Tote Lämmer lügen nicht (eBook)
288 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01620-0 (ISBN)
Christiane Franke wurde an der Nordseeküste geboren und lebt immer noch gerne dort. Neben ihren gemeinsamen Projekten mit Cornelia Kuhnert schreibt sie eine weitere Krimiserie um die Wilhelmshavener Kommissarinnen Oda Wagner und Christine Cordes, die im Emons Verlag erscheint. Gemeinsam mit Cornelia Kuhnert hat sie bei rororo bereits elf Bände ihrer Ostfriesland-Krimireihe um Dorfpolizist Rudi, Postbote Henner und Lehrerin Rosa veröffentlicht.
Christiane Franke wurde an der Nordseeküste geboren und lebt immer noch gerne dort. Neben ihren gemeinsamen Projekten mit Cornelia Kuhnert schreibt sie eine weitere Krimiserie um die Wilhelmshavener Kommissarinnen Oda Wagner und Christine Cordes, die im Emons Verlag erscheint. Gemeinsam mit Cornelia Kuhnert hat sie bei rororo bereits elf Bände ihrer Ostfriesland-Krimireihe um Dorfpolizist Rudi, Postbote Henner und Lehrerin Rosa veröffentlicht. Cornelia Kuhnert lebt in Hannover und hat dort als Lehrerin gearbeitet. Sie hat bereits zahlreiche Kriminalromane veröffentlicht und Anthologien herausgegeben. Gemeinsam mit Christiane Franke hat sie bei rororo bereits zehn Bände ihrer Ostfriesland-Krimireihe um Dorfpolizist Rudi, Postbote Henner und Lehrerin Rosa veröffentlicht.
SONNTAG
Als ihr Wecker klingelt, drückt Rosa schnell die Schlummertaste und zieht sich die Daunenbettdecke bis an die Nasenspitze hoch. Noch zehn Minuten in der wohligen Wärme weiterduckeln, bevor sie aufsteht und die Eiseskälte ihres Schlafzimmers an sich heranlässt. Über Nacht stellt sie die Heizung hier immer aus und das Fenster auf Kipp. Das soll gut für den Schlaf sein. Davon hat sie heute Nacht nicht viel gemerkt. Der Anblick des toten Lenny Kramer drängt sich ihr ungefragt auf, und in ihrem Inneren zieht sich alles zusammen. Zum Glück haben sie die Gespräche gestern im Dattein auf andere Gedanken gebracht, sie hat sich im Traum schon in Flower-Power-Klamotten in dieser Deichkneipe stehen sehen.
Sie schwingt die Beine aus dem Bett, schnappt sich ihren Bademantel und eilt ins Bad, wo sie in weiser Voraussicht die Heizung höher gestellt hat. Unter der Dusche erwachen ihre Lebensgeister. Der heiße Ingwer-Orange-Tee und die Scheibe des fluffigen Möhrenbrots machen sie endgültig fit für den Tag. Und der hält heute Vormittag eine nette Verabredung für sie bereit. Janko Janßen hat zugesagt, sie auf dem Hof seiner Deichschäferei herumzuführen und ihr allerhand zur Schafzucht zu erklären, nachdem sie ihn kürzlich beim ersten Neuharlingersieler Biikebrennen darauf angesprochen hat, ob es möglich wäre, mit ihrer Klasse die Schäferei zu besichtigen.
Während sie ihre Haare föhnt, überlegt sie, was sie anziehen soll. Ein Teil der Mutterschafe steht zum Ablammen im Stall, hat Janko am Telefon gesagt, und ja, es könnte durchaus sein, dass sie bei einer Geburt zusehen kann. Also ist etwas Bodenständiges angesagt. Jeans, dicker Norwegerpulli über einem langärmeligen T-Shirt, die Daunenweste unter dem Ostfriesennerz und die gefütterten Gummistiefel.
Mit einem Glas selbst gemachtem Würzsenf als Gastgeschenk in der Tasche macht sie sich auf den Weg. Kaum lässt sie den Kreisel bei der Kurverwaltung hinter sich, hört der Regen auf. Der Himmel schimmert bis zum Horizont in allen erdenklichen Grautönen. Das Wintergrün des Deichs wirkt stumpf vor dieser Umrahmung. Weit und breit sind keine Schafe zu sehen. Bei dem Schietwetter haben die vermutlich auch keine große Lust, draußen rumzustehen. Oder ist denen das egal? Rosa hat sich bislang noch nie groß Gedanken um Schafe gemacht, obwohl sie als Kind sogar ein Lamm als Plüschtier hatte. Das war so süß. So knuddelig. Plötzlich kommt ihr die Idee mit dem Senf dumm vor. Sie hat gedacht, der würde perfekt zur Lammbratwurst passen, aber vielleicht hat Janko ein engeres Verhältnis zu seinen Schafen und isst gar kein Lammfleisch. Von so einem Schafzüchter hat sie vor ein paar Wochen in der Zeitung gelesen.
