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Halliggift (eBook)

Ein Nordseekrimi | Ein spannender Küstenkrimi auf den sturmumtosten Halligen
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
272 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2938-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Halliggift -  Greta Henning
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Ein verirrter Wal, rätselhafte Giftmorde und eine Hallig im Frühlingserwachen Der nordfriesische Februar ist rau, aber hier und da blühen im grünen Halliggras die ersten Schneeglöckchen. Während Kommissarin Minke van Hoorn mit einem verirrten Pottwal vor der Küste beschäftigt ist, geschieht auf Hallig Midsand Unerklärliches: Die Chorleiterin Hanni Krüdener bricht nach dem Kirchenkaffee zusammen und stirbt. Minkes Bruder Bo, eigentlich Rechtsmediziner in Kiel und nach einem Sportunfall gelangweilter Patient auf dem Familiensofa, stellt bald fest: Hannis Tod war kein Unfall. Während der Küstenwind weht und der Wal um die Halligen kreist, muss Minke sich beeilen, denn der Giftmörder hat schon sein nächstes Opfer im Visier ...

Greta Henning ist das Pseudonym einer deutschen Autorin. Sie mag die Nordsee bei jedem Wetter, Wattwanderungen und Krabbenbrötchen - gute Voraussetzungen, um einen Nordseekrimi zu schreiben. Besonders die Welt der friesischen Halligen hat es ihr angetan.

Greta Henning ist das Pseudonym einer deutschen Autorin. Sie mag die Nordsee bei jedem Wetter, Wattwanderungen und Krabbenbrötchen – gute Voraussetzungen, um einen Nordseekrimi zu schreiben. Besonders die Welt der friesischen Halligen hat ihr es angetan.

Kapitel 2


»Der Frühling kommt / der Winter geht
auf den steilen Klippen die Fischersfrau steht
Sie sieht hinaus aufs weite Meer /
das Feuer brennt, ihr Herz ist schwer.«

Das kleine Mädchen mit dem perfekt genähten, altertümlich wirkenden Kleid und einer blütenweißen Haube auf dem Kopf holte emsig Luft, um den nächsten Vers aufzusagen, stockte dann aber. Hilfe suchend fand ihr Blick die Frau in der vordersten Reihe, die ihr aufmunternd zulächelte. Hanni Krüdener, in einem Faltenrock und mit Haarklammern zurückgesteckten grauen Löckchen, hielt den Text auf den Knien und formte mit den Lippen lautlos den Anfang der nächsten Zeile. »Ihr Mann wird fahren weit hinaus …«

Das Gesicht des Mädchens hellte sich auf.

»Am Biikebrennen fahren die Männer weit hinaus«,

posaunte nun die kleine Fischersfrau mit neuem Selbstbewusstsein heraus. »Mit Glück werden sie bringen einen Wal nach Haus.«

Auf Hannis Wink hin hüpfte ein Junge in einem riesigen, blaugrau bemalten Pappmascheekostüm in Form eines Wals auf die Bühne. Die Sonne fiel in diesem Moment durch die alten Kirchenfenster und tauchte die Bühne in goldenes Licht. Ein begeistertes Raunen ging durch die Menge, und die Eltern schossen eifrig Fotos. Währenddessen paddelte der Pappmascheewal vergnügt mit ausholenden Schwimmbewegungen um die Fischersfrau herum. Geert, der seit ein paar Monaten bei Hannis Kindertheatertruppe assistierte, stellte drei Kinder in silbrigen Makrelenkostümen auf, die nun gemeinsam mit der Fischersfrau ein Lied über das spannende Leben der Wale sangen, während Hanni Gitarre dazu spielte. Als das Lied zu Ende war, legte das Mädchen die flache Hand über die Augen, als würde sie von den Klippen aus in die Ferne spähen.

»Der Wal, das große Riesentier /
Von seinem Waltran damals lebten wir.«

Der Wal schwamm großzügig eine Extrarunde.

»Jeden Frühling fuhren die Fischer darum zum Fang /
Am Tag nachdem das Prasseln des Biikefeuers erklang.«

Ein paar Kinder im Flammenkostümen kamen auf die Bühne, fassten einander an den Händen und hüpften im Kreis herum. Dazu knisterte Geert mit Seidenpapier, sodass es sich wie ein Feuerprasseln anhörte.

