Stille blutet (eBook)
400 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45461-9 (ISBN)
Ursula Poznanski lebt mit ihrer Familie in Wien. Die ehemalige Medizinjournalistin ist eine der erfolgreichsten Autorinnen deutscher Sprache: Mit ihren Jugendbüchern und Thrillern für Erwachsene ist sie Jahr für Jahr ganz oben auf den Bestsellerlisten zu finden, ihre begeisterte Leserschaft hat ihr zu einer deutschen Gesamtauflage von bereits viereinhalb Millionen Exemplaren verholfen.
Ursula Poznanski lebt mit ihrer Familie in Wien. Die ehemalige Medizinjournalistin ist eine der erfolgreichsten Autorinnen deutscher Sprache: Mit ihren Jugendbüchern und Thrillern für Erwachsene ist sie Jahr für Jahr ganz oben auf den Bestsellerlisten zu finden, ihre begeisterte Leserschaft hat ihr zu einer deutschen Gesamtauflage von bereits viereinhalb Millionen Exemplaren verholfen.
1.
Er sah den Auftritt nicht live – seit sie sich vor über zwei Monaten getrennt hatten, fühlte Tibor sich nicht mehr verpflichtet, den News-Flash von Quick-TV zu verfolgen, ebenso wenig wie die Diskussionsrunden, die Nadine gelegentlich moderierte.
Nur hatte er, während er im Hansen saß und wartete, dummerweise sein Handy nicht stumm geschaltet, und die Nachrichten aus dem Freundeskreis kamen im Sekundentakt. WhatsApp, Twitter, Skype. Und überall der gleiche Link, zu einem Videoclip, in dem Nadine die Hauptrolle spielte.
»Ein Verbrechen wird man nicht ausschließen können. Bei dem Opfer handelt es sich um die siebenundzwanzigjährige Nadine Just.« Tibor war mit den Nuancen von Nadines Mimik ausreichend vertraut, er sah die Überraschung in ihren Augen, die Ratlosigkeit. Er hörte das leichte Schwanken in ihrer Stimme, bevor sie ihren eigenen Namen aussprach.
Warum in aller Welt hatte sie sich nicht vorher eingebremst? Es hätte genügt, eine technische Panne vorzuschützen, aber sie war wohl nicht bei der Sache gewesen. Schon zu Beginn der Sendung hatte sie abgelenkt gewirkt.
»Darf ich Ihnen schon etwas zu trinken bringen?« Ein junger Kellner war an den Tisch getreten, ein Tablet in Händen. Rund um einen seiner Ringfinger war eine Schlange tätowiert.
»Nein, ich warte noch auf … oder doch. Ein kleines Bier, bitte.«
Ein schneller Blick auf die Uhr, Ricarda sollte seit zehn Minuten hier sein. Es war ihr zweites Date, und so, wie Tibor es einschätzte, auch ihr letztes. Nach der Zeit mit Nadine wollte er nichts Kompliziertes mehr – keine Eifersucht, keine Eskapaden. Nadine war ein Fehler gewesen; er hätte mit Rebecca zusammenbleiben sollen, oder überhaupt gleich mit Marie-Luise. Aber diese Dinge begriff man immer erst im Nachhinein. Für alles Künftige wünschte er sich jedenfalls Substanz, keine Effekte, die über einen Mangel an Inhalt hinwegtäuschen sollten.
Noch einmal spielte er das Video ab. Nadine war von jeher eine Meisterin der Effekte gewesen. Er zoomte ihr Gesicht größer. Sah die Überraschung darin, aber keinen Schock. Eher etwas wie Wut.
Er lächelte unwillkürlich. Nein, so leicht war sie nicht zu erschrecken. In den Social Media hatte sie sich mit Gott und der Welt angelegt und auch über die widerwärtigsten Reaktionen meist nur gelacht. Sie provozierte, es wirkte, sie verbuchte das als Erfolg.
Hatte sie den Text deswegen bis zum Schluss vorgelesen? Der Wirkung wegen? Weil sie wusste, dass diese Szene sie tage-, wenn nicht wochenlang in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses rücken würde? Steckte sie etwa selbst hinter der Sache?
Unwahrscheinlich. Tibor wog das Telefon in der Hand. Er wollte keinen Kontakt mehr, es ging ihm so viel besser ohne Nadines Launen, ihre Lügen, ihre Selbstbeweihräucherung, ihre Dramen.
Aber aus reiner Anständigkeit würde er zumindest nachfragen, wie es ihr ging. Er würde das Gespräch ganz kurz halten, den Ton sachlich. Es würde nicht mehr als ein Höflichkeitsanruf sein.
