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Brocksteins letzter Vorhang (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
200 Seiten
Alfredbooks (Verlag)
978-3-7452-2124-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Brocksteins letzter Vorhang -  Mara Laue
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Daniel Brockstein spielt auf der Bühne der Braunschweiger 'Komödie am Altstadtmarkt' hingebungsvoll den Sterbenden. Doch als Brockstein und der Vorhang fallen, ist der Tod des Schauspielers echt: Er wurde vergiftet. Obwohl der Kreis der Verdächtigen zunächst groß ist, ahnt Oberkommissarin Simona Heller recht schnell, wer der Täter ist. Aber sie kann ihm die Tat nicht nachweisen, und der Mörder lacht sich siegessicher ins Fäustchen. Doch der Schein trügt nicht nur auf der Bühne, und Brocksteins letzter Vorhang ist noch lange nicht gefallen. Dieser Roman gewann 2012 ein Tatort-Töwerland-Literaturstipendium der Insel Juist.

Simona drehte sich herum und streckte die Hand aus. Wieso war die Betthälfte neben ihr leer? Ja, klar, Antonio fehlte und würde ihr noch eine ganze Weile fehlen. Sie war offenbar eine Niete für ihn: „Mit dir kann man auch sonst nicht allzu viel anfangen.“

Simona brach in Tränen aus. Sie schlug mit der Faust ins Kissen, wo Antonios Kopf hätte liegen sollen, und wünschte sich, der läge dort, damit sie ihm denselben Schmerz zufügen könnte, den er ihr zugefügt hatte. Doch kein Schmerz, mit dem sie ihn gequält hätte, könnte auch nur annähernd so groß sein wie der, den er ihr angetan hatte. Aber er hätte es verdient zu leiden. Für seine Gemeinheit, für seinen Verrat, dafür, dass er sie offenbar nie geliebt hatte und überhaupt!

Sie rollte sich zusammen, zog die Decke über den Kopf, umklammerte das Kissen und heulte eine Weile vor sich hin. Doch so schnell der Anfall gekommen war, so schnell ging er vorüber. Simona neigte normalerweise nicht zu Selbstmitleid und schon gar nicht zum heulenden Elend, aber in den Minuten des Aufwachens, wenn ihre Mechanismen der Selbstbeherrschung noch schliefen, kamen solche Dinge hin und wieder vor. Solange sie nicht passierten, während sie im Dienst war, konnte sie damit leben. War ja niemand da, der sie deshalb hätte verspotten können.

Selbstbeherrschung in Gegenwart anderer war ihr schon lange zur zweiten Natur geworden. Seit ihrer Kindheit, um genau zu sein. Schließlich hatte sie manchen verletzenden Spott und sehr viel Häme ertragen müssen, weil sie nicht wusste, wer ihr Vater war. Nur dass er Spanier war und Manolo hieß; vorausgesetzt, er hatte ihrer Mutter seinen richtigen Namen genannt, für die er nur ein heißer One-Night-Stand in einer heißen spanischen Nacht am Strand von Tossa de Mar gewesen war. Sie hatte ihn nie wiedergesehen, aber ein paar Wochen nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub festgestellt, dass sie schwanger war. Ihre Versuche, Manolo zu finden, waren erfolglos geblieben. Vielleicht war auch er nur ein Tourist gewesen. Er blieb verschwunden. Es gab nicht mal ein Foto von ihm.

Aber Simona brauchte nur in den Spiegel zu sehen, um ungefähr zu wissen, wie er aussah, denn sie schien ihm ähnlich zu sehen. Was sich nicht nur auf ihr schwarzes Haar und ihre braunen Augen beschränkte. Da ihre Gesichtszüge überhaupt nicht denen ihrer Mutter oder eines anderen ihr bekannten Verwandten ähnelten, glichen sie vermutlich denen ihres Vaters. Simona hatte, als sie während ihrer Ausbildung mit der Gesichtserkennungssoftware vertraut gemacht worden war, angeblich aus Scherz ein Foto ihres Gesichts durch die Software so verändert, dass eine männliche Variante herausgekommen war. Falls ihr Vater auch nur ein bisschen so aussah wie dieses Bild, musste er ein sehr attraktiver Mann gewesen sein. Ihre Mutter hatte jedenfalls nur Gutes über ihn gesagt.

