Zwei Fälle für Arno Bussi (2in1-Bundle) (eBook)
624 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-31132-7 (ISBN)
Joe Fischler, geboren 1975 in Innsbruck, arbeitete nach einem Studium der Rechtswissenschaften einige Jahre im Bankwesen. 2007 machte er sich als Blogger und Autor selbstständig. Mit »Veilchens Winter«, dem ersten Teil seiner Reihe rund um Valerie »Veilchen« Mauser, legte Fischler 2015 ein fulminantes Debüt als Krimiautor vor. »Die Toten vom Lärchensee« ist der zweite Teil seiner Krimireihe rund um den so liebenswerten wie stets unglücklich verliebten Inspektor Bussi. Der passionierte Bergwanderer Fischler lebt in Tirol.
Joe Fischler, geboren 1975 in Innsbruck, arbeitete nach einem Studium der Rechtswissenschaften einige Jahre im Bankwesen. 2007 machte er sich als Blogger und Autor selbstständig. Mit »Veilchens Winter«, dem ersten Teil seiner Reihe rund um Valerie »Veilchen« Mauser, legte Fischler 2015 ein fulminantes Debüt als Krimiautor vor. »Die Toten vom Lärchensee« ist der zweite Teil seiner Krimireihe rund um den so liebenswerten wie stets unglücklich verliebten Inspektor Bussi. Der passionierte Bergwanderer Fischler lebt in Tirol.
Erster Tag
1
Die wildesten Geschichten beginnen ja meistens völlig harmlos. Genau wie in diesem Fall auch …
Da steht der Arno verschlafen am offenen Küchenfenster, schaut über halb Wien hinaus und denkt an nichts Böses. Im Gegenteil. Er freut sich des Lebens. Ganz besonders darüber, dass er vor zwei Wochen diese kleine, feine Dachwohnung am Alsergrund gemietet hat. Obwohl er sich die kaum leisten kann. Aber so ein Ausblick, der hat halt schon Klasse.
Die Sommerluft flirrt über den Dächern. Ein paar Tauben flattern um die Türme der Votivkirche, stürzen sich in die Tiefe hinunter und verschwinden hinter einer Häuserfassade. Der Arno schaut am Stephansdom vorbei in die Ferne, wo er die ersten Hügel des Wienerwalds zu erkennen glaubt. Gewaltig!, denkt er ganz verzückt, und mit dem blauen Himmel und einer passenden Hintergrundmusik dazu wär’s jetzt fast schon zum Tränleinverdrücken.
Damit man das verstehen kann, muss man wissen: Wo er bis vor einem Jahr gelebt hat, in Tirol nämlich, steht ihm spätestens hinterm nächsten Eck auch der nächste Berg vor der Nase. Wenn er dort einmal den Weitblick braucht, muss er wohl oder übel auf den nächsten Gipfel klettern. Und wenn er im Schweiße seines Angesichts hinaufgekrallt ist, blasengeplagt und erschöpft, was sieht er dann? Berge, Berge und nochmals Berge. Schmale Berge, breite Berge, spitze Berge, flache Berge, Riesenberge und Bergzwerge, Schattenberge, Glitzerberge, Glatzenberge und Waldberge. Grün und grau und schwarz und weiß buhlen sie um Aufmerksamkeit und merken dabei überhaupt nicht, was sie am allerallerbesten können: kolossal im Weg herumstehen.
Der Arno seufzt. Er weiß, er wird sich an diesem Ausblick hier niemals sattsehen können. Er wird Tag für Tag aufs selbe Häusermeer schauen und doch immer wieder etwas Neues entdecken.
Und noch etwas freut ihn: dass er jetzt nicht mehr tagtäglich von Niederhollabrunn in die Großstadt hereinpendeln muss. Was das oft Zeit gekostet hat, das kann sich ja kein Mensch vorstellen. Aber damit ist jetzt Schluss. Vom Alsergrund aus ist er in null Komma nix zu Fuß im Zentrum, hat die grünen Oasen genauso direkt vor seiner Nase wie die unzähligen Beisln, Theater und Einkaufsmöglichkeiten, und auch ins Bundeskriminalamt, wo er jetzt schon seit elfeinhalb Monaten arbeitet, braucht er keine halbe Stunde mehr. Ja, gut hat er’s erwischt, der Arno. Glaubt er jedenfalls …
Er schlürft die Crema von seinem doppelten Espresso herunter, wie er’s immer tut, bevor er den ersten richtigen Schluck nimmt. Als die Röstaromen an seine Geschmacksknospen andocken, schließt er die Augen, denkt an nichts, genießt nur, freut sich und horcht. Das Rauschen der Millionenstadt, die schon seit Stunden nicht mehr schläft, stresst ihn nicht, im Gegenteil, die Geräuschkulisse entspannt ihn sogar. Ein Baukran surrt. Woanders schwillt die Sirene eines Rettungswagens an, ganz in der Nähe toben Kinder auf der Straße. Ja, das Leben pulsiert. Wer will, pulsiert mit. Und wer nicht will, der macht einfach das Fenster zu.
