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Brazilian Psycho (eBook)

Thriller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024
640 Seiten
btb (Verlag)
978-3-641-29817-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Brazilian Psycho -  Joe Thomas
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Über einen Zeitraum von sechzehn Jahren zwischen 2003 und 2019 erleben die unterschiedlichsten Charaktere in São Paulo ein sich entfaltendes soziales und politisches Drama, das einen Wirbelsturm von Handlungen und Gegenhandlungen in Gang setzt: Der Mord an einem britischen Schuldirektor und die anschließende Vertuschung stehen im Mittelpunkt brisanter politischer und finanzwirtschaftlicher Entwicklungen, die von Gewalt und Korruption geprägt sind.

Es geht auf direktem Weg von den Favelas und den dort lebenden Gangs in die Hochfinanzwelt von Brokern und Immobilienmaklern bis hin zu den hochrangigen Politikern Lula da Silva und Bolsonaro.

Joe Thomas wurde 1977 in Hackney geboren. Er ist der Autor des von der Kritik hochgelobten São-Paulo-Quartetts - Paradise City, Gringa, Playboy und Brazilian Psycho - und von Bent, das vom Guardian als bestes Buch des Jahres 2020 und von der Irish Times als bester Kriminalroman des Jahres 2020 ausgezeichnet wurde. Joe lebt mit seiner Partnerin und seinem Sohn in London und lehrt an der City University of London.

Ein bahnbrechender Roman unserer Zeit.

»Brazilian Psycho« zeigt, was die Kriminalliteratur zu leisten imstande ist - ein Meisterwerk epischen Ausmaßes.

Brazilian Psycho verwebt Kriminalfall, historische Fakten und Gesellschaftspolitik zu einer radikalen Geschichte einer der faszinierendsten und gewalttätigsten Städte der Welt: São Paulo.

»Ein fesselnder und explosiver Politthriller, der es verdient, neben James Ellroys ›Ein amerikanischer Thriller‹, Don Winslows ›Die Tage der Toten‹ und Marlon James' ›Eine kleine Geschichte von sieben Morden‹ im Regal zu stehen.« (David Peace)

São Paulo


7. Oktober 2018

Nichts los, denkt Beto. Sonntagabend-Blues.

Tote Hose, nada, nix. Also zieht er am Tag der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen mit seinen Kumpels Andre und Fat Pedro um die Blocks.

Die ersten Ergebnisse kommen rein, und obwohl Beto sich nicht groß für Politik interessiert, freut er sich, weil Bolsonaro seine Gegner offenbar vernichtend geschlagen hat.

Vernichtend passt perfekt für den alten Bolsonaro, denkt Beto.

Wie man so hört, hat der Typ was von einem Psycho, hat einen Killerinstinkt.

Zehn Jahre beim Militär, Fallschirmjäger in den Achtzigern: So was macht knallhart. Vor ein paar Wochen erst hat er eine Messerattacke überlebt.

Im Fernsehen haben sie gezeigt, wie er im Krankenhaus einen auf ihr kriegt mich nicht klein machte.

Knallhart.

Brazilian Psycho.

Beto ist nervös, angespannt. Und er hat Schiss, vor was genau, weiß er nicht.

Natürlich lässt er nichts davon durchschimmern.

Seine beiden Kumpels sind ein Jahr älter als er, trotzdem ist er der Boss ihrer kleinen Bande.

Sechzehn Jahre und König des Dschungels.

Die Bixiga Boys.

Bixiga, die Harnblase São Paulos. Ein altes Viertel rechts und links der Avenida Paulista. Dort sind sie groß geworden, haben die Schule abgebrochen und sorgen jetzt für Ordnung. Ihr Job: das Viertel auf unerwünschte Elemente hin zu kontrollieren. Fat Pedros älterer Bruder hat ihnen den Job besorgt.

Beto blickt nicht so genau, von wem der seinen Job hat, aber von irgendwoher fließt Kohle.

Wahrscheinlich handelt es sich um eine Art Nachbarschaftswache, die von der Militärpolizei abgesegnet ist.

Sie schnorren Kippen und kicken Müll herum, hinten im Park an der Avenue, einem Paradies für Junkies und Schwule.

Sie halten Ausschau nach einem Fixer, den sie sich vorknöpfen können, oder nach einem Stricher, dem sie einen Schrecken einjagen können. Sie machen ihren Job gründlich.

