Die Filiale (eBook)
400 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45486-2 (ISBN)
Prof. Dr. Veit Etzold ist Autor von dreizehn SPIEGEL-Bestsellern. Sein erstes Buch schrieb er im Jahr 2008 mit Prof. Michael Tsokos, dem ehemaligen Chef der Berliner Rechtsmedizin, über spektakuläre Todesfälle in der Forensik. Bevor er zu schreiben anfing, war Etzold Banker, Strategieberater und Programmdirektor in der Management-Ausbildung. Heute arbeitet er als Thriller-Autor und Keynote Speaker. Passend zu seinen Thrillern ist er mit der Rechtsmedizinerin Saskia Etzold (geb. Guddat) verheiratet. Veit Etzold lebt mit seiner Frau in Berlin und Bremen.
Prof. Dr. Veit Etzold ist Autor von dreizehn SPIEGEL-Bestsellern. Sein erstes Buch schrieb er im Jahr 2008 mit Prof. Michael Tsokos, dem ehemaligen Chef der Berliner Rechtsmedizin, über spektakuläre Todesfälle in der Forensik. Bevor er zu schreiben anfing, war Etzold Banker, Strategieberater und Programmdirektor in der Management-Ausbildung. Heute arbeitet er als Thriller-Autor und Keynote Speaker. Passend zu seinen Thrillern ist er mit der Rechtsmedizinerin Saskia Etzold (geb. Guddat) verheiratet. Veit Etzold lebt mit seiner Frau in Berlin und Bremen.
Kapitel 1
BWG Bank, Filiale Koppenstraße, Berlin
Manche Dinge haben eine unheimliche Aura, auch wenn sie eigentlich gar nicht böse sind. Ein Lkw, der Tausende von Kühen in den Schlachthof gefahren hat, ein Raum, in dem ein Mensch ermordet wurde, ein Hammer, mit dem jemand einem anderen den Schädel eingeschlagen hat.
Dieser Brief, der vor Laura lag, hatte auch eine solche Aura.
»Von der Bank«, hatte Sandra gesagt und Laura den Brief hingelegt. »Scheint von der Wohnungsgesellschaft zu sein.«
Das Wort Wohnungsgesellschaft sorgte dafür, dass Laura einen Stich im Magen spürte. Denn sie befürchtete, dass sie dieses Mal eine hohe Nebenkostennachzahlung erwartete. Da es auf dem gemeinsamen Konto von Laura und ihrem Mann Timo nach der letzten Autowerkstattrechnung nicht ganz so üppig aussah, hoffte sie, dass sie den Betrag bezahlen konnten, ohne an irgendwelche Reserven gehen zu müssen.
Laura atmete tief durch und zwang sich, den Brief nicht sofort zu öffnen.
Sie wunderte sich ohnehin, warum der Brief der Wohnungsgesellschaft sie in der Bank erreichte und nicht an ihre Adresse zu Hause ging. Denn sonst waren doch alle Abrechnungen immer nach Hause geschickt worden. Vielleicht, dachte sie, wurde das jetzt so gemacht, weil die Wohnungsgesellschaft nun mal zur Bank gehörte.
Zu Hause, dachte sie. Dort hatte der Tag ganz gut angefangen. Timo war schon längst aufgebrochen, weil er als Handwerker immer früher anfing, lange bevor Laura ihren ersten Kaffee getrunken hatte. Ihren ersten aufgewärmten Kaffee. Timo hatte nett sein wollen und ihr eine große Tasse Kaffee auf die Anrichte gestellt, ohne irgendetwas zu sagen, sodass Laura den Kaffee erst entdeckt hatte, als er längst kalt geworden war. So war ihr Mann, dachte sie. Wenn es darum ging, irgendwelche Filmszenen zu zitieren, in denen Darth Vader oder wer auch immer irgendeinen Commander rundmachte, war er an Wortgewalt nicht zu überbieten. Nur bei wichtigen Themen blieb er schweigsam. Vielleicht, dachte sie, war der Kaffee auch einfach nur eine unbeholfene Entschuldigung für die gigantische Verpackung des 3-D-Druckers, den Timo letzte Woche gekauft hatte und dessen Verpackung noch immer den halben Flur blockierte. Tja, so ein 3-D-Drucker konnte zwar angeblich alles drucken, aber achtlos auf dem Boden liegen gelassene nasse Handtücher konnte er nicht aufräumen, und Timos Socken bugsierte er auch nicht vom Fußboden des Schlafzimmers in die Waschmaschine. Egal, der Kaffee schmeckte auch aufgewärmt.
