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Ein notwendiger Tod -  Anne Holt

Ein notwendiger Tod (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
448 Seiten
Atrium Verlag AG Zürich
978-3-03792-192-0 (ISBN)
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Selma Falck ist zurück: der neue Fall für Anne Holts Star-Ermittlerin Selma Falck wacht in einem Albtraum auf: Sie ist gefangen in einer brennenden Hütte auf einem schneebedeckten Berg. Weder weiß sie, wo genau sie sich befindet, noch, wie sie dorthin gekommen ist. Verletzt und blutend schafft sie es gerade noch rechtzeitig hinaus, bevor die Hütte bis auf die Grundmauern abbrennt. Während Selma mit der Kälte, dem Hunger und ihren Wunden kämpft, kommt alles bruchstückhaft zu ihr zurück. Ihr wird klar, dass sie nicht nur überleben will, sondern auch schnell in die Zivilisation zurückkehren muss. Es wurde ein Mord begangen, und eine große Ungerechtigkeit muss aufgeklärt werden: Die Zukunft der Nation steht auf dem Spiel.

Anne Holt ist mit über 12 Millionen verkauften Büchern weltweit eine der erfolgreichsten Krimiautor:innen Skandinaviens. Sie ist ehemalige Justizministerin Norwegens, Anwältin, Journalistin, TV-Nachrichtenredakteurin und Moderatorin. Zu großem Ruhm als Autorin gelangte sie mit den zwei Krimiserien um Inger Johanne Vik (verfilmt als »Modus. Der Mörder in uns«) und Hanne Wilhelmsen. Ihre neueste Serie dreht sich um die Juristin Selma Falck.

Anne Holt ist mit über 12 Millionen verkauften Büchern weltweit eine der erfolgreichsten Krimiautor:innen Skandinaviens. Sie ist ehemalige Justizministerin Norwegens, Anwältin, Journalistin, TV-Nachrichtenredakteurin und Moderatorin. Zu großem Ruhm als Autorin gelangte sie mit den zwei Krimiserien um Inger Johanne Vik (verfilmt als »Modus. Der Mörder in uns«) und Hanne Wilhelmsen. Ihre neueste Serie dreht sich um die Juristin Selma Falck.

Der Auftrag


Seit der Hochzeit waren vier Tage vergangen, und Sjalg Pettersons tragischer Tod war bereits aufgeklärt worden. Aufgrund der vielen Zeugenaussagen und des vorläufigen Obduktionsberichtes lag der Schluss nahe, dass der sechsunddreißig Jahre alte Mann einem anaphylaktischen Schock erlegen war.

Er war extrem allergisch gegen Macadamianüsse gewesen.

»Wir haben das ja auch gewusst«, sagte Jesper Jørgensen. »Küche, Kühlraum, Service, Besteck, Terrasse … Alles wurde gesäubert, ehe wir eingerückt sind. Wirklich alles. Fast automatisch. Es ist auch nicht schwer, den Kontakt mit Macadamianüssen zu vermeiden. Ich habe in meiner ganzen Laufbahn kaum je eine verwendet.«

Der Mann machte eine verzweifelte Handbewegung.

Seine Karriere war noch nicht lang, das wusste Selma, doch sie war umso erfolgreicher verlaufen. Jesper Jørgensen war erst sechsundzwanzig, galt aber schon als einer der absolut besten Köche des Landes. Vor vier Jahren hatte er den Bocuse d’Or gewonnen, die inoffizielle Weltmeisterschaft der Kochkunst, als jüngster Preisträger aller Zeiten. Seither hatte er in der Dronning Eufemias gate das noble Restaurant Ellevilt, also Lebensfreude, aufgemacht, genau gegenüber dem berühmten Barcode-Gebäude, der Oper, dem schiefen neuen Munch-Museum und allem anderen, was langsam zu einem modernen Stadtteil wurde, mit dem Selma sich nur mit Mühe abfinden konnte. Schon nach elf Monaten wurde das Ellevilt mit einem Michelin-Stern belohnt. Im folgenden Jahr kam der zweite. Nur das weltberühmte Maaemo konnte es mit seinen drei Sternen noch übertreffen.

»Ich bereue das so wahnsinnig«, sagte der junge Mann verzweifelt. »Natürlich hätte ich mich nicht zum Kochen bereit erklären dürfen. Ich will doch in meiner eigenen Küche arbeiten, aber so viele Gäste können wir bei uns nicht unterbringen. Und Sjalg Petterson kann man nicht so leicht widerstehen, er hat verdammt gut bezahlt, und ich …«

Wieder hob er die Hände.