»Den Weg leuchteten den Walfängern die hohen Flammen,
ein letzter Gruß, bis man wieder wäre zusammen.
So geht es in Friesland seit ältester Zeit /
vor dem Petritag kommt das Biikebrennen, ihr lieben Leutʼ.«

Auf dem Gesicht des kleinen Mädchens breitete sich Erleichterung aus; sie hatte es geschafft. Schwungvoll verbeugte sie sich, während der Wal von der Bühne aus wild seinen Eltern zuwinkte. Alle Kinder zusammen sangen eine Abschlussstrophe, dann war das Stück endgültig vorbei, und Applaus brandete in der Kirche auf.

»Wunderbar!« Eine Frau mit honigblonden Haaren und Beff­chen am Blusenkragen stand auf und ging nach vorn ans Mikrofon. Erst seit kurz vor Weihnachten war Agneta die neue Pfarrerin auf Midsand. Jetzt lächelte sie die kleinen Schauspieler an und sagte mit ihrem deutlich hörbaren schwedischen Akzent: »Das habt ihr wirklich toll gemacht, Kinder – vielen Dank! Ein so schönes Stück, das ihr für uns gespielt habt; das muss unbedingt mit Himbeertörtchen und Kakao belohnt werden.« Die Kinder strahlten. »Und natürlich wollen wir uns auch bei Hanni und Geert bedanken, ohne die es das Stück nicht gegeben hätte. Kommt ihr bitte auch nach vorne?« Die Pfarrerin zauberte zwei üppige Blumensträuße mit Christrosen, Schneeglöckchen und Winterschneeballzweigen und dazu zwei Schachteln Pralinen hervor. Hanni und Geert nahmen beides lächelnd entgegen. »Übrigens«, Agneta sah kurz zu Hanni, die ihr etwas verlegen zunickte. »Es gibt tolle Neuigkeiten, die ich verkünden darf: Unsere Hanni Krüdener, von der ja einige bereits sagen, dass sie bestimmt bald einen Heiligenschein bekommt, bei den vielen tollen Dingen, die sie so selbstlos tut«, die Menge schmunzelte, » … wird in diesem Jahr mit dem ›Jüsteringer Engel‹ ausgezeichnet. Das ist der Preis für herausragendes soziales Engagement, und ich denke, wir sind uns alle einig, dass Hanni ihn mehr als verdient hat. Danke noch einmal!« Alle applaudierten. Hannis Wangen erröteten. »Hanni, Hanni!«, riefen ein paar ältere Theaterkinder ausgelassen.

»So, und nun kommen wir zum gemütlichen Teil des Nachmittags«, verkündete Agneta. »Es gibt bergeweise Kuchen und Törtchen, Kaffee und Kakao für alle und zum Glück auch ein paar Helfer, die beides ausgeben. Alles, was wir heute einnehmen, kommt unserem Kirchendach zugute. Sie wissen ja, es leckt hier und da und braucht dringend neue Ziegel. Ich darf verkünden, dass wir ausgerechnet heute eine große Spende bekommen haben, und dafür sind wir sehr dankbar. Aber noch ist nicht alles beisammen.« Sie zwinkerte. »Also – füllen Sie sich die Bäuche, und haben Sie einen schönen Nachmittag.«

Johlend stürzten die Kinder durch den Mittelgang hinüber zu den Leckereien. Die Erwachsenen folgten.

Kurz darauf war die alte Midsander Halligkirche erfüllt vom Klimpern der Kuchengabeln auf den Tellern, von Klatsch und Tratsch und Kaffeeduft. Dazwischen rannten fröhliche Kinder, verkleidet als Heringe, Kraken und Fischer mit schokoladenverschmierten Mündern umher.

Der Reeder Jost Thomsen machte wie jeden Freitagnachmittag, seit er mit zwanzig das Unternehmen übernommen hatte, seinen Rundgang durch seine Werft. Jetzt war er Mitte sechzig – wo war die Zeit hin? Wie immer trug er Anzug und ordentliche, handgenähte Lederschuhe – immerhin ließ er mittlerweile die Krawatte weg. Er schmunzelte, als er daran dachte. Christinas Einfluss zeigte langsam, aber sicher Wirkung. Er nahm immer dieselbe Route; begann um drei Uhr am Trockendock, wo die Arbeiter Schiffe der Reederei überprüften und reparierten, was kaputt war. Von den Trockendocks aus ging es weiter zum Baudock, wo die neuesten Schiffe entwickelt, entworfen und gebaut wurden.