Laura war an diesem Morgen rechtzeitig aufgestanden und hätte eigentlich alle Zeit der Welt haben sollen, aber sie hatte lange und grüblerisch mit der Kaffeetasse im Garten gestanden und sich darüber geärgert, dass Timo erneut vergessen hatte, den Grill abzudecken. Immerhin fiel ihr ein, dass für die nächsten Tage Sonne vorhergesagt war und sie den Grill schon heute Abend wieder brauchen würden.
Die Filiale war eine völlig andere Welt. Einerseits ganz anders als ihr gemütliches Haus, andererseits so vertraut, dass sie schon fast miefig wirkte. Laura ertappte sich immer dabei, dass sie in der Bank anders redete und sogar anders dachte als zu Hause. Hatte sie mit dem Kostüm schon einen Teil der professionellen »Business Laura« angelegt, tat die Filiale ihr Übriges dazu. Doch es gab keinen Grund, sich heute sonderlich überlegen zu fühlen und die Aura des Mehrwissens zu verbreiten, die dazu führte, dass sich unwissende Leute voller Vertrauen – oder vielleicht Dummheit – von den Bankern windige Geldanlagen aufschwatzen ließen. Denn Laura stand heute an der Kasse, da mal wieder die Hälfte der Filiale krank war. Am Schalter hätte man früher gesagt, wo einst die Bankbeamten ihre Arbeit taten, auch wenn sie gar keine Beamten waren.
Dass auch Kundenberater an der Kasse aushelfen mussten, war bei allen Banken so, nicht nur hier. Die Mitarbeiter waren entweder krank, im Urlaub, auf Schulungen, schwanger oder im Vorruhestand. Wenn die Bank noch einige Tote auf der Gehaltsliste hätte, hätte sie das auch nicht gewundert. Eigentlich war sie Wertpapierberaterin und sollte Kunden Aktien und Fonds verkaufen. Aber da die Bank einen Großteil ihres Umsatzes mit hohen Gebühren von Leuten machte, die noch nie etwas von Onlinebanking und Geldautomaten gehört hatten und daher ständig an die Kasse rannten, musste die Kasse permanent besetzt sein. Auch wenn dort nur zwei Personen die Stellung hielten. Laura kam der Gedanke, dass die Schlangen der Kunden im Jahr 1989 auch so lang wie heute gewesen sein mussten, als alle Besucher aus dem Osten in westdeutschen Banken ein Begrüßungsgeld bekommen hatten.
Lachen und Erträge machen, stand als Motivationsspruch für den heutigen Tag im Intranet der Bank. Der Spruch war immerhin kurz und ein bisschen witzig. Besser als das übliche Mit Fleiß, mit Mut, mit festem Willen, lässt jeder Wunsch sich endlich stillen oder die zum tausendsten Mal aufgebrühte Augustinus-Soße mit dem Selbst brennen und andere entflammen und andere verstaubte Relikte aus der Leadership-Mottenkiste. In der Spiegelung des Monitors sah Laura ihr Gesicht, die braunen Haare, die dunklen Augen. Manche sagten, sie sähe ein wenig aus wie Sandra Bullock. Na, Laura fand, dass das durchaus nach einem echten Kompliment klang.
Heute Morgen hatte sie in den Badezimmerspiegel geblickt und auf den ersten Blick nicht mehr gesehen als in der Spiegelung des Monitors. Timo hatte wieder ewig lange geduscht, vergessen, das Fenster zu öffnen und damit den Raum in eine Dampfsauna verwandelt, auf die jeder Sultan in Tausendundeine Nacht neidisch gewesen wäre. Laura hatte den Spiegel abgewischt, sich geschminkt und dann überlegt, was sie anziehen sollte. Das eher strenge Kostüm? Oder war das zu »bossy«? Oder den ausgestellten Rock mit Bluse? Oder war das zu feminin? Das marineblaue Kostüm war am besten. Es war feminin, machte eine gute Figur, ohne dass sie Gefahr lief, wie eine Presswurst auszusehen, und wenn es ein bisschen bossy war, dann war es halt so. Sowieso komisch, dass man nur Frauen bossy nannte. Männer nannte man hingegen durchsetzungsstark. Laura hatte das Kostüm im letzten Schlussverkauf gekauft, nachdem sie den Laden bestimmt zehnmal aufgesucht hatte und um den Kleiderständer herumgeschlichen war. Sie hatte noch immer ein schlechtes Gewissen, da das Kostüm zwar heruntergesetzt, aber immer noch ziemlich teuer gewesen war. Anstrengende Tage stand man mit der richtigen Kleidung allerdings einfach besser durch.
