Forsberg und der Tote von Asperö (eBook)
368 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45644-6 (ISBN)
Ben Tomasson, Jahrgang 1969, ist Germanist und Pädagoge und promovierter Diplom-Psychologe. Ehe er sich ganz dem Schreiben gewidmet hat, war er einige Jahre in der Bildungsforschung tätig. Tomassons Leidenschaften sind die Geschichten, die das Leben schreibt, die vielschichtigen Innenwelten der Menschen, Motorradfahren und Reisen zu jenen Orten, an denen Sonne und Meer sich treffen. Tomasson ist verheiratet und lebt in Kiel. Momentan schreibt er am vierten Band seiner Reihe um den Göteborger Kommissar Forsberg.
Ben Tomasson, Jahrgang 1969, ist Germanist und Pädagoge und promovierter Diplom-Psychologe. Ehe er sich ganz dem Schreiben gewidmet hat, war er einige Jahre in der Bildungsforschung tätig. Tomassons Leidenschaften sind die Geschichten, die das Leben schreibt, die vielschichtigen Innenwelten der Menschen, Motorradfahren und Reisen zu jenen Orten, an denen Sonne und Meer sich treffen. Tomasson ist verheiratet und lebt in Kiel. Momentan schreibt er am vierten Band seiner Reihe um den Göteborger Kommissar Forsberg.
1
Er hatte schon ein ungutes Gefühl gehabt, als sie sich am Hamburger Flughafen in die Schlange am Check-in-Schalter eingereiht hatten. Jessica hatte dichtgehalten und ihnen bis zum Abflug nicht verraten, wohin die Reise gehen sollte. Und dann war es ausgerechnet Landvetter gewesen. Dabei hatte er auf keinen Fall nach Schweden gewollt, schon gar nicht nach Göteborg.
Während des Flugs hatte er versucht, sie auszuquetschen, doch Jessica hatte nur geheimnisvoll gelächelt. Julius hätte sie am liebsten geschüttelt. Er hasste Überraschungen. Und diese hier versprach eine zu werden, die ihm überhaupt nicht gefiel.
Er hoffte, dass sie wenigstens in der Stadt blieben, doch Jessica dirigierte sie zum Bus nach Saltholmen, gleich nachdem sie ihr Gepäck in Empfang genommen hatten. Julius tauschte einen kurzen Blick mit Kai und sah, dass der sich ebenso unbehaglich fühlte wie er.
»Jetzt sag schon«, drängte er. »Wohin fahren wir?«
»Wart’s ab«, erwiderte Jessica. Sie warf ihre glänzenden goldbraunen Haare zurück, kletterte ihnen voran in den Bus und setzte sich mit Daniela in die erste Reihe. Julius blieb nichts anderes übrig, als sich mit Kai auf die Plätze daneben zu schieben.
Er starrte aus dem Fenster, während der Bus nach Göteborg hineinfuhr, vorbei an der Oper und dem Stenpiren, dem Nahverkehrshafen im Zentrum, dann an den Anlegern der großen Fähren. Hinter ihnen ragte der »Lippenstift« auf, dieses hässliche rot-weiße Gebäude, das zum unattraktiven Wahrzeichen der Stadt geworden war.
Nachdem sie Göteborg im Westen wieder verlassen hatten, ging die Fahrt an der Küste entlang, vorbei an grauen Felsen und lichten Birkenwäldern, bis sie schließlich den Fähranleger Saltholmens Brygga erreichten.
Jessica stieg als Erste aus und strebte auf die Fähre zu. Brännö Husvik stand auf dem Schild über der Brücke.
Julius musste schlucken. Er drehte sich zu Kai um und sah, dass seinem Freund alle Farbe aus dem Gesicht gewichen war. Julius schloss kurz die Augen und versuchte, sich zu beruhigen. Asperö war nur einer der möglichen Ausstiege. Es konnte gut sein, dass sie einfach daran vorbeifuhren. Trotzdem hätte er am liebsten auf dem Absatz kehrtgemacht. Aber dann hätte er seiner Frau erklären müssen, weshalb er nicht dorthin wollte. Und das war vollkommen unmöglich.
Also betrat er die Personenfähre und folgte Jessica auf das offene Oberdeck mit den Sitzbänken. Wieder ließ sie sich neben Kais Frau Daniela nieder, so als wollte sie vermeiden, dass er sie in eine Diskussion verwickelte.
In seinem Innern breitete sich ein unerträgliches Kribbeln aus. Asperö war ein Stück Vergangenheit. Niemals wieder hatte er diese Insel betreten wollen. Natürlich konnte er nicht vergessen, was damals geschehen war, aber er konnte es zumindest verdrängen. Nur mit Mühe schaffte er es, auf seinem Platz sitzen zu bleiben. Er wollte sich bewegen, je schneller, desto besser. Mit dem Quad durch die Wüste bei Abu Dhabi oder mit dem Jetski an der kalifornischen Küste entlang. Wenn er wenigstens ein schnelles Boot mieten könnte. Doch auf diesen winzigen Inseln würde er kaum etwas Passendes finden.
