Dunkelstrom (eBook)
512 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60372-0 (ISBN)
Elina Backman arbeitet im Bereich Medien und Marketing und ist Kreativchefin und Vorstandsmitglied bei Bauer Media in Helsinki. Ihre wahre Leidenschaft sind jedoch Bücher aller Art. Ihr erster Thriller ist bereits ein großer Erfolg und erscheint in 15 Sprachen. Sie lebt mit ihrer Familie in einem alten Holzhaus bei Helsinki.
Elina Backman arbeitet im Bereich Medien und Marketing und ist Kreativchefin und Vorstandsmitglied bei Bauer Media in Helsinki. Ihre wahre Leidenschaft sind jedoch Bücher aller Art. Ihr erster Thriller ist bereits ein großer Erfolg und erscheint in 15 Sprachen. Sie lebt mit ihrer Familie in einem alten Holzhaus bei Helsinki.
Montag, 26. August
JAN
Jan hat kaum geschlafen. Aufgrund der Müdigkeit haben sich Saana und er im Taxi etwas distanziert voneinander verabschiedet, dann ist jeder zum Schlafen zu sich nach Hause gegangen. Sobald er im Bett lag, hat er befürchtet, vielleicht kein Auge zuzubekommen. Und so ist es natürlich auch gekommen. Erst am frühen Morgen ist er kurz davor gewesen einzuschlafen, aber zu dem Zeitpunkt hätte es nichts mehr gebracht, denn sein Handywecker war auf 6:15 Uhr gestellt. Entsprechend gerädert rührt er etwas braunen Zucker in seinen starken Espresso und reibt sich die Schläfen. Ein neuer Tag, seit Langem mal wieder allein und in seiner eigenen Wohnung, und sofort geht es wieder los zur Arbeit. Nachdem er den Kaffee heruntergekippt hat, läuft er von einem Raum zum anderen und versucht, sich zu erinnern, wo er vor der Reise seine Fahrradsachen hingelegt hat.
Die durch den Schlafmangel hervorgerufene trübe Sicht verfliegt erst, nachdem er mit dem Fahrrad die ersten Kilometer an der frischen Luft zurückgelegt hat. Er inhaliert die saubere finnische Luft tief in seine Lunge und stellt fest, dass sie schon leicht nach September riecht. Er spürt die Ankunft des Herbstes, obwohl es dafür noch kaum Anzeichen gibt. Vielmehr ist die Luft überraschend warm. Im Büro ersetzt er sein Sportshirt durch ein Jeanshemd, ohne zu duschen. Zerstreut wirft er seine Fahrradsachen auf das abgewetzte Sofa in der Ecke und geht in die Küche. Der Zeitunterschied zwischen Portugal und Finnland beträgt nur zwei Stunden, aber das heißt, dass er heute sogar länger als sonst durchhalten muss. Außerdem erwarten ihn ein paar Veränderungen. Nicht nur die Rückkehr vom Urlaub in den Alltag, sondern auch eine neue Vorgesetzte. Er hat es gerade geschafft, seine Kaffeetasse auf dem Schreibtisch abzustellen und sich hinzusetzen, als sich in seinem Sichtfeld etwas bewegt. Jemand kommt entschlossen auf ihn zu, und ohne hinzusehen, weiß er bereits, dass es die neue Chefin ist.
Johanna Nieminen nickt ihm zu und setzt sich auf die Ecke seines Schreibtischs, ohne ihm die Hand zu geben.
»Johanna Nieminen«, sagt sie.
»Jan Leino«, stellt er sich vor.
»Jetzt, da wir die Förmlichkeiten hinter uns haben, kann ich ja verraten, dass ich es gewohnt bin, Jone genannt zu werden.«
»Alles klar«, antwortet Jan. »Und ich werde immer nur Jan genannt«, sagt er lächelnd und hebt seine Hand zum Gruß. Johanna Nieminen, Jone. Der Spitzname hat sich schon in sein Gedächtnis eingebrannt, als Johanna ihn rücksichtslos mitten im Urlaub anrief.
»Leider haben wir keine Zeit, das noch weiter zu bequatschen. Unsere Tagesplanung mussten wir schon jetzt über Bord werfen. Hier in Helsinki ist etwas passiert, wofür man möglicherweise unsere Einschätzung braucht«, sagt Jone. »Der erste Fall in meiner Amtszeit. Ich höre schon, wie alle den Atem anhalten und darauf warten, dass ich es vermassle.« Sie lacht auf, und Jan ist sich nicht sicher, ob sie ihre Worte ernst meint oder nicht.
Er sieht seine neue Vorgesetzte an, eine schlagfertige Antwort will ihm einfach nicht einfallen. Weder ist er derselben noch anderer Meinung. Wenn er mit seinem ersten Eindruck richtigliegt, dann will sie mit ihren Worten nur provozieren, aber wenn er nach dem Köder schnappen und ihre Aussage bestätigen würde, dann würde sich vielleicht herausstellen, dass es doch kein Sarkasmus war, was ihn in eine unangenehme Lage bringen würde. Vielleicht.
»Ziehen wir nicht alle am selben Strang?«, antwortet er daher und kommt sich vor wie ein Politiker. Jone lächelt und scheint seine Vorsicht zu schätzen.
»Ich habe gehört, dass du einer unserer besten Ermittler bist. Für eine Führungskraft bist du bei zu vielen Einsätzen dabei, aber die Fälle, in denen du Ermittlungsleiter warst, hast du mit Bravour gemeistert. Den Berichten zufolge hast du eine sehr gute Aufklärungsrate«, sagt sie und wippt beim Sprechen mit ihrem rechten Fuß, der in einer Reitstiefelette aus Leder steckt. »Ich verstehe dich. Auch ich hasse Bürokratie – und, wenn ich das sagen darf, euren Kaffee genauso.« Sie deutet auf die Tasse in ihrer Hand.