Er schluckt, öffnet die Augen wieder, stellt die Tasse ab, dreht sich in den Raum hinein und …
»Uiuiui!«, fährt’s aus ihm raus, als er auf die Küchenuhr schaut. Zwanzig vor acht. Ganz gewaltig vertrödelt hat er sich mit seiner Frohlockerei! Und der Herr Major hasst nichts auf dieser Welt so sehr wie Unpünktlichkeit. Aber noch kann er’s schaffen. Also rennt er ins Schlafzimmer, versucht dort, mit beiden Beinen gleichzeitig in die Jeans zu springen, und taucht mit dem Gesicht voraus in die Matratze ein. »Aua!«, schimpft er und reibt sich die Nase. Eile mit Weile, sagt seine innere Stimme blödsinnigerweise. Er hat ja gar keine Weile mehr. Also rollt er sich aus dem Bett, springt in die Luft und reißt am höchsten Punkt der Flugkurve, jetzt quasi schwerelos, den Hosenbund hinauf. Nach der polternden Landung die Socken nicht vergessen, hinein in die Schuhe, und als er sich das Hemd zuknöpft, wetzt er schon die sechs Stockwerke zum Ausgang hinunter.
»Griaß eana, Herr Poliziiist!«, grüßt die alte Loringer, die ihm mindestens einmal täglich im Stiegenhaus auflauert. Langsam glaubt er, sie steht ein bissl auf ihn. »Na, Sie haben’s aber wieder eilig! Ist grad ein Kasten umgfalln bei Ihnen droben, weil’s so g’scheppert hat, oder was?«
»Grüß Gott, Frau Loringer! Jaja, leider! Äh, nein, wieso?«, ruft er zurück und ist schon draußen aus dem Haus.
Wenn der Arno eines kann, dann kann er rennen. Da drehen sich selbst in Wien die Köpfe nach ihm um, wenn er an den Fußgängern vorbeifliegt wie der sprichwörtliche Pfitschipfeil. Er sprintet die Liechtensteinstraße entlang, schafft die Fußgängerampel an der Kreuzung Althanstraße nicht mehr so ganz bei Grün, ignoriert ein hupendes Auto, das ihn fast auf die Haube legt, weiter, immer weiter, immer schneller, der Fahrtwind, also Laufwind, rauscht nur so in seinen Ohren, und am Liechtenwerder Platz muss er einen Laternenpfahl zur Hilfe nehmen, damit er das Eck noch schafft. Er rennt, als wäre der Leibhaftige hinter ihm her. Und so schafft er’s tatsächlich noch vor acht in seine Dienststelle.
»Guten Morgen!«, hechelt er zum Gruß, ganz stolz auf seine sportliche Meisterleistung.
Schweigen. Ein ziemlich lautes Schweigen. Arnos Blick wandert durch den Raum. Wie üblich sind schon alle da: die Frau Reiter, der Herr Pospisil, die Frau Novak und Herr Major, der Chef. Sie sagen nichts, schauen ihn nur an wie ein Gespenst. Dann drehen sie sich wieder zu ihren Bildschirmen. Von Arnos heftigem Schnaufen abgesehen könnt man jetzt fast eine Stecknadel fallen hören. Und da beschleicht ihn zum ersten Mal an diesem Tag ein ganz ein ungutes Gefühl.
Er schaut auf die Uhr an der Wand, die in diesem Moment auf Punkt acht springt. Was ist denn?, möcht er sich fast empören, doch er bleibt still und geht zu seinem Platz.
»Herrräh … Bussi?«, grätscht ihm der Chef verbal in den Laufweg.
