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Krieg (eBook)

Roman | Die spektakuläre literarische Entdeckung aus Frankreich
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
192 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01674-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Krieg -  Louis-Ferdinand Céline
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«Es liest sich, als wäre einer der ganz Großen auferstanden, um sein Werk um ein wesentliches Kapitel zu ergänzen.» (Der Spiegel) Flandern im Herbst 1914. Gleich zu Beginn des Kriegs wird der junge Soldat Ferdinand schwer verwundet. Unter furchtbaren Bedingungen operiert, kommt er halb tot ins Militärkrankenhaus, wo eine Krankenschwester ihn pflegt, die ihn sexuell so anzieht wie er umgekehrt sie. Das Rauschen im Ohr raubt Ferdinand den Schlaf, viel schlimmer aber sind die Bilder im Kopf. Zurück im Leben, freundet er sich mit dem Zuhälter Bébert an und gibt sich zügellosem Vergnügen hin. Er überlistet den Tod, befreit sich von dem Schicksal, das ihm bestimmt war.  Die betäubende Gleichzeitigkeit von Kriegsgrauen, Naturschönheit, menschlicher Verrohung, Zynismus und Liebessehnsucht macht die Einzigartigkeit dieses Buches aus. Ein unvergesslicher Roman über die Hölle, die die Menschen sich gegenseitig bereiten. - Im Sommer 2021 ereignete sich eine literarische Sensation: Tausende Manuskriptseiten Célines tauchten wieder auf. Sie waren 1944 aus seiner Wohnung in Montmartre, während er in Nazideutschland Unterschlupf suchte, entfernt worden. «Krieg» ist das erste Buch aus diesem Konvolut.  - Diese kritische Ausgabe ist übersetzt auf der Grundlage der französischen Pléiade-Ausgabe (der hochangesehenen, unter strengen Editionsrichtlinien erarbeitete Reihe von Werkausgaben des Verlages Gallimard) und mit einem Vorwort von Niklas Bender sowie einer editorischen Notiz des Übersetzers versehen. - Platz 1 der französischen Bestsellerliste. 200.000 verkaufte Exemplare - «Die größte literarische Sensation, die Frankreich erlebt hat.» Frankfurter Allgemeine Zeitung - «Ein abgründiges, explosives, empörtes Buch, das niemals versucht, den Dreck in Gold zu verwandeln, und dennoch daraus nicht weniger macht als einen wahren Schatz.» L'Observateur - «Ein kurzer, lebendiger, tragischer und schlüpfriger Text, der sich einreiht in die Meisterwerke des Autors. Ein Ereignis.» Le Monde des Livres - «Ein ungeschliffener Diamant.» Le Point

Louis-Ferdinand Céline (eigentlich Louis-Ferdinand Destouches), geboren 1894 in Courbevoie, meldete sich freiwillig zum Ersten Weltkrieg und wurde verwundet, studierte Medizin, war Armenarzt in einer Pariser Vorstadt, bevor er als Romancier und Essayist bekannt wurde, u.?a. mit Reise ans Ende der Nacht und Tod auf Raten. Umstritten wegen antisemitischer Pamphlete, floh er gegen Ende des Zweiten Weltkrieges nach Dänemark und wurde in Abwesenheit wegen Kollaboration verurteilt, später begnadigt. Céline starb 1961 in Meudon.

Louis-Ferdinand Céline (eigentlich Louis-Ferdinand Destouches), geboren 1894 in Courbevoie, meldete sich freiwillig zum Ersten Weltkrieg und wurde verwundet, studierte Medizin, war Armenarzt in einer Pariser Vorstadt, bevor er als Romancier und Essayist bekannt wurde, u. a. mit Reise ans Ende der Nacht und Tod auf Raten. Umstritten wegen antisemitischer Pamphlete, floh er gegen Ende des Zweiten Weltkrieges nach Dänemark und wurde in Abwesenheit wegen Kollaboration verurteilt, später begnadigt. Céline starb 1961 in Meudon. Hinrich Schmidt-Henkel, geboren 1959, lebt in Berlin. Er übersetzt u.a. auch Jean Echenoz, Édouard Louis, Jon Fosse, Tomas Espedal und Tarjei Vesaas. Ausgezeichnet wurde er z. B. mit dem Jane Scatcherd-Preis, dem Paul-Celan-Preis des Deutschen Literaturfonds und dem Straelener Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW (zusammen mit Frank Heibert).

