohen Regalen, auf Beistelltischen und sogar auf dem Boden die Bücher. Mit jedem Schritt fragte sich Minna ein wenig mehr, was Lord Cliffton wohl für ein Mensch sein mochte. Ob sie den Hausherrn heute noch kennenlernen würde? Oder war er ein zurückgezogen lebender alter Kauz, der lieber mit den Möbeln und den Figuren in seinen Büchern sprach als mit Menschen aus Fleisch und Blut?
Schließlich blieb Mrs Potter vor einer geschlossenen Tür aus schwerem Eichenholz stehen. »Hier werden Sie schlafen, Mrs Dickinson. Ich wünsche Ihnen einen sehr angenehmen Aufenthalt – egal, ob Sie die Gesellschaft von Romanen oder die der anderen Gäste bevorzugen.«
In diesem Augenblick flog eine Tür auf. Ein Bellen erklang, ein weißer Blitz schoss aus dem dahinter liegenden Zimmer, sauste um Mrs Potter herum und jagte dann fröhlich bellend den Flur hinab.
Mrs Potter ließ den Koffer fallen und presste sich eine Hand auf die Brust. »Also wirklich!«
»Entschuldigen Sie bitte!« Eine Frau mit zerzaustem blondem Haar, ein wenig jünger als Minna, kam aus dem Raum – mit drei weiteren Hunden im Schlepptau. »Ich sage ihm immer wieder, dass er das bleiben lassen soll. Aber er hört einfach nicht. Bruno! BRUNO! Komm sofort wieder zu Frauchen!«
Ein Zwergpudel tauchte schwanzwedelnd und mit hängender Zunge am Ende des Flurs auf. Als seine Besitzerin mit einer roten Leine wedelte, duckte er sich und bellte, bevor er aus ihrem Blickfeld verschwand.
»Darf ich?« Die Frau drängte sich an Minna vorbei und sprintete ihrem entlaufenen Pudel hinterher. Die anderen Hunde folgten. Eine Sekunde später waren sie alle die Treppe hinuntergepoltert, und es trat wieder Stille ein.
»Also …« Mrs Potter blickte der Frau und ihren Pudeln noch einige Sekunden lang nach, bevor sie den Koffer aufhob und sich wieder Minna zuwandte. »Also das … das war Gina, ...
Erscheint lt. Verlag | 31.8.2023 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Agatha Christie • britische Krimis • Buchclub • Cosy Crime • Donnerstagsmordclub • Geschenk für Senioren • Großbritannien • Großmutter • Humor • Krimi • Krimis für den Urlaub • Landhauskrimi • Leiche • Miss Marple • Mordclub • murder-mystery • Oma • Pudel • Rentner Buch • Rentner Geschenk • Richard Osman • Toter Butler |
ISBN-10 | 3-377-90008-X / 337790008X |
ISBN-13 | 978-3-377-90008-1 / 9783377900081 |
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