Während seine Gedanken um Flucht kreisten, steuerte die Fähre Asperö Östra an. Jessica stand auf und lief beschwingt die Stufen zum Hauptdeck hinunter. Julius trottete hinter ihr her und fühlte sich wie ein Ochse auf dem Weg zur Schlachtbank. Jessica wollte tatsächlich nach Asperö. Kaum hatte man die Klappe der Fähre hinuntergelassen, lief seine Frau auch schon an Land und winkte ein Taxi heran.
Sie drängten sich zu dritt auf die Rückbank. Julius merkte, wie er sich völlig verspannte. Kai und seine Frau Daniela waren beide nicht besonders schlank, und Julius quetschte sich an die Tür. Dabei hasste er körperliche Beengtheit mehr als alles andere.
Die Fahrt dauerte nur knapp fünf Minuten. Dann hielt das Taxi vor einem großen Gebäude im Schwedenstil, rot gestrichen, mit weißen Fensterrahmen und Umrandungen.
Julius starrte bestürzt zwischen den Vordersitzen durch die Windschutzscheibe. Nicht wegen des Hauses, sondern wegen der beiden Personen, die davor warteten.
Das hatte ihm gerade noch gefehlt.
Im selben Moment, als sie Julius’ Miene sah, wusste sie, dass es ein Fehler gewesen war, herzukommen. Obwohl er sich Mühe gab, seine Emotionen zu verbergen, stand ihm der Schock ins Gesicht geschrieben.
Sie hatte ja auch gar nicht gewollt. Nicht nachdem sie den Wettstreit gegen Julius und Kai so schmählich verloren hatte. Dabei war sie die aussichtsreichste Kandidatin gewesen. Sie war jünger, hatte die besseren Zeugnisse, einen guten Draht zu den Klienten. Doch als es wirklich darauf ankam, waren ihr plötzlich am laufenden Band dumme Missgeschicke unterlaufen. Verpasste Termine, nicht eingehaltene Fristen, verlegte Notizen. Erst als es längst zu spät war, ging ihr auf, dass es nicht ihre eigene Schusseligkeit war, derentwegen ihr Julius und Kai den Jackpot vor der Nase weggeschnappt hatten. Die beiden hatten an der Sache gedreht. Und sie hatte es nicht bemerkt.
Seit Pia das klar geworden war, fühlte sie sich vollkommen leer. Monatelang hatte sie ihre gesamte Energie in das Projekt Aufstieg gesteckt. Sie hatte weit über ihre Grenzen gelebt. Zu wenig geschlafen, sich zu wenig bewegt, die falschen Dinge gegessen. Sie hatte etliche Kilos abgenommen, und ihr eigentlich hübsches Gesicht wirkte ausgemergelt.
Burn-out, hatte die Therapeutin festgestellt, an die Pia sich schließlich gewandt hatte, und ihr eine Auszeit verordnet. Das war der Grund, weshalb Jessica ihr vorgeschlagen hatte, sie in den Urlaub zu begleiten. Pia hatte sich gesträubt. Ausgerechnet mit den beiden Männern verreisen, die die Schuld an ihrer Misere trugen? Doch Jessica hatte nicht lockergelassen. Es sei die perfekte Gelegenheit, die beiden zur Rede zu stellen. Jessica war empört darüber, was Julius und Kai sich geleistet hatten. Sie wollte mit den beiden ein Hühnchen rupfen, nicht Pia, der fehlte dazu die Kraft. Doch ausgerechnet ihre Therapeutin hatte Jessicas Plan unterstützt. Die Konfrontation würde ihr helfen, das Erlebte zu bewältigen und ihre Energie zurückzugewinnen, hatte sie gemeint. Was für ein Blödsinn!
Immerhin, Jessicas Augen leuchteten, als sie aus dem Taxi sprang, und sie schloss Pia stürmisch in die Arme.
»Wie schön, dass du da bist.«
Pia entspannte sich ein wenig. Vielleicht würde ihr die Nähe ihrer besten Freundin tatsächlich guttun.
Julius kam auf sie zu und reichte ihr die Hand. Er lächelte sogar. Dann verfinsterte sich sein Blick jedoch wieder. Er schaute den Mann an, der mit derselben Fähre wie Pia auf der Insel angekommen und die ganze Zeit hinter ihr hergelaufen war, bis sie schließlich das Haus erreichten und feststellten, dass sie dasselbe Ziel hatten. Erst da war ihr eingefallen, dass Jessica gesagt hatte, sie hätte noch jemanden eingeladen: Julius’ alten Freund Steffen.