Auf der Zufahrt zur Deichschäferei staunt sie. Das ist ja ein richtig großer Hof! Berge von runden, mit Plastik umwickelten Strohballen stapeln sich neben der Scheune, ein riesiger Traktor mit gewaltigen Rädern und offenem Anhänger steht unter einem Vordach. Das hätte sie so nicht erwartet, sie hatte sich eine heimelige Kate vorgestellt. Aber wahrscheinlich ist Viehzucht erst ab einer gewissen Größe rentabel.
Langsam lässt sie ihren Fiat um ein lang gezogenes Stallgebäude bis vor das Wohnhaus aus rotem Klinker rollen. Ein dunkler Pick-up steht links davor, Janko selbst läuft mit Kopfhörern und einem Laubbläser am Rande des betonierten Grundstücks entlang und pustet die Blätter, die der starke Wind durch die Gegend wirbelt, hinüber aufs Feld. Rosa zieht die Strickmütze auf, streift die Fäustlinge über und steigt aus. Sofort reißt der Wind an der Fahrertür, aber Rosa hält sie fest und schmeißt sie schnell zu. Es riecht nach Silage und etwas anderem Strengen, das Rosa nicht genau zuordnen kann, es werden wohl die Schafe sein. Sie geht schon auf Janko zu, um ihm auf die Schulter zu tippen, da dreht er sich um.
Augenblicklich erhellt ein Lächeln sein Gesicht. Er nimmt die Ohrschützer ab und begrüßt sie mit einem freundlichen Händedruck. «Moin. Bist ja überpünktlich.»
Rosa lacht herzlich bei dieser Begrüßung. «Pünktlichkeit ist mein zweiter Vorname. Stell dir vor, ich würde als Lehrerin zu spät in den Unterricht kommen, da würden die Eltern und mein Rektor mir was erzählen.»
«Na, dann komm mal mit, wir gehen in den Stall.»
In dem lang gestreckten Gebäude riecht es noch intensiver nach Heu und Tieren. Einige Schafe blöken, und das kindliche Mäh der Lämmer rührt Rosas Herz. Ein schwarz-weißer Border Collie liegt mitten im Gang und schaut sie neugierig an. Rosa kniet sich nieder und hält ihm die Hand zum Schnuppern hin, bevor sie seinen Kopf krault. Dann steht sie auf und bestaunt die riesigen Boxen, in denen die Schafe stehen.
«Meine Güte, sind das viele!», ruft Rosa überrascht aus. «Und die sind alle trächtig?»
«Ja. Dies ist ein Drittel der Herde. Sechshundertfünfzig Stück. Die bleiben bis März hier, dann sind sie mit dem Ablammen durch.»
«Und was machst du mit den vielen kleinen Lämmern?» Rosa ist ganz verliebt in die Tierbabys, die in den großen Buchten mit ihren Müttern untergebracht sind.
«Die …» Jankos Handy klingelt. «’tschuldigung», sagt er und nimmt das Gespräch an. Gleich darauf blickt er grimmig aus der Wäsche. «Danke für die Info. Ich kümmere mich sofort darum.» Er beendet das Gespräch und steckt das Handy in die aufgenähte Tasche seiner Arbeitshose. «Tut mir leid, aus dem versprochenen Tee wird nichts. Ich muss raus. Gerade hat ein Radfahrer angerufen. Er hat am Deich tote und verletzte Schafe gesehen. Ich muss sofort hin und nachschauen, was passiert ist.»
«Ich begleite dich», beschließt sie, ohne lange nachzudenken.
Janko zuckt mit den Schultern. «Wenn du unbedingt möchtest. Aber mach dich darauf gefasst: Das ist kein schöner Anblick.»
Ernst nickt Rosa, Janko eilt zum Wohnhaus und kommt gleich darauf mit einer Waffe zurück. Erschrocken zuckt Rosa zusammen, als sie das Gewehr sieht. «Willst du etwa schießen?»
«Besser, man ist auf alles vorbereitet», sagt er entschlossen und beschleunigt seinen Schritt. Er entriegelt den Pick-up, die Blinklichter blitzen kurz auf. Kaum sitzen sie im Wagen, gibt Janko Gas. Rosa hält sich am Griff über dem Beifahrersitz fest. «Meinst du, das könnte ein Wolf gewesen sein?»
Janko nickt aufgebracht. «Ich befürchte es. Neulich ist einer in der Nähe von Neßmersiel gesehen worden. Und in Westoverledingen bei Leer hat ein Wolf eine hundertfünfzigköpfige Herde angegriffen. Dreißig Tiere sind verendet. Wie im Blutrausch hat der Wolf die getötet.» Den Rest der kurzen Fahrt schweigen sie, bis Janko mit einem Mal voll in die Eisen steigt, die Tür aufreißt, das Gewehr vom Rücksitz schnappt und losrennt.