Jesper Jørgensen saß in einem Sessel in Selma Falcks Kombination aus Wohnung und Büro. Die Wohnung war nicht groß, zwei Zimmer, Küche und Bad, aber sie war praktisch und perfekt gelegen in einem Neubau in Sagene. Von dort aus hatte sie einen kurzen Weg in die Innenstadt und blieb trotzdem ziemlich anonym. An der Klingel stand einfach nur SF, und die Wohnungstür war überhaupt nicht beschriftet. In dem knappen halben Jahr, das sie nun schon hier wohnte, hatten die Leute aus der Umgebung sich aber dennoch mit ihr bekannt gemacht. Die ersten Wochen waren anstrengend gewesen, mit den Bitten um Autogramme und Selfies und mit neugierigen Fragen nach der eher bescheidenen Wohnung.

Aber das hatte sich gegeben.

Selma Falck war zufrieden mit ihrem Dasein.

Seit sie ihre Freiheit und ihre Finanzen hatte retten können, indem sie vor Weihnachten die Unschuld einer jungen Skiläuferin in einem Dopingskandal bewiesen hatte, hatte sie die meisten Brücken hinter sich eingerissen. Ihre Zulassung als Anwältin hatte sie längst zurückgegeben. Von den dreizehn Millionen Kronen, die sie für den Auftrag erhalten hatte, hatte sie ihrem Exmann drei überlassen. Als Buße vermutlich, denn zu diesem Zeitpunkt hatte sie ihm nichts geschuldet. Vor allem war es ein Versuch, die Vergebung ihrer Kinder zu erlangen, das musste sie zugeben, wenn sie wirklich darüber nachdachte. Was sie immer seltener tat. Die Wirkung war auch eher bescheiden gewesen. Anine verhielt sich weiterhin fast feindselig, wenn sie ein seltenes Mal miteinander zu tun haben mussten. Ihr Bruder Johannes wirkte vollkommen gleichgültig: Bei der Hochzeit hatte Selma ihren Sohn zum ersten Mal seit vier Monaten gesehen.

Die zweiundsechzig Quadratmeter große Neubauwohnung hatte an die fünf Millionen gekostet und konnte für einen Apfel und ein Ei möbliert werden. Der Parkplatz im Keller war im Preis inbegriffen. Da ihr beklagenswerter Hang zum Glücksspiel sie fast ruiniert und um ein Haar ins Gefängnis gebracht hätte, hatte sie schon früh beschlossen, das restliche Geld auf einem Bankkonto zu lagern. Ein Puffer für schwierige Zeiten. Das Konto hatte sie bei einer anderen Bank als ihrer üblichen eingerichtet. Ganz bewusst hatte sie sich die neue Kontonummer nicht eingeprägt. Die Unterlagen über die fünf Millionen Kronen und die Chipkarte, die zu dem Konto gehörten, hatte Einar Falsen in seiner Obhut. Er hatte keine Ahnung, worum es sich handelte, aber er wusste, dass beides sicher verwahrt sein musste.

Obwohl Einar noch immer verschroben und bisweilen absolut verrückt war, hatte sie dem ehemaligen Polizisten doch immerhin ein Dach über dem Kopf verschafft. Der Pokertürke, Selmas alter Mandant, ein Miethai und Betreiber etlicher illegaler Spielhöhlen in Oslo, hatte Einar die heruntergekommene und übel riechende Wohnung in der Vogts gate überlassen, in der Selma selbst einen trostlosen Advent verbracht hatte.

Nach vielen obdachlosen Jahren genoss Einar es überraschenderweise, einen festen Wohnsitz zu haben. Er war seltsam, und manchmal ging es ihm sehr schlecht. Dennoch war er der Einzige, zu dem Selma wirklich Vertrauen hatte. Sogar der nervige Kater Darius, den Selma aus ihrer gescheiterten Ehe hatte mitnehmen müssen, war in Grünerløkka geblieben. Die Miezekatze und der Verrückte passten gemeinsam auf Selmas Geld auf, stopften sich mit Käseflips voll und lasen die gedruckte Ausgabe der Zeitung, die Einar jeden Morgen früh stahl, lange bevor irgendwo auch nur der allererste Hahn gekräht hatte.

Aber nun hatte Selma Besuch bekommen.

Der Meisterkoch war verzweifelt.

»Es hagelt schon Stornierungen«, jammerte er. »Jede Menge. Alle halten es für meine Schuld. Unsere Schuld. Ellevilts Schuld, auch wenn es gar nicht unser Restaurant war. Der größte Albtraum jedes Kochs ist es, jemanden zu vergiften. Und dieser Typ, der ist einfach … krepiert, sozusagen. Aus irgendeinem Grund, der absolut nichts mit uns zu tun gehabt haben kann. Durch eine Scheißnuss, die ich kaum je verwendet habe. Mein Essen ist norwegisch. Macadamia ist brasilianisch. Eine Scheißweihnachtsnuss, etwas, das …« Die Luft schien aus ihm zu entweichen. Er sank im Sessel in sich zusammen, rieb sich die Stirn und kniff die Augen zusammen. Es sah aus, als ob er sich selbst am Weinen hindern wollte.

