Königreich der Knochen (eBook)
576 Seiten
Blanvalet Taschenbuch Verlag
978-3-641-28136-6 (ISBN)
Im Kongo wird ein humanitäres Hilfscamp von Tieren angegriffen. Doch nicht nur von einer einzigen Spezies, sondern von allen auf einmal. Alle Tiere der Wildnis haben sich gegen die Menschen verbündet. Commander Grayson Pierce und sein Team vom wissenschatlichen Geheimdienst Sigma Force werden zur Hilfe gerufen. Doch auch korrupte Militärangehörige sowie der skrupellose Multimilliardär Nolan De Coster sind bereits vor Ort. Was kann diesen Amoklauf der Natur ausgelöst haben? Und wie kann man es aufhalten? Die Antwort findet sich im Königreich der Knochen ...
Verpassen Sie nicht die weiteren in sich abgeschlossenen Romane über die Topagenten der Sigma Force, zum Beispiel »Auftrag Tartarus«, »Der Judas-Code« oder »Das Messias-Gen!«
Neueste Technologiekenntnisse und fundierte wissenschaftliche Fakten, genial verknüpft mit historischen und mythologischen Themen - all das macht die Abenteuerthriller von James Rollins zum einzigartigen Leseerlebnis. Der passionierte Höhlentaucher James Rollins betreibt eine Praxis für Veterinärmedizin in Sacramento, Kalifornien.
14. Oktober 1894
Distrikt Kasai, Freistaat Kongo
Reverend William Sheppard sprach lautlos das Vaterunser, während er darauf wartete, dass der Kannibale aufhörte, an seinen Zähnen herumzufeilen. Der Mann, Angehöriger des Basongye-Stamms, hockte beim Feuer und hielt in der einen Hand eine Knochenfeile und in der anderen einen Spiegel. Er spitzte einen Schneidezahn zu, begutachtete lächelnd sein Werk und richtete sich auf.
Der Afrikaner, der sich vor Sheppard aufbaute, war über zwei Meter groß. Der Kannibale war mit langer Hose, polierten Stiefeln und geknöpftem Hemd bekleidet. Man hätte ihn für einen Studienkollegen vom presbyterianischen Priesterseminar halten können. Allerdings hatte sich der Mann die Augenbrauen abrasiert und die Wimpern ausgezupft, was ihn zusammen mit dem Haifischgrinsen wahrlich Furcht einflößend aussehen ließ.
Sheppard schwitzte in seinem weißen Leinenanzug mit Krawatte und hellem Tropenhelm. Er legte den Kopf in den Nacken und sah zum Anführer der Zappo Zaps auf. Der kriegerische Stamm hatte sich mit den belgischen Kolonialstreitkräften verbündet und diente König Leopold praktisch als Armee. Die berüchtigten Zappo Zaps hatten ihren Namen vom ratternden Geräusch ihrer zahlreichen Gewehre. Sheppards Blick fiel auf das Gewehr, das der Kannibale geschultert hatte. Er fragte sich, wie viele Menschen es wohl schon in den Tod befördert hatte.
Bei seiner Ankunft im Dorf hatte er Dutzende fliegenübersäte Leichen gesehen. Angesengte Knochen ließen darauf schließen, dass weitere Tote verzehrt worden waren. In der Nähe trennte ein Stammesangehöriger einen blutigen Fleischbatzen von einem abgehackten Oberschenkel ab. Ein anderer Zappo Zap rollte in einem ausgehöhlten Schädel Tabakblätter. Auf dem Feuer, das sich zwischen ihm und dem Anführer befand, wurden auf Bambusstöcken abgetrennte Hände geräuchert.
Sheppard bemühte sich, das Grauen auszublenden, das auf ihn einstürmte. Wolken schwarzer Fliegen hingen in der Luft. Der Gestank von verbranntem Fleisch drang ihm in die Nase. Um sich nicht übergeben zu müssen, fixierte er den Eingeborenen. Er durfte sich keine Blöße geben.