„Er war der zärtlichste Mann, der mir je begegnet ist“, lautete ihr Urteil über ihn. Vielleicht war das der Grund, dass sie nie geheiratet hatte und ihre Männerbekanntschaften selten länger als ein paar Wochen hielten, manchmal nur wenige Tage. Was nicht nur ihre Mutter in Verruf gebracht hatte, sondern auch Simona, die sich mehr als einmal hatte anhören müssen, eine „Hurentochter“ zu sein. Nachdem jedes Mal sie die Schwierigkeiten bekommen hatte, wenn sie sich mit den Fäusten gegen solche Beleidigungen gewehrt hatte, hatte sie schnell gelernt, sich zu beherrschen und ihre Gefühle in Gegenwart anderer nicht zu zeigen; erst recht nicht, wenn sie sich verletzt fühlte.

Sie nahm dem Makel ihrer Herkunft inzwischen schon im Vorfeld den Wind aus den Segeln, indem sie behauptete, ihr Vater hätte Manolo Sanchez geheißen, was ein in Spanien recht häufiger Name war, hätte aus Tossa de Mar gestammt und ihre Mutter nur deshalb nicht geheiratet, weil er zwei Monate vor der Hochzeit bei einem Unfall ums Leben gekommen wäre. Da niemand, dem sie das Märchen erzählt hatte, die Wahrheit kannte oder überhaupt jemals auf den Gedanken gekommen wäre, auf so ein trauriges Ereignis näher einzugehen, hielt die Story bis heute.

Besonders da sie das Phantombild von damals mit einem Bildbearbeitungsprogramm so perfektioniert hatte, dass es nicht nur lebensecht wirkte. Sie hatte das Phantomgesicht auch in ein Urlaubsfoto eingefügt. Es zeigte ihre Mutter an einem Strand vor tiefblauem Meer, der durchaus in Spanien hätte sein können. Ein Mann, dem sie den Kopf von Manolo verpasst hatte, hielt sie umarmt, und sie lachte in die Kamera. Auf diese Weise hatte sie wenigstens die Illusion, ein Bild ihres Vaters zu besitzen.

Immerhin verdankte sie ihm, dass sie Simona hieß und nicht Simone, wie es in Deutschland gebräuchlich war. Simona klang deshalb nach etwas Besonderem. Ihre Mutter hatte sie auch von Anfang an als etwas Besonderes behandelt und ihr stets das Gefühl gegeben, dass sie ein kostbares Geschenk darstellte, über das sie zutiefst glücklich war. Das hatte ihr darüber hinweggeholfen, ohne Vater aufwachsen zu müssen.

Simona rollte sich aus ihrem Kokon und warf einen Blick auf den Wecker. Kurz vor halb acht. Normalerweise wäre sie längst auf dem Weg zur Dienststelle gewesen, aber sie war erst um halb vier ins Bett gekommen. Die Durchsuchung von Garderobe und Taschen der Schauspieltruppe hatte nichts ergeben. Dafür hatte der Erkennungsdienst im Abfalleimer im Durchgangsraum neben der Bühne mehrere leere Hundert-Milliliter-Fläschchen Rum gefunden, die auf Giftrückstände untersucht werden würden.

Simona schälte sich aus der Decke und ging ins Bad, wo sie erst heiß duschte und sich hinterher von einem eisigen Wasserstrahl quälen ließ, um munter zu werden. Den Rest des Munterwerdens würde der Kaffee besorgen. Sie setzte ihn auf, ehe sie sich anzog und die Braunschweiger Zeitung aus dem Briefkasten holte. Damit ging sie in die Küche, um zu frühstücken: eine dicke Scheibe kaltes Rinderfilet zwischen zwei Scheiben Toast geklemmt. Das Essen von gestern Abend war zu teuer, um es einfach wegzuwerfen. Und ein Scheißkerl wie Antonio war es nicht wert, dass sie gute Lebensmittel vernichtete, nur weil sie die nicht mit ihm hatte genießen können.

