Der Auftrag (eBook)
280 Seiten
Verlag Carl Ueberreuter
978-3-8000-9912-2 (ISBN)
Silvia Roth schreibt seit vielen Jahren mit großem Erfolg Kriminalromane und Thriller, Drehbuchvorlagen, Theaterstücke sowie Kinder- und Jugendbücher. Viele ihrer Romane wurden bereits erfolgreich verfilmt, ins Ausland lizensiert und für renommierte Preise nominiert, darunter der Friedrich-Glauser-Preis, der Crime Award der LitCologne und der Hessische Filmpreis. Allein ihre Reihe um die Wiesbadener Kommissarin Winnie Heller verfolgten im gleichnamigen ZDF-Primetime-Format regelmäßig mehr als sechs Millionen Zuschauer. Silvia Roth ist verheiratet und lebt in Deutschland.
Silvia Roth schreibt seit vielen Jahren mit großem Erfolg Kriminalromane und Thriller, Drehbuchvorlagen, Theaterstücke sowie Kinder- und Jugendbücher. Viele ihrer Romane wurden bereits erfolgreich verfilmt, ins Ausland lizensiert und für renommierte Preise nominiert, darunter der Friedrich-Glauser-Preis, der Crime Award der LitCologne und der Hessische Filmpreis. Allein ihre Reihe um die Wiesbadener Kommissarin Winnie Heller verfolgten im gleichnamigen ZDF-Primetime-Format regelmäßig mehr als sechs Millionen Zuschauer. Silvia Roth ist verheiratet und lebt in Deutschland.
Prolog
Los Angeles
Sie brachen um Punkt 22:00 Uhr auf. Ganz wie immer. Ein Angestellter hatte den Lexus vollgetankt und unmittelbar neben dem Lift geparkt. Der Schlüssel steckte.
Olav warf seine Manschettenknöpfe in die Ablage der Tür und glitt geschmeidig hinters Lenkrad. Er fuhr grundsätzlich selbst, ganz egal, wie stressig sein Tag gewesen war. Und das hatte in erster Linie mit seinem Bedürfnis nach Kontrolle zu tun. So viel immerhin hatte Irina inzwischen verstanden.
An der Kopfstütze vorbei musterte sie sein Profil. Noch immer wusste sie nicht viel über den Mann, der seit zwei Monaten ihr Gehalt zahlte. Nur, dass Olav sich mit unermüdlichem Fleiß bis in die Konzernspitze hochgearbeitet hatte. Ein bescheidener Mann, ruhig und freundlich, wenn auch auf eine distanzierte Art.
Der Pförtner hob grüßend die Hand, als sie das Tor passierten, während Irina noch einmal den Gurt von Troys Kindersitz überprüfte.
Maribel quittierte ihre Gründlichkeit vom Beifahrersitz aus mit einem flüchtigen Lächeln. Dann zog sie ihre Strickjacke enger um den Körper, lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen. Doch ihre Haltung wirkte alles andere als entspannt. Irinas Blick streifte die langen, feingliedrigen Finger, die aussahen, als ob sie verknotet wären. Dabei lebte Maribel eigentlich nur für die Wochenenden. Wenn sie in der Stadt waren, verließ sie kaum das Haus. Doch sobald es nach Riversteen ging, blühte sie regelrecht auf. Nur nicht heute, dachte Irina, und irgendetwas an dem Gedanken bereitete ihr Unbehagen.
Nach und nach blieben die Lichter der Großstadt hinter ihnen zurück, und Himmel und Meer rückten näher zusammen.
Aus Troys Kopfhörer drangen leise Musikfragmente. Als Irina sah, dass er schlief, nahm sie ihm den Kopfhörer ab.
Auf der Küstenstraße fiel ihr auf, dass Olav regelmäßig in den Rückspiegel blickte. Sie drehte den Kopf und entdeckte in einiger Entfernung ein bläuliches Scheinwerferpaar. Doch der Wagen war zu weit entfernt, als dass sie etwas erkennen konnte. Trotzdem verstärkte das blaue Licht das Gefühl des Unbehagens, das ihr folgte wie ein Schatten, den sie einfach nicht abschütteln konnte.