Sheppard redete langsam, denn der Kannibale sprach zwar Englisch und Französisch, allerdings nur gebrochen. »M’lumba, ich muss mit Hauptmann Deprez sprechen. Das ist von äußerster Wichtigkeit.«
M’lumba zuckte mit den Schultern. »Er nicht da. Ist weg.«
»Was ist dann mit Collard oder Remy?«
Ein weiteres Achselzucken, doch die Miene des Mannes verfinsterte sich. »Sind mit Capitaine gegangen.«
Sheppard runzelte die Stirn. Deprez, Collard und Remy – alle drei Angehörige der belgischen Armee – befehligten die Zappo Zaps in dieser Gegend. Sheppard hatte sie kennengelernt, nachdem er am Kasai, einem Nebenfluss des Kongo, eine Mission gegründet hatte. Die Abwesenheit der Belgier war ungewöhnlich, denn sie trieben im Dorf die »Kautschuksteuer« ein – was freilich nicht bedeutete, dass sie gegen die hier begangenen Gräuel eingeschritten wären. Vielmehr ermutigten sie die Eingeborenen sogar zur Brutalität. Deprez führte eine aus Flusspferdleder geflochtene Peitsche mit sich, mit der er aus nichtigen Anlässen seine Opfer strafte. In den vergangenen Monaten hatte die Gruppe unter der Aufsicht des Hauptmanns am Kasai gewütet und auf ihrem Weg nach Norden Dorf um Dorf terrorisiert.
Das war der Grund, weshalb Sheppard seine Mission in Ibanj verlassen und sich auf die Suche nach der Gruppe begeben hatte. Die Kuba, ein anderer Stamm, hatten einen Abgesandten ihres Königs geschickt und den Reverend gebeten, die mörderischen Zappo Zaps daran zu hindern, auf ihr Gebiet vorzudringen. Den Wunsch konnte er ihnen nicht abschlagen. Zwei Jahre zuvor hatten die Kuba Sheppard als erstem Fremden Zugang zu ihrem Königreich gewährt, vor allem deshalb, weil er sich die Zeit genommen hatte, ihre Sprache zu erlernen. Als er sich flüssig auszudrücken vermochte, wurde er am Hof des Königs freundlich aufgenommen. Wie sich herausstellte, waren die Menschen aufrichtig und fleißig, obwohl sie an Hexerei glaubten und der König siebenhundert Frauen hatte. Zwar war es ihm nicht gelungen, sie zu bekehren, doch sie erwiesen sich in dieser feindseligen Region als wertvolle Verbündete.
Und jetzt brauchen sie meine Hilfe.
Er musste wenigstens versuchen, Deprez dazu zu bewegen, die Kuba vor seiner Grausamkeit zu verschonen.
»Wohin sind Deprez und die anderen gegangen?«, fragte Sheppard.
M’lumba blickte nach Osten, zu dem Land jenseits des träge dahinfließenden Kasai. Er fluchte auf Bantu und spuckte aus: »Ich ihnen gesagt, sie nicht dorthin gehen. Das ist alaaniwe.«
Das war das Bantu-Wort für »verflucht«. Der Aberglaube war bei den hiesigen Stämmen tief verwurzelt. Sie glaubten an Gespenster und Geister, an Zauberei und Magie. Es war ihm nahezu unmöglich, diesen Schleier heidnischer Überzeugungen zu durchdringen und durch die frohe Botschaft Christi zu ersetzen. Trotzdem hatte er sich nach Kräften bemüht und gleichzeitig, bewaffnet allein mit einer Bibel und einer Kodakkamera, die hier verübten Gräuel dokumentiert.
Sheppard legte die Stirn in Falten. Es musste einen gewichtigen Grund dafür geben, dass alle drei Offiziere losgezogen waren. »M’lumba, weshalb sind Deprez und die anderen beiden fortgegangen? Wonach suchen sie?«
»Pango«, murmelte der Eingeborene, das Bantu-Wort für »Höhle«. Dann machte er ein finsteres Gesicht und tat so, als würde er den Boden umgraben, wobei er Sheppard ansah.
Sheppard blinzelte, dann begriff er. »Meinst du ein Bergwerk?«
M’lumba nickte heftig. »Oui. Bergwerk. An einem bösen Ort. Mfupa Ufalme.«
Sheppard blickte ans andere Ufer und übersetzte die beiden Worte des Kannibalen.
Königreich der Knochen.
Das klang bedrohlich, doch Sheppard schenkte dem wenig Beachtung. Im pfadlosen Dschungel gab es noch viele unerforschte Orte. Er selbst hatte einen bislang unbekannten See entdeckt, und in ein paar Monaten sollte er bei der Royal Geographic Society einen Vortrag darüber halten. Noch weiter als der Aberglaube aber waren in dieser Region Gerüchte über geheime Schätze und verborgene Königreiche verbreitet. Schon viele Männer hatten sich davon ins Verderben locken lassen.
