Der talentierte Herr Varg (eBook)
304 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45770-2 (ISBN)
Alexander McCall Smith veröffentlichte über achtzig Romane,. u.a. die preisgekrönte Bestsellerserie 'The No 1 Ladies` Detective Agency' um Mma Ramotswe. Seine Bücher sind in über 40 verschiedene Sprachen übersetzt worden und waren Welterfolge. Alexander McCall Smith ist emeritierter Professor für Medizinrecht der Universität Edinburg und an dreizehn Universitäten mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet worden. In seiner Freizeit spielt er Fagott in einem Ensemble namens 'Really terrible Orchestra'. Er lebt in Schottland. Weitere Infos unter: https://www.alexandermccallsmith.co.uk
Alexander McCall Smith veröffentlichte über achtzig Romane,. u.a. die preisgekrönte Bestsellerserie "The No 1 Ladies` Detective Agency" um Mma Ramotswe. Seine Bücher sind in über 40 verschiedene Sprachen übersetzt worden und waren Welterfolge. Alexander McCall Smith ist emeritierter Professor für Medizinrecht der Universität Edinburg und an dreizehn Universitäten mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet worden. In seiner Freizeit spielt er Fagott in einem Ensemble namens "Really terrible Orchestra". Er lebt in Schottland. Weitere Infos unter: https://www.alexandermccallsmith.co.uk
Kapitel eins
Vergrößerte Poren
Ulf Varg vom Dezernat für heikle Fälle fuhr mit seinem silbergrauen Saab durch eine Landschaft der kurzen Wege. Er war unterwegs zu einer eintägigen Psychotherapieveranstaltung in einem Wellnesscenter auf dem Land, und die Fahrt dorthin, dachte er bei sich, war Teil der Therapie. Vor ihm lag Südschweden, parzelliert in Bauernhöfe, die seit Generationen im Besitz derselben Familien waren. Hier und dort sprenkelten weiße Punkte das Grün, die Häuser der Leute, die dieses Land bearbeiteten. Es waren sesshafte Menschen mit langem Gedächtnis und ebenso lang gepflegten Eifersüchteleien; Menschen, deren metaphorischer Horizont dort endete, wo der Himmel auf das Land traf, was manchmal nur einen Steinwurf entfernt zu sein schien; Menschen, die nicht viel herumgekommen waren und auch nicht das Bedürfnis danach verspürten.
Er dachte über ihr Leben nach, das sich so sehr von seinem Leben in Malmö unterschied. Hier war nichts sonderlich dringend; niemand hatte Zielvorgaben zu erfüllen oder Berichte zu schreiben. Input und Output oder Kommunikationsziele waren hier sicher kein Thema. Diese Menschen arbeiteten meistens für sich, nicht für andere; sie wussten, was ihre Nachbarn zu so ziemlich jedem Thema zu sagen hatten, denn sie hatten es alles schon einmal gehört, wieder und wieder, und es war ihnen so vertraut wie das Wetter. Sie wussten auch genau, wer wen mochte oder nicht ausstehen konnte, wem nicht zu trauen war, wer was getan hatte, auch wenn es Jahre zurücklag, und was die Folgen gewesen waren. Hier Polizist zu sein war sicher einfach, dachte Ulf, da es keine nennenswerten Geheimnisse gab. Von Straftaten würde man erfahren, beinahe bevor sie verübt wurden, wobei es sicher nicht viele gab. Die Menschen hier waren gesetzestreu und angepasst und führten ein Leben, das in engen Bahnen vorschriftsmäßig bis ins Grab verlief – und sie wussten auch schon, wo das liegen würde: gleich neben den Gräbern ihrer Eltern und Großeltern.
Ulf öffnete das Autofenster und atmete tief ein: Die Landluft roch nach irgendwelchen Blüten – Ginster, dachte er, oder die blühenden Obstbäume in der Plantage an der Straße. Bäume waren nicht Ulfs Stärke, er konnte sich nie erinnern, welcher Obstbaum welcher war, wobei er glaubte, dass er sich im Moment in einem Apfelanbaugebiet befand – oder waren es Pfirsiche? Wie auch immer, sie blühten, ein bisschen später als gewöhnlich, hatte er gehört, weil der Frühling in Schweden dieses Jahr hatte auf sich warten lassen. Genau genommen ließ alles auf sich warten, auch in Ulfs Karriere. Man hatte ihm – inoffiziell – gesagt, er sei für eine Beförderung innerhalb des Malmöer Dezernats für heikle Fälle vorgesehen, doch seit Monaten war in dieser Sache nichts weiter geschehen.
