Der Kommissar in Wanderschuhen (eBook)
208 Seiten
Emons Verlag
978-3-98707-007-5 (ISBN)
Nach seiner Ausbildung bei einem schwäbischen Lokalradio arbeitet Tim Frühling jetzt seit über 25 Jahren beim Hessischen Rundfunk. Seit 2017 ist er bei der Radiowelle hr1 zu hören und präsentiert die Wettervorhersage im hr-Fernsehen und in der ARD. Geboren in Niedersachsen, aufgewachsen in Stuttgart, lebt er seit 1997 in Frankfurt und ist mittlerweile im Herzen Hesse. www.tim-fruehling.de
Nach seiner Ausbildung bei einem schwäbischen Lokalradio arbeitet Tim Frühling jetzt seit über 25 Jahren beim Hessischen Rundfunk. Seit 2017 ist er bei der Radiowelle hr1 zu hören und präsentiert die Wettervorhersage im hr-Fernsehen und in der ARD. Geboren in Niedersachsen, aufgewachsen in Stuttgart, lebt er seit 1997 in Frankfurt und ist mittlerweile im Herzen Hesse. www.tim-fruehling.de
TAG 1
»Und ich sach noch, lass uns einen Tag früher da hinfahren und übernachten, dann wird dat nicht so ein Stress am Morgen, aber nein, das schöne Geld können wir uns doch sparen, wenn wir ganz zeitig starten, fünf Uhr sechsunddreißig in Bochum los, ’ne Schnapsidee war dat von dir, nie kommt die pünktlich, die Bahn, nie, und schon gar nicht, wenn man es eilig hat. Und hundemüde bin ich auch, rennste ma nicht so, Walter, ich komm kaum noch hinterher. Walter!«
»Wenn de nicht so viel quatschst, hasse auch mehr Puste.«
»Ich quatsch doch gar nicht, aber der Rucksack schneidet ganz schön ein. Und ich weiß auch nicht, ob die Wanderschuhe nicht drücken. Weißte überhaupt, wo wir hinmüssen? Die soll man ja tagelang einlaufen, so neue Schuhe, ich hoffe, dat war genuch bei mir, nicht dass ich mir sofort ’ne Blase laufe. Müssen wa nich rechts?«
»Nee, links müssen wa, Parkplatz vor dem Goethe-Park-Center, hat der Melvin mir doch alles ausgedruckt.«
»Ach ja, guck mal, dahinten, das könnten se schon sein, siehste die Gruppe da bei dem Bus, bei dem kleinen? Die sehen doch so aus, als würden se auch wandern gehen wollen. Ich wink mal, eh die ohne uns starten.«
Marlies Leupold fuchtelte in der Luft herum und wurde schnell von einem Mann mit Pferdeschwanz und kurzen Hosen entdeckt, der den Parkplatz suchend abscannte. Er winkte zurück und signalisierte, dass sich das ältere Ehepaar keinen Stress beim Überqueren der Straße machen solle. Eine knappe Minute und eine semilegale Überquerung eines unübersichtlichen Verkehrskreisels später hatten die Nachzügler die wartende Gruppe erreicht.
»Hey, servus, ihr müsst die Leupolds sein«, sagte der Pferdeschwanzmann und setzte nach: »Ich bin der Mo aus Rosenheim, euer Wanderführer. Also, Moritz eigentlich, aber warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht, haha, gell? Schön, dass ihr da seid.« Mo trug ein orangefarbenes Funktionsshirt, bedruckt mit zwei ausgelatschten Wanderstiefeln und dem Spruch »Ich kenn da ’ne Abkürzung«.
