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Das Haus der stummen Toten (eBook)

Thriller

*****

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
416 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-7499-0416-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Haus der stummen Toten -  Camilla Sten
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Spannend, unheimlich, eiskalt - die neue Generation der schwedischen Bestsellerautorinnen

Als Eleanor ihrer Großmutter Vivianne auf deren Drängen hin einen Besuch abstattet, findet sie diese ermordet vor. Zwar sieht sie den Täter noch kurz, kann ihn aber aufgrund ihrer Gesichtserkennungsschwäche nicht beschreiben. Bald erfährt sie, dass sie von ihrer Großmutter einen Hof namens Solhöga geerbt hat, von dem sie noch nie zuvor etwas gehört hat. Zusammen mit ihrem Freund fährt Eleanor zu dem Anwesen. Dort geschehen mysteriöse Dinge, und bald wird klar, dass sie nicht allein auf dem Gut sind. Wer ist hinter ihnen her? Was hat es mit diesem Hof auf sich? Können sie lebend entkommen?



<p>Camilla Sten wurde 1992 geboren und studiert an der Universität Uppsala Psychologie. Sie interessierte sich schon früh für Politik und schreibt Artikel über Feminismus, Rassismus und das aktuelle politische Klima für diverse schwedische Zeitungen. Gemeinsam mit ihrer Mutter, der Bestsellerautorin Viveca Sten, schrieb sie bereits mehrere Bücher.</p>

FÜNF MONATE SPÄTER
MITTWOCH, DER 19. FEBRUAR


Eleanor

Eigentlich ist es für meinen Geschmack zu warm im Auto, aber das sage ich nicht. Es ist bisher ein ungewöhnlich grauer Winter gewesen, und die Felder, an denen wir vorbeifahren, liegen farblos und öde unter dem schweren Himmel; nur eine dünne Schneeschicht schützt sie vor dem Wind. Ein Anblick, der jedem das Gefühl geben würde, bis ins Mark zu frieren.

Außerdem ist es Sebastians Auto, und Sebastian fährt. Da ist es nur gerechtfertigt, wenn er über die Temperatur bestimmt.

»Danke, dass du fährst«, sage ich.

Er lächelt schwach, ohne den Blick von der Straße zu nehmen.

»Schon in Ordnung. Hier draußen fahre ich gern. Nur in der Innenstadt werde ich ein bisschen nervös.«

Ich lege meine Hand auf sein Knie und drücke es leicht, weil ich weiß, dass es das Richtige ist, es zu tun. Obwohl wir seit sechs Jahren zusammen sind, fühlen sich solche Gesten noch immer unnatürlich für mich an.

Ein paar Minuten lang schweigen wir beide. »Ich frage mich, ob das Haus in einem schlechten Zustand ist. Ob deine Großmutter es deshalb nie erwähnt hat, meine ich«, sagt Sebastian dann.

»Ich weiß es nicht«, erwidere ich.

Als Viviannes Notar Solhöga zum ersten Mal ansprach, hatte ich geglaubt, es handele sich um einen Irrtum. Damals war ich frisch aus dem Krankenhaus entlassen gewesen, noch immer unsicher, wie ich draußen in der Realität zurechtkommen würde.

Der Notar war sehr sachlich geblieben, er sprach mir kein Beileid aus, was eine Erleichterung war.

Zuallererst müssen wir über Solhöga sprechen, so hatte er das Treffen eingeleitet.

Er fasste sich kurz. Sagte, Vivianne habe Papiere besessen, die zeigten, dass auf ihren Namen ein Grundstück registriert sei. Ein alter Landsitz mit weitläufigen Wald- und Jagdgebieten, ungefähr anderthalb Stunden nördlich von Stockholm. Sie hatte es von ihrem verstorbenen Ehemann geerbt. Meinem Großvater.

»Soweit ich weiß, ist mein Großvater irgendwann um Weihnachten herum gestorben«, erkläre ich Sebastian. »Offenbar haben sie meist die Weihnachtstage dort verbracht, also ist es vielleicht da passiert. Vielleicht ist sie deshalb nicht mehr hingefahren.«

Ich sehe, wie Sebastian die Stirn runzelt.

