Spiekerooger Falle. Ostfrieslandkrimi (eBook)
200 Seiten
Klarant (Verlag)
978-3-96586-646-1 (ISBN)
"Bitte helfen Sie mir! Ich wurde soeben … vergiftet." Doch der Anruf von Arnulf Conradi bei der Spiekerooger Polizeistation kommt zu spät. Als sie in der feudalen Villa der Conradis eintreffen, können die Kommissare Wiebke Eden und Hinrich Mattern nur noch den Tod des wohlhabenden Insulaners feststellen. Der Mörder hat die todbringende Substanz in den Kaffee des Opfers gemischt. Eden und Mattern treffen auf eine zerstrittene Familie und müssen tief in der Vergangenheit forschen, um das Motiv für die Tat zu ermitteln. Wer war das ermordete Familienoberhaupt, dessen Tod für seine Mitmenschen eine Erleichterung zu sein scheint, wirklich? Und was hat es mit dem in der Conradi-Villa versteckten Safe auf sich, zu dem niemand den Code kennt? Als die Kommissare dabei sind, diese Fragen zu beantworten, folgt der nächste Schock: Der gefährliche Giftmischer von Spiekeroog hat ein weiteres Opfer gefunden...
Kapitel 1
Das Geräusch ließ sie jäh aus dem Schlaf hochschrecken. Sie saß aufrecht im Bett und starrte mit weit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit. Zwei, drei Sekunden verstrichen, bevor sie überhaupt in der Lage war, so etwas wie Konturen im Schlafzimmer wahrzunehmen.
Der Raum hatte sich nicht verändert. Alles schien an seinem Platz. Was Wiebke Eden aber brauchte, war Gewissheit.
Eine schnelle Handbewegung nach rechts, zum kleinen Nachtschrank. Ihre Finger fuhren am Kabel der Leselampe entlang, bis sie auf den kleinen Kippschalter stießen und ihn umlegten.
Licht flutete durch den Raum. Die Kommissarin blinzelte.
Sie war allein.
Ihr Herz schlug schneller als normal. Hatte sie geträumt und war deshalb aufgewacht? War das Geräusch ein Produkt ihrer Fantasie gewesen?
Die Frage wurde überflüssig, denn schon im nächsten Moment drang das Quietschen wieder zu ihr herüber. Es kam aus dem kleinen Garten vor dem Haus, hervorgerufen durch die Pforte, die sich im leichten Wind hin und her bewegte.
Natürlich war es möglich, dass sie sich losgerissen hatte. Denkbar war auch, dass Wiebke Eden sie nicht ganz geschlossen hatte, nachdem sie am vergangenen Abend nach Hause gekommen war, doch die Polizistin wusste es insgeheim besser. Gerade weil sie so penibel auf solche Dinge wie das Abschließen der Haustür achtete. Oder auf das Einrasten des eisernen Riegels der kleinen Gartenpforte.
Wiebke Eden schwang ihre Beine aus dem Bett und riss beinahe in derselben Bewegung die obere Schublade ihres Nachtschranks auf. Für einen grässlichen Augenblick befürchtete sie, jemand könnte ihre Dienstpistole daraus entwendet haben, doch das war nicht der Fall.
Wiebkes Finger umschlossen die Waffe und drückten sie an ihre Brust. Für ein paar Sekunden saß sie einfach nur da und versuchte, ihren Atem und ihren Herzschlag zu beruhigen.
Beides gelang nur mit mäßigem Erfolg. Sie schwitzte unter ihrem Shirt, das ihr bis weit über die Hüfte reichte.
Als sie sich barfuß über die Dielenbretter durch den Raum bewegte, spürte sie einen sanften Lufthauch an ihren nackten Beinen.
Die Zimmertür war nur angelehnt. Wiebke Eden entsicherte ihre Waffe und hielt sie nun mit beiden Händen fest gepackt. Der Lauf zeigte auf den sich ständig leicht verändernden Türspalt, durch den die Luft ins Zimmer drang. Irgendwo im Haus musste ein Fenster oder eine Tür geöffnet sein …
Die Kommissarin streckte den rechten Fuß leicht vor. Sie bekam die Zimmertür damit zu fassen und schob sie weiter auf.