»Ach, wat bin ich froh, dass ihr gewartet habt, es war eine Katastrophe mit der Bahn. Dat fing alles schon in Bochum an mit zehn Minuten Verspätung. Also, zehn stand dran, waren dann aber zwölf, ne? Gut, egal, erzähle ich euch später, ich bin auf jeden Fall die Marlies.«
»Und ich bin der Walter.«
»Super, dann sind ja jetzt alle da, und es kann losgehen. Herzlich willkommen noch mal an alle im Namen von ›Happytrekking‹, ich bin sicher, dass eine tolle Woche vor uns liegt. Wetter soll ja auch passen. Also, wir würden erst mal ein kleines Stückl da aus Bad Salzungen herausfahren, weil der erste Teil durch die Stadt ist nicht so attraktiv. Wir steigen unterhalb vom Schneckenberg ein, dann geht’s heute über den Pleß zu unserer ersten Station nach Bernshausen. Knapp zwölf Kilometer zum Warmwerden. Alles andere erkläre ich euch dann noch. Passt? Also, aufi geht’s, schmeißt euer Gepäck einfach hinten in den Bus, unser Fahrer heißt Bayram.«
»Warte mal kurz, Mo«, unterbrach ein junger Mann mit nöliger Stimme den tatenhungrigen Wanderführer. »Wir haben uns doch noch gar nicht richtig vorgestellt. Ich fände das für die Gruppendynamik total wichtig, und ich habe ja extra das Wollknäuel mitgebracht.« Er nestelte aus seinem Wanderrucksack einen lilafarbenen Stoffklumpen und erklärte, während er den Anfang des Fadens suchte: »Gerade bei so einer heterogenen Runde kommen wir uns viel schneller näher, wenn am Anfang jeder kurz seine Motivation klarmacht. Die zehn Minuten haben wir doch, oder, Mo?«
Der Wanderführer war über die unerwartete Aktion so verdattert, dass er nicht intervenierte.
»Jeder stellt sich kurz vor und sagt, warum er diese Reise hier angetreten hat und wie es ihm geht. Und dann wirft er das Knäuel dem Nächsten in der Gruppe zu. Wem ihr wollt, ihr sucht euch einfach jemanden aus, total spontan. Dadurch spannen wir direkt zu Beginn ein Netz des Vertrauens zwischen allen Teilnehmern, gut? Also, ich fang mal an. Ich bin der Sven aus Hamburg, zweiunddreißig Jahre, mir geht’s gut, ich arbeite für eine Nichtregierungsorganisation und will auf dieser Wanderung einerseits zu mir selbst finden und andererseits ein Birkhuhn sehen. Jetzt du!«
Sven behielt den Anfang des Fadens in der Hand und warf den Rest einem etwas älteren Mann zu, der die Szene bislang mit spürbarer Skepsis verfolgt hatte. Dieser fing das Wollwirrwarr auf und schaute etwas hilflos in die Runde.
»Okay, äh, also, ich heiße Daniel, ich bin einundvierzig Jahre alt, bin mit meiner Freundin Brigitte hier, und wir sind bei der Polizei.«
»Super, Daniel, aber bitte nicht die anderen schon vorstellen und deine Motivation noch nennen.«
»Also, eigentlich wollte ich entspannt wandern gehen.« Es klang, als habe er an diesem Plan mittlerweile Zweifel. Daniel warf den Wollballen einer Frau zu, die offensichtlich allein an der Reise teilnahm.
»Servus, ich bin die Ute aus München, ein ganz klein bissl aufgeregt, aber erst mal: Ich finde das eine ganz gute Idee mit der Vorstellung, Sven. Ja, ihr seht’s ja, ich bin Single, da ist das mit Urlaub nicht immer ganz so einfach, deswegen habe ich diese Wanderung in der Gruppe gebucht. Die Rhön kenne ich noch gar nicht und bin sehr gespannt. Ach genau, und beruflich führe ich eine Boutique mit exklusiver Damenmode. Klein, aber mein, sag ich immer. So viel zu mir.«
Mit einem kurzen »Hepp« von Ute flog das Knäuel weiter. Und landete vor den Sandalen, in denen die blassen Füße eines griesgrämigen Mannes steckten. Er bückte sich umständlich und machte, wieder in der Vertikalen angekommen, einen Gesichtsausdruck, der keinen Zweifel daran ließ, dass Wollewerfen auf öffentlichen Plätzen komplett unter seiner Würde war.
»Frank aus Niedersachsen, mein Arzt wollte, dass ich hier mitmache.« Er feuerte den Klumpen nach seiner schmallippigen Vorstellung einer Frau mit brauner Lockenmähne entgegen, die den aggressiven Wurf mit einem ironischen »Huh« kommentierte. Danach sagte sie:
»Hallo, ich bin die Brigitte, der Daniel hat mich verbotenerweise ja schon vorgestellt, Kriminalkommissarin aus Bad Hersfeld, und ich freue mich, meine erweiterte Heimat mal auf eine ganz andere Weise kennenzulernen.«
Bevor Brigitte die Wolle an den nächsten Teilnehmer weiterwerfen konnte, schritt Mo ein. Ihm schien es mit der Gruppendynamik in diesem Moment zu genügen, er schnappte sich das Knäuel und gab es Sven zurück.
