Das Krimi Jahr 2023 Mörder, Leichen, Kommissare 11 Krimis (eBook)
1200 Seiten
Alfredbooks (Verlag)
978-3-7452-2666-9 (ISBN)
Ich bin beruflich viel unterwegs und darum gehe ich privat nicht mehr viel weg.
Ist eigentlich verständlich, oder?
Und da ich beruflich viele Leute kennenlerne, steht mir auch nicht so sehr der Sinn danach, privat noch viele Leute kennenzulernen.
In meinem Job hat man wenig Zeit für ein Privatleben.
Das ist nunmal so. Ich habe das akzeptiert.
Es ist einfach auf Grund der Sache, mit der ich mich hauptsächlich beschäftige, schlecht anders möglich.
ich bekämpfe das Verbrechen. Und Verbrecher richten sich nunmal nicht nach irgendwelchen Bürozeiten. Da muss man an den Spuren dranbleiben oder sich mit Informanten zu ungewöhnlichen Zeiten treffen.
Vor kurzem bin ich dann doch ausnahmsweise mal losgezogen und habe mir nach dem Dienst ein richtig gutes Essen gegönnt.
Kein Fast Food.
Nichts, was man irgendwo zwischen Tür und Angel oder am Steuer seines Dienstwagens hinunterschlingt, sondern etwas Feines.
Ein bisschen Esskultur ab und zu muss ja auch sein.
Zumindest hin und wieder.
Öfter kann ich mir das zeitlich auch gar nicht leisten.
Jedenfalls saß ich hinterher noch an der Bar und da sprach mich eine Außerirdische an.
Ja, Sie haben richtig gehört: Eine Außerirdische.
Ich meine, es gibt Menschen und Geschöpfe aus aller Herren Länder in Hamburg. Da sind die vielen internationalen Firmen mit ihren internationalen Fachkräften. Die Seeleute von den Schiffen, die in den Hamburger Hafen einfahren. Da sind die Stars aus aller Welt, die in der Elbphilharmonie auftreten und die Nutten auf St. Pauli, die auch aus aller Welt kommen. Warum sollen da nicht auch ein paar Außerirdische dazwischen sein? Wir haben in Hamburg schließlich ein Institut für Tropenkrankheiten. Fremde Bakterien haben es also auch bis Hamburg geschafft. Von den exotischen Giftschlangen und dem anderen Getier im Hamburger Zoo mal ganz abgesehen.
Die Außerirdische war natürlich nicht wirklich eine Außerirdische, sie sah nur so aus.
Und wenn ich nicht gewusst hätte, dass ich nicht gerade in einem Kino sitze und mir einen Science Fiction Film ansehe, dann hätte ich sie vielleicht sogar für echt gehalten.
Die Frau war über und über tätowiert.
Nicht einfach nur irgendeine Malerei auf den Armen oder ein dezentes Arschgeweih, dass aus der Kombination von Hüfthose und bauchfreiem Top herausschaute, sondern eine Ganzkörper-Tätowierung, die nur an einigen Stellen durch Kleidung unterbrochen wurde.
Es war ein Gewirr von bizarren Ornamenten, Drachenköpfen, Totenköpfen, Sternen und Schriftzeichen. Manche sahen chinesisch aus, andere wie verschlungene altdeutsche Frakturbuchstaben oder germanische Runen. Es war ein vielfältiges Potpourri, dessen Bedeutung die ‘Außerirdische’ wohl nur selbst wusste.
»Wie heißen Sie?«
»Ich heiße Uwe«, sagte ich.
Ich fragte sie nicht nach ihrem Namen.
Ich hatte keine Lust, ihn mir zu merken.
»Uwe. Das ist ein schöner Name.«
»Wie Uwe Seeler.«
»Wer ist das denn?«
»Vielleicht sind Sie einfach zu jung, um den zu kennen.«
»War das ein Sänger?«
»Ein Fußballer.«
»Ach so.«
»Beim HSV.«
»Uwe, um deine Frage gleich vorweg zu beantworten: Ich bin nicht in der Erotikbranche.«
»Das hatte ich gar nicht gefragt.«
»Das fragen aber alle früher oder später.«
»Ach, ja?«
»Wegen der Tattoos.«
»Da wäre ich jetzt nicht drauf gekommen.«
»Alle denken bei Tattoos immer gleich daran.«
»Tja, die Gedanken sind eben frei, wie es so schön heißt.«
»Nein, das sind üble Vorurteile! Wir Tätowierten werden diskriminiert und darauf reduziert.«
»Naja...«
»Man bringt uns einfach immer mit der Erotik-Branche in Verbindung. Dabei stimmt das gar nicht unbedingt.«
»In welcher Branche bist du denn?«
Sie wollte, dass ich sie das frage. Sie hatte es darauf angelegt. Und ich wollte sie nicht länger leiden lassen. Also fragte ich sie und so konnte sie mir das erzählen, was sie mir die ganz Zeit schon hatte sagen wollen.
»Ich bin in der Personalberatung tätig », sagte sie.
»Aha«, sagte ich.
Ich stellte mir vor, wie sich konservative Bankhäuser an eine Personalberatung wandten und dann dieser außerirdischen Dame gegenüber saßen. Darüber musste ich schmunzeln.
»Sag mal, gehen wir noch zu mir oder zu dir?«, fragte sie dann.
