Übung macht den Mörder (eBook)
352 Seiten
Blanvalet Taschenbuch Verlag
978-3-641-29202-7 (ISBN)
Isa Klein - Anfang dreißig, unverheiratet, kinderlos und semiambitionierte Lehrerin. Als in ihrem schwäbischen Dorf die Frau des Zahnarztes umgebracht wird, ruft dies den Esslinger Kommissar Bähr auf den Plan. Und da der Ort Grimmingen so klein ist, dass es weder ein Hotel noch eine Pension gibt, zieht Bähr kurzerhand in Isas Ferienappartement. Die neugierige Lehrerin kann den auswärtigen Kommissar zwar nicht leiden, doch für sie versteht es sich von selbst, dass sie ihn ungefragt bei seinen Ermittlungen unterstützt. Während Isas Mutter gemeinsam mit Freundin Renate plant, die Singletochter endlich an den Mann (Kommissar) zu bringen, kommt Isa trotz einiger tollpatschiger Pannen dem Mörder allmählicher näher und riskiert damit Kopf und Kragen.
Sarah Kempfle ist Lehrerin für Deutsch und Sport und unterrichtet zurzeit Gefängnisinsassen in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart. Wenn sie nicht gerade auf einem entlegenen Fernwanderweg unterwegs ist, widmet sie sich ihrer größten Leidenschaft, der Verbrecherjagd. Natürlich nur auf dem Papier. Sarah Kempfle ist Mitglied bei den Mörderischen Schwestern und hat bislang einige Kurzgeschichten in Krimi-Anthologien veröffentlicht. »Übung macht den Mörder« ist ihr Debüt und der Beginn einer Reihe um die kriminalistisch begabte Lehrerin Isa Klein.
Kapitel 1
»Ich zieh bei dir ein, bis das vorbei ist«, verkündete Renate mit zittriger Stimme, als Isa kurz vor Unterrichtsbeginn ins Lehrerzimmer geschlurft kam. Sie hatte vorher schon miese Laune gehabt, nicht nur weil Montag war.
Doch jetzt war ihr Morgen endgültig ruiniert.
»Vergiss es«, entgegnete sie, »ich brauch meine Privatsphäre.«
»Aber ein Mörder läuft frei herum.«
Gestern Abend hatte sich die Nachricht vom Mord an Jutta Liebknecht wie ein Lauffeuer in Grimmingen verbreitet. Es war eine schaurige Sensation für das verschlafene Nest, in dem sonst nicht viel passierte – oder gar nichts, wenn man Isa fragte.
Sie marschierte zur Kaffeemaschine hinüber und drückte energisch auf den Knopf für einen doppelten Espresso. Anders würde sie den heutigen Tag nicht überstehen. Ein paar Kollegen warfen ihr verärgerte Blicke zu, denn die lauten Mahlgeräusche übertönten die Worte von Rektor Maier. Der war gerade dabei zu erörtern, wie man das Geschehene im Unterricht feinfühlig aufarbeiten könnte.
»Man könnte meinen, Juttas Tod lässt dich völlig kalt«, raunte Renate ihr zu.
»Tut es nicht. Ich finde es schrecklich, was ihr passiert ist, auch wenn ich sie nicht gut gekannt habe. Im Gegensatz zu dir halte ich es allerdings für äußerst unwahrscheinlich, dass es sich bei ihrem Mörder um einen Serienkiller handelt und ich als Nächste dran bin.«
Sie ignorierte Renates entsetzten Blick und steckte sich einen der Kekse in den Mund, die jemand neben den Kaffeetassen drapiert hatte. Er schmeckte wie eine alte Schuhsohle.
»Widerlich«, rief sie, und auch der Espresso, den sie eilig hinterherkippte, vermochte den Geschmack nicht zu vertreiben.
»Die sind von Jens«, flüsterte Renate, »hat er letzte Woche mit den Schülern gebacken.«
Isa würgte den Keks herunter und schielte zu Jens hinüber, der sie mit einer strafenden Miene bedachte.
Jens Koll, oder Schmoll, wie Isa ihn heimlich nannte, weil er ständig wegen irgendetwas schmollte, verstand sich darauf, aller Welt seine Ansichten aufzuzwingen. Ob man sie nun hören wollte oder nicht.
»Ein Mensch ist gestorben«, rief er vorwurfsvoll in ihre Richtung.
»Und es geht los«, grummelte Isa, während sich Renate in weiser Voraussicht vom Acker machte.
»Vielleicht kannst du wenigstens heute mal ein bisschen Taktgefühl zeigen«, redete Jens ungefragt weiter.
