Der Weg ins Feuer (eBook)
360 Seiten
Suhrkamp Verlag
978-3-518-77436-6 (ISBN)
Betty Rhyzyk, die rothaarige, knallharte Drogenfahnderin vom Dallas Police Department, erholt sich nur schwer von den Verwundungen an Seele und Körper, nachdem sie der abscheulichen Meth-Sekte von Evangeline Roy entkommen ist. Sie ist unruhig, schreckhaft und unleidlich, selbst gegenüber ihrer geliebten Frau Jackie. Ihr Frust wird sogar noch größer, als sie von ihrem Vorgesetzten zum Innendienst verdonnert wird. Denn das Dallas Police Department hat Probleme: Ein neuer Player eines mexikanischen Kartells ist aufgetaucht - El Cuchillo, »das Messer«, ein besonders brutaler Killer. Und zudem scheint ein Cop Selbstjustiz an kleineren Dealern zu verüben. Noch mehr belastet Betty aber, dass ihr Partner Seth im Verdacht steht, selbst Drogen zu nehmen und korrupt geworden zu sein. Und dann ist da noch Evangeline Roy, die zweifellos auf Rache aus ist. Betty wäre aber nicht Betty, wenn sie das daran hindern würde, alle Probleme auf einmal anzupacken - und sei's außerhalb der Legalität.
Kathleen Kent, geboren 1953 in Meadville, Pennsylvania, und aufgewachsen in Texas, ist bekannt für ihre historischen Bestseller-Romane <em>The Heretic’s Daughter</em>, <em>The Traitor’s Wife </em>und <em>The Outcasts</em>. Für ihren ersten Thriller, <em>Die Tote mit der roten Strähne</em>, wurde sie für den Edgar Award und den Nero Award nominiert. Für das Sequel <em>Der Weg ins Feuer</em> wurde sie ebenfalls für den Edgar Award nominiert. Sie lebt in Dallas.
13
8. Januar 2014
Baylor Hospital
Ich sitze auf dem Krankenhausbett, die nackten Beine baumeln über dem Rand, nur Zentimeter vom eiskalten Boden entfernt. Ein Notarzt untersucht mich. Er bohrt mit dem Finger in die Beule, als wäre ich eine Avocado. Als ich mich am Krankenhemdchen festkralle und das Gesicht verziehe, hält er kurz inne.
»Tut das weh?«, fragt er.
Ich funkle ihn böse an. »Ähm, nö. Fühlt sich super an.«
»Das CT zeigt, dass Sie von dem Schlag auf den Hinterkopf eine leichte Gehirnerschütterung davongetragen haben, aber die linke Schläfe ist so weit okay, da haben wir nur ein Hämatom. Wir müssen nicht nähen, die Leuko-Strips reichen. Wir müssen uns also erst mal keine Sorgen machen.«
»Na, da sind wir aber froh, dass wir uns keine Sorgen machen müssen.«
Der Arzt ist noch jung, hat wohl gerade erst sein Studium abgeschlossen. Sarkasmus haben sie auf der Uni offenbar nicht gelehrt.
»Ich habe Halsweh. Fühlt sich an, als wäre alles zugeschwollen.«
Er schaut mir in den Mund, betastet meinen Hals und zuckt die Achseln. »Ich verordne Ihnen ein paar Tage Bettruhe«, sagt er knapp. »Ihr Blutdruck ist leicht erhöht. Wenn Ihnen schlecht oder schwindelig wird oder Sie Schluckbeschwerden haben, kommen Sie bitte wieder her. Falls die Kopfschmerzen nicht nachlassen, gehen Sie zu Ihrem Hausarzt. Den sollten Sie ohnehin in den nächsten Tagen aufsuchen, wegen der Nachuntersuchung. Die Schwester bringt Ihnen den Entlassungsbrief.«
Er zieht den Vorhang zur Seite. Während er mich untersucht hat, wurden zwei Verletzte mit Schusswunden eingeliefert, Baylor ist die Top-Adresse für rivalisierende Gangs in Dallas. »Viel Glück!«, sagt er zum Abschied.