Sie hoffte nur, dass Jessica keine romantischen Ideen hegte. Dieser Steffen sah zwar nicht schlecht aus mit seinen braunen Locken, den dunklen Augen und dem Dreitagebart, aber er hatte etwas Rohes an sich. Wild, ungezügelt, abenteuerlustig wirkte er. Die Sorte Mann, bei der so manche Frau ins Träumen kam. Pia gehörte nicht dazu. Sie mochte Männer, die weicher waren. Sensibel, fürsorglich, verständnisvoll. Leider hatte sie bisher noch keinen gefunden, der ihren Wünschen entsprach.
»Steffen.« Julius reichte dem Abenteurer die Hand. Seine Stimme war so kalt, als hätte er mit Eiswürfeln gegurgelt, und Pia ging auf, dass seine versteinerte Miene nicht ihr gegolten hatte, sondern dem Mann neben ihr.
Wusste Julius überhaupt, dass sie begriffen hatte, was Kai und er ihr angetan hatten? Oder dachte er immer noch, dass sie die Schuld bei sich selbst suchte? Immerhin hatte sie es über Monate getan, zu gutgläubig und blind, um sich vorstellen zu können, dass ihre beiden Kollegen, die so freundlich und charmant waren, zu solchen Mitteln greifen würden, um sie zu überflügeln.
Mobbing hatte es ihre Therapeutin genannt.
Pia hatte sich mit dem Begriff schwergetan. Bedeutete das nicht, dass man ein Opfertyp war? Ein Mensch, dessen soziales Unvermögen dazu führte, dass er zum Spielball seiner Kollegen wurde? Ihre Therapeutin hatte sich den Mund fusselig geredet, um sie zu der Einsicht zu bewegen, dass Mobbing jedem passieren konnte. Egal, ob man in Ordnung war oder nicht. Manchmal reichte es, etwas zu besitzen, das jemand anders haben wollte. Oder schlichte Konkurrenz, so wie in ihrem Fall. Pia hatte dazu genickt, doch tief im Innern war sie nach wie vor davon überzeugt, dass es etwas mit ihr zu tun hatte. Mit der Person, die sie war.
»Julius.« Steffen nahm Julius’ Hand und drückte sie. Zu fest für dessen Geschmack, wenn Pia das Zucken in Julius’ Mundwinkeln richtig deutete. Als Steffen ihn wieder losließ, schüttelte er verstohlen die Finger aus.
Steffen wandte sich an Kai, der kaum weniger entsetzt wirkte als Julius.
»Kai.« Steffen ergriff auch dessen Hand. »Schön, euch wiederzusehen.«
»Ja.« Kai rang sich ein mühsames Lächeln ab. »Ich wusste gar nicht, dass du wieder draußen bist.«
Bei Pia läuteten die Alarmglocken. Jessica hatte gesagt, Steffen sei ein Freund, der eine schwere Zeit hinter sich habe. Von einem Gefängnisaufenthalt war nicht die Rede gewesen. Aber wie sonst sollte man Kais Worte interpretieren?
»Seit zwei Monaten«, erklärte Steffen und drehte sich zu Daniela um. Sie schien ihn nicht zu kennen, zumindest war ihre Miene eher fragend als ablehnend.
»Du musst Daniela sein, Kais Frau.«
»Richtig.« Sie schüttelte ihm die Hand.
»Ich bin...
Erscheint lt. Verlag | 1.6.2022 |
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Reihe/Serie | Die Frederik-Forsberg-Reihe | Die Frederik-Forsberg-Reihe |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Asperö • Ben Tomasson • deutscher Mankell • Deutsche Wurzeln • Die Frederik-Forsberg-Reihe • Die Frederik-Forsberg-Reihe 2 • Ehedrama • Ermittlerpaar • Erpressung • Ferienhaus • Forsberg und das verschwundene Mädchen • Frederik Forsberg • Geheimnis • Göteborg • Insel • Inselkrimi • Kommissar • Kommissar Forsberg • Krimi • Krimi deutsche Autoren • Kriminalroman • Kriminalromane Serien • krimi reihen • Krimi Schweden • Krimi Schweden 2022 • Krimis Skandinavien • Mord • Mord im Ferienhaus • Polizei Krimis/Thriller • Rache • Schäreninsel • Schattenmann • Schweden Krimi • Schweden-Krimi • Schwedenkrimis • schwedische Krimis • Skandinaven-Krimi • Skandinavien Krimi • Urlaubskrimi • Urlaubslektüre Krimi • Zweiter Band |
ISBN-10 | 3-426-45644-3 / 3426456443 |
ISBN-13 | 978-3-426-45644-6 / 9783426456446 |
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