Sich von der erwarteten Gehaltserhöhung eine neue Couchgarnitur zu kaufen, zumal eine mit weichem Florentiner Leder bezogene, war keine gute Idee gewesen. Sie war ruinös teuer gewesen, und als sein Gehalt einfach nicht erhöht wurde, war er gezwungen gewesen, Geld von seinem Sparkonto aufs Girokonto zu transferieren, um diese Ausgabe zu decken. Ulf war das sehr unangenehm, da er sich gelobt hatte, sein Sparkonto vor dem sechzigsten Geburtstag, bis zu dem es noch genau zwanzig Jahre waren, nicht anzutasten. Doch zwanzig Jahre erschienen ihm wie eine sehr lange Zeit, und er fragte sich, ob er dann überhaupt noch da sein würde.
Ulf neigte nicht zu melancholischen Betrachtungen über die Situation des Menschen. Man kann im Leben nicht alles auf sich nehmen; seine Aufgabe war es, Menschen vor anderen zu schützen, die ihnen in irgendeiner Weise schaden wollten – das Verbrechen zu bekämpfen, wenn auch einen eher abseitigen Teil des kriminellen Spektrums. Er konnte nicht alles tun, befand er, konnte nicht alle Probleme der Welt auf seine Schultern laden. Wer konnte das schon? Ulf war nicht etwa desinteressiert oder verantwortungslos, er war keiner dieser Bürger, die gedankenlos Plastiktüten verwendeten. Er achtete ebenso sehr wie jeder andere darauf, seinen ökologischen Fußabdruck möglichst klein zu halten – abgesehen von dem Saab natürlich, der mit fossilem Treibstoff statt Strom betrieben wurde. Wenn man den Saab jedoch aus der Gleichung herausnahm, konnte Ulf in Gesellschaft von Umweltschützern den Kopf hocherhoben tragen, auch neben seinem Kollegen Erik, der zwar ständig über Fischbestände schwatzte, gleichzeitig aber jedes Wochenende sein Bestes gab, die verbleibenden Fische zu fangen. Erik hielt sich viel zugute auf seine Gewohnheit, die Fische, die er fing, zurück ins Wasser zu werfen, doch Ulf hatte ihn darauf hingewiesen, dass diese Fische traumatisiert waren und möglicherweise nie mehr die alten sein würden. »Geangelt zu werden ist ein einschneidendes Erlebnis für einen Fisch«, hatte er zu Erik gesagt. »Selbst wenn du ihn zurückwirfst, wird er sich nie wieder sicher fühlen.«
Erik hatte seinen Einwand einfach abgetan, doch Ulf hatte ihm angemerkt, wie betroffen er war. Und das hatte er sofort bedauert, denn es war nur allzu leicht, jemanden wie Erik zu verunsichern. Es ist schwer genug, Erik zu sein, überlegte Ulf, auch ohne noch Kritik von Menschen wie mir ausgesetzt zu sein. Ulf war ein liebenswürdiger Mensch, und obwohl Eriks Gerede über Fische anstrengend war, würde er künftig darauf achten, es sich nicht anmerken zu lassen. Er würde ihm geduldig zuhören und vielleicht sogar noch etwas lernen – wobei Ulf das für eher unwahrscheinlich hielt.
Während er den Saab über die stille Landstraße lenkte, galten seine Gedanken weniger dem Umweltschutz und den langfristigen Aussichten der Menschheit, sondern hauptsächlich einer peinlichen Angelegenheit, die sich infolge eines seiner letzten Fälle ergeben hatte. Alltägliche Vergehen überließ das Dezernat für heikle Fälle in der Regel den uniformierten Kollegen von der lokalen Polizei. Von Zeit zu Zeit kam es jedoch dazu, dass ein ansonsten banaler Fall aufgrund irgendeines besonderen politischen oder gesellschaftlichen Aspekts bei ihnen landete. So auch der Fall einer durch einen lutherischen Geistlichen verübten leichten Körperverletzung: Der Pfarrer hatte seinem Opfer eines Samstagmorgens vor den Augen von mindestens fünfzehn Zeugen eine blutige Nase verpasst. Das an sich war schon ungewöhnlich genug, da lutherische Geistliche in der Kriminalstatistik nicht sonderlich weit oben rangierten. Doch was dieses Vergehen für das Dezernat für heikle Fälle qualifizierte, war nicht so sehr die Person des Täters, sondern die des Opfers. Die Nase, die zum Ziel besagter Körperverletzung geworden war, gehörte dem Anführer einer Gruppe reisender Roma.
»Geschützte Spezies«, hatte Ulfs Kollege Carl angemerkt.
»Tataren«, sinnierte Erik, wurde jedoch von ihrer Kollegin Anna, die die Grenzen des Zulässigen besser als jeder andere im Dezernat kannte und bei dieser altmodischen und herabsetzenden Bezeichnung die Augen verdrehte, scharf korrigiert.