Jan muss schmunzeln, als er sieht, dass sie sich die Simpsons-Tasse aus dem Schrank genommen hat. Er spürt, dass die neue Chefin ihn genau beobachtet, auch wenn sie sich um einen lockeren, ja sogar sorglosen Eindruck bemüht.
»Hundert«, sagt er und schaut ihr direkt in die Augen. Er weiß, dass die Aufklärungsrate in den von ihm geleiteten Ermittlungen bei hundert Prozent liegt.
»Also, Herr Hundert, gerade hat sich möglicherweise ein neues Tötungsdelikt ereignet«, sagt Jone und steht auf. Sie beginnt, unruhig vor seinem Schreibtisch hin- und herzulaufen. »Im Naturschutzgebiet in der Altstadtbucht wurde gestern eine Leiche gefunden, ein junger Mann.« Sie bleibt stehen.
»Die Trailläuferin, die die Leiche gefunden hat, hat sich vorläufig verpflichtet, der Öffentlichkeit keine Informationen preiszugeben. Nur die Behörden wissen davon. Das Areal wurde unverzüglich nach dem Leichenfund abgesperrt.«
Jan nickt.
»Die Helsinkier Mordkommission bearbeitet den Fall. Die üblichen Voruntersuchungen wurden eingeleitet, aber die dortige Ermittlungsleiterin hat, kurz bevor du kamst, Kontakt zu mir aufgenommen und gefragt, ob du dir das Ganze einmal ansehen und deine Einschätzung dazu abgeben könntest.«
»Warum?« Jan muss einfach nachhaken. Die Helsinkier Polizei wird doch bestimmt einen hervorragenden Job machen.
»Weiß ich nicht. Aber das werden wir bald herausfinden. Die Anruferin war eine gewisse Nurmi.«
»Heidi Nurmi?«, vergewissert er sich. Heidi ist die fähigste Ermittlerin, die er kennt. Was kann sie im Wald vorgefunden haben, das sie veranlasste zu glauben, die Unterstützung des KRP zu brauchen, und auch noch freiwillig um Hilfe zu bitten? Vielleicht hat sie ihn nur vermisst, denkt er belustigt.
»Genau die«, antwortet Jone. »Ich hätte gern, dass du zum Fundort fährst und dir einen Eindruck von der Lage machst. Ein ungeklärter Todesfall im Wald und ein junges Opfer, das hört sich nicht besonders gut an. In diesem Fall gibt es ein paar versteckte Alarmsignale, auf die ich mittlerweile schon ganz automatisch reagiere.«
Jan nickt. Ihm gefällt Jones Art, Tacheles zu reden. Erst jetzt betrachtet er seine neue Chefin genauer. Sie sieht fit aus. Braune Haare und hübsche Gesichtszüge, dezentes Make-up und kluge Augen. Am linken Ringfinger ein Doppelring, auf einem davon eine Reihe schlichter Diamanten. Zwischen vierzig und fünfzig, schätzt er, will sich aber auf keine genaue Zahl festlegen.
»Ich habe dir alle nötigen Infos schicken lassen, die wir bis jetzt haben. Mach dich gleich mit dem Fall vertraut«, sagt Jone, und Jan weckt seinen Computer mit einer Bewegung der Maus aus dem Stand-by auf.
»Seit dem Fund ist weniger als ein Tag vergangen. Der Tote wurde gestern am späten Abend in die Leichenhalle gebracht, aber die Spurensicherung untersucht den Fundort immer noch. Wir wissen bisher nur, dass es sich um eine männliche Leiche handelt, womöglich Opfer eines Gewaltverbrechens. Und das basiert hauptsächlich auf meinem Bauchgefühl. Der Leichnam hat höchstens ein paar Tage im Wald gelegen. Wir warten noch auf genauere Angaben.«
»Es besteht doch bestimmt Grund zur Annahme, dass jemand ihn mittlerweile vermisst«, kommentiert Jan.
»Die Daten der vermissten Personen werden bereits mit der DNA des Fundes verglichen.«
»Gut«, sagt er und sieht auf die Uhr. Sollte es sich um jemanden handeln, der erst kürzlich als vermisst gemeldet wurde, würden sie die Identität des Toten innerhalb weniger Stunden herausfinden. Er nimmt einen Schluck von dem bitteren Kaffee. Bitter wie der Gedanke an Mord. Das ist das Schlimmste, was finnischen Naturliebhabern passieren kann, denkt er. Ein junger Mensch wird tot in einem beliebten Erholungsgebiet gefunden. Was die Statistik...
Erscheint lt. Verlag | 1.6.2023 |
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Reihe/Serie | Die Saana-Havas-Reihe | Die Saana-Havas-Reihe |
Übersetzer | Alena Vogel |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | blutige Rache • Cold Case • Dunkle Vergangenheit • Ermittlerduo • Finnland • Helsinki • Journalistin • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Krimi Serien • Mord • Neuerscheinung 2023 • Psychothriller • Schwedenkrimis • Serienkiller • Serienmörder • Skandinavien • Skandinavische Krimis • skandinavische Thriller • Spannung • Thriller • Thriller Bücher • Verrat |
ISBN-10 | 3-492-60372-6 / 3492603726 |
ISBN-13 | 978-3-492-60372-0 / 9783492603720 |
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