Fat Pedro plappert über die Wahlen und die seit Wochen andauernden Proteste, wer da im Recht ist, und was jetzt kommt, da unser Mann am Ruder ist oder bald sein wird.

Er hat keinen Schimmer, wovon er redet, denkt Beto.

Fat Pedro faselt davon, sich zu organisieren, sich einer Skinhead-Bande anzuschließen, um es diesen linken Wichsern zu zeigen, quatscht über die Verbindungen seines Bruders.

Beto hört nicht zu. Der neue Präsident bedeutet grünes Licht für ihren Job, so sieht es Beto.

Er hält die Augen offen, ist wachsam, ihm entgeht nichts.

Jetzt geht’s richtig los, alles ist möglich, und deshalb ist er nervös, hat sogar ein bisschen Schiss, wenn er ehrlich ist. Es ist das Gefühl der Macht.

Und klar, er steht mächtig unter Strom. Es liegen beschissene Tage hinter ihm, und er ist von allem genervt.

Das Leben in Bixiga, in der Blase, kann dich richtig anpissen, sagt man.

Beto kann ein Lied davon singen. Seine Mutter jammert ständig, er soll sich einen anständigen Job suchen. Sein Dad ist nur noch ein Schatten seiner selbst, ein trauriger alter Sack, der in einer der italienischen Kantinen am Ende der Straße Tische abräumt und Geschirr spült.

Er war mal jemand, Betos Alter. Zumindest kam es Beto so vor. Vielleicht ist das der Punkt: Nur Beto dachte, dass er mal was darstellte.

Er schnappt sich eine rostige Spraydose. Packt Fat Pedro an seiner fetten Kehle.

Er hält die Düse vor Fat Pedros Nase.

Halt endlich die Klappe, sagt er.

Fat Pedro reißt die Hände hoch, will Beto wegstoßen.

Lass das, du Arsch, sagt er, ich könnte blind werden.

Beto lacht, dreht Pedro um die eigene Achse und drückt auf den Knopf.

Ich bin Graffiti-Künstler. EleNão! EleNão!, schreit Beto und lacht.

EleNão, das heißt »Nicht er«, und bedeutet, wählt irgendjemanden, bloß nicht Bolsonaro. Ein Graffiti, das sich in den letzten Wochen überall in der Stadt verbreitet hat. Man sieht es auf Brücken und Mauern, in Tunneln und auf Bussen.

Beto lacht, Fat Pedro spuckt, bedeckt die Augen, aber die Spraydose funktioniert nicht.

Nada, ein Scheiß – Fehlanzeige.

Ein müdes Zischen, mehr nicht.

Beto schubst Fat Pedro weg und schmeißt die Dose in die Luft.

Scheiß drauf, sagt er.

Dann: endlich was zu tun.

Die Luft knistert. Es ist was im Anmarsch. Beto kann es riechen.

Er rammt Andre den Ellbogen in die Rippen.

Pass auf, sagt er.

Was?

Tunte.

Wo?

Läuft die Querstraße runter, da drüben. Schleppt Einkaufstüten, die diebische kleine Fotze.

Wo?

Da, du Penner.

Beto zeigt darauf.

Ah, stimmt.

Na, dann los.

Was?

Komm schon, du kennst die Regeln: Siehst du eine Schwuchtel, ist sie dran. Mal schauen, ob sie was Schönes für uns in den Tüten hat. Komm schon.

Schon gut, mach keinen Stress, ich komm ja.

Und dann bemerkt Beto das T-Shirt der Schwuchtel:

EleNão

Das gibt den Ausschlag. Du musst klare Haltung zeigen, denkt er, du musst für deine Jungs einstehen, für deine Seite.

Und dann marschieren sie zu dritt quer durch den Park, bis der Schwule sie entdeckt und seine Schritte beschleunigt …

Nicht zum ersten Mal nehmen sich Beto und seine Jungs einen von diesen aufgedonnerten Homos vor.

Diese Schwuchteln müssen es endlich kapieren.

Aber es ist das erste Mal, dass einer von denen auch noch diesen EleNão-Scheiß verbreitet.

Und das ist echt nicht in Ordnung.

Die müssen wissen, wo ihr Platz ist, und der ist nicht hier.

Bolsonaro redet andauernd davon, diesen Abschaum loszuwerden, der unser großartiges Land ruiniert, und so weiter.