Die Voicemail sprang sofort an, kein Wunder, garantiert versuchte ihr gesamter Bekanntenkreis gerade, bei ihr durchzukommen. Hallo, hörte er ihre Stimme, hier ist Nadine Just. Hinterlass mir eine Nachricht!
Er räusperte sich. »Hi, Nadine, Tibor hier. Ich wollte nur nachfragen, ob alles okay ist, nach dem Vorfall heute. Schräge Geschichte. Da hat sich jemand einen wirklich schlechten Scherz erlaubt, weißt du schon, wer es war? Es gibt echt einen Haufen Verrückte da draußen, aber die ahnen alle nicht, mit wem sie sich anlegen, hm?« Er stockte, hatte das zu unbeschwert geklungen? Gefühllos? Wahrscheinlich. Und nun wusste er nicht, wie er zu einem passenden Schluss kommen sollte. Ihr Hilfe anbieten? Ein offenes Ohr? Oder einfach Ciao sagen?
»Also dann …«, begann er, und im nächsten Moment wurde ihm die Entscheidung abgenommen. Ein lang gezogener Ton signalisierte das Ende der Aufzeichnung.
Das einfach so stehen zu lassen, fühlte sich noch falscher an als gar keine Nachricht, doch die Gelegenheit zu goldenem Schweigen hatte er nun verpasst. Er legte das Handy auf den Tisch, im gleichen Moment, als auch der Kellner das Bier brachte. Ricarda war immer noch nicht da. Hatte auch keine Nachricht geschickt.
Tibor griff nach dem Glas und stellte es zurück, ohne etwas getrunken zu haben. Stattdessen nahm er wieder das Smartphone zur Hand und öffnete WhatsApp.
Voicemail hat mich verfrüht rausgeschmissen. Wollte dir nur noch sagen, dass du dich gern melden kannst, wenn du jemanden brauchst, der zuhört. Stay strong!
Er schickte die Nachricht ab und fand sie schon im nächsten Moment fürchterlich dumm. Stay strong! Noch schwachsinniger konnte man sich nicht mehr ausdrücken. Er hasste diese Pseudo-Coolness bei anderen, und jetzt fing er selbst damit an.
Aber immerhin würde er am Ausmaß des Spotts in Nadines Antwort ablesen können, wie es ihr ging.
Nur musste die Nachricht erst ankommen, was sie zu Tibors Erstaunen nicht tat. Nicht nach zwei Minuten und auch nicht nach fünf.
Es schien, als wäre Nadines Handy offline, was in den über zwei Jahren, die Tibor mit ihr verbracht hatte, nie der Fall gewesen war, außer während Flugreisen. Er versuchte es noch einmal mit einem Anruf, landete aber sofort wieder in der Sprachbox.
Tibor stand auf, leerte sein Glas auf einen Zug und drückte dem Kellner fünf Euro in die Hand. »Wenn jemand nach mir suchen sollte, sagen Sie der Dame, ich habe lange genug gewartet.«
Kein Polizeiwagen vor dem Sender und auch sonst keine Anzeichen dafür, dass etwas Außergewöhnliches passiert war. Tibor stellte sein Auto auf einem der Besucherparkplätze ab und stieg aus, nicht mehr sicher, warum er es für eine gute Idee gehalten hatte, herzukommen.
Der Portier erkannte ihn sofort. »Guten Abend, Herr Glaser! Ich darf Sie nicht reinlassen, fürchte ich, hier herrscht heute Ausnahmezustand.«
»Das kann ich mir vorstellen.« Tibor entsperrte sein Handy. Immer noch war seine Nachricht an Nadine nicht durchgekommen. »Aber vielleicht könnten Sie mich mit Frau Just verbinden? Ich kann sie nicht erreichen und wollte … na ja, einfach sichergehen, dass sie okay ist.«
Der Portier nickte freundlich und griff nach dem Hörer der Hausanlage. »Dann schauen wir doch einmal, wo sie gerade steckt. Im Haus müsste sie jedenfalls noch sein.« Er tippte eine Nummer ins Telefon. »Hallo, ist die Just bei euch? Okay, klar, versuche ich.«
Er nickte Tibor zu und wählte eine andere Nummer. »Bin auf der Suche nach der Just, ist die bei euch irgendwo? Auch nicht? Ah, okay, danke. Warum? Ihr Freund ist da, also ihr Ex, der Glaser, und will sie sprechen.« Er blinzelte einige Male. »Garderobe zwei? Ist gut.«
Mit dem Hörer noch am Ohr wählte er die nächste Nummer. Wartete. Zuckte irgendwann die Schultern. »Da geht niemand ran.«
»Und Nadine ist sicher noch im Haus?«
»Also, wenn sie nicht mit einem Hubschrauber vom Dach geflüchtet ist, ja.« Er legte auf, versuchte es noch einmal. »Sieht schlecht aus«, konstatierte er.
