Geteilter Tod (eBook)
432 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2455-2 (ISBN)
In Miami Beach wird ein frisch verheiratetes Paar tot aufgefunden. Ihre nackten Körper sind auf bizarre Weise zur Schau gestellt. Ein perfektes Paar, in Symmetrie verbunden. Mit Sekundenkleber. Während die Untersuchung von Detective Sam Becket anläuft, wird ein zweites Paar entführt und auf ähnliche Weise arrangiert tot aufgefunden. Der Mörder scheint seine Opfer paarweise einem perversen psychologischen Experiment zu unterziehen, bevor er sie umbringt. Bald fürchten Paare in ganz Miami Beach um ihr Leben, während Sam und sein Team einen unsichtbaren Gegner bekämpfen, vor dem niemand sicher ist.
Niemand. Auch nicht Sam und seine Frau Grace ...
Hilary Norman, geboren und aufgewachsen in London, war nach einer Karriere als Schauspielerin zunächst in der Mode- und Fernsehbranche tätig. Ihr erster Roman erschien 1986; seitdem hat sie zehn weitere Bücher geschrieben, die in siebzehn Sprachen übersetzt wurden.
3
7. Februar
Am Samstagmorgen um acht Uhr fünfzehn standen Detective Sam Becket und sein Kollege Alejandro Martinez mit einem Team der Spurensicherung auf einem Hinterhof an der Collins Avenue.
Eigentlich war es kein Hinterhof, sondern ein ehemals schöner Garten mit nunmehr leeren Blumenschalen. Der Rasen war verwildert, und die Formschnitthecken sahen aus, als bedürften sie der intensiven Pflege durch einen Gärtner.
Die dreistöckige Villa, zu der dieser Garten gehörte, war früher eine Kunstgalerie gewesen. Eine Tafel an der Wand neben dem Eingang wies die Villa noch immer als »Oates Gallery of Fine Arts« aus, aber das alte, aus grauem Stein erbaute Haus war verschlossen, die Fensterläden zu. Keine Spur von Leben oder Licht drang nach draußen. Selbst der Briefkasten am Bürgersteig war verplombt.
Die Szenerie hätte friedlich wirken können, wären da nicht die vielen Polizeibeamten, Einsatzfahrzeuge und das gelbe Klebeband gewesen, mit dem das Haus, das umliegende Gelände und der Bürgersteig abgesperrt waren.
Es gab keinerlei Anzeichen für einen Einbruch, obwohl der gepflasterte Weg und der Garten auf beiden Seiten des hohen Eisentores auf der Ostseite der Villa so aussahen, als hätte sie unlängst jemand benutzt, denn im Gras waren Furchen zu sehen, die von schmalen Reifen stammten, und hier und da gab es Scheuerspuren auf den Pflastersteinen. Jede verdächtige Stelle war bereits mit Fähnchen markiert.
Die Villa befand sich auf der Collins Avenue in der Nähe der Einundachtzigsten Straße, nicht weit von der Stelle entfernt, an der man vor achtzehn Monaten einen ermordeten Mann am Strand aufgefunden hatte, was für Sam Becket und Alejandro Martinez der Auftakt zu einem entsetzlichen Fall gewesen war.
Doch es gab keine Verbindung zu diesem aktuellen Verbrechen, so viel stand fest, denn der Täter, der den Mord damals begangen hatte, lebte nicht mehr.
Abgesehen davon war das hier etwas ganz anderes.
Es war unvergleichlich in seiner Abscheulichkeit.
Keinem der Detectives des Miami Beach Police Departments war jemals etwas Derartiges unter die Augen gekommen.
»Ich habe selten Schlimmeres gesehen«, sagte der Gerichtsmediziner Elliott Sanders, der bereits am Tatort war. »Das ist krank.«
Mit seiner Bemerkung bezog er sich auf zwei nackte Körper, den eines Mannes und den einer Frau. Beide waren Weiße, vermutlich Mitte zwanzig. Der Mann hatte dunkles Haar, die Frau war blond, ihr Haar lang und zerzaust. Ein winziges Tattoo, das einen Weidenbaum zeigte, zierte die Haut über dem Po.