Ein leises Knarren. Die Tür verharrte in ihrer Bewegung, bevor sie gegen die Wand prallen konnte.
Wiebke blieb auf der Schwelle stehen und betätigte den Lichtschalter des Schlafzimmers.
Ein breiter Keil matter Helligkeit flutete über den angrenzenden Küchenfußboden. Nichts rührte sich dort. Alles schien normal und so, wie sie es am Abend, vor wenigen Stunden erst, hinterlassen hatte.
Und doch hatte sich etwas verändert. Wiebke trat vorsichtig an das Fenster heran und spähte nach draußen.
Der Garten lag nahezu vollkommen im Dunkeln. Die Lichtverhältnisse reichten dennoch aus, um den kniehohen Steinwall zu erkennen, der die Grundstücksgrenze markierte. Die Pforte war weit geöffnet. Gerade bewegte sie sich und schlug mit einem leisen Laut gegen den Rahmen.
Eine laute Vibration ließ Wiebke mit einem heiseren Aufschrei herumfahren.
Ihr Handy führte auf dem Küchentisch einen wilden Tanz auf. Das Display leuchtete dabei nachtblau.
Sie hastete auf den Tisch zu und nahm das Telefon in die Hand. Keine Nummer wurde angezeigt. Stattdessen der Schriftzug anonym.
Wiebke wischte mit dem Daumen ihrer rechten Hand über das Display und hob das Gerät an ihr Ohr.
»Ja?«
Stille. Für zwei Sekunden. Dann eine Stimme: »Ich bin’s.«
Wiebke Eden umklammerte das Handy so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß wurden. Ein Zittern durchlief sie von Kopf bis Fuß, und in ihren Eingeweiden machte sich ein ungutes Gefühl breit.
Es war seine Stimme! Marko Heller. Der Mann, den sie gejagt hatten und der in Bremen vom Dach eines Getreidesilos gestürzt war. Seitdem lag er im Universitätsklinikum in Oldenburg im Koma, auch dank einer Kugel, die Wiebke auf ihn abgefeuert und die ihm einen Teil seines Kopfes weggerissen hatte. Die Bilder waren noch immer lebhaft, kehrten immer wieder in ihr Bewusstsein zurück, ungefragt.
Heller konnte nicht der Anrufer sein. Und doch war es seine Stimme, darüber bestand nicht der geringste Zweifel. Da waren dieses leichte Krächzen und dieser gewisse Klang, der erahnen ließ, dass er beim Sprechen lächelte.
Wiebke drückte das Handy so fest an ihr Ohr, dass es beinahe schmerzte.
»Wer ist da?«
Wieder Stille, doch nicht lang.
»Erkennst du mich nicht?«
»Doch.« Wiebke Eden zwang sich zur Ruhe. Es war niemandem damit geholfen, wenn sie jetzt die Fassung verlor. Sie blickte sich um. War jemand im Haus? Zu sehen war nichts. Niemand. »Ich höre Ihre Stimme. Aber es kann nicht sein, dass Sie es sind. Es ist …«
»Unmöglich?«
Marko Heller war ein mehrfacher Mörder. Zwei Frauen hatte er umgebracht, vermutlich sogar mehr, er hatte nie die Gelegenheit erhalten, weitere Taten zu gestehen.
»Richtig«, sagte Wiebke leise, während sie sich der Tür näherte, hinter der ihre kleine Vorratskammer lag. »Es ist nicht möglich, dass Sie selbst mit mir sprechen. Sie liegen im Koma, sind nicht mal fähig, eigenständig zu atmen. Ich wette, wenn ich jetzt in Oldenburg anriefe, würde mir Professor Dorn genau das bestätigen.«
»Du tust mir leid«, hauchte Hellers Stimme.
