1942 – Das Labor (eBook)
448 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3027-0 (ISBN)
Eine Frau und ihr Kampf gegen die gefährlichste Waffe der Welt.
Leipzig im Juni 1942: Die Physikerin Margarete von Brühl arbeitet an der Entwicklung einer Uranmaschine. Sie ahnt nicht, wie sehr sich die Gestapo für ihre Experimente interessiert. Als es in ihrem Labor zu einer Explosion kommt, bei der ihr Assistent und heimlicher Geliebter stirbt, wird sie verhaftet - und danach von einem alten Freund befreit. Er behauptet, Mitglied einer Widerstandsgruppe zu sein und dass Margaretes Forschung dem Bau einer Atombombe dient. Gemeinsam versuchen sie mit all ihren Kräften zu verhindern, dass die Nazis an die apokalyptische Waffe gelangen ...
Ein packender Thriller über eine Verschwörung im Dritten Reich - nach historischen Begebenheiten erzählt.
Paul Schüler, Jahrgang 1986, studierte in Hannover erst Architektur, später Physik und Mathematik. Nach einigen Jahren als Songschreiber, Sänger und Gitarrist der Band 'Ich Kann Fliegen' und diversen journalistischen Tätigkeiten begann er, als Lehrer zu arbeiten. In seinem Debütroman verbindet er die Liebe zu Thrillern mit sprachlicher Präzision und physikalischem Fachwissen.
Erstes Kapitel
Leipzig, 21. Juni 1942
Die Uranmaschine lag stumm in ihrem Wasserbecken. Manchmal kam es Dr. Margarete von Brühl vor, als flimmere die Luft über der Wasseroberfläche. Vermutlich verursachte der gelbe Schein der Lampen, der sich auf der gekräuselten Trennlinie zwischen Luft- und Wassermolekülen spiegelte, diesen Eindruck. Doch Margarete ertappte sich schon seit Beginn der Versuchsreihe dabei, immer wieder zu dem quadratischen Bassin hinüberzuschauen und auf irgendetwas zu warten.
In dem Becken, das in einer eilig errichteten Laborbaracke auf dem Innenhof des Physikalischen Instituts in Leipzig lag, befand sich die siebzig Zentimeter durchmessende Aluminiumkugel, in deren Innern sich Schichten aus Uran und schwerem Wasser abwechselten. Die Uranmaschine. Von außen betrachtet lag sie ruhig da, doch Margarete wusste, dass in ihrem Innern die Hölle los war. An der Werkbank, an der sie stand, spürte sie lediglich die drückende Hitze, die die Maschine ausstrahlte. Margarete warf einen Blick auf die Nadel des Geigerzählers. Sie trudelte ruhig am unteren Ende der Skala. Kein Grund zur Besorgnis.
Karl Leitner, ihr Assistent, stand auf einer klapprigen Holzkonstruktion, die über der Maschine errichtet worden war, und hantierte an verschiedenen Öffnungen an der Oberseite der Aluminiumkugel herum. Dann blickte er Margarete an, grinste und strich sich mit einer unbewussten Handbewegung die kupferroten Locken aus dem Gesicht. Eine Strähne seines wirren Seitenscheitels ragte in die Luft, was ihn aussehen ließ, als würde er jeden Moment vorschlagen wollen, beim Nachbarn Äpfel zu klauen. Seine Zähne strahlten, als wäre irgendwo im Labor eine ultraviolette Lampe angebracht worden. »Also, haben wir eine Verabredung, meine Teuerste?« Er machte eine Art Knicks, gefolgt von einer tiefen Verbeugung. Schelmisch blickte er sie an, während er in der tief vornüber geneigten Pose verharrte.
Margarete setzte einen säuerlichen Blick auf, um Karl daran zu erinnern, dass ihre Arbeit von höchster Wichtigkeit war und allergrößte Präzision erforderte. Seine Albernheiten hatten im Physikalischen Institut der Universität Leipzig nichts verloren. Doch sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Karl, ich werde heute Abend sehr beschäftigt sein. Wenn wir hier fertig sind, beginnt für mich erst die eigentliche Arbeit. Ich muss aus den Messwerten den Wirkungsgrad errechnen und mit den theoretisch vorhergesagten Werten vergleichen, und das Ganze auch noch schnell.« Das stimmte zwar, war aber nicht die ganze Wahrheit.
Offenbar wusste das auch Karl. Das Grinsen verschwand aus seinem Gesicht. Er zog die Stirn in Falten und sah sie an. »Hör zu, was vor vier Wochen passiert ist, tut mir leid. Du sollst nicht denken, dass ich …«
»Ach, Unsinn«, unterbrach sie ihn. »Was passiert ist, ist passiert. Ich bereue es nicht.« Wieder war es nicht die ganze Wahrheit. Wenn sie an diesen Abend dachte, begannen ihre Wangen immer noch zu glühen. Sie war über den armen Karl hergefallen, der gerade neu ans Institut gekommen war und wohl kaum gewusst hatte, wie ihm geschah. Sie hatte ihm keine Chance gegeben zu widersprechen. Nach einem Film im Kino am Bahnhof, mehreren sündhaft teuren Gläsern Wein und einem Blick in sein schüchternes Gesicht mit den graugrün blitzenden Augen hatte sie ihn geradeheraus gefragt, ob er noch mit zu ihr kommen wolle. Als er sie mit großen Augen angesehen hatte, hatte sie gezahlt und ihn hinter sich hergeschleift. Nein, sie hatte keinen Grund, Karl wegen dieses Abends böse zu sein. Sie war vielmehr wütend auf sich selbst.
Margarete schüttelte den Kopf. Sie hatte keine Lust, sich jetzt darüber Gedanken zu machen. Und keine Zeit. »Was machen die Indikatoren?«
»Wenn du eines Tages darüber reden willst …«, begann er, brach seinen Satz dann aber ab.
