Critical Mass (eBook)
576 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01724-5 (ISBN)
Bevor Daniel Suarez mit dem Schreiben begann, machte er als Systemberater Karriere und entwickelte Software für zahlreiche große Firmen der Militär-, Finanz- und die Unterhaltungsindustrie. Seinen ersten Roman veröffentlichte er 2006 unter Pseudonym im Eigenverlag. Nachdem das Buch die Internet- und Gaming-Community im Sturm erobert hatte, wurde ein großer Verlag darauf aufmerksam. In der neuen Ausgabe avancierte «Daemon» zum Bestseller. Daniel Suarez lebt und arbeitet in Kalifornien.
Bevor Daniel Suarez mit dem Schreiben begann, machte er als Systemberater Karriere und entwickelte Software für zahlreiche große Firmen der Militär-, Finanz- und die Unterhaltungsindustrie. Seinen ersten Roman veröffentlichte er 2006 unter Pseudonym im Eigenverlag. Nachdem das Buch die Internet- und Gaming-Community im Sturm erobert hatte, wurde ein großer Verlag darauf aufmerksam. In der neuen Ausgabe avancierte «Daemon» zum Bestseller. Daniel Suarez lebt und arbeitet in Kalifornien. Cornelia Holfelder-von der Tann, geboren 1950, beschloss nach dem Studium (Anglistik, Germanistik, Romanistik) und einem Lehramtsreferendariat, es mit dem literarischen Übersetzen zu probieren und ist seither hauptberuflich dabeigeblieben. 2021 wurde sie mit dem Übersetzerpreis für langjähriges Übersetzen, «Rebekka», ausgezeichnet.
Prolog
5. März 2038
Adedayo Adisa blickte auf ein holografisches Modell der Erde, das vor ihm schwebte. Mit einer Handbewegung veränderte er eine rote Linie, die die Atmosphäre des virtuellen Planeten streifte, worauf sie steil abwärtsführte und auf der Oberfläche der Modell-Erde endete. Eine weitere Modifikation, und die Linie prallte wieder in den Weltraum zurück. Handbewegung um Handbewegung zeitigte das Gleiche – entweder Verglühen beim Wiedereintritt oder Abprallen zurück ins All. Keine Iteration führte zu einer stabilen Umlaufbahn.
Er hörte Schritte auf den Bodenplatten hinter sich, dann drehte sich das Rad der Drucktür des Habitats, und diese öffnete sich quietschend.
Als er sich umdrehte, sah er Isabel Abarca das Abteil betreten und ihr langes schwarzes Haar lösen. Sie rieb sich die Kopfhaut und seufzte erschöpft. Ihr ausgeblichener blauer Fluganzug war an mehreren Stellen mit Kapton-Klebeband geflickt.
Sie schloss die Drucktür hinter sich wieder luftdicht und sah dann her. «An Sauerstoffgenerator zwei sind Instandhaltungsmaßnahmen nötig. Wir müssen dafür Teile aus Hab 2 ausbauen.» Sie bemerkte das holografische Modell. «Wie sieht’s aus?»
Adisas nigerianischer Akzent war stärker als sonst, was verriet, dass er unter Stress stand. «Ihr Raumfahrzeug ist auf Kurs zur Erdbegegnung in sechsundzwanzig Tagen.»
Sie lächelte. «Du hast es also vollbracht, Ade.» Abarca kam heran und blickte ihm über die Schulter. «Sie schaffen es zurück zur Erde.»
«Ja – aber nur kurz.» Er probierte es mit einer weiteren Flugbahn, wieder ein Fehlschlag.
Abarcas Lächeln verschwand, und sie ließ sich auf einen Sitz neben ihm am Galley-Tisch sinken. Sie blickte jetzt ebenfalls auf das holografische Modell.
Adisa sagte beklommen: «Wegen ihres verspäteten Starts war für die Begegnung mit der Erde eine hohe Geschwindigkeit nötig – was heißt, das Abbremsen wird ein Problem. Auf ihrer jetzigen Flugbahn werden unsere Crewkameraden die Erdatmosphäre mit über 100000 Stundenkilometern streifen. Bei dieser Geschwindigkeit ist der Erdeinfang durch Atmosphärenbremsung schwierig. Es ist wahrscheinlich, dass sie entweder zu tief in die Atmosphäre eintauchen – und verglühen – oder aber geradewegs durch sie hindurchrasen und wieder im tiefen Weltraum verschwinden. Für immer.»
«Wie wahrscheinlich?»