Isa seufzte und beugte sich über den Teller mit den Keksen. »Tut mir leid, ich wollte eure Gefühle nicht verletzen.«
Jens schüttelte verächtlich den Kopf. »Du bist unmöglich.«
Der mahnende Blick ihres Rektors hinderte sie daran, noch etwas zu erwidern, und die Schulglocke tat ihr Übriges.
»Sie schaffen das«, rief Maier bestärkend in die Runde und klopfte den Vorbeilaufenden auf die Schultern. Als Isa an der Reihe war, hob er nur warnend die Brauen. Aus irgendeinem Grund schien er es als seine Pflicht anzusehen, Jens vor ihr zu beschützen. Dabei war es wohl kaum ihre Schuld, dass Schmoll keinen Spaß verstand und alles persönlich nahm.
Sie schulterte ihre Tasche und machte sich auf den Weg zum Klassenzimmer. Wenn sie sich nicht täuschte, hatte sie jetzt Deutsch bei den Fünftklässlern, doch wie aus dem Nichts tauchte Renate plötzlich wieder hinter ihr auf.
»Ich komme nach dem Unterricht zu dir«, sagte sie, als wäre ihre Unterhaltung nie unterbrochen worden. Bevor Isa protestieren konnte, war ihre Freundin in ein Klassenzimmer abgebogen und hatte die Tür hinter sich zugezogen.
Am Nachmittag schleppte Isa sich über den Lehrerparkplatz zu ihrem alten Mazda 323, der längst ein Fall für den Schrotthändler war. Sie bugsierte ihre Schultasche auf den zerschlissenen Rücksitz und schlug die quietschende Hintertür zu. Wie immer hielt sie den Atem an, als sie den Schlüssel im Zündschloss herumdrehte. Ihr Auto besaß die Unart, bei Kälte und Nässe und neuerdings auch ohne ersichtlichen Grund erst nach mehreren Versuchen anzuspringen. Oder gar nicht.
Diesmal ließ der Motor sie nicht im Stich und knatterte schon nach dem dritten Anlauf los. Den ersten Gang musste sie mit Gewalt in die vorgesehene Position rammen, dann holperte sie über den gepflasterten Parkplatz Richtung Straße.
Es war die einzige Hauptstraße im Ort, die sich einmal der Länge nach durch Grimmingen schlängelte.
Wie es schien, hatte der Räumdienst Sonderschichten eingelegt, nachdem es den ganzen Tag ohne Unterlass geschneit hatte. Kiesgespickte Haufen türmten sich rechts und links am Straßenrand auf.
Mit dem Ärmel wischte Isa die beschlagene Windschutzscheibe frei und starrte angestrengt nach draußen. Bevor sich die Straße eine leichte Steigung hinaufwand, führte sie an der Kirche und an Walters Dorfladen vorbei. Als sie den Bäcker passierte, strömte der heimelige Duft nach Plunder und Kaffee zu ihr in den Innenraum.
Auf den letzten Metern vor dem Ortsausgang lichteten sich die Häuserreihen und machten einem dunklen Tannenwald Platz, an den sich Isas Grundstück schmiegte.
Danach kam nur noch ein gelbes Ortsschild, das die Grenze Grimmingens markierte. Wenn man der Straße mit den Augen folgte, schien sie im Dunkel des Waldes zu versiegen. Tatsächlich musste man mehrere Kilometer einsame Landstraße zurücklegen, um Undingen zu erreichen, wo die Gemeindeverwaltung Sonnenbühls ihren Sitz hatte.
Isa bog nach rechts in die Einfahrt ihres Hauses ein und trat unvermittelt auf die Bremse. Renates Golf versperrte die Zufahrt zu ihrem Carport. Daneben tauchte das Auto ihrer Eltern im Lichtkegel des linken Scheinwerfers auf. Ihre Hände umklammerten das Lenkrad fester. Offenbar hatte sich die Nachricht vom Mord mittlerweile auch über die Grenzen Grimmingens hinaus verbreitet.
»So viel zum Thema Privatsphäre«, stöhnte sie und stellte den Mazda neben dem Carport ab. Sie schlug die Autotür so schwungvoll zu, dass der ganze Wagen wackelte. Unter dem Vordach fummelte sie in ihrer ausgeleierten Manteltasche nach dem Schlüsselbund, da wurde die Haustür schon schwungvoll aufgerissen.
»Hallo, Liebling!«, flötete ihre Mutter und breitete die Arme aus.
»Mama! Nur weil ihr die Hälfte meines Hauses bezahlt habt, heißt das noch lange nicht, dass ihr sie auch benutzen dürft, wann immer ihr wollt.«
Isa ignorierte die ausgebreiteten Arme und quetschte sich an ihrer Mutter vorbei in den Flur.