Ein Vorwort von Niklas Bender


Die Weltliteratur hat ihre Krimi-Szenen: Im Sommer 1944 wurde in die Wohnung des Dr. Destouches, bekannt unter dem Schriftstellernamen Louis-Ferdinand Céline, gelegen 4, rue Girardon, eingebrochen. Céline befand sich seit dem 17. Juni 1944 auf der Flucht: Mit seiner Frau Lucie («Lucette») und Kater Bébert war er nach Deutschland aufgebrochen, Reiseziel Dänemark, wo er vorausschauend seine in Gold konvertierten Einnahmen hinterlegt hatte. Elf Tage zuvor waren die Alliierten in der Normandie gelandet, das Kriegsende nahte, Céline fürchtete wegen seiner Hetzschriften um Freiheit und Leben. Die Flucht sollte sich schwierig gestalten: Nach Aufenthalten in Baden-Baden, Kränzlin und vor allem Sigmaringen, Exil der Vichy-Regierung, sowie einer Irrfahrt durch ein apokalyptisch anmutendes Deutschland kam Céline im März 1945 in Kopenhagen an. Frankreich sollte er erst 1951 wiedersehen.

Kurz nach Célines Abreise brachen Résistance-Kämpfer in seine Wohnung ein, beziehungsweise sie brachen sie auf, um sie zu nutzen – diese Nuance deutet schon zwei radikal verschiedene Versionen der Ereignisse an. Nach seiner Rückkehr wird Céline beteuern, dass die Résistance die zurückgelassenen Manuskripte entwendet oder zerstört habe, ein unersetzbarer Verlust. Von einem Schloß zum andern (1957), der Erfolg der Nachkriegsjahre, klagt gleich auf der zweiten Seite: «Man hat mir am Montmartre alles gestohlen! … alles! … rue Girardon! … ich wiederhole nochmal … ich kann es nicht genug wiederholen! Man tut, als höre man mich nicht …» Er hält fest, was da verschwunden ist: «Ich weiß ganz genau, was man mir geklaut hat, ich hab’ das Inventar im Kopf … ‹Casse-Pipe›, ‹La volonté du Roi Krogold›, dazu noch zwei, drei Kladden! …» Die Jeremiaden wurden nicht ernst genommen: Célines Romane mischen biografische Fakten mit Fiktion, in Briefen oder Interviews neigte er zu Übertreibungen, Verzerrungen, Ausbrüchen – die Rede vom Diebstahl wurde als bildreiches Lamento gesehen. Da Céline auf der falschen Seite von Geschichte und Moral stand, interessierte sich in der Tat niemand dafür. Für Céline hingegen stellte die Entwendung Höhe- und Endpunkt seiner Vertreibung aus Montmartre, seinem Pariser Lieblingsviertel, und aus Frankreich dar.

Jahrzehntelang schien das Thema erledigt. Am 6. August 2021 dann berichtete Le Monde von einer unglaublichen Entdeckung: Jean-Pierre Thibaudat, ehemaliger Theaterkritiker der Zeitung Libération, war seit gut fünfzehn Jahren im Besitz einer Kiste voll Céline-Handschriften, die er geordnet und transkribiert hatte. Die Texte wollte er dem Institut Mémoires de l’édition contemporaine (IMEC) übergeben, wo literarische Nachlässe verwahrt werden. Er kontaktierte die Rechte-Inhaber François Gibault und Véronique Robert-Chovin, die nicht zu Célines Familie gehören: Colette (1920 bis 2011), Célines Tochter aus erster Ehe, und ihre Kinder hatten das Erbe ausgeschlagen, es war daher Witwe Lucette zugefallen, die es nach Gutdünken vermachte. Gibault ist ein Céline-begeisterter Anwalt, der eine wichtige Biografie verfasst hat, Chovin ist Psychologin, die mit Lucette die Tanz-Leidenschaft teilte.