Er erstarrt. Das ungute Gefühl verstärkt sich, ist jetzt in etwa so, als hätte ihn der Lehrer beim Schwänzen erwischt und würde ihn vor allen anderen abkanzeln wollen, quasi ein Exempel statuieren. Dabei ist er doch pünktlich gewesen, haarscharf, aber trotzdem! Er dreht seinen Kopf. »Ja, Herr Major?«
»Kommen Sie einmal her.«
Eieiei!, denkt der Arno und folgt. Mit gesenktem Kopf stellt er sich vor den Schreibtisch, der so platziert ist, dass der Chef seinen Mitarbeitern auch schön auf die Bildschirme gaffen kann.
»Herrräh … Bussi, Sie möchten zu Oberst Wiesinger kommen.«
Der Arno erschrickt. Zum obersten Direktor soll er? Er? »Was … Wieso?«, stammelt er daher.
»Es geht wohl um Ihr … Versetzungsgesuch«, murmelt der Abteilungsleiter in den Schreibtisch hinein und würdigt ihn keines Blickes. Der Herr Pospisil räuspert sich im Hintergrund, die Frau Novak auch, wobei sie sich wie ein Papagei anhört. Ganz offensichtlich hat sich’s schon herumgesprochen, dass der Arno aus dieser Abteilung wegwill.
»Mhm?«, murmelt er und schaut gleich noch viel schuldbewusster, während die Neugier, vor allem aber die Hoffnung wächst. Wird er tatsächlich endlich versetzt?
»Na dann, gehen Sie halt, Herrräh … Bussi. Gehen Sie!«
Also geht der Arno halt.
Er ist nicht unglücklich darüber, dass er möglicherweise zum allerletzten Mal in diesem Raum hat gewesen sein müssen. Niemand hat ein letztes Wort für ihn übrig. Nicht die Frau Reiter, nicht der Herr Pospisil, nicht die Frau Novak und auch der Herr Major bleibt still. Aber das ist dem Arno egal. Mehr noch: Als er die Tür hinter sich schließt, grinst er übers ganze Gesicht. Ein Jahr, ein ganzes Jahr seines Lebens lang hat er bei diesen Sesselklebern in der Abteilung PKS – Polizeiliche Kriminalstatistik – arbeiten müssen, hat sich mit Excel-Tabellen und endlosen Listen herumgeplagt, statt Polizist sein zu dürfen. Aber damals ist ihm einfach jeder Job recht gewesen. Hauptsache, weg aus Tirol und hier in der großen Stadt, im angesehenen Bundeskriminalamt, den Fuß in die Tür bekommen. Und genau das wird sich jetzt endlich, endlich auszahlen. Er sieht sich schon im dunklen Anzug mit Sonnenbrille durch ganz Europa jetten. Heute Wien, morgen London, übermorgen Paris, internationalen Verbrecherbanden auf den Fersen – ein großartiger, großartiger Tag ist das, findet der Arno.
Jaja.
»Ich soll mich beim Herrn Direktor melden«, sagt er mit stolzgeschwellter Brust, als er in dessen Vorzimmer schreitet wie der römische Feldherr ins Kolosseum.
»Ach ja … der Herr Bussi, oder?«, antwortet die Sekretärin spitz und drückt mit ihren superlangen French Nails auf dem Telefonapparat herum. »Er ist da. … Der Herr Bussi. … In Ordnung. … Bitte schööön!«, sagt sie dann, steht auf, streicht ihr Kostüm zurecht und öffnet die gepolsterte Tür.
Der Arno tritt ein und wird von einem Geruchspotpourri aus Lederpolitur, Aftershave und Putzmittel empfangen. Vom Wiesinger sieht er nur den Kopf, der Rest ist irgendwie im Ledersessel hinter dem dunklen Schreibtisch versunken. Die Sekretärin macht die Tür zu.
Eine Weile passiert überhaupt nichts. Nur die Kuckucksuhr an der Wand tickt. Der Oberst stiert in seinen Bildschirm. Alle paar Sekunden klickt er mit der Maus, anschließend macht er ein schmatzendes...
Erscheint lt. Verlag | 1.6.2022 |
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Reihe/Serie | Arno Bussi ermittelt | Arno Bussi ermittelt |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Alpen-Krimi • Arno Bussi • Bestseller-Autor • Bundle • Der Tote im Schnitzelparadies • Die Toten vom Lärchensee • Dorf-Krimi • E-Book-Bundle • Mord • Österreich-Krimi • Regional-Krimi • Tirol-Krimi • Tourismus • Urlaubs-Krimi • Valerie Mauser |
ISBN-10 | 3-462-31132-8 / 3462311328 |
ISBN-13 | 978-3-462-31132-7 / 9783462311327 |
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