Wenn sie die Bohnen und das Fleisch kleinschnitt und mit den Kroketten in die Zwiebelsuppe tat, hätte sie für mindestens drei Tage eine Mahlzeit, die sie nur noch aufzuwärmen brauchte, wenn sie nach der Arbeit nach Hause kam. Sie hatte zwar keine Ahnung, wie das schmecken würde, aber es würde schon genießbar sein. Notfalls würde der Hunger das Gemisch reintreiben. Und den Obstsalat könnte sie sogar als Zwischenmahlzeit mit zur Arbeit nehmen.

Das Klingeln der Türglocke ließ sie zusammenzucken. Seufzend stand sie auf und öffnete.

Gisbo lächelte sie strahlend an. „Morgen, Mona.“ Er schnupperte in der Luft. „Kann ich bei dir einen Kaffee schnorren?“

„Klar.“ Sie ließ ihn rein, führte ihn in die Küche und stellte ihm einen Becher hin, den sie bis zum Rand füllte.

Gisbo betrachtete interessiert ihr halb gegessenes Sandwich. „Mal was anderes zum Frühstück als dein übliches Müsli. Wie kommt’s?“

„Einfach so.“ Das klang schon wieder bissig. „Tu mir einen Gefallen, Gisbo, und lass mich in Ruhe essen.“

„Wie du willst.“

Er schlürfte etwas vom Kaffee ab, bis der Pegel im Becher genug gesunken war, dass ein Schuss Milch hineinpasste. Es war nicht das erste Mal, dass er morgens bei ihr in der Küche saß. Ihre Wohnung lag auf seinem Weg zur Friedrich-Voigtländer-Straße, wo der Zentrale Kriminaldienst seinen Sitz hatte. Manchmal holte er Simona deshalb ab. Wenn es sich ergab, frühstückten sie bei solchen Gelegenheiten gemeinsam. Doch meistens hatte Gisbo schon etwas gegessen und trank, wenn überhaupt, nur noch eine Tasse Kaffee. Er war schließlich glücklich verheiratet. Beneidenswert.

„Auch ein Sandwich?“, fragte sie ihn, als ihr reichlich spät einfiel, dass er vielleicht auch noch nichts hatte essen können, weil er ebenso spät ins Bett gekommen war wie sie und deshalb das Frühstück mit seiner Frau wohl ausgefallen war.

„Gern.“

Sie toastete zwei weitere Brotscheiben und schnitt eine Scheibe vom Rinderfilet. Als sie ihm das Sandwich hinstellte, sah er sie aufmerksam an.

„Magst du drüber reden?“

„Nee.“ Sie setzte sich wieder und gab vor, sich in die Zeitung zu vertiefen.

Gisbo kannte sie in- und auswendig. Deshalb konnte er sich bestimmt denken, dass zwischen dem gemeinsamen Feierabend gestern Nachmittag und dem Moment, als er sie am Abend abgeholt hatte, etwas Negatives vorgefallen sein musste. Seit Simona vor zwölf Jahren bei der Kripo angefangen hatte, waren sie und Gisbo ein Team und verbrachten mehr Zeit miteinander als jeder für sich zu Hause. Da lernte man sich verdammt gut kennen. Und natürlich beinhaltete eine solche Partnerschaft auch, dass man hin und wieder über private Probleme sprach. Schließlich mussten sie sich in manchen Situationen blind aufeinander verlassen können. Wenn einer abgelenkt war, weil ihn...

Erscheint lt. Verlag 30.11.2021
Verlagsort Lengerich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Braunschweig • Krimi deutsch • Thriller
ISBN-10 3-7452-2124-9 / 3745221249
ISBN-13 978-3-7452-2124-4 / 9783745221244
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