Experten der Pariser Nationalbibliothek bestätigen: Die gut 6000 Seiten sind waschechter Céline – eine literarische Sensation. Wie war Thibaudat an die Manuskripte gekommen? Warum trat er so spät an die Öffentlichkeit? Die zweite Frage ist leicht zu beantworten: Erst 2019 war Witwe Lucette im biblischen Alter von 107 Jahren gestorben. Es war Thibaudat zur Bedingung gemacht worden, ihren Tod abzuwarten, um zu verhindern, dass sie die Unterlagen ‹säubern› könne; darunter sind nämlich auch Fotos, Briefe, die Scheidungsdokumente zu Célines erster Ehe mit Édith Follet – sowie ein antisemitisches Dossier.

Der Weg der Manuskripte ist weniger leicht aufzuklären. Bereits zum Besitzerwechsel gibt es mindestens zwei Versionen. Céline verdächtigte diverse Personen, bezichtigte aber vor allem die Résistance: «Mein Bewohner [«occupant»: Für Céline sind Résistance-Kämpfer Besatzer; N. B.] in der rue Girardon hat in den Müll geworfen – die handschriftliche Fortsetzung von Guignol’s – und noch drei weitere angefangene Romane! Es ist ein besagter Morandat, Freund von de Gaulle» (Brief vom 4. September 1947). Die Rede ist von Yvon Morandat (1913 bis 1972), der Célines Wohnung mit seiner Frau bis 1946 bewohnt hatte: ein Gewerkschaftler und Widerstandskämpfer. Am 25. August 1944 befreite das Paar im Alleingang das Hôtel de Matignon, Sitz des Premierministers, eine so filmreife Szene, dass Jean-Paul Belmondo und Marie Versini sie in Brennt Paris? (1966) nachspielten. Später brachte Morandat es bis zum Staatssekretär. Célines Diebstahl- oder Zerstörungsthese stehen Thibaudats Erklärungen gegenüber: Morandat habe Célines Habseligkeiten und Manuskripte sicher verwahren wollen. Tatsächlich hat Morandat Céline nach seiner Rückkehr kontaktiert, ihn auf ein Möbellager hingewiesen, für das nur die Rechnung zu begleichen gewesen sei, ihn über seine Texte informiert. Céline witterte eine Falle, wollte nicht zahlen; offensichtlich gefiel er sich in der Opferrolle und ging davon aus, dass Morandat sowieso nur Skizzen aufbewahrt habe. So blieben die Manuskripte im Morandat-Besitz, wurden Thibaudat dann um das Jahr 2004 übergeben (hier ist die Angabe vage), mit ebender Auflage, sie nicht vor Lucettes Ableben zu publizieren.

 

Der Manuskript-Krimi ist Teil eines Lebens, das Skandalromane hervorgebracht hat und selbst einem gleicht. Louis-Ferdinand Destouches wird am 27. Mai 1894 in Courbevoie geboren und wächst in Paris auf. Seine Eltern Ferdinand, genannt Fernand Destouches, Versicherungsangestellter, und Marguerite Guillou, Nippeshändlerin, lassen ihrem einzigen Kind zwar eine gute Spracherziehung zuteilwerden (Aufenthalte in Deutschland und England), seine Schuldbildung beenden sie jedoch schon 1907, nach dem Ende der siebenjährigen Grundschule. Sie schicken ihn in die Lehre – für Céline eine Erfahrung sozialer Gewalt, die ihm die wahre Lebenslektion scheint. Bürgerssöhnen, die eine lange Schulbildung genießen, spricht er, der Autodidakt, die zentrale Initiationserfahrung ab; hier wie in der Moral ist er kleinbürgerlich geprägt. Céline engagiert sich 1912 bei den Kürassieren und wird nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs in die erste Flandernschlacht geschickt. Am 27. Oktober 1914 wird Quartiermeister Destouches in Poelkapelle bei Ypern doppelt verletzt, durch eine Granatenexplosion (Gehirnerschütterung, Splitterwunde) sowie durch einen Querschläger (Verletzung des rechten Arms). Die lebenslangen Folgen: Der Arm bleibt teilgelähmt, Céline leidet an Drehschwindel und Pfeifgeräuschen. Das Vaterland ist dankbar, Céline wird mit einer Militärmedaille ausgezeichnet und als Held gefeiert.