»Dank dir für die super Idee, die beiden anderen heißen Marlies und Walter, das wiss ma ja schon, und deine Freundin Tordis, also dann kann’s auch langsam losgehen, gell? Wir sind schon spät dran.«
Sven steckte die Wolle beleidigt wieder ein, und Tordis machte ein Gesicht, als habe sie als Einzige kein Stück vom Geburtstagskuchen abbekommen.
***
»Das ist alles ganz schrecklich, schlimmer, als ich es mir vorgestellt habe«, flüsterte Daniel in den Lärm des beschleunigenden Kleinbusses hinein.
Brigitte stieß vom Nachbarsitz aus ihren Ellbogen in die Rippen ihres Freundes und wisperte zurück: »Jetzt hör auf. Ich fand diese Vorstellungsrunde eben auch Panne, aber es wird bestimmt noch ganz toll. Und du wolltest die Reise schließlich auch.«
»Ja, aber nur, weil mich auf dem Revier alle dazu überredet haben. Du weißt ganz genau, dass ich eigentlich keinen Bock darauf hatte.«
Nach Daniels anfänglich kategorischer Ablehnung hatte Brigitte die Kollegen auf der Polizeistation ein bisschen instruiert, ihm das Wanderabenteuer doch noch schmackhaft zu machen. Und tatsächlich war es den befreundeten Beamten so gut gelungen, den Rhön-Trip in den schillerndsten Farben zu malen, dass Daniel sich hatte umstimmen lassen und vor der Abreise sogar richtige Vorfreude entwickelte. Dass der Auftakt nun etwas misslungen war, beunruhigte Brigitte aber noch nicht. Andere gemeinsam doof zu finden, schweißte schließlich auch zusammen.
»Wie sieht’s denn bei euch mit dem Hunger aus?« Mo hatte sich von seinem Sitz in der ersten Reihe erhoben und schaute entgegen der Fahrtrichtung in den Bus, die Arme lässig auf den Rückenlehnen der Sessel abgestützt. »›Happytrekking‹ kümmert sich ja mittags immer um eine Brotzeit, wollen wir die direkt vor dem Start einnehmen – oder erst nach dem Aufstieg oben am Pleß? Ist halt landschaftlich schöner dort. Mach mer einfach mal eine Urabstimmung, auf meiner ist es elf Uhr dreiundvierzig, haha, kleiner Scherz, nee, also mal die Hände hoch, wer schon direkt beim Ausstieg aus dem Bus was schnabulieren möchte?«
Niemand meldete sich.
»Okay, Gegenprobe, wer hat Geduld bis zum Gipfel?«
Alle Hände schnellten in die Höhe. Offenbar wollte die ganze Truppe endlich mit dem Wandern anfangen und nicht essen, sich vorstellen oder Dinge zuwerfen.
Ute drehte sich aus der Vorderreihe zu Daniel und Brigitte um und sagte gedämpft: »Klappt doch super mit der Gruppendynamik, oder? Da können wir dem Sven fei dankbar sein.«
Daniel grinste. Die schien Humor zu haben. Er antwortete leise: »Stimmt, und ohne sein Wollknäuel hätten wir uns womöglich nie kennengelernt.«
Ein paar Kurven weiter kam der Bus auf einem kleinen Parkplatz zum Stehen. Mo nahm noch mal seine Anspracheposition ein und nutzte den Moment, um die grundlegenden Verhaltensmaßnahmen für die kommende Woche zu erläutern. »Bevor’s aufi geht, liebe Wanderkameraden und -kameradieschen, haha, noch ein paar Hinweise: Ihr lassts bitte alles im Bus, was ihr beim Marschieren nicht braucht. Der Bayram fährt eure Schätze zuverlässig ins nächste Hotel.« Der Busfahrer streckte den rechten Daumen in die Luft. »Ich hab schon gesehen, ihr habt alle vernünftige Wanderschuhe an, die Sandalen vom Frank passen...
Erscheint lt. Verlag | 22.6.2023 |
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Reihe/Serie | Kommissar Daniel Rohde | Kommissar Daniel Rohde |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Cold Case • Ermittlerduo • Hessen • Krimi mit Humor • Leichte Lektüre • Mord • Rache • Röhn • satierisch • Spannung • Verdeckte Ermittlung • Wanderkrimi • Wanderlust • Wanderwege |
ISBN-10 | 3-98707-007-2 / 3987070072 |
ISBN-13 | 978-3-98707-007-5 / 9783987070075 |
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