Frisch ermittelt: Der Fall Vera Malottke (eBook)
336 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01144-1 (ISBN)
Christiane Franke wurde an der Nordseeküste geboren und lebt immer noch gerne dort. Neben ihren gemeinsamen Projekten mit Cornelia Kuhnert schreibt sie eine weitere Krimiserie um die Wilhelmshavener Kommissarinnen Oda Wagner und Christine Cordes, die im Emons Verlag erscheint. Gemeinsam mit Cornelia Kuhnert hat sie bei rororo bereits elf Bände ihrer Ostfriesland-Krimireihe um Dorfpolizist Rudi, Postbote Henner und Lehrerin Rosa veröffentlicht.
Christiane Franke wurde an der Nordseeküste geboren und lebt immer noch gerne dort. Neben ihren gemeinsamen Projekten mit Cornelia Kuhnert schreibt sie eine weitere Krimiserie um die Wilhelmshavener Kommissarinnen Oda Wagner und Christine Cordes, die im Emons Verlag erscheint. Gemeinsam mit Cornelia Kuhnert hat sie bei rororo bereits elf Bände ihrer Ostfriesland-Krimireihe um Dorfpolizist Rudi, Postbote Henner und Lehrerin Rosa veröffentlicht. Cornelia Kuhnert lebt in Hannover und hat dort als Lehrerin gearbeitet. Sie hat bereits zahlreiche Kriminalromane veröffentlicht und Anthologien herausgegeben. Gemeinsam mit Christiane Franke hat sie bei rororo bereits zehn Bände ihrer Ostfriesland-Krimireihe um Dorfpolizist Rudi, Postbote Henner und Lehrerin Rosa veröffentlicht.
Martha
Herrschaftszeiten, das war vielleicht ein Tag! Da lag das Fräulein Malottke wohl schon übers Wochenende tot in ihrer Wohnung, und Martha hat das nicht gemerkt. Dabei wohnt sie genau darüber. Gut, wie hätte sie es auch merken sollen? Tote rufen nicht um Hilfe. Außerdem war sie nach Feierabend stets im Schrebergarten, da ist um diese Jahreszeit jede Menge zu tun. Unkraut jäten, Erbsen und vor allem Süßkirschen ernten. Durch die plötzliche Hitze sind die auf einen Schlag reif geworden. Richard, der Sohn ihrer Parzellennachbarin Gertrud, hat ihr geholfen, als er Freitagabend gesehen hat, dass sie die Leiter hochklettern wollte.
«Nix da», hat er gesagt, sich ihren Korb geschnappt und ist für sie in den Baum gestiegen. So viele Kirschen hat er gepflückt, dass sie auch die Nachbarn damit versorgen konnte. Fast so wie in den schlechten Zeiten, als alle sich gegenseitig geholfen haben.
Gestern Abend hat sie sich Zeit genommen, die Kirschen entkernt und damit einen Streuselkuchen gebacken. Den isst ihr Untermieter so gern. Ein feiner Mensch ist das, der Herr von Mühlbach. Zurückhaltend, aber sehr freundlich. Und so gebildet! Es ist ihr stets eine Freude, ihn ein wenig zu verwöhnen. Er hat es wahrlich nicht leicht gehabt. Der Krieg, die Vertreibung aus der Heimat, der Tod seiner Familienangehörigen, ach, es gibt so viele traurige Schicksale.
Aber, sie reckt ihr Kinn, man muss nach vorn blicken. Nicht zurück. Das bringt nichts. Man kann das Vergangene nicht ändern.
Umso mehr genießt Martha nun den Feierabend-Tee mit ihm und dazu ein ordentliches Stück Kirschkuchen. Sie preist sich glücklich, das Zimmer an ihn vermietet zu haben. Tagsüber, wenn sie in der Heißmangelstube ist, arbeitet er in der Wohnung, und abends geht er ins Ledigenwohnheim. So kann keiner über sie herziehen. Die Leute klatschen gern. Das kennt Martha zur Genüge. Nein, mit ihm hat sie einen echten Glücksgriff getan, und ihr guter Ruf bleibt unangetastet. Außerdem ist er sehr höflich und bescheiden und legt Wert auf sein Äußeres. Auch wenn er nur einen einzigen Anzug zu besitzen scheint, der an den Ellenbogen schon glänzt. Genau wie seine Schuhe, die sind immer auf Hochglanz poliert.
Wie jeden Montag hat er ihr die Miete für das Zimmer in bar überreicht. Und wie immer hat sie das bestickte Tischtuch über die Wachsdecke gelegt, damit es gemütlicher aussieht. In der Mitte des Tisches stehen die Flasche Eierlikör und zwei Schnapsgläser.
«Haben Sie mitbekommen, dass die Polizei heute im Haus war?», fragt Hugo von Mühlbach, als Martha ihm eine weitere Tasse Tee einschenkt. «Man soll Fräulein Malottke tot in ihrer Wohnung gefunden haben.»