»Mein Hausarzt ist übrigens eine Ärztin«, rufe ich ihm nach, aber er ist schon davongerauscht, hinter ihm bauscht sich der Vorhang.
Plötzlich taucht Maclin neben mir auf, wie ein Todesengel steht er da, ein gewinnendes Sensenmann-Lächeln auf den Lippen, Weiß trägt er auch, in Form eines frisch gebügelten Hemds, die Ärmel lässig hochgekrempelt. Zunächst macht er auf freundlich und mitfühlend – als er die Nachricht gehört habe, sei er sofort ins Krankenhaus gefahren und noch vor Jackie eingetroffen –, aber seine Stimmung schlägt sofort um, als er merkt, dass seine persönliche Nemesis überleben wird.
»Ich werde eine zweiwöchige Suspendierung ohne Lohn beantragen«, sagt er wütend. »Die einzige Möglichkeit, wieder in den aktiven Dienst zurückzukehren, geht über Dr. Theo.« Er hält drei Finger in die Luft. »Mindestens drei Sitzungen, bei ihm vor Ort abgehalten – haben wir uns verstanden, Rhyzyk?«
Als ich das Gesicht verziehe, verliert er die Geduld. »Was stimmt bei dir nicht?«, zischt er.
Am liebsten hätte ich ihm eine witzige Antwort gegeben, aber selbst ich merke, wenn ich den Bogen überspannt habe. Maximal. Mich in Gefahr begeben, meinem Kollegen nachspioniert, wegen eines Verdachts, den ich meinem Vorgesetzten vorenthalten habe, Maclins Anordnung missachtet, eine vorgeschriebene Sitzung beim Psychologen abgesagt, einen frischen Tatort betreten, ohne Verstärkung anzufordern. Und das sind nur die Sachen, über die Maclin Bescheid weiß.
»Ich will Sie morgen früh um Punkt zehn in meinem Büro sehen, mit dem Bericht in der Hand. Wir haben vier tote Junkies, einer von ihnen war vermutlich Zeuge des Angriffs auf Pico Guerto. Und eine fast ermordete Expolizistin hätten wir auch fast dabeigehabt.« Er mustert mich vorsichtig. »Haben Sie den Angreifer gesehen?«
Ich schüttle den Kopf.
In diesem Moment streckt Bernard Tate, Maclins ehemaliger Kollege von der Mordermittlung, den Kopf ins Untersuchungszimmer.
»Heilige Scheiße, Rhyzyk!«, ruft er. »Da hat dir aber jemand richtig eins aufs Maul gegeben.«
Maclin und Tate nicken einander freundlich zu. »Nur zu, sie gehört dir«, sagt Maclin zu ihm.
Er dackelt genervt ab. Tate will wissen, an was ich mich erinnere.
Ich erzähle ihm alles, nur meinen Verdacht gegen Seth lasse ich weg. »Ich bin einem Hinweis auf den Aufenthaltsort eines wichtigen Zeugen gefolgt, der vermutlich etwas über die Morde in Deep Ellum aussagen könnte.«
»Mensch, Rhyzyk, wir Mordermittler finden es echt dufte, dass du uns so tatkräftig unter die Arme greifst. Wo du doch so viel Erfahrung hast mit Mordermittlungen.«
»Immer gern«, sage ich und verschränke aufsässig die Arme. Aber halbnackt, nur mit einem himmelblauen Krankenhaushemdchen angetan, ist die taffe Nummer ziemlich unglaubwürdig.
Wir funkeln einander an, während er einen Klarsicht-Asservatenbeutel hervorzieht, in dem ein Zettel steckt. »Hast du das hier gesehen, als du über die Leichen gekrochen bist?«
Wieder dieser Bibelspruch.