Margarete zog die Augenbrauen zusammen und blickte zu ihm hinauf, sagte jedoch kein Wort.
Einige Sekunden lang hielt Karl ihrem Blick stand, doch schließlich seufzte er und zuckte mit den Schultern. Dann wandte er sich wieder den Öffnungen an der Oberseite der Uranmaschine zu. »Sieht alles gut aus hier oben.«
»Keine Blasen?«, fragte Margarete. Eine Blasenbildung im Wasserbecken hätte bedeutet, dass die Kugel undicht geworden war. Es durfte unter keinen Umständen Wasser in den Brenner eindringen. Die darin vorherrschende Hitze würde es schlagartig verdampfen lassen, was eine massive Explosion zur Folge haben würde. Dann hätten sie die Versuchsreihe vergessen können und vermutlich auch das halbe Institutsgebäude.
»Nein, keine Blasen«, antwortete Karl. »Was machen die Werte?«
Margarete blickte auf die Spannungsmessgeräte, die neben ihr auf der Tischplatte standen. Die Zeiger krochen träge die Skalen hinauf. »In Ordnung. Zwei Werte sind gleich beim Soll angelangt.« Sie sah auf die Uhr, die die Minuten seit Beginn des Experiments maß. Sechs Minuten, 34 Sekunden. Das war schnell. Sie spürte, wie ihr Puls anzog, hielt die Luft an und kniff die Augen zusammen. Ihr Blick schwenkte wieder auf das Messgerät. Einer der Zeiger hatte den Zielwert von 10 Volt fast erreicht. Das war das Zeichen dafür, dass einer der Indikatoren ein bestimmtes Maß an Strahlung aufgefangen hatte. Je schneller dieser Wert erreicht wurde, desto höher war der Wirkungsgrad der Maschine. »Noch ein paar Sekunden«, rief sie zu Karl hinauf, ohne sich zu ihm umzudrehen.
Hektisch suchte sie mit der Hand nach einem Bleistift, wobei ihr Blick fest auf die Skala des Spannungsmessgeräts geheftet blieb. Ihre Hand stieß gegen etwas Hartes, das scheppernd umfiel. Die Kaffeetasse, dachte sie, zum Glück war sie schon leer gewesen. Weiter hing ihr Blick an dem Zeiger, der langsam vorankroch. 9,5 Volt, 9,6 … Gleich würde er sein Ziel erreichen.
Endlich hatte Margarete den Bleistift gefunden, doch das Quietschen der Labortür ließ sie zusammenfahren. Konnten die Leute nicht lesen? Der Zutritt zum Labor war streng verboten, das stand in großen Lettern außen an der Tür. Die Messungen, die sie hier durchführten, waren sensibel. Außerdem lagen im ganzen Labor Kabel herum. Unbefugte Eindringlinge konnten großen Schaden anrichten, ohne es überhaupt zu bemerken. Zudem wusste niemand genau, wie lang und wie zuverlässig die Aluminiumhülle der Uranmaschine vor der darin freigesetzten Strahlung schützen würde. Der Versuchsaufbau, den sie hier verwendeten, war noch nirgendwo auf der Welt getestet worden. Sie befanden sich auf unbekanntem Terrain.
Margarete widerstand dem Impuls, sich umzudrehen und nachzusehen, wer sie bei der Arbeit störte. Stattdessen hielt sie den Blick auf die Anzeige des Messgeräts gerichtet. Nur noch ein paar Sekunden, dann würden die 10 Volt erreicht sein. Sie durfte den Augenblick nicht verpassen.
»Das Fräulein Brühl, emsig wie eh und je«, sagte eine bekannte Stimme hinter ihr. Sie gehörte zu Dr. Grambow, einem ihrer ausschließlich männlichen Kollegen am Institut.
Margarete presste die Lippen aufeinander und spürte, dass ihre Hand drohte, den Bleistift zu zerbrechen. »Dr. Grambow, ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie mich mit meinem vollen Namen ansprächen. Ich habe mich nicht umsonst jahrelang mit Männern wie Ihnen an der Universität herumgeschlagen.«
»Ei, ei, ei«, sagte Grambow hinter ihr, und Margarete konnte sich vorstellen, wie er dabei zu Karl hinübergrinste und eine Geste machte, als habe er sich verbrannt. »Bitte um Verzeihung, Gnädigste. Ich meinte natürlich: Fräulein von Brühl.«
»Fräulein Doktor von Brühl«, presste Margarete hervor, ohne sich umzudrehen. Der Zeiger des Messgeräts hatte die 10‑Volt-Marke erreicht. Margarete wirbelte herum, ihr Blick fand die Uhr. Sieben Minuten, zwölf Sekunden. Das war gut, sehr gut sogar. Ihr Gesicht entspannte sich und ließ ein Lächeln zu.
»Immer noch mit Ihren Dysprosium-Oxid-Indikatoren zugange, wie ich sehe?«, fragte Grambow...
Erscheint lt. Verlag | 16.8.2022 |
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Reihe/Serie | Margarete von Brühl | Margarete von Brühl |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller | |
Schlagworte | Agenten • Agententhriller • Atombombe • Band "Ich kann fliegen" • Gestapo • Hannover • Kernredaktoren • Leipzig • Nationalsozialisten • Nationalsozialistischer Untergrund • Nazis • Nazizeit • Rote Kapelle • Spionagethriller • Theoretische Physik • Uran • Uranmaschine • Widerstand gegen den Nationalsozialismus • Zweiter Weltkrieg |
ISBN-10 | 3-8412-3027-X / 384123027X |
ISBN-13 | 978-3-8412-3027-0 / 9783841230270 |
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