Es dauerte ein Weilchen, bis er antwortete. «Wegen der atmosphärischen Variabilität lässt sich das nicht mit Sicherheit sagen, aber ihre Autopilot-Software wird bei dieser Geschwindigkeit nicht einmal eine Atmosphärenbremsungslösung berechnen. Die erforderliche Verlangsamung könnte tödlich sein. Also werden sie das Fahrzeug manuell durch unbekannte Variablen steuern müssen – und das unter mindestens 10 g. Ein Kunststück, das ich nicht modellieren kann.»
Abarca studierte schweigend das Hologramm, wo das virtuelle Raumschiff ein weiteres Mal verglühte.
«Ich fürchte, indem ich unsere Kameraden auf diese Flugbahn geleitet habe, habe ich sie nicht gerettet, sondern umgebracht.»
«Wir hatten keine andere Wahl, Ade.» Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. «Uns blieb keine Zeit mehr, und dieses zusammengestückelte Antriebssystem war unpräzise. Ohne unsere Kurskorrekturen hätten sie die Erde ganz verfehlt.»
Er blickte auf das Hologramm. «Das war nur nötig, weil ich zu lange gebraucht habe, um die Systeme zu integrieren. Wenn ich rechtzeitig fertig gewesen wäre, hätten wir das Transferfenster zur Erde erwischt und wären alle sicher nach Hause zurückgekehrt. Es ist meine Schuld.»
«Es ist niemands Schuld. Dabei überhastet vorzugehen, hätte zehn andere Probleme verursachen können. Noch mal: Sie hätten die Erde womöglich ganz verfehlt.»
«Spielt ja jetzt keine Rolle mehr.» Er senkte den Kopf. «Soll ich sie kontaktieren? Soll ich es ihnen sagen?»
«Nein. Sie werden ihre Situation früh genug erkennen. Lass ihnen die Hoffnung.»
Er saß eine Weile schweigend da. «Ich habe sie gezwungen loszufliegen.»
«Wir haben sie gezwungen.» Sie beugte sich in sein Blickfeld. «Wenn sie hiergeblieben wären, wären wir alle verhungert.»
Er drehte sich zu ihr. «Dann dürfen wir also überleben, während unsere Freunde sterben?»
Sie sah ihn traurig an. «Ach, Ade. Die Konstantin wird es nicht mehr lange machen. Selbst wenn wir die Ersatzteile hätten – zwei Leute können dieses Schiff nicht instand halten.» Sie blickte wieder auf das Hologramm. «Es war die letzte Chance, dass überhaupt jemand von uns zurückkehrt.»
«Ich musste ja hierbleiben, aber du nicht.»
«Das haben wir doch besprochen. Ein Captain lässt niemanden von seiner Crew zurück. Und wie sich jetzt herausstellt, ist es sowieso egal.»
Adisa nickte.
«Wenn jemand an etwas schuld ist, dann ich. Ich habe euch alle rekrutiert.»
«Dann solltest du die Schuld Nathan Joyce geben – er hat dich rekrutiert.»
Sie lachte bitter. «Es ist anscheinend genug Schuld für alle da.»
«Wir kannten ja die Risiken, aber ich hatte gehofft, wenigstens Priya, James und Han heil nach Hause zurückzubringen. Stattdessen ist jetzt die ganze Expedition gescheitert.»
«Das würde ich nicht sagen.» Abarca deutete auf die gerundete Aluminiumwand des Hab-Kerns, wo jede Menge «Pionierleistungen» mit Permanentmarker graffitiartig festgehalten waren. «Schau dir doch an, was wir hier draußen erreicht haben. Wir waren weiter und länger im tiefen Weltraum als je jemand zuvor. Wir haben den Asteroidenbergbau perfektioniert. Wir haben Tausende Tonnen aufbereitete Rohstoffe auf den Weg in den Mondorbit geschickt, genug, damit die Menschheit den Schritt in den Kosmos tun kann. Ich würde das doch als Erfolg bezeichnen.»
Adisa studierte die an der Wand vermerkten Leistungen – viele davon in der Schrift von Crewmitgliedern, die inzwischen tot waren. «Glaubst du wirklich, was wir hier draußen getan haben, wird so entscheidend sein?»
Abarca wollte gerade antworten, als Alarmhupen ertönten. Eine synthetische Frauenstimme sagte: «Kritischer Alarm: neuer Radarkontakt. Wiederhole: neuer Radarkontakt.» Alarmleuchten an der Decke blitzten auf.
Adisa seufzte. «Wieder Trümmer …» Er wischte das Hologramm der Erde beiseite und öffnete ein virtuelles Fenster, das die Radarkonsole des Schiffs zeigte. Ein Blip leuchtete da, 100 Kilometer querab von ihrer Position am Asteroiden Ryugu. «Halt mal … Das ist was anderes.»