Nach der Genesung dient ihm ein London-Aufenthalt, wo er in der Passabteilung des Konsulats arbeitet, als zweite Schule des Lebens: Im Kontakt mit dem Rotlicht-Milieu streift Céline sittliche Skrupel ab und entwickelt eine Vorliebe für Tänzerinnen; er ehelicht inoffiziell Suzanne Nébout, ein Animiermädchen. In der Folge arbeitet er in den ehemals deutschen, nun französischen Kolonien Zentralafrikas und als Hygiene-Didaktiker für die Rockefeller-Stiftung. 1918 lässt er sich in Rennes nieder und heiratet – offiziell diesmal – Édith Follet, bürgerliche Tochter eines Arztes; 1920 wird Tochter Colette geboren, Célines einziges Kind. In den Jahren 1919 bis 1921 absolviert er unter den für ehemalige Frontkämpfer reservierten Bedingungen das Medizinstudium in Rennes, ist anschließend Famulant seines Schwiegervaters. Die Studien schließt er mit einer medizinhistorischen Arbeit zum Hygieniker Ignaz Semmelweis ab, dessen revolutionäre Erkenntnisse zur Vermeidung des Kindbetttods verkannt wurden – eine tragische Figur, mit der Céline sich identifiziert. Céline hält es nicht in der Bretagne, auch wenn die Region seine Wahlheimat bleiben wird; die Ehe mit Édith wird 1926 geschieden. Nach einer Zwischenstation beim Völkerbund und einer Liaison mit der amerikanischen Tänzerin Elizabeth Craig wird Céline Armenarzt im Pariser Vorort Clichy, eine Tätigkeit, die er fünfzehn Jahre lang mit Überzeugung ausüben wird.

Nach diversen Versuchen fängt Célines Schriftsteller-Laufbahn im Jahr 1929 an: Er beginnt die Arbeit an Reise ans Ende der Nacht. Nächtlich ist auch die Niederschrift der Irrfahrten Bardamus, tagsüber praktiziert Céline als Arzt. 1932 erscheint der Roman im jungen Verlag Robert Denoël und wird ein Skandalerfolg; knapp verpasst er den Prix Goncourt, erhält den Prix Renaudot. Seine Innovationskraft liegt in einer anarchisch-episodenhaften Erzählweise ohne Tabus sowie im originellen Stil: Céline nähert das stark kodifizierte Literaturfranzösisch dem gesprochenen Wort an, mischt Umgangssprachliches oder sogar Argot darunter, scheut weder Wiederholungen noch Satzabbrüche; die berühmten Auslassungspunkte werden sein Markenzeichen. Céline baut auf Vorgängern wie den Naturalisten Émile Zola (Der Totschläger, 1877) und Octave Mirbeau (Tagebuch einer Kammerzofe, 1900) auf, weitet die stilistische Neuerung aber auf die gesamte Erzählerrede aus. Er sieht sich in Konkurrenz zur Suche nach der verlorenen Zeit (1913–1927) des kultivierten, großbürgerlichen Ästheten Marcel Proust (für Céline: «Pups-Proust»): Dessen lange,...

Erscheint lt. Verlag 12.9.2023
Übersetzer Hinrich Schmidt-Henkel
Vorwort Niklas Bender
Zusatzinfo Mit Abbildungen
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1. Weltkrieg • Entfremdung • Erster Weltkrieg • Ferdinand • Flandern • Französische Literatur • Grausamkeiten des Krieges • guerre • Imperialismus • Im Westen nichts Neues • klassische Literatur • Kriegsgrauen • Kriegsroman • Marcel Proust • Realismus • Reise ans Ende der Nacht • Rigodon • Soldatenleben • Tod auf Raten • Weltliteratur • Westfront • Zynismus
ISBN-10 3-644-01674-7 / 3644016747
ISBN-13 978-3-644-01674-3 / 9783644016743
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