»Was sagt die Lebensmittelaufsicht?«, fragte Selma. »Ich nehme an, die haben die Sache überprüft?«

»Sicher. Das ganze Lokal ist untersucht worden. Sie konnten nirgendwo eine Spur von Nüssen finden. Bisher jedenfalls nicht. Sie waren überall. Haben alles aufbewahrt. Benutzte Teller, Servierschüsseln, Kochtöpfe, alles. Es dauert eine Weile bis zum Abschlussbericht, also bis …«, er holte tief Luft und setzte sich ein wenig aufrechter, »… die Untersuchungen fertig sind. Aber wenn in dem Essen Macadamianüsse waren, dann in winzig kleinen Mengen. Unsichtbar, würde ich behaupten.«

»Das kommt vor. Manche Menschen sind wirklich hyperallergisch. Es kann reichen, dass sie ein Zimmer betreten, in dem jemand vor einer Weile Nüsse gegessen hat, und schon werden sie sterbenskrank.«

»Aber dann dürfte er doch kein fremd zubereitetes Essen zu sich nehmen«, fauchte Jesper Jørgensen wütend. »Niemand kann die Zutaten die ganze Zeit voll und ganz unter Kontrolle haben. Es war zudem unvorstellbar idiotisch, dass er diese Spritze, diesen Pi-Penn oder wie das heißt …«

»EpiPen. Adrenalin.«

»Ja. Dass er den seinem Trauzeugen gegeben hat. Um auf den Fotos keine ausgebeulte Tasche zu haben, also echt. Und der Trauzeuge stand nur da wie ein Ölgötze und sah zu, wie der Bräutigam starb, ohne auch nur einen Finger zu rühren.«

»Er stand wohl unter Schock. Das kommt vor. Was sagt die Polizei?«

»Die Polizei?« Der junge Mann runzelte halb überrascht, halb skeptisch die Stirn. »Warum sollte die Polizei etwas damit zu tun haben?«

Selma, die mit einer Flasche Pepsi Max in der Hand auf dem Sofa saß, zuckte mit den Schultern.

»Sjalg Petterson war nicht unumstritten«, sagte sie.

»Unum… wie meinen Sie das?«

»Sie wissen doch, wer er war?«

»So ein Promi? Aus der Politik, oder wie? Ich kümmere mich nicht um Politik. Ist mir scheißegal. Mir geht’s um Essen.«

»Essen kann auch politisch sein.« Selma lächelte. »Und Sie müssen wirklich schwer geschuftet haben, um die vielen Zeitungsartikel über ihn nach seinem Tod nicht mitbekommen zu haben.«

»Whatever. Ich will nichts mit Zeitungen zu tun haben. Jetzt schon gar nicht. Bei jeder Scheißschlagzeile verlieren wir Renommee und Umsatz.«

Jetzt sah er vor allem aus wie ein trotziger Teenager. Er war im Sessel nach vorn gerutscht, spreizte die Beine und spielte an seinem Daumenring herum. Aus dem T-Shirt-Ärmel kroch eine in verschlungenen Ringen tätowierte Schlange bis zu seinem Handgelenk. Der Kopf, zum Zubeißen erhoben, war beängstigend naturgetreu.

»Jedenfalls …«, seufzte Selma und stellte die Flasche weg, »… begreife ich nicht so ganz, was Sie von mir wollen.«

»Sie sollen mir helfen.«

»Wie denn?«

»Indem Sie beweisen, dass weder ich noch mein Konzept schuld daran sind, dass der Typ abgekratzt ist. Ich …« Offenbar steckte sein Telefon in seiner Gesäßtasche, denn ein halb ersticktes Doppelpling ließ ihn die rechte Hinterbacke anheben. »Ver-damm-te Pest!«

»Was ist los?«

»Noch mehr Stornierungen. Wir müssen am Wochenende wahrscheinlich zumachen. Hat keinen Sinn, offen zu haben, wenn keine Gäste kommen.«

»Das findet sich schon. In zwei Wochen ist alles vergessen.«

Er starrte sie an, als ob sie eine Spritztour auf den Mond vorgeschlagen hätte.

»Sie haben...

Erscheint lt. Verlag 21.9.2022
Reihe/Serie Ein Fall für Selma Falck
Ein Fall für Selma Falck
Ein Fall für Selma Falck
Übersetzer Gabriele Haefs
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Allergie • Demokratie • Ermittlerin • Hasskommentare • Hate speech • Juristin • Nordic Noir • Radikalisierung • Selma Falck • Skandinavien
ISBN-10 3-03792-192-7 / 3037921927
ISBN-13 978-3-03792-192-0 / 9783037921920
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