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Schneegrab (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
304 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60178-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schneegrab -  Michelle Paver
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Liegt ein Fluch auf diesem Berg? Der Himalaya, 1935: Fünf Engländer brechen von Darjeeling aus auf, um den heiligen Gipfel des dritthöchsten Berges der Welt zu bezwingen. Je höher sie kommen, desto gespenstischer wird die Atmosphäre. Die Stimmung zwischen den Männern, vor allem zwischen den sehr ungleichen Brüdern Stephen und Kits, droht zu kippen. Immer klarer wird: Der Berg ist nicht ihr einziger Feind.  Während der Wind abflaut, wächst das Grauen. Gezeichnet von den Schrecken der extremen Höhe stoßen die Männer auf ein unheimliches Geheimnis aus der Vergangenheit, das nicht im Schnee begraben bleiben will ...  Reinhold Messner über den Kangchenjunga als Romanschauplatz: »Für einen spannenden, mystischen Berg-Roman gibt es keinen geeigneteren Achttausender im Himalaya als den Kangchenjunga - die fünf Schatzkammern des Schnees! Was für ein Berg! Mehrfach scheiterten in den Dreißigerjahren Alpinisten bei diesem großen Vorhaben: an Höhenkrankheit, Höhenstürmen, durch Lawinentod. Der Geist der verstorbenen Bergsteiger sowie der überlieferte Fluch des Berges sind nach wie vor eine großartige Basis für einen mitreißenden, packenden Berg-Roman.«

Michelle Paver wurde als Tochter eines Südafrikaners und einer Belgierin im heutigen Malawi geboren. Später zog die Familie nach England, wo Michelle Paver in Oxford zuerst Biochemie studierte, sich dann aber für eine Karriere als Patentanwältin entschied. Sie arbeitete mehrere Jahre in einer Londoner Anwaltskanzlei, bevor sie sich ein Sabbat-Jahr nahm, um die Welt zu bereisen und ihr erstes Buch zu schreiben. Seitdem lebt und arbeitet sie als freie Schriftstellerin in London. Ihre historischen Gruselromane 'Dark Matter' und 'Thin Air' waren in England Bestseller. Ihre preisgekrönte Jugendbuch-Reihe 'Die Chronik der dunklen Wälder' hat sich weltweit über drei Millionen Mal verkauft.

1


Darjeeling, Westbengalen, April 1935

»Ach, hier sind Sie also, Dr. Pearce!« Charles Tennants Tochter kommt, gefolgt von zwei englischen Springer-Spaniels, über den Rasen gehastet. »Dieser grässliche Nebel. Jetzt kriegen Sie den Berg gar nicht zu sehen, was jammerschade ist!«

»Vielleicht klart es ja noch auf«, erwidere ich und bücke mich, um die Hunde zu streicheln.

»Darauf dürfen wir leider nicht hoffen. Offenbar hat es sich endgültig zugezogen. Am besten kommen Sie wieder rein. Schließlich können wir es uns nicht erlauben, dass sich der Expeditionsarzt eine Erkältung einfängt, bevor Sie überhaupt aufgebrochen sind.«

»Danke für Ihre Sorge. Einen Moment, ich rauche nur noch meine Zigarette zu Ende.«

»Wie Sie meinen«, entgegnet sie mit einem biestigen Lächeln.

Millicent Tennant ist über vierzig und in ihrem Tweedkostüm eine stattliche Erscheinung. Vom jahrelangen tadelnden Schürzen der Lippen haben sich in ihrem Gesicht tiefe Falten zwischen Mund und Kinn eingegraben, sodass sie an die Puppe eines Bauchredners erinnert. Außerdem scheint sie Freude daran zu haben, ihren Mitmenschen den Spaß zu verderben, und es gefällt ihr gar nicht, dass ich mich aus ihrem Teekränzchen verdrückt habe. Vielleicht befürchtet sie ja, ich könnte hinter ihrem Rücken zu ihrem Vater vordringen. Sie bewacht Charles Tennant nämlich wie eine Löwin ihr Junges und hat es sichtlich genossen, uns zu eröffnen, der alte Herr habe kurz vor unserem Eintreffen einen »Anfall« erlitten und könne mindestens eine Woche lang weder uns noch sonst jemanden empfangen. »Und bis dahin sind Sie bereits unterwegs in der Wildnis, wirklich jammerschade

Während die anderen ziemlich enttäuscht waren, stört es mich nicht weiter. Ich bin einfach nur außer mir vor Glück, weil ich überhaupt hier bin. Noch immer kann ich es kaum fassen, dass ich nach der mehrwöchigen Anreise nun tatsächlich auf einer Kuppe des Himalaya stehe. Auf über zweitausend Metern Höhe, im Rosengarten von Charles Tennant. Charles Tennant, der letzte Überlebende der Lyell-Expedition.