Aus der Ferne hätte es den Eindruck erwecken können, als wären die beiden während des Beischlafs gestorben und immer noch vereint, wie eingefroren und mit verzerrten Gesichtern. Doch als die Detectives näher kamen, sahen sie klaffende Wunden, die bei beiden Opfern um den ganzen Hals herum verliefen.
Sam sah, dass der Täter die Leichen regelrecht arrangiert hatte, und musste an eine Skulptur aus Fleisch und Blut denken, vielleicht an die groteske Parodie eines Rodin-Paares, doch die Leichen hätten ebenso gut – bei diesem Gedanken wurde Sam übel – siamesische Zwillinge sein können, die auf grässliche Weise an den Lenden miteinander verwachsen waren.
Und das war noch nicht einmal das Seltsamste an der Szenerie.
Die Leichen lagen in der Mitte des Rasens unter einer großen kuppelförmigen Plastikabdeckung, die einen Umfang von ungefähr drei Metern besaß und in der Mitte eins fünfzig hoch war.
»Der Doc hat recht«, sagte Martinez. »Das ist pervers.«
»Die beiden sehen aus wie Ausstellungsstücke«, meinte Sam, zückte seinen Notizblock und machte eine Skizze vom Fundort. »Oder wie Leichenpräparate.«
Es war üblich, dass die Spurensicherung, wo immer möglich, ihre Voruntersuchungen abschloss, bevor der Gerichtsmediziner kam, doch wenngleich die Männer schon eine ganze Weile arbeiteten, waren sie immer noch vollauf beschäftigt. Sie vermaßen den Tatort, sammelten alles ein, was verdächtig erschien, und versiegelten in Plastiktüten, was als Beweismittel dienen konnte: ein Stück Gewebe, einen Faden, eine Zigarettenkippe. Das Glück, die Mordwaffe selbst zu finden, hatten sie an diesem Tatort allerdings nicht.
Der Fotograf machte immer noch Aufnahmen aus jedem Winkel und knipste alles, was helfen konnte, die gesamte Szenerie im Bild festzuhalten. Dann wurde die Kuppel abgehoben, was den Beamten den Zugang zu den Leichen ermöglichte, aber auch Wind und Regen an den Tatort ließ, sodass es bald kaum noch verwertbare Spuren gab.
Sam drehte sich um, blickte auf die Villa und nahm sie mit in seine Skizze auf.
Was immer sich in dem Gebäude abgespielt hatte – die Polizei musste erst auf einen Durchsuchungsbefehl warten, um Ermittlungen im Inneren des Gebäudes aufzunehmen, es sei denn, der Besitzer konnte vorher ausfindig gemacht werden. Die Prozedur war zeitraubend. Sam und Martinez hatten die Erfahrung gemacht, dass es zwischen zwei und zehn Stunden dauern konnte, bis der Durchsuchungsbefehl vorlag. Doch es war nicht ansatzweise so frustrierend wie erleben zu müssen, dass potentiell stichhaltige Beweise vor Gericht nicht zugelassen wurden, da sie illegal beschafft worden waren.
Zumindest brauchten sie keinen Durchsuchungsbefehl, um sich die Radspuren im Gras anschauen zu dürfen. Sie waren knapp fünf Zentimeter breit und führten vom Tor – das geschlossen, aber nicht verschlossen gewesen war – zur Mitte des Rasens.
»Vielleicht hat der Täter eine Art Karren benutzt«, überlegte Sam, während Martinez zu den Streifenpolizisten ging, die als Erste am Tatort gewesen waren, um mit ihnen zu reden. Er machte sich ein paar Notizen. »Was hast du sonst noch, Doc?«
»Nichts, was nicht sonnenklar wäre.«
Auf der anderen Seite des Gartens sprach Martinez gerade in sein Handy.
»Der Gärtner, der die beiden gefunden hat, hat einen Herzinfarkt erlitten«, berichtete Sanders. »Der Notarzt war noch bei ihm, als ich hier ankam. Er konnte den Mann einigermaßen stabilisieren.«
Martinez kam wieder zurück, sein Handy am Ohr. Er ging vorsichtig über den Rasen, hielt den Blick die ganze Zeit auf den Boden gerichtet und beendete schließlich das Telefonat.
»Hat der Doc dir schon von dem Gärtner erzählt?«, fragte er.
»Ja. Der arme Kerl«, erwiderte Sam.