»Ich hab dich mehrmals angerufen«, murmelte Margret Klein, als würde das alles erklären. »Du meldest dich ja nicht.«
Aus gutem Grund.
»Ich musste von Renate erfahren, was hier los ist.«
Isa würde mit Renate mal ein paar ernste Takte wechseln müssen. Als ob es nicht reichte, dass ihre Eltern nur wenige Kilometer entfernt wohnten und sich ständig selbst einluden. Jetzt glaubten sie dank Renate offenbar auch noch, Isa vor einem Mörder beschützen zu müssen. Sie schüttelte ihre Stiefel von den Füßen und warf ihre dicke Winterjacke einfach obendrauf.
»Außerdem hab ich dein Lieblingsessen gekocht. Sonst isst du wieder nur diesen ungesunden Mist.« Margret griff nach der Jacke und hängte sie an den Garderobenhaken.
Tapsende Hundepfoten lenkten Isas Aufmerksamkeit nach unten. Alfons, ihr Rauhaardackel, kam schwanzwedelnd auf sie zugelaufen. Mit den Vorderpfoten kletterte er an ihrem Hosenbein hoch.
»Hallo, alter Mann.« Sie tätschelte ihm das Köpfchen. In Wirklichkeit war Alfons noch keine drei Jahre alt, aber schon bei ihrer ersten Begegnung hatte er sie an einen schnauzbärtigen Senior erinnert.
»Wo warst du denn noch so lange?«, ertönte Renates Stimme aus der Küche.
Seufzend folgte sie dem Ruf ihrer Freundin und dem Duft des Linseneintopfs. Renate hatte es sich bereits auf der Eckbank bequem gemacht und prostete ihr mit einem Glas Eierlikör zu.
»Fühlt euch wie zu Hause«, brummte Isa und ließ sich neben Renate auf das abgetragene Sitzpolster fallen.
Ihre Freundin drückte ihr unaufgefordert ein Glas in die Hand und füllte es bis zum Rand mit der sämigen Flüssigkeit. Isa nippte geistesabwesend daran. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie ihre Mutter sich über den Ofen beugte und einen goldgelben Kuchen zum Vorschein brachte. Beinahe hätte sie sich an ihrem Likör verschluckt. »Wie lange seid ihr denn schon hier?«
Im Kopf machte sie sich eine Notiz, den Schlüssel zurückzuverlangen, den sie ihren Eltern ausgehändigt hatte. Für Notfälle! Zum Beispiel, wenn sie sich aus Versehen ausschloss oder beide Beine brach. Wie es schien, würde sie die Vereinbarung noch einmal gründlich überdenken müssen.
Aus der Gästetoilette im Flur erklang das Geräusch der Klospülung und kurz darauf kam ihr Vater zur Küchentür herein.
»Hallo, Papa.«
»Hallo, Schätzle.« Herbert Klein beugte sich zu seiner Tochter herunter und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Im Gegensatz zu seiner Frau gab er sich keine Mühe, seinen schwäbischen Dialekt zu verstecken. Isas Mutter vertrat die Meinung, dass sie gebildeter klang, wenn sie ihr kantiges Hochdeutsch sprach.
Isa lächelte ihren Vater müde an und seufzte leise. Ihren Plan von einem ruhigen Abend auf dem Sofa konnte sie sich abschminken. Sie leerte gerade mit einem einzigen großen Schluck ihr Glas, als ein lautes Hämmern an der Tür alle gleichzeitig zusammenzucken ließ.
»Was ist denn heute nur los?« Mit einem Fingerzeig gab sie Renate zu verstehen, dass sie ihr Glas erneut befüllen sollte. Dann schob sie sich an ihrer Mutter vorbei in den Hausflur,...
Erscheint lt. Verlag | 1.9.2023 |
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Reihe/Serie | Bähr und Klein ermitteln | Bähr und Klein ermitteln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | 2023 • Baden-Württemberg • Cosy Mystery • Debüt • Deutsche Autorin • Dorf • eBooks • Esslingen • Heimatkrimi • Hobbydetektivin • Kluftinger • Klüpfel/Kobr • Krimi • Krimi humorvoll • Kriminalromane • Krimi neuerscheinung 2023 • Krimireihe • Krimis • Lehrer • Mord • Mord mit Aussicht • Neuerscheinung • Nicola Förg • Provinzroman • Regiokrimi • Reutlingen • Rita Falk • Schwaben • Schwäbische Alb • Spannung • unblutig • witzig • Wohlfühlkrimi |
ISBN-10 | 3-641-29202-6 / 3641292026 |
ISBN-13 | 978-3-641-29202-7 / 9783641292027 |
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