Am Trockendock waren an diesem Freitag die Techniker mit einem der Krabbenkutter der Reederei beschäftigt, bei dem die Steuerung Ärger machte. Als sie den Reeder bemerkten, winkten sie ihm in ihren Blaumännern und den gelben Schutzhelmen zu. Jost ließ sich kurz berichten, was zu machen war, und besichtigte selbst den Schaden. »He, Chef«, sprach ihn einer der ältesten Arbeiter an. »Hätte ja nicht gedacht, dass Sie heute auch Ihren Rundgang machen.«

»So, und warum nicht?«

»Sie heiraten doch morgen.«

Die Männer grinsten. Er wusste, dass sie Christina mochten. Er hatte sie schon ein paarmal freitags mitgenommen, und sie hatte sofort ausgelassen mit den Arbeitern herumgealbert. Irgendwie schaffte sie es immer, dass ihr die Herzen zuflogen.

»Wo ist Ihre junge Braut denn?«, fragte einer der Männer.

»Die ist heute Nachmittag drüben auf Midsand.«

»Na dann ist ja gut. Ich hab schon befürchtet, sie hätte kalte Füße gekriegt.« Alle lachten.

»Wir beneiden Sie, Chef!«, rief einer. »So eine wie Christina gibtʼs nicht überall …«

Jost unterhielt sich noch kurz mit ihnen und ging dann weiter. Am Baudock wurde ein neues Frachtschiff gebaut. Jost nahm sich Zeit, um mit den Ingenieuren zu reden, die neuesten Pläne mit ihnen zu diskutieren. Er liebte die riesigen Frachter, die bunte Container in die ganze Welt brachten. Schon als kleiner Junge war er hier in der Werft auf ihnen herumgeklettert, hatte sich vorgestellt, wo das Schiff überall hinfahren würde – nach Afrika oder nach Asien, irgendwohin, wo es ganz anders roch und ganz anders aussah als das, was er kannte. Später war er in den Sommerferien ein paarmal auf einer solchen Fahrt mitgefahren, einmal über den Suezkanal bis nach Hongkong und in einem anderen Sommer quer über den Atlantik bis nach Buenos Aires. Sein Vater hatte ihn gewähren lassen. Reederei und Meer liegt den Thomsens im Blut, hatte er immer gesagt. Und ich habe das auch lange geglaubt, dachte Jost. Viel zu lange.

»Herr Thomsen?« Einer der Ingenieure sah ihn fragend an. »Was halten Sie denn nun davon?« Jost konzentrierte sich wieder auf den Plan, den der Mann ihm unter die Nase hielt. Er nickte. »Ja, das klingt gut. Berechnen Sie ein Modell, und wir sprechen darüber, wenn ich aus den Flitterwochen zurück bin. Wir fliegen am Sonntag und bleiben bis Ende März.«

Sein Gegenüber lachte. »Eigentlich so wie immer, Herr Thomsen. Wann haben Sie schon einmal einen Februar in Friesland verbracht? Wir haben ja schon alle gestaunt, dass Sie es wegen der Hochzeit ausnahmsweise bis zur Mitte des Monats hier aushalten.«

Jost antwortete nicht. Er nickte seinem Schiffsingenieur nur zu und ging weiter. Es stimmt, dachte er, es ist Ewigkeiten her, dass ich um diese Zeit hier gewesen bin, dass ich das Biikebrennen gesehen habe. Es waren nur noch fünf Tage bis dahin. Er spürte, wie er unruhig wurde. Er wollte in die Sonne, irgendwohin, wo es nicht aussah wie Friesland im Februar. Er ertrug es nicht....

Erscheint lt. Verlag 27.4.2023
Reihe/Serie Ein Minke-van-Hoorn-Krimi
Ein Minke-van-Hoorn-Krimi
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Biike-Feuer • COSY • Crime • Dünen • Ermittler • Ermittlerin • Geheimnis • Gerichtsmediziner • Giftmorde • Hallig • Insel • Kommissarin • Krimi • Küste • Leuchten • Meer • Neu • Nordfriesland • Nordsee • Ostfriese • Ostfriesland • Polizei • regional • Reihe • Serie • Sommer • Strand • Strandkorb • Toter • Urlaub • Watt
ISBN-10 3-8437-2938-7 / 3843729387
ISBN-13 978-3-8437-2938-3 / 9783843729383
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