Sie schaute nach oben, wo es über vier Treppenstufen zu den Beraterplätzen ging. Tom Harding, der Filialleiter, saß an seinem Pult ganz vorne. Der Platz sorgte dafür, dass er alles im Blick hatte und möglichst viele nervige und begriffsstutzige Kunden, die ohnehin kein Geld brachten, an die Kollegen, die er immer sein Team nannte, die er aber eher als Untertanen sah, weiterreichen konnte. Auf seiner Visitenkarte und auf dem Messingschild auf seinem Pult stand Tom Harding, Filialleiter, und darunter noch Finanzwirt SOB. Die SOB oder auch School of Business war im Jahrtausendtaumel eine bankeigene Akademie gewesen, die zur Finanzkrise wieder zugemacht worden war. Dennoch hatte Tom diesen seltsamen Titel nach wie vor auf seiner Visitenkarte, ein Titel, der nur auf den ersten Blick so aussah, als wäre es ein MBA einer großen Wirtschaftsschule. SOB klang aber ein bisschen wie Snob und passte deshalb zu Tom.
Lachen und Erträge machen, las Laura den Spruch noch einmal. Denn genau darum ging es. Fonds, Wertpapiere und teure Versicherungen verkaufen, an denen die Bank ordentlich Provision verdiente, sogar noch mehr als mit horrenden Kassengebühren. »Ertragsschwach«, wurde die Bank in den Medien und von den Börsenanalysten genannt, Analysten, die meist für andere Banken arbeiteten. Dass eine Bank die andere Bank öffentlich schlechtmachte, das gab es auch nur bei den Banken.
»Ich kann Ihnen leider nicht helfen«, sagte Tom Harding zu dem Mann, der vor ihm saß. Der Mann, etwa dreißig Jahre alt, hatte einen kleinen Sohn dabei.
»Nicht helfen?«, fragte der Mann. »Ich konnte eben nichts abheben!« Er tippte mit der EC-Karte auf Hardings Pult. »Da stand, dass mein Konto überzogen ist.«
»Ist es leider auch.«
»Ich muss aber noch Windeln kaufen. Und Milchpulver. Die Milch meiner Frau reicht nicht aus, um den Kleinen satt zu bekommen. Sie ist zu Hause mit unserem zweiten Kind. Vier Wochen alt. Ich kann sie nicht lange allein lassen.«
Laura sah Toms Gesichtsausdruck, so als wollte er sagen: Wenn du kein Geld hast, dann krieg halt kein zweites Kind. Er sprach es natürlich nicht laut aus, aber so war Tom. Die Gerüchteküche der Bank wusste ganz genau, dass Tom eigentlich Investmentbanker werden wollte, mit den ganz großen Zahlen jonglieren, dass aber dafür seine Noten, sein Studienabschluss – nur von der Fachhochschule, nicht von der Uni – und seine Netzwerke nicht gut genug gewesen waren. Dass einige andere Filialleiter gar kein Studium hatten, aber noch skrupelloser als er verkauften und dafür noch höhere Boni einstrichen, ärgerte ihn obendrein. Wie ein Investmentbanker sah er trotzdem aus mit seinem Nadelstreifenanzug, Manschetten, greller Krawatte und Hosenträgern. Tom Ford nannte man ihn in der Filiale auch, nach dem früheren Modeguru von Gucci, wobei das dann...
Erscheint lt. Verlag | 1.8.2022 |
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Reihe/Serie | Die Laura-Jacobs-Reihe | Die Laura-Jacobs-Reihe |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Bad Banks • Banken • Bankskandal • Berlin • Berlin Thriller • Bestseller • Bilanzmanipulation • Clara Vidalis • deutsche Krimiserie • Eigenheim • Ferienlektüre • Finanzskandal • Finzanzsektor • Großstadt • Immboilie • Immobilienmarkt • Intrige • Krimi-Reihe • Krimiserie • Kündigung • Manipulation • Männerdomäne • Mieterhaie • Miethai • Mietmarkt • Mietwohnung • SPIEGEL-Bestseller • Thriller Berlin • Thriller deutsche Autoren • Thriller Deutschland • thriller reihe • Thriller Verschwörung • Thriller Wirtschaft • Verschwörung • weibliche Ermittlerin • weibliche Heldin • Wohnungsnot |
ISBN-10 | 3-426-45486-6 / 3426454866 |
ISBN-13 | 978-3-426-45486-2 / 9783426454862 |
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