Ein wenig mulmig ist Rosa nun schon, doch sie will nicht kneifen. Langsam steigt sie aus. Janko ist bereits über den Zaun am Fuß des Deichs gesprungen, verlangsamt nun aber das Tempo und redet aus der Distanz beruhigend auf die Schafe ein, die zusammengedrängt am Gitterdraht stehen. Aber die Tiere lassen sich nicht beruhigen. Je näher er kommt, desto nervöser werden sie, bis sie schließlich davonrennen.
Ein einziges Schaf bleibt zitternd stehen, weitere Schafe und Lämmer liegen reglos auf dem Gras, aus klaffenden Wunden blutend. Rosa schlägt vor Entsetzen die Hand vor den Mund. Janko umrundet das zitternde Schaf. Er ist weiß wie die Wand. Dann hebt er die Waffe, zielt und schießt. Das Schaf bricht zusammen und fällt um. Nun sieht auch Rosa, was Janko bereits gesehen hat. Die eine Flanke des Schafes ist aufgerissen, die Eingeweide hängen heraus. Janko hat das Schaf schnell erlöst.
Laut ausatmend legt Janko das Gewehr hin und zieht sein Handy aus der Tasche. «Moin, Janko Janßen hier. Ich muss Wolfsrisse melden. Meine Herde auf dem Deich wurde angegriffen. Ein Schaf und drei Lämmer sind tot.» Sein Gegenüber fragt etwas. «Ja, ich bin sicher, dass es ein Wolf war. Die Trittsiegel sind eindeutig … Gut, ich warte hier. Bis gleich.» Er beendet das Gespräch und blickt Rosa an. «Der Förster kommt gleich, er muss die Risse begutachten und protokollieren.»
***
Der Abend bei Ludwig war lustig. Ist eben was anderes, wenn Männer unter sich sind, als wenn Frauen mitmischen. Das stellt Rudi immer wieder fest. Männer und Frauen haben einfach nicht den gleichen Humor. Auch Susanne kann oft wenig mit seinen Witzen anfangen, und nicht nur ein Mal hat Rudi dem lieben Gott dafür gedankt, dass er das mit ihr hat langsam angehen lassen. Sie ist ja auch noch nicht mal von Schnepel geschieden. Vielleicht hat Rudi sich in all den Jahren, seit Denise Sven und ihn verlassen hat, auch zu sehr an das Männer-WG-Leben mit seinem Sohn gewöhnt. Er und Henner empfinden es ja schon als störend, wenn Rosa sonntags versucht, sich in ihren heiligen Tatortabend hineinzudrängen. Es ist einfach was anderes, wenn sie dabei ist, als wenn Henner, Sven und er unter sich sind.
Besonders angenehm gestern Abend war, dass Ludwig noch keinen blassen Schimmer davon hatte, dass Lenny Kramer gewaltsam ums Leben gekommen ist. Und natürlich hat Rudi sich gehütet, etwas darüber verlauten zu lassen. So war es eine feuchtfröhliche Runde. Die Schnäpse hat Rudi zwar ausgelassen, weil er heute früh in Wittmund antreten muss, aber Schnaps ist sowieso nicht so sein Ding. Höchstens mal einen zum Verdauen nach einem ordentlichen Grünkohl- oder Updrögt-Bohnen-Essen bei Mudder Steffens.
Gut gelaunt gondelt Rudi mit seiner Ente nach Wittmund und ist noch vor Schnepel in Haueisens Büro. Der hat bereits das Whiteboard beschriftet. «Lennard Kramer, genannt Lenny» steht umkringelt in der Mitte....
Erscheint lt. Verlag | 14.2.2023 |
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Reihe/Serie | Henner, Rudi und Rosa | Henner, Rudi und Rosa |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Cosy Crime • Deutscher Krimi • Dorfpolizist • Dorfpolizist Rudi • Ermittler-Trio • Franke Kuhnert • Gisa Pauly • Henner • humorvoller Krimi • Krabbenbrot und Seemannstod • Krimineuerscheinungen 2023 • Krischan Koch • Küste • Küstenkrimi • Lehrerin Rosa Moll • Meer • Nordsee • Nordseeinsel • Nordsee-Krimi • Ostfriesen-Krimi • Ostfriesland • Ostfrieslandkrimi • Ostfriesland-Krimi • Postbote Henner Steffens • Regiokrimi • Rosa Band 10 • Rudi • Spannungsroman • spiegel bestseller • Spiegel Bestsellerliste aktuell • Urlaubslektüre |
ISBN-10 | 3-644-01620-8 / 3644016208 |
ISBN-13 | 978-3-644-01620-0 / 9783644016200 |
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