Mach dich nicht lächerlich, schalt sie sich. Es ist nichts. Er ist nur gestresst, weil die Berichtsaison ansteht. Und Maribel ist besorgt wegen Troys Hüfte. Nichts weiter … Irina atmete tief durch und ließ ganz bewusst ein paar Minuten verstreichen. Dann schaute sie abermals über ihre Schulter.
Die Scheinwerfer waren verschwunden.
Als sie wieder nach vorn sah, blickte ihr Olav aus dem Rückspiegel heraus direkt in die Augen. Einen kurzen Moment lang verhakten sich ihre Blicke. Dann sah er wieder auf die Straße.
Er hat Angst, stellte Irina verwundert fest, und automatisch suchten ihre Augen den Maxi-Cosi, den sie wie immer zwischen sich und Troys Kindersitz auf der Rückbank befestigt hatte.
„Sie haben Medizin studiert?“, hatte Maribel sie gefragt, nachdem sie Irinas Lebenslauf überflogen hatte. „Schwerpunkt Pädiatrie?“
„Das ist korrekt“, hatte Irina geantwortet. Und vorsichtshalber hinzugefügt: „Aber leider nicht zu Ende.“
Sie hatte fest damit gerechnet, dass Maribel sie nach dem Grund für den Abbruch fragen würde. Immerhin hatte ihre Unterhaltung bis zu diesem Moment eher einem Kreuzverhör als einem Vorstellungsgespräch geglichen. Doch ihre künftige Arbeitgeberin war mit keiner Silbe auf das abgebrochene Studium eingegangen.
„Warum wollen Sie weg aus Deutschland?“, hatte sie stattdessen gefragt.
Und Irina hatte beschlossen, ihr reinen Wein einzuschenken. Selbst auf die Gefahr hin, sich damit für den Job, den sie so dringend brauchte, ein für allemal zu disqualifizieren. Seltsamerweise hatte ihr Geständnis das genaue Gegenteil bewirkt.
„Sie können morgen anfangen“, hatte Maribel gesagt und Irina dabei zum ersten Mal ihr seltenes Lächeln geschenkt. „Siebenhundert Dollar die Woche. Freie Kost und Logis. Vier Wochen bezahlter Urlaub pro Jahr. Einverstanden?“
Irina hatte genickt und selbst, als sie längst wieder auf der Straße gestanden hatte, war sie noch überzeugt gewesen, zu träumen. Sie war ganz und gar nicht daran gewöhnt, dass irgendetwas in ihrem Leben einfach glattging. Und noch immer ertappte sie sich dabei, nach dem versteckten Haken zu suchen. Nach etwas, das faul war an diesem Job, dieser Chance, die sich ihr so unerwartet geboten hatte.
Doch das Vorstellungsgespräch mit Maribel lag inzwischen neun Wochen zurück und Irina konnte sich über die Arbeit wahrhaftig nicht beklagen. Neben ihr gab es eine Sekretärin, eine Haushälterin und mehrere Putzfrauen. Und selbst in Riversteen hatten sie eine Angestellte, die kochte und sauber machte, sodass Irina über die Beaufsichtigung der Kinder hinaus nicht viel zu tun hatte.
Wie aufs Stichwort wurde Tony neben ihr plötzlich unruhig. Die kleinen Füßchen zappelten durch die klimatisierte Fahrgastzellenluft und gleich darauf begann das Baby leise zu wimmern.
„Irgendwas nicht in Ordnung?“, fragte Maribel mit einem Anflug von Sorge.
„Sieht nach Übelkeit aus“, konstatierte Irina, während sie routiniert Tonys Stirn und anschließend auch den Bauchraum des Babys betastete.
„Vielleicht sollten wir kurz anhalten“, schlug Maribel vor. „Bei Troy hat frische Luft immer geholfen.“
Olav verzog das Gesicht. Er brachte die hundertsechzig Kilometer nach Riversteen am liebsten so schnell wie möglich hinter sich.
Als ob auch er auf der Flucht wäre, dachte Irina. Hinzu kam, dass es auf diesem Straßenabschnitt nur wenige Haltemöglichkeiten gab. Jenseits der Fahrbahn fiel die Küste steil zu den Klippen hin ab. Und auf der gegenüberliegenden Seite gab es nur einen winzigen Randstreifen.