Und jetzt vielleicht auch die drei Belgier.
»Weshalb wollen sie zu dem Bergwerk?«, fragte Sheppard. »Was hoffen sie dort zu finden?«
M’lumba wandte sich um und erteilte einem älteren Mann mit Gesichtstätowierungen barsch einen Befehl. Offenbar war dies der mganga der Gruppe, der Hexendoktor. Die Zappo Zaps reisten niemals ohne Schamanen, der die visuka und roho abwehrte, die rachsüchtigen Gespenster und Geister derer, die sie abgeschlachtet hatten.
Der alte Mann trat näher. Er war nur mit einem Lendentuch bekleidet und trug eine Halskette mit Amuletten aus Elfenbein und Holz. Seine Lippen waren fettig, anscheinend hatte er kurz zuvor gegessen. M’lumba fragte den mganga etwas im Basongye-Dialekt, das Sheppard nicht verstand.
Der Schamane machte ein finsteres Gesicht, hantierte mit den verknäulten Amuletten und streifte sich eine geflochtene Schnur über den Kopf. Daran war ein einzelnes Totem befestigt. Es handelte sich um eine Metallscheibe, nicht größer als ein Fingernagel. Der Älteste schüttelte sie vor M’lumba, der sie entgegennahm und an Sheppard weiterreichte.
»Capitaine Deprez hat das gefunden. Ein mganga eines anderen Dorfs trug es um den Hals. Der capitaine peitscht Leute aus, damit sie reden. Zwei Tage lang Geschrei. Dann mganga sagt ihm, woher das ist.«
»Von Mfupa Ufalme …«, murmelte Sheppard. Vom Königreich der Knochen.
M’lumba nickte düster; offenbar war er verärgert.
Sheppard betrachtete das Amulett. Anscheinend handelte es sich um eine schwarz angelaufene Münze mit einem Loch in der Mitte. An einer Seite hatte man am Belag gerieben, darunter schimmerte es golden.
Sheppard wurde mulmig zumute.
Kein Wunder, dass Deprez so brutal vorgegangen ist …
Für einen dermaßen verkommenen Menschen war die Verlockung des Goldes weitaus stärker als die von Elfenbein oder Kautschuk. Von all den Gerüchten über im Dschungel verborgene Städte und Schätze stachelte keines die Gier so an wie die Aussicht auf Gold. Seit jeher durchstreiften Forscher den Dschungel nach solchen Reichtümern. Hartnäckig hielten sich Legenden über Bergwerke, die angeblich von römischen Legionären oder gar den Streitkräften König Salomos angelegt worden waren.
Sheppard seufzte, denn er wusste nur allzu gut, wie viele Forscher bei solch tollkühnen Unternehmungen ihr Leben gelassen hatten. Er wollte das Goldstück gerade sinken lassen, als ein Sonnenstrahl auf die Inschrift auf der Rückseite fiel. Er hob die Münze wieder an und wendete sie im Licht. Er blinzelte, dann machte er große Augen. Er rieb an der Münze, bis ein Name zum Vorschein kam.
Presbyter Iohannes.
Er krampfte die Hand um die Münze.
Das kann nicht sein.
Der Name war auf Latein geschrieben, doch Sheppard wusste, dass die Goldmünze nicht von einer römischen Legion geprägt worden war. Auch nicht vom Heer des König Salomo. Vielmehr verwies sie auf eine andere Geschichte, nicht minder fantastisch als die übrigen Legenden.
»Priesterkönig Johannes«, übersetzte er.
Während des Theologiestudiums hatte er auch von dem Respekt einflößenden christlichen Priesterkönig...
Erscheint lt. Verlag | 23.8.2023 |
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Reihe/Serie | SIGMA Force | SIGMA Force |
Übersetzer | Norbert Stöbe |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Kingdom of Bones (Sigma Force 16) |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | 2023 • action • Afrika • Clive Cussler • Dan Brown • Der Schwarm • eBooks • Frank Schätzing • Genetik • Hightech • Humanitäre Hilfe • Michael Crichton • Neuerscheinung • Neuerscheinung 2023 • Neue Thriller 2023 • SIGMA Force • Spannung für Männer • SPIEGEL-Bestsellerautor • Thriller |
ISBN-10 | 3-641-28136-9 / 3641281369 |
ISBN-13 | 978-3-641-28136-6 / 9783641281366 |
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