»Wie ist er noch mal gestorben?«, fragt er. »Entschuldige, ich bin sicher, dass du es mir schon einmal erzählt hast.«

»Das habe ich nicht«, antworte ich. »Ich weiß es tatsächlich nicht so genau. Sie hat nie darüber gesprochen, sowieso hat sie nie gern über Großvater geredet. Aber ich bin immer davon ausgegangen, dass es ein Herzinfarkt oder so was in der Richtung war. Jedenfalls war er anscheinend nicht lange krank, es muss etwas Akutes gewesen sein.«

Die Entfernungen zwischen den Gebäuden, an denen wir vorbeikommen, sind größer geworden, die gemütlichen Einfamilienhäuser sind Bauernhöfen und vereinzelten alten Katen mit eingestürzten Wänden und kaputten Scheiben gewichen. Die Landschaft wirkt verlassen. Es ist leicht, sich vorzustellen, dass wir hier draußen allein sind.

Ich schaue aus dem Fenster und kaue an meinem Daumennagel. Eine schlechte Angewohnheit aus der Kindheit, die ich nie richtig habe ablegen können. Manchmal gelingt es mir mehrere Monate lang, es zu lassen, doch dann geschieht irgendetwas, und ich falle wieder darin zurück. Seit jenem Abend habe ich nicht einmal mehr versucht, es bleiben zu lassen. Meine Nägel sind allesamt bis aufs Fleisch abgekaut, die Nagelhaut überall eingerissen und entzündet.

Das Navigationsgerät instruiert uns mit gefühlloser Stimme, rechts abzubiegen. Sebastian fährt von der Landstraße ab und in den Wald hinein.

In Richtung Solhöga.

Annuschka, 18. Juni 1965

Bevor ich abfuhr, sagte Mama mir, dass es dort fürchterlich kalt sein werde und ich mich darauf einstellen müsse, immer zu frieren. Sie drängte mich, dicke Pullover einzupacken und ihren eigenen warmen Mantel über meinen fadenscheinigen zu ziehen.

Aber in diesem Haus ist es so heiß, dass mir der Schweiß nur so herunterrinnt. Ich fühle mich so schwerfällig und plump.

Wir sind jetzt seit vier Tagen auf dem Land, und ich weiß nicht, wie ich es länger aushalten soll. Hier kann man nicht einmal die Fenster öffnen. Jemand hat die Rahmen überstrichen mit so viel Farbe, dass sie völlig festklemmen. Und obwohl ich weiß, dass es zwecklos ist, kann ich es nicht lassen, am Fenstergriff zu rütteln, wenn sie draußen am See sind, ich presse meine Stirn gegen das warme Glas, wobei ich Fettflecken auf der Scheibe hinterlasse.

Ich wische sie weg, bevor sie zurückkommen, damit die gnädige Frau es nicht sieht.

Der gnädige Herr redet die ganze Zeit davon, dass es der heißeste Sommer aller Zeiten sei, und scheint sonderbarerweise sogar erfreut darüber, wenn er sich beim Frühstück mit der Zeitung Luft zufächelt. Ich sage nichts dazu, sondern lächle einfach nur. Ich weiß, dass er glaubt, ich verstünde nicht, was er sagt, dabei fällt mir bloß nichts ein, das ich darauf erwidern könnte.

Anfangs blieb ich stumm, weil ich mich dafür schämte, wie unförmig mir die Wörter im Mund lagen, wie hässlich und ungelenk meine Sätze waren. Ich bin immer aufgeweckt gewesen. Das haben unsere Nachbarn schon von mir gesagt, als ich noch klein war. Sie ist nicht süß, aber aufgeweckt, sagten sie oft zu meiner Mutter. Du kannst dich glücklich schätzen, eine so gescheite Tochter zu haben.

Jetzt fühle ich mich nicht aufgeweckt. Seit ich hierhergekommen bin, habe ich mich nicht aufgeweckt gefühlt.

Hier bin ich nicht witzig, keiner lacht über meine Scherze, und meine Einfälle und Gedanken beeindrucken niemanden. Keiner will sich auch nur anhören, was ich zu sagen habe. Wenn ich still bin, glauben sie, ich verstünde nichts, und wenn ich rede, hören sie nur, wie ich die Wörter an den falschen Stellen betone, und halten mich für beschränkt.

Das hier ist nicht das neue Leben, das sich Mama für mich gewünscht hat. Es ist keine neue Chance.

Ich bin erst seit vier Monaten in diesem Land, und ich weiß, dass ich es aushalten muss, aber o Gott, Mama, dabei möchte ich nichts lieber, als wieder nach Hause zu fahren.

Ich wünsche mir so sehr, ich könnte wieder nach Hause.