„Da vorn“, sagte Maribel.
Olav gab ein resigniertes Stöhnen von sich und steuerte eine staubige Haltebucht auf der Meeresseite an. Zahllose Reifenspuren verrieten, dass hier über Tag Touristen hielten, um Fotos zu machen. Doch jetzt, um kurz vor elf, war der Aussichtspunkt verwaist.
„Lassen Sie nur“, sagte Irina, als sie sah, dass Maribel nach ihrem Mantel griff. „Tony und ich gehen ein paar Schritte auf und ab. Und wenn das nicht hilft, habe ich Vomex im Kofferraum.“
Maribel nickte und griff nach ihrer Thermosflasche, die Tag und Nacht heißen Kaffee enthielt.
Irina nahm das Baby aus seinem Sitz und hörte, wie sie zunächst Olavs und anschließend ihren eigenen Becher füllte. Dann schnappte die Tür des Lexus hinter ihr ins Schloss und das Plätschern des Kaffees verstummte wie abgeschnitten.
Die frische Seeluft ließ Irina frösteln, aber nach all den Klimaanlagen der letzten Tage genoss sie die Extraportion Sauerstoff. Und auch Tony wurde augenblicklich ruhiger. Irina zupfte die cremeweiße Decke zurecht, die wie eine Kapuze um das kleine Köpfchen lag, und ging dann mit schaukelnden Bewegungen auf den Mülleimer am Ende der Haltebucht zu. Dahinter erhoben sich ein paar windzerzauste Büsche in den Nachthimmel, und über dem Ozean glitzerte ein Meer an Sternen.
Gott sei Dank, dachte Irina, ohne recht zu wissen, was sie damit meinte. Dann ging sie weiter.
Neben dem Mülleimer lag etwas auf dem Boden, das wie ein kaputtes Stofftier aussah. Neugierig trat Irina darauf zu. Im selben Moment riss ein Knall die nächtliche Stille in Stücke. Nur Sekundenbruchteile später fegte eine Welle von Hitze über sie hinweg.
Die Wucht der Detonation riss Irina von den Füßen, und instinktiv drehte sie sich so, dass ihr Körper das Baby beschirmte. Glühende Splitter bohrten sich in ihre Waden und Oberschenkel, ringsum prasselten Funken nieder und aus dem völlig zerfetzten Lexus schlugen meterhohe Flammen.
Ein Sprengsatz! Die Erkenntnis zuckte durch Irinas Bewusstsein wie ein Feuerball. Und voller Entsetzen stellte sie fest, dass sie nicht überrascht war. Olav und Maribel waren ihre Zuflucht gewesen. Ihre buchstäblich allerletzte Chance auf ein halbwegs normales Leben. Und doch hatte sie die ganze Zeit über gespürt, dass etwas nicht stimmte. Dass von irgendwoher Gefahr drohte. Tödliche Gefahr …
Sie rappelte sich auf und blinzelte durch den dichten Ascheregen zur Straße. Die Hitze der Explosion hatte ihr die Wimpern versengt und von ihrer Stirn tropfte Blut auf die cremeweiße Babydecke. Aber all das nahm Irina nur ganz am Rande wahr, denn just in diesem Augenblick tauchte hinter der Biegung der Lichtkegel von Scheinwerfern auf.
Zwei kühle blaue Lichtkleckse im Dunkel der Nacht.
Voller Panik begann Irina zu kriechen, rückwärts, das Baby fest an sich gepresst. Wie weit bis zum Mülleimer? Den Büschen? Dem Abgrund? Ihre Beine fühlten sich taub an und die Haut an ihrer rechten Hand hing im wahrsten Sinne des Wortes in Fetzen. Aber sie hatte keine Wahl. Wenn sie...
Erscheint lt. Verlag | 2.9.2022 |
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Verlagsort | Wien |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Bundespolizei • Frankfurt • Hendrik Verhoeven • Ildy Bach • Kommissarin heller • Personenschutz • Winnie Heller |
ISBN-10 | 3-8000-9912-8 / 3800099128 |
ISBN-13 | 978-3-8000-9912-2 / 9783800099122 |
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