Abarca musterte den Radarschirm. «Ist das die Argo?»
Sie sprach von einem robotischen Mutterschiff, das drei Jahre zuvor ein Milliardär und Konkurrent ihres Bosses Nathan Joyce zum Ryugu entsandt hatte. Mehrere solcher milliardenschweren «Weltraumtitanen» wetteiferten darum, außerirdische Rohstoffe abzubauen, und der Ryugu war weit und breit der vielversprechendste Asteroid im inneren Sonnensystem. Doch anders als die Konstantin war die Argo autonom und befand sich im Ruhezustand, seit ihre Rohstoffabbaufahrzeuge, ein Dutzend an der Zahl, außer Funktion waren – dem hochgradig abrasiven Regolith des Asteroiden erlegen.
Doch nicht, ohne zuvor ein Mitglied der Konstantin-Crew getötet zu haben.
«Nein. Die Argo hat sich nicht bewegt.» Adisa zeigte auf einen anderen Blip mehr als 100 Kilometer weiter draußen und seitlich von ihnen. «Das da ist was Neues.» Er checkte die Telemetriedaten. «Und es korrigiert seinen Kurs genau auf den Orbit des Ryugu.»
Abarca öffnete ein weiteres virtuelles Fenster, den Feed eines optischen Arrays. Sie richtete eine Kamera auf das nahende unbekannte Objekt, und gleich darauf hatten sie ein Visual. Der virtuelle Screen zeigte ein wenig elegantes Raumfahrzeug vor einem Hintergrund von Sternen. «Ich glaub’s nicht …»
Das mysteriöse Raumschiff bestand aus einer Antriebseinheit, angedockt an eine Serie anderer Module – das vorderste eine alte Sojus-Kapsel. Der Raketenantrieb, der von ihnen wegzeigte, brannte lautlos vor sich hin, um den Orbit des Schiffs zu zirkularisieren.
Adisa zoomte das Bild heran. «Keine sichtbare Kennzeichnung. Vielleicht ein robotischer Nachschub-Transporter?»
Sie zeigte mit dem Finger. «Das da sieht aus wie ein Lebenserhaltungsmodul. Ein kleines Zentrifugensegment.»
«Vielleicht ist es ja ein ‹Rettungsboot› für uns.»
«Für eine Rückkehrflugbahn zur Erde ist es zu spät, und außerdem hätte uns die Missionskontrolle Bescheid gesagt.»
Adisa nickte düster und checkte dann das Kommunikationssystem. «Wenn jemand an Bord ist, funken sie uns nicht an.»
Sie stutzte. «Vielleicht ja, weil sie die Crew der Konstantin für tot halten.»
Adisa sah sie an. «Du glaubst also, das Schiff da haben die neuen Eigentümer geschickt?»
«Sprich ihnen nicht so viel Legitimität zu. Sie sind Nathans Gläubiger, mehr nicht.»
«Aber warum sollten sie ein Schiff schicken?»
«Es könnte doch eine Ersatzcrew sein.»
Adisa war verdutzt. «Du glaubst, sie würden tatsächlich Leute hier rausschicken?»
«Es ergibt doch einen gewissen Sinn. Zuerst weigern sie sich, unsere Verträge mit Nathan einzuhalten, obwohl wir all diese Rohstoffe gewonnen haben – und dann schalten sie von fern unsere Lebenserhaltungssysteme ab. Wenn du nicht eine Umgehungslösung gefunden hättest, wären wir alle tot. Vielleicht war es ja die...
Erscheint lt. Verlag | 14.11.2023 |
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Reihe/Serie | Ein Delta-v-Thriller | Ein Delta-v-Thriller |
Übersetzer | Cornelia Holfelder-von der Tann |
Zusatzinfo | Mit 5 s/w-Abb. |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Adrian Tchaikovsky • All • amerikanische thriller • Andy Weir • Asteroid • Asteroidenbergbau • Asteroid Mining • Astronaut • Blake Crouch • Dark Matter • Elon Musk • Hard Science Fiction • James S. A. Corey • Klimakrise • Klimawandel • Neal Stephenson • Near future • Raumfahrt • Ressourcenknappheit • Science-fiction • Science Fiction • Science Fiction Neuerscheinung 2023 • SciFi • Space Mining • Technothriller • termination shock • Thriller • Weltraum • Weltraumkolonisierung • Weltraummission • Zukunft |
ISBN-10 | 3-644-01724-7 / 3644017247 |
ISBN-13 | 978-3-644-01724-5 / 9783644017245 |
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