»Er heißt Joseph Mulhoon«, sagte Martinez. »Kommt einmal im Monat her, hat er dem Notarzt erzählt.« Er machte sich eine Notiz. »Wir werden ihn überprüfen.«
Die Partnerschaft zwischen Sam Becket und Martinez war altbewährt, doch ebenso wie die anderen Detectives der Abteilung für Gewaltverbrechen wechselten die beiden sich ab, wenn es darum ging, wer von Mike Alvarez, ihrem Sergeant, zum Hauptermittler eines bestimmten Falles ernannt wurde. Der aktuelle Fall war an Sam gegangen, mit der Folge, dass nun er derjenige war, der die Überstunden würde machen müssen, um mit dem Schreiben der Berichte und dem Papierkram nachzukommen, die mit jeder Ermittlung einhergingen. Abgesehen davon teilten er und Martinez sich die Arbeit und vereinten ihre Kräfte für alle anstehenden Aufgaben, wobei Sam eher instinktmäßig vorging – was einige Disziplinarstrafen zur Folge gehabt hatte -, während Martinez sich mehr an das Regelbuch hielt, was ihm den Vorwurf mangelnden Ehrgeizes eingebracht hatte. Dennoch bildeten beide ein hervorragendes Ermittlerteam, wie Sergeant Alvarez und Tom Kennedy, ihr Captain, anerkennen mussten.
»Mulhoon ist einundsiebzig Jahre alt«, sagte Sanders. »Es würde mich überraschen, wenn er über diese Sache etwas gewusst hat, bevor er zufällig mit der Nase darauf gestoßen ist.«
»Weiß man, wer ihm sein Gehalt zahlt?«, wollte Sam von Martinez wissen.
»Eine Firma namens Beatty Management in North Beach kümmert sich um den Besitz hier. Der Laden hat heute geschlossen, aber ich habe der Empfangsdame gesagt, dass wir dankbar wären, wenn der Besitzer uns eine Durchsuchung erlauben würde. Die Frau sagte, sie will dafür sorgen, dass wir die Schlüssel so schnell wie möglich bekommen.« Er warf einen Blick auf die Armbanduhr. »Wenn wir Glück haben, kommt der Durchsuchungsbefehl vielleicht schon vorher.«
Nachdem man ihnen das Okay gegeben hatte, die Plastikkuppel herunterzuheben, pustete der Gerichtsmediziner in ein neues Paar Latexhandschuhe, streifte sie über, zog sich seinen Overall an, stülpte sich Schuhhauben über und legte sich einen Mundschutz vor.
Sam, der beobachtete, wie der Doc sich auf den Boden hockte und mit seiner Untersuchung begann, hatte es nicht eilig, seine eigenen Plastikschuhe überzustülpen und sich zum Tatort vorzuwagen. Sich mit Ermordeten befassen zu müssen, war immer schon schlimm für Sam gewesen, denn sein Magen hatte trotz seiner vielen Dienstjahre nach wie vor eine Abneigung gegenüber dem Anblick von Leichen – von der Abneigung seiner Seele gegen Blut und Gewalt gar nicht erst zu reden.
Ab und zu dachte er sogar darüber nach, sich in ein anderes Dezernat versetzen zu lassen oder ganz aus dem Polizeidienst auszuscheiden, aber er wusste, dass er diesen Gedanken niemals in die Tat umsetzen würde, jedenfalls nicht freiwillig. Die Opfer und die Menschen, die zurückblieben, brauchten jede Hilfe, die sie bekommen konnten. Und obwohl Sam wusste, dass es mehr als genug junge Kollegen gab, die nur darauf warteten, seinen Posten zu bekommen – Detectives, die besser ausgebildet waren als er selbst -, war ihm zugleich bewusst, dass in diesem Job nichts wertvoller...
Erscheint lt. Verlag | 19.4.2022 |
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Reihe/Serie | Sam Becket ermittelt | Sam Becket ermittelt |
Übersetzer | Diana Beate Hellmann |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | CAGED |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Adam Fawley • Cara Hunter • Catherine Sheperd • Domestic Crime • Entführung • Familiendrama • Harlan Coben • Karen Rose • Sam Becket • Spannung • Vermisstenfall |
ISBN-10 | 3-8412-2455-5 / 3841224555 |
ISBN-13 | 978-3-8412-2455-2 / 9783841224552 |
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