Vielleicht liegt es ja am Schlafmangel, dass mir meine gesamte Umgebung auf so überwältigende Weise beeindruckend erscheint: der Duft der feuchten Rosen, der Ruf eines Vogels irgendwo im Dunst. Und die magische Anziehungskraft des Berges, den wir besteigen werden.

»Vorsicht, die Felskante, Dr. Pearce«, ruft Millicent Tennant aus. »Da geht es ziemlich weit nach unten.«

Als ich mich über die niedrige Steinmauer beuge, stockt mir der Atem. »Gütiger Himmel, wie recht Sie haben.« Durch den Nebel kann ich in schwindelerregender Tiefe gerade noch die rötlich schimmernden Umrisse eines Dorfes ausmachen. Die Baumwipfel unter mir sind abweisend und reglos. Doch dort, beinahe in Reichweite, bewegt sich eine winzige, schemenhafte Gestalt auf einem Ast. Vielleicht einer der Makaken, vor denen man mich gewarnt hat.

Wie gerne würde ich einen Blick auf den Berg erhaschen. Als ich verspätet in Darjeeling eintraf, wurde ich im Planter’s Club von einer in überschwänglichen Worten abgefassten Nachricht von Kits erwartet, der mich zum »Tee mit Charles Tennant!!!« einlud. Wer weiß, vielleicht gelingt es mir ja, ihn zu überreden, sein berühmtes Schweigen zu brechen!!! Doch als ich durchgerüttelt nach einer Fahrt in einem Pferdefuhrwerk, einer sogenannten tonga, über in Nebel gehüllte Teeplantagen das einstöckige Haus des alten Herrn erreicht hatte, konnten mir die anderen nur noch die »atemberaubende Aussicht« schildern, die eine Stunde zuvor hier zu genießen gewesen war. Und als ich endlich aus dem Salon in den Garten zu entfliehen vermochte, waren dichte Wolken aufgezogen und hatten den Berg verschluckt.

Und das sind Wolken, wie sie im Buche stehen, die mich da von allen Seiten umwabern. Eine feuchte, stumme Invasion, die den Nachmittag viel zu früh verdunkelt.

»Habe ich schon erwähnt, dass ich die Familie Ihrer Verlobten kenne?«, fährt Millicent Tennant fort und weist das angebotene Zigarettenetui mit einem abermaligen verkniffenen Lächeln zurück. »Oder sollte ich besser Ex-Verlobte sagen?«

»Ach, wirklich?«, murmle ich. »Das ist mir völlig neu.«

»O ja, die arme, liebe Clare ist mein absoluter Liebling. Soweit mir bekannt ist, hat sie sich untadelig verhalten. Sie hat kein böses Wort über Sie verloren.« Mit neugierig glitzernden Knopfaugen mustert sie mein Gesicht.

Die arme Clare, ganz richtig. Doch dass ich Millicent Tennant nun Abbitte leiste, kommt überhaupt nicht infrage. Ich habe mich in London genug entschuldigt.

»Kam ja schrecklich überraschend, dieser Schritt«, spricht sie weiter. »Nur knapp eine Woche vor dem großen Tag.«

»Ich fürchte, Sie haben recht. Doch Clare teilt meine Ansicht, dass es so das Beste ist.« Und nein, nur über meine Leiche werde ich dir unter die Nase reiben, warum ich die Verlobung gelöst habe, damit du es in ganz Darjeeling herumtratschen kannst. Was soll ich auch sagen? Dass ich gerade noch rechtzeitig bemerkt habe, wie ich kurz davor war, mich in meinen Bruder zu verwandeln?