»Das sind keine Tataren, Erik. Es sind Resande, eine reisende Minderheit.«
Ulf entschärfte die Situation. »Erik verweist nur auf die Unsensibilität anderer Menschen. Er lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die Haltung, die zu Vorfällen wie diesem führt.«
»Außer er hatte es verdient«, murmelte Erik.
Das ignorierte Ulf und betrachtete stattdessen die Fotos der fraglichen Nase, die der Akte beilagen. Sie waren in der Notaufnahme des Krankenhauses gemacht worden, als noch Blut aus dem linken Nasenloch rann. Abgesehen davon schien es eine ganz gewöhnliche Nase zu sein; allerdings fiel Ulf auf, dass die Poren auf den Nasenflügeln leicht vergrößert waren.
»Hier sind seltsame kleine Löcher«, sagte er, stand auf und reichte die Akte an Anna weiter, deren Schreibtisch – einer von vieren im Raum – seinem am nächsten stand. »Sieh dir die Haut dieses armen Mannes an.«
Anna betrachtete das Foto. »Vergrößerte Poren«, sagte sie. »Fettige Haut.«
Carl sah von dem Bericht auf, den er gerade schrieb. »Kann man dagegen irgendwas tun? Manchmal, wenn ich in den Spiegel sehe – ich meine, wenn ich mir meine Nase genau ansehe –, dann sehe ich kleine Pünktchen. Ich hatte mich schon gefragt, was das ist.«
Anna nickte. »Das Gleiche – und völlig normal. Man findet sie an Stellen, an denen die Haut von Natur aus fettig ist. Sie dienen als eine Art Abfluss.«
Carl wirkte interessiert. Er betastete die Haut um seine Nase. »Und kann man etwas dagegen tun?«
Anna gab Ulf die Akte zurück. »Wasch dir das Gesicht. Verwende einen Gesichtsreiniger. Und dann kannst du für besondere Gelegenheiten einen Eiswürfel daran halten. Dadurch zieht sich die Haut zusammen, und die Poren sehen kleiner aus.«
»Oh«, sagte Carl. »Eis?«
»Ja«, bestätigte Anna. »Aber das Wichtigste ist, die Haut sauber zu halten. Du trägst kein Make-up, nehme ich an …«
Carl lächelte. »Noch nicht.«
Anna verwies darauf, dass manche Männer es taten. »Heutzutage kann man alles tragen. Da ist dieser Mann im Café auf der anderen Straßenseite – ist dir der schon mal aufgefallen? Er trägt Rouge – ziemlich viel sogar. Der muss vorsichtig sein – wenn er das Make-up nicht gründlich entfernt, könnte es seine Poren verstopfen.«
»Warum macht er so was?«, fragte Carl. »Ich kann mir nicht vorstellen, mir das Gesicht mit Chemikalien zu verkleistern.«
»Weil er so gut wie möglich aussehen möchte«, erwiderte Anna. »Weißt du, die meisten Menschen sehen nicht so aus, wie sie aussehen möchten. Das ist ein bisschen traurig, schätze ich, aber so ist es.«
»Sehr merkwürdig«, sagte Ulf, dachte dabei...
Erscheint lt. Verlag | 1.8.2022 |
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Reihe/Serie | Ulf "Wolf" Varg | Ulf "Wolf" Varg |
Übersetzer | Alice Jakubeit |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Affäre • Bestechung • Bestseller-Autor • Bloomquist • Britischer Humor • Cosy Crime • cosy crime deutsch • Cosy Krimi • cosy krimi deutsch • Cozy Crime • cozy crime deutsch • cozy krimis • depressiver Hund • Dezernat für heikle Fälle • englische Krimis • Erpressung • Erpressung Schriftsteller • Großbritannien • humorvolle Krimis • Knoblauch • Kommissar Ulf Varg • Krimi+britischer Humor • Krimi britischer Witz • Krimi Humor • Krimi+Humor • Krimi humorvoll • Krimi+Hund • Kriminalpolizei Malmö • Kriminalromane Serien • Krimi Reihe England • krimi reihen • Krimi Reihe Skandinavien • Krimis aus England • Krimi Schweden • Krimi Schweden 2022 • Krimis mit Humor • Lippenlesen • lustige Krimis • lustiger Krimi • Malmö • McCall Smith Universum • Mme Ramotswe • Number 1 Ladies Detective agency • Polizei Krimis/Thriller • Roma • Schwedenkrimi cozy • Sudschweden • Tauber Hund • Taubstumm • Urlaubskrimi • Urlaubslektüre Krimi • Vegetarier • Wohlfühlkrimi • Wolf • Wölfe |
ISBN-10 | 3-426-45770-9 / 3426457709 |
ISBN-13 | 978-3-426-45770-2 / 9783426457702 |
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