Wiebkes rechter Fuß schnellte vor, landete zielsicher auf der Türklinke und drückte sie herunter. Mit einem hellen Knall schlug die Tür gegen die Wand. Die Kommissarin zielte mit ihrer Waffe in den Raum. Er war leer. Nichts als ein paar Regale, zwei Kisten Wasser und ihr Einkaufskorb, den sie am Tag zuvor noch benutzt hatte.
Das Rohr des Staubsaugers, der an der Wand neben der Tür lehnte, neigte sich ihr langsam entgegen und fiel scheppernd zu Boden.
»Bist du noch dran?«, meldete sich die Stimme zurück.
Die Kommissarin bewegte sich zurück in die Küche, sicherte sich nach allen Seiten ab. »Dasselbe wollte ich Sie gerade fragen.«
»Sieh aus dem Fenster.«
Die Kommissarin wirbelte herum. »Was soll das?«
»Sieh aus dem Fenster!«
Langsam setzte sie sich in Bewegung. Es waren nur wenige Schritte, doch sie kamen Wiebke wie eine halbe Ewigkeit vor. Inzwischen war sie hellwach und bis in die Haarspitzen elektrisiert. Sie wusste nicht, was Heller vorhatte, aber sie bekam allmählich eine Ahnung davon, dass er keine Zeit mehr verlieren wollte.
Das Küchenfenster. Der Garten und die Pforte. Sie war jetzt ganz geöffnet. Zwischen den beiden Pfeilern stand eine Gestalt in einem Kapuzenpullover.
Aus Wiebkes Kehle drang ein ächzender Laut. Sie atmete jetzt durch den geöffneten Mund.
»Sieh mich an«, befahl die Stimme an ihrem Ohr.
Das wäre nicht nötig gewesen. Wiebkes Blick hing ohnehin wie gefesselt an der hochgewachsenen Gestalt, die sich gegen die Dunkelheit abhob.
Sollte sie das Fenster öffnen? Sie überlegte für die Dauer von einigen Sekunden, es zu tun. Und dann? Was würde sie dann machen, schießen vielleicht?
»Hat es dir Spaß gemacht?« Die Stimme katapultierte sie aus ihren Gedanken zurück.
»Was?«
»Du weißt genau, was ich meine!«
Was hatte Heller vor? Spielte er auf Zeit? Waren sie vielleicht zu zweit, und während der Kerl draußen im Garten mit ihr telefonierte, bahnte sich der andere bereits seinen Weg durchs Haus? Die Kommissarin widerstand dem Impuls, sich umzudrehen. Sie behielt den Mann dort draußen im Auge.
»Warum sagen Sie mir nicht endlich, was Sie von mir wollen?« Wiebke Eden lockerte für einen Moment den Zeigefinger, der am Abzug ihrer Pistole lag.
»Du weißt es längst.« Die Gestalt stand noch immer reglos neben der Pforte, auf den Steinplatten, die auf das Haus zuführten. Ihr Haus!
»Nein. Ich will, dass Sie es mir sagen, Heller! Oder wer auch immer Sie in Wirklichkeit sind.«
»Ich will dich!«
Eine Pause entstand. Ein leises Rauschen an Wiebkes Ohr. Ein knackendes Geräusch, das sie schon vermuten ließ, die Verbindung sei abgebrochen. Doch da täuschte sie sich.
»Ich habe dich von Anfang an gewollt.«
»Das nehme ich Ihnen nicht ab«, antwortete sie leise. Währenddessen rasten ihre Gedanken. Sie musste versuchen, ihren Vorgesetzten und Kollegen Hinrich Mattern zu erreichen. Vielleicht über das Festnetztelefon. Sie würde nicht einmal etwas sagen müssen. Sie könnte den Lautsprecher ihres Handys einschalten. Mattern würde aus ihrer Unterhaltung mit...
Erscheint lt. Verlag | 16.9.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
ISBN-10 | 3-96586-646-X / 396586646X |
ISBN-13 | 978-3-96586-646-1 / 9783965866461 |
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