Einfach wieder verschwinden, dachte Tibor. Es als Zeichen nehmen, dass sie keinen sehen oder hören will, sonst würde sie ans Telefon gehen.
Nur dass ihr das überhaupt nicht ähnlichsah. Sie stellte sich aufrecht in jeden Shitstorm und konterte Steinwürfe mit Handgranaten. Je schlimmer es wurde, desto heftiger reagierte sie, das ging bis zur Selbstbeschädigung, zu gefährlichen Trotzreaktionen. Er musste wissen, warum sie sich gerade jetzt zurückzog, sonst würde es ihm den restlichen Abend lang keine Ruhe lassen.
»Könnte ich kurz nachsehen gehen?« Er deutete in Richtung Aufzug.
»Nein, tut mir leid.« Der Portier zog übertrieben bedauernd die Mundwinkel nach unten. »Ich habe strikte Anweisung, keine hausfremden Personen durchzulassen. Das müssen Sie verstehen.«
»Natürlich.« Ein zweites Mal wollte er sich zum Gehen wenden, als die Fahrstuhltür sich öffnete und eine Frau heraustrat, der Tibor schon begegnet war. An ihren Namen erinnerte er sich nicht mehr, aber daran, dass sie in der Redaktion beschäftigt war.
Er hob grüßend die Hand in ihre Richtung. »Hallo!«
Sie blieb stehen. Verzog das Gesicht. »Oh. Auch hallo.«
»Ich wollte nach Nadine sehen. Wissen Sie, wie es ihr geht? Ist sie in Ordnung?«
Die Frau gab ein Geräusch von sich, irgendwo zwischen Grunzen und Lachen. »In Ordnung? Wann wäre sie das jemals gewesen?« Sie schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, ich weiß, der Zwischenfall muss unangenehm für sie gewesen sein, aber mein Mitgefühl hält sich gerade in Grenzen. Sie hat ihre ganze Wut an mir ausgelassen. Ich habe die Nase endgültig voll von ihr.« Sie warf dem Portier einen kurzen Blick zu. »Ist sie nicht längst nach Hause gegangen?«
»Nein.« Der Mann kratzte sich am Hals. »Ich habe mich seit drei Stunden hier nicht wegbewegt, und sie ist nicht vorbeigekommen.«
»Na, dann ist sie beim Chef«, stellte die Redakteurin fest. Wie hieß sie nur? Irene? Ingrid? Der süffisante Unterton in ihrer Stimme war unmissverständlich. Hätte Tibor nicht längst von der Affäre gewusst, spätestens jetzt hätten keine Zweifel mehr bestanden. Aber es ging ihn nichts mehr an, mit wem sie schlief, zum Glück. Gutes Gefühl.
»Nein, beim Chef ist sie nicht, glaube ich«, meldete sich der Portier. »Der ist vor einer halben Stunde gegangen. Dinner mit Werbekunden. Frau Just war nicht bei ihm.«
»Dann schmollt sie eben noch in ihrer Garderobe.« Die Redakteurin wirkte zunehmend ungeduldig. »Soll sie. Ich habe ihr meine Gesellschaft angeboten, und sie hat sehr...
Erscheint lt. Verlag | 1.9.2022 |
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Reihe/Serie | Mordgruppe | Mordgruppe |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Ankündigung Mord • Blogger • Body Positivity • Deutsche Krimis • dicke Polizistin • Erebos • Fina Plank • junge Polizistin • Kommissarin Fina Plank • Krimi Kommissarin • Kriminalromane Serien • Krimi Neuerscheinung • Krimi Österreich • krimi reihen • krimi serie • Krimis mit Kommissarin • Krimis und Thriller • Krimis von Frauen • Krimi Wien • Medienwelt • Mordankündigung • Mord an Moderatorin • morddrohung • Mordgruppe • Nachrichtensprecherin • österreichische Krimi-Autorin • Polizei Krimis/Thriller • psychologische Krimis • Sexismus • Spannender Krimi • spannende Thriller • spektakuläre Mordserie • Thriller Autorinnen • thriller österreich • thriller reihe • thriller serien • thriller wien • Ursula Poznanski • Ursula Poznanski Bücher • Vanitas • Werbeagentur • Werbefachmann • Wien Krimi • YouTuber |
ISBN-10 | 3-426-45461-0 / 3426454610 |
ISBN-13 | 978-3-426-45461-9 / 9783426454619 |
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