Beto legt einen Zahn zu, der Schwule biegt nach rechts in den Park, hofft wahrscheinlich, dass er sie hinter den Hecken abhängen kann. Also schickt Beto den keuchenden Fat Pedro in die eine Richtung und Andre in die andere, damit sie ihn in die Zange nehmen. Ein paar alte Säufer auf einer Bank grunzen zustimmend, prosten ihnen mit ihren Dosen zu, aber Beto ignoriert sie, er steht unter Strom, er ist jetzt von der Leine. Sie umringen diesen Typ von drei Seiten und packen ihn, er lässt seine Einkaufstüten fallen, und Betos Kopf donnert gegen seine Nase, ein hässliches Knirschen, ein Schrei, und Fat Pedro und Andre dreschen auf seine Rippen ein, wumms, wumms, knack. Und dann zückt Beto sein Messer und sticht zu, mitten in den Hals, fast widerstandslos dringt die Klinge ein, bis zum Anschlag, dann lässt Beto sie wieder rausgleiten, während Fat Pedro und Andre ihn anglotzen, was zum Teufel, und sie schütteln den Kopf, wollen wegrennen, aber Beto rennt nicht weg, stattdessen sieht er zu, wie der Typ blutet, wie er taumelt, ein paar Schritte wankt, wie er ausblutet, noch ein paar Schritte stolpert, ein paar Meter, und schließlich vor Betos Augen zusammensackt.

Und dann, ganz lässig, schlendert Beto zu ihm rüber.

Er zieht das T-Shirt der Tunte hoch. Das T-Shirt mit dem Slogan: EleNão.

Fat Pedro zischt, sie sollten jetzt verdammt noch mal verschwinden.

Beto wedelt ihn weg.

Er zerrt das T-Shirt hoch, nimmt sein Messer und ritzt etwas in die magere Brust des Toten.

Zwei Linien.

V für Victory.

Dann kratzt er sechs weitere Linien: ein unübersehbares blutiges Hakenkreuz.

Und er lacht und lacht und lacht.

Junior schiebt seit sechs Jahren Dienst bei der Militärpolizei.

Das macht ihn nicht zum alten Hasen, aber er ist viel rumgekommen und hat einiges erlebt. Und wie jeder Soldat mit langer Dienstzeit hat Junior dabei auch die eine oder andere Grenze überschritten.

Er steht neben einem Polizeimotorrad mit eingeschaltetem Blaulicht. Er beobachtet die Straße und hört seinen jüngeren Kollegen zu, die große Töne spucken. Sie haben Posten an der Avenida Paulista bezogen, auf der Höhe der Rua Bela Cintra.

Heute ist die erste Runde der Präsidentschaftswahlen über die Bühne gegangen, und es ist ein ruhiger Sonntagabend. Aber sie sind nicht ohne Grund hier …

Es gab Gerüchte über linke Proteste, eine Versammlung von Studenten, Radikalen und anderen Weltverbesserern auf der Hauptstraße.

Falls die zutreffen, dann taucht unvermeidlich auch der anarchistische Schwarze Block auf.

Und die dekorieren gerne mal die Straßen um.

Schlagen Schaufensterscheiben von Konzernniederlassungen ein, verzieren die Bürogebäude mit Graffiti, werfen Farbbeutel, streuen Reißzwecken, zertrümmern Verkehrsampeln, brechen Geldautomaten auf, werfen Mülltonnen durch die Schaufenster der Einkaufszentren.

Solches Zeug.

»Wenn sich welche von denen hier zeigen«, sagt einer von Juniors Kollegen, »dann schlagen wir zu, oder? Wir tun alles Nötige, um sie unter Kontrolle zu bringen, certo

»Was heißt alles Nötige?«, fragt ein anderer.

»Was wohl, Schwachkopf, Gewalt natürlich. Wir dürfen jede Form angemessener Gewalt einsetzen. Wir haben jetzt grünes Licht. Von ganz oben. Wir können mit jedem großmäuligen, ruhestörenden Arsch nach Belieben verfahren, entendeu

Junior schweigt. Zumindest zeigen die Jungs Engagement, und im Grunde hat der Typ ja...

Erscheint lt. Verlag 14.2.2024
Übersetzer Alexander Wagner
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Brazilian Psycho
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2024 • Bandenkrieg • Brasilien • eBooks • Favela • Finanzen • Korruption • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Mordermittlung • Mordfall • Neuerscheinung • Politik • Sao Paulo • Soziale Gerechtigkeit • Thriller
ISBN-10 3-641-29817-2 / 3641298172
ISBN-13 978-3-641-29817-3 / 9783641298173
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