Die Stille dauert an. Die nachgezogenen Augenbrauen meiner Gastgeberin heben sich. »Tja«, meint sie mit aufgesetzter Fröhlichkeit. »Die anderen fragen sich sicher schon, wo Sie stecken. Ihr Bruder, der arme Junge, scheint ein wenig niedergeschlagen.«

Diese Untertreibung bringt mich zum Schmunzeln. Kits hat sich mächtig ins Zeug gelegt, um sich eine Audienz bei Charles Tennant zu erschmeicheln. Sein Scheitern hat ihm gründlich die Laune verhagelt.

»Kits ist ein bisschen enttäuscht«, antworte ich. »Er verklärt die Lyell-Expedition, seit er ein kleiner Junge ist, und kann ganze Passagen von Besiegt, doch voller Kampfesmut auswendig aufsagen. Er hatte sich so darauf gefreut, Captain Tennant kennenzulernen.«

»Ach, wie schade.« Sie pflückt ein Blatt von ihrem Rock. »Tja, jetzt muss ich mich wieder um meine anderen Gäste kümmern. Vergessen Sie nicht, dass wir uns hier in den Tropen befinden, Dr. Pearce. Es wird viel schneller dunkel, als Sie es gewöhnt sind.«

»Danke, ich werde darauf achten.«

Als sie endlich weg ist, zünde ich mir noch eine Zigarette an und warte, bis Nebel und feuchter Rosenduft die Erinnerung an sie vertrieben haben.

Ich beuge mich über die Mauer. Kaum vorstellbar, dass sich dort unten ein dampfender, malariaverseuchter Dschungel befindet. Laut Kits sind es gerade einmal fünfundsiebzig Kilometer bis zu unserem Berg. Allerdings werden wir drei Wochen lang stramm marschieren müssen, um ihn zu erreichen.

Vor Aufregung zieht sich mir der Magen zusammen. Du hast es getan, Stephen, du hast es wirklich getan. Schluss mit London, Schluss mit Clare, Schluss mit den Rechtfertigungen. Von nun an gibt es bloß noch Schnee, Eis und Felsen. Meilenweit entfernt von den grässlichen Verwicklungen, zu denen zwischenmenschliche Gefühle mitunter führen.

So seltsam es klingen mag, aber ich habe mir, seit mein Schiff in Southampton in See stach, kaum gestattet, an den Berg selbst zu denken. Vielleicht habe ich ja befürchtet, damit ein Unglück heraufzubeschwören. Ich habe mir einfach den sinnbildlichen weißen Gipfel ausgemalt. So wie den Glasberg im Märchenbuch, als wir Kinder waren.

Aber jetzt ist der Berg unvermittelt in greifbare Nähe gerückt. Er hat diese Wolken geschickt, er macht sich bemerkbar. Ich spüre seinen kalten, klammen Hauch auf der Haut.

In drei Tagen geht es los. Ich kann es kaum noch erwarten.

 

Sie hatte recht: Die Nacht ist so überfallartig hereingebrochen, als habe jemand eine Tür zugeschlagen.

Als ich über den Rasen zurückstolpere, bewegt sich etwas in der Dunkelheit hinter mir. Im nächsten Moment lugt ein Kopf über die Mauer, und eine schemenhafte Gestalt huscht davon. Die Makaken übernehmen das Kommando über den Garten.

Ich steuere auf das Licht zu, das durch die Terrassentüren auf die Veranda strömt. An der Vortreppe geraten meine Schienbeine leider mit einem Steinhaufen in Konflikt. Ich schimpfe vor mich hin.

»Wer da?«, ruft eine Männerstimme – scharf im Ton, gebildet, alt.

Ach herrje, das sind ja gar nicht die Türen zum Wohnzimmer. Ich bin falsch abgebogen. ...

Erscheint lt. Verlag 1.12.2022
Übersetzer Karin Dufner
Sprache deutsch
Original-Titel Thin Air
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bergsteiger-Drama • Britische Spannung • Bruder • Bruderzwist • Dramatischer Roman • Geheimnis • Gehobene Spannung • Geister • Geistergeschichte • Gothic • Gruselroman • Himalaya • historischer Krimi • Historischer Roman • Historische Spannung • Höhenkrankheit • Meisterin der Spanung • Mystery • psychologischer Spannung • Schauerroman • spannend • Teufelsnacht • Tragödie • Wahnsinn • Zwei Brüder
ISBN-10 3-492-60178-2 / 3492601782
ISBN-13 978-3-492-60178-8 / 9783492601788
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