»Also nicht«, sagt er, weil ich nur stocksteif dasitze und nicht antworte. »Geht es dir gut genug, um mit meinen Leuten zu sprechen?«
Ich nicke, und Tate wendet sich zum Gehen. Dann wirbelt er plötzlich herum, als wäre ihm gerade noch etwas Wichtiges eingefallen. »Übrigens«, sagt er, »geiles Tattoo. Verteilst du Popcorn vor der Show?« Er kichert böse und geht.
Tates Detectives nehmen meine Aussage auf, danach liege ich auf dem Bett und warte auf meine Entlassungspapiere. Die Matratze vibriert förmlich, so sehr stehe ich unter Strom. Aus Sorge um meinen Kollegen und Frust über meine Einschränkungen habe ich mich in Lebensgefahr begeben. Ständig gehe ich Risiken ein, um mir zu beweisen, dass diese Einschränkungen nichts bedeuten – was natürlich nicht stimmt. Genau wie damals in New York. Beim NYPD war ich meist die Erste, die in ein abbruchgefährdetes Haus gerannt ist, und die Letzte, die nach einer Razzia wieder rauskam.
Jackie betritt den Raum und stellt sich an mein Bett. Sie nimmt meine Hand, küsst sie und fragt allen Ernstes: »Hast du den Verstand verloren?«
»Sieht so aus«, sage ich. »Bin für ein paar Wochen suspendiert.«
Als ich Jackies Erleichterung sehe, ziehe ich meine Hand weg. »Freu dich bloß nicht zu früh.«
Mit traurigem Blick reicht sie mir meine Hose. »Du glaubst doch nicht, dass ich nicht genau weiß, wer das wieder ausbaden darf.«
»Was soll das heißen?«, frage ich scheinheilig.
»Ich warte draußen.«
Sie wendet sich zum Gehen, aber ich packe sie am Arm und ziehe sie zu mir heran. Ich schnuppere an ihren Haaren – ihr blumiger Duft übertüncht den Gestank nach Alkohol und Desinfektionsmittel – und bin zu Tränen erleichtert, als ich spüre, dass sie mich umarmt.
»Wir kriegen das schon hin«, sage ich zu ihr.
Sie weicht zurück, umschließt mein Gesicht und sieht mich an. Vermutlich setzt sie dieselbe mitfühlende, hoffnungsvolle Miene auf, die sie für ihre Patienten parat hat, wenn sie ihnen mitteilt, dass sie einen bösartigen, aber behandelbaren Tumor haben.
»Betty, das ist nichts, was du mal eben hinkriegst. Ich kenne dich. Du denkst, wenn du alles in kleine Kartons packst und den Rest im Jameson ertränkst, wird es schon wieder gut. Aber du kannst deine Angst nicht kleinkriegen, indem du dich in Gefahr begibst.«
»Du hast nicht vergessen, dass ich Polizistin bin?«
Sie lächelt. »Ja, Polizistin. Aber nicht bei der Terrorabwehr, Bagdad Betty.«
Jackie streichelt mir sanft über die Halsschlagader. Ich spüre sie unter ihrem Finger pochen....
Erscheint lt. Verlag | 13.2.2023 |
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Reihe/Serie | Betty-Rhyzyk-Serie | Betty-Rhyzyk-Serie |
Übersetzer | Andrea O’Brien |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | The Burn |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | aktuelles Buch • Breaking Bad • bücher neuerscheinungen • Dallas • Drogen • Drogenfahndung • Drogenkartell • Edgar Award • FDA • Hardboiled • Korruption • Krimi • Meth • Mexiko • Mord • Neuerscheinungen • neues Buch • Nordamerika (USA und Kanada) • Queer • Rache • Sekte • Selbstjustiz • Spannung • ST 5296 • ST5296 • suhrkamp taschenbuch 5296 • The Burn deutsch • Thriller • USA Süden • USA Süden West South Central States • USA Süden: West South Central States • Vereinigte Staaten von Amerika USA • weibliche Ermittlerin |
ISBN-10 | 3-518-77436-0 / 3518774360 |
ISBN-13 | 978-3-518-77436-6 / 9783518774366 |
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