Eleanor

»Da«, sagt Sebastian und reißt mich aus meinen Gedanken. Ich sehe auf.

Wir haben Acker um Acker hinter uns gelassen, und ein schmaler Privatweg hat uns durch ein dichtes Waldstück mit hohen, frostbedeckten Stämmen geführt, das sich nun vor einer Ansammlung von Gebäuden lichtet. Ein Kiesweg führt bis zum eigentlichen Gutshaus – ein stattliches und gut erhaltenes Gebäude mit zwei Stockwerken, weiß verputzt, mit dunklen Fensterreihen, die uns leer anstarren. Hinter dem Haus erkenne ich weitere kleinere Gebäude und einen von gefrorenem Schilf umgebenen kleinen See. Die Eisfläche ist makellos blau und unversehrt.

»Mein Gott, was für ein Ort!«, ruft Sebastian aus.

»Ja, wirklich … Ich meine, der Notar hat ja tatsächlich von einem Gutshof gesprochen, aber das hier …« Ich schüttele den Kopf.

»Was sind das für Nebengebäude?«, fragt Sebastian.

Ich versuche, die Umgebung zu überblicken. Manche der umliegenden Gebäude sind gar nicht so klein. Eines ist beinahe halb so groß wie das Haupthaus – ich vermute, dass es ein Stall oder eine Art Scheune ist, denn es steht ein Stück abseits der anderen Häuser, kauert geradezu am Waldrand.

»Alles Mögliche«, sage ich. »Keine Ahnung.«

Zu meiner Verwunderung stehen zwei Autos in der Auffahrt. Eines ist ein unauffälliger grauer Volvo, aber das andere …

»Ich dachte, wir wären allein mit dem Notar?«, stutzt Sebastian, als er bremst und das Auto parkt.

Ich schüttele ratlos den Kopf.

»Das dachte ich auch.«

Im selben Moment entdecke ich meine Tante. Sie trägt einen ihrer unzähligen schwarzen Mäntel und lehnt mit einer Zigarette im Mundwinkel an der Hauswand. »Typisch Veronika«, entfährt es mir, und ich höre selbst die ungewöhnliche Schärfe, die in meiner Stimme liegt und mich für einen Augenblick auf unheimliche Weise nach Vivianne klingen lässt.

Keiner von uns macht Anstalten, aus dem Auto zu steigen.

»Ich hätte nicht gedacht, dass sie kommen würde«, sagt Sebastian, und ich höre die Beunruhigung in seiner Stimme, obwohl er versucht, sie zu verbergen. Sebastian hat Veronika erst ein einziges Mal getroffen, aber das hat ihm gereicht. So geht es den meisten.

»Ich auch nicht. Sie hat gesagt, sie würde nicht kommen.«

Das würde ich nicht mal tun, wenn die alte Hexe mich dafür bezahlt hätte, waren ihre exakten Worte gewesen. Auf gewisse Weise ist es aber doch so, als würde Vivianne sie dafür bezahlen, wenn eine Inspektion und Begutachtung von Solhöga nötig sind, damit Veronika ihren Erbanteil ausgezahlt bekommt.

Ich pflege keine enge Beziehung zu Veronika. Keine Ahnung, ob überhaupt jemand eine enge Beziehung zu ihr hat. Als ich klein war, brachte sie mir oft Geschenke mit, immer von diesem beißenden, glamourösen Zigarettengestank umgeben, der wie eine Wolke um ihre losen schwarzen Kleider waberte. Später kam sie dann nicht mehr. Jetzt sehe ich sie nur noch zu einem langen steifen Mittagessen an Weihnachten, bei dem wir Rehrücken mit Johannisbeergelee und Kartoffelgratin essen, während Veronika und Vivianne sich gegenseitig von ihrer Seite des Tisches mit halb geschlossenen...

Erscheint lt. Verlag 24.5.2022
Übersetzer Nina Hoyer, Justus Carl
Sprache deutsch
Original-Titel Arvtagaren
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Anwesen • Bücher Thriller • Erbschaft • Gefangen • Geheimnis • Gesichtsblind • gute Thriller • Gutshof • Hausmädchen • Krimi Schweden • krimi und thriller • Mord • Psychologin • Psychothriller • Schneesturm • Schweden • Schweden Krimi • Tagebuch • Thriller • Thriller Krimi • Vergangenheit
ISBN-10 3-7499-0416-2 / 3749904162
ISBN-13 978-3-7499-0416-7 / 9783749904167
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