»Ich glaube, wir gehen heute nirgendwo mehr hin«, sagte ich. »War ein harter Tag heute.«
»Ach, so.«
Die Wahrheit wahr: Ich wollte mich einfach nicht erschrecken, wenn ich aufwachte.
Mein Name ist übrigens Uwe Jörgensen. Ich bin Kriminalhauptkommissar und Teil einer in Hamburg angesiedelten Sonderabteilung, die den etwas umständlichen Namen ‘Kriminalpolizeiliche Ermittlungsgruppe des Bundes’ trägt und sich vor allem mit organisierter Kriminalität, Terrorismus und Serientätern befasst.
Die schweren Fälle eben.
Fälle, die zusätzliche Ressourcen und Fähigkeiten verlangen.
Zusammen mit meinem Kollegen Roy Müller tue ich mein Bestes, um Verbrechen aufzuklären und kriminelle Netzwerke zu zerschlagen. »Man kann nicht immer gewinnen«, pflegt Kriminaldirektor Bock oft zu sagen. Er ist der Chef unserer Sonderabteilung. Und leider hat er mit diesem Statement Recht.
*
Es war dunkel und hatte zu regnen begonnen. Leoni Michaelis schaltete die Scheibenwischer ihres zweitürigen Honda Civic ein. Die junge Frau folgte der Autobahn Richtung Norden. Der letzte Stopp lag noch keine zehn Meilen zurück. Sie hatte getankt, in der Autobahn-Raststätte einen Kaffee getrunken und ein Sandwich gegessen.
Aber seit diesem Stopp schien irgendetwas mit den Reifen nicht zu stimmen. Die Befürchtung wurde schließlich zur Gewissheit. Hinten links war keine Luft mehr drin.
»So ein Mist!«, schimpfte Leoni vor sich hin und fuhr an den Straßenrand. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie gleich einen Pannendienst anrufen oder sich den Schaden erst einmal selbst ansehen sollte.
Leoni ließ schließlich das Smartphone in der Handtasche und stieg aus. Eine Fehlentscheidung, denn genau damit hatte ihr Mörder gerechnet ...
Der Nieselregen sorgte dafür, dass Leoni schon nach kurzer Zeit die Haare an der Stirn klebten. Der Reifen hinten links war platt. Und hinten rechts hatte ebenfalls schon viel Luft verloren. So weiterzufahren war unmöglich.
Wie kann das sein?, fragte sie sich.
Die Reifen waren neu, die letzte Inspektion noch nicht lange her. Vielleicht bin ich in irgendetwas Spitzes hineingefahren, überlegte sie. Aber sie hatte nichts dergleichen bemerkt.
In diesem Augenblick hielt ein weiteres Fahrzeug am Straßenrand. Es war ein Geländewagen mit Kuhfänger vor dem Kühler. Auf der Haube hob sich der Schatten eines geschwungenen Stierhorns ab.
Aber all das konnte Leoni im nächsten Moment schon nicht mehr sehen. Der Fahrer des Geländewagens blendete nämlich das Licht auf. Leoni wurde so stark geblendet, dass sie für einen Augenblick mehr oder weniger blind war.
Der Fahrer des Geländewagens stieg aus. Den Motor seines Wagens ließ er laufen. Wie ein dunkler Schatten näherte er sich. Leoni wich zurück.
»Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«, fragte eine schneidend klingende Männerstimme.
»Ich weiß nicht ... eigentlich ...«
»Ist etwas mit Ihren Reifen?«
»Einer ist platt, der andere wird es bald sein. Ich verstehe das nicht ...«
Der schattenhaft sichtbare Mann kam noch näher. Im Gegenlicht der Scheinwerfer seines Geländewagens war er nur als dunkler Schemen zu erkennen. Er zog jetzt irgendetwas unter seiner Kleidung hervor.
Leoni konnte es nicht genau sehen. Aber im nächsten Moment blitzt das Mündungsfeuer einer Waffe auf. Es war kein Schussgeräusch zu hören. Nur ein Laut, der an ein leichtes Niesen erinnert.
Die erste Kugel traf Leoni genau mitten in der Stirn. Sie stützte sich noch auf den Kotflügel ihres Wagens, ehe sie zusammenbrach und regungslos auf dem regenfeuchten Boden liegen blieb.
Der schemenhafte Killer näherte sich. Er blickte auf sie hinab und ließ die Waffe mit dem langgezogenen Schalldämpfer unter seinem dunklen Mantel verschwinden.
Er trug Latexhandschuhe. Mit einem sehr kräftigen Griff packte er die Tote unter den Armen und schleifte sie grob hinter sich her. Wenig später hob er sie in den Kofferraum seines Geländewagens. Dort war bereits alles mit Plastikfolie ausgelegt, so dass er ihren Körper jetzt leicht darin einwickeln konnte. Als er damit fertig war, stellte er fest, dass er aus der Nase blutete. Mehrere rote Tropfen waren bereits herabgefallen.
»So ein verfluchter Mist«, murmelte er. Er holte ein Taschentuch hervor, um sich die Nase abzuwischen. Es war allerdings gar nicht so einfach, die Blutung zu...
Erscheint lt. Verlag | 2.1.2023 |
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Verlagsort | Lengerich |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
ISBN-10 | 3-7452-2666-6 / 3745226666 |
ISBN-13 | 978-3-7452-2666-9 / 9783745226669 |
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