«Das stimmt. Traudel und ich haben sie entdeckt.» Sie legt ein zweites Stück Kirschkuchen auf seinen Teller. In diesem Moment klingelt es an der Wohnungstür. Für den Bruchteil einer Sekunde fährt der Schreck in Marthas Glieder. Seit ihr Mann Hermann vor vier Jahren beim Überqueren der Straße von einem Auto erfasst wurde und kurz darauf gestorben ist, zuckt sie immer zusammen, wenn es am Abend ohne Voranmeldung an der Tür klingelt. Aber jetzt beruhigt sie sich schnell.
«Das wird Traudel sein», sagt Martha.
Hugo von Mühlbach erhebt sich. «Dann sollte ich wohl besser gehen.»
«Wieso denn, Sie haben Ihren Tee noch gar nicht ausgetrunken, und das Stück Kuchen liegt auch noch auf Ihrem Teller», widerspricht Martha, während sie zur Tür eilt. Wie vermutet, ist es ihre Nachbarin. Die legt sofort los.
«Ach Martha, ich bin noch ganz fertig und kann einfach nicht allein sein. Ich muss immer daran denken, wie die Malottke da halb nackt zwischen den Glasscherben lag! Zum Glück hat der Bestatter sie inzwischen abgeholt. Nicht auszudenken, wenn ihre Leiche dort noch immer liegen würde!»
Martha greift nach ihrer Hand und zieht sie in Richtung Küche. «Komm erst mal rein.»
In der Küchentür bleibt Traudel verlegen stehen. «Oh. Ich wusste nicht, dass du Herrenbesuch hast.» Sie greift sich unwillkürlich an den Hinterkopf. Martha schmunzelt. Sie weiß, dass Traudel ein wenig für Herrn von Mühlbach schwärmt. Er jedoch hat bislang nicht zu erkennen gegeben, ob er sich für Traudel interessiert. Dabei würden sie vom Alter her gut zueinanderpassen. Und beide stehen ganz allein da. Traudels Mann ist im zweiten Kriegsjahr in Holland gefallen, und ihr Sohn Fritjof wurde kurz vor Ende noch eingezogen und kam nicht wieder zurück.
«Da will ich nicht stören», sagt Traudel, bleibt aber wie angewurzelt stehen.
«Nun hör schon auf. Herr von Mühlbach hat mir gerade die Miete gebracht, da trinken wir immer zusammen eine Tasse Tee. Ich schenk dir auch eine ein. Setz dich.» Sie schiebt Traudel den Küchenstuhl hin.
Traudel nimmt Platz und zeigt auf die Flasche in der Mitte des Tisches. «Ein Eierlikör wär mir lieber, nach allem, was ich heute erlebt hab.»
Martha holt ein weiteres Schnapsglas aus dem verglasten Oberschrank des wuchtigen Küchenbüfetts, gießt den sattgelben Likör ein und reicht es ihr. «Prost.»
Traudel setzt das Glas an, trinkt es in einem Zug leer und leckt gekonnt den letzten Rest aus. «Noch einen, bitte. Das war so schrecklich, Herr von Mühlbach», sagt sie nun. «All die Scherben und das Blut. Wer weiß, ob das überhaupt ein Unfall gewesen ist.»
«Was wollen Sie denn damit andeuten?» Das Interesse des Anwalts ist geweckt.
«Da war doch am Donnerstag dieser Streit. Richtig laut zugegangen ist es da. Und bedroht wurde das Fräulein Malottke auch.» Traudel hält Martha das Glas hin. «Ich muss diesen Gestank erst wieder aus meiner Nase kriegen. Und die vielen Fliegen überall.» Martha schenkt nach, allerdings nicht mehr ganz so voll. Nicht dass Traudel bedüdelt ist. «Zum Glück hat dein Neffe gleich das Fenster aufgerissen. Prost.» Traudel trinkt auch den zweiten Eierlikör in einem Zug aus.
«Jetzt mal bitte der Reihe nach, Frau …»
«Traudel, nennen Sie mich Traudel.»
Überrascht sieht Martha ihre Nachbarin an. Was sind das denn für neue Moden? Bietet die ihm einfach das Du an!
Von Mühlbach nickt. «Also, Frau Traudel. Fassen wir zusammen: Fräulein Malottke lag tot in ihrer Wohnung, und es hat bereits nach Verwesung gerochen?» Hugo von Mühlbach mustert Traudel eindringlich und zündet sich seine Pfeife an. «Davon habe ich heute Morgen gar nichts bemerkt, als ich gekommen bin.»
«Haben Sie vielleicht nicht drauf geachtet. Sie laufen ja ständig mit Ihrer Pfeife durchs Treppenhaus», erwidert Traudel, und Martha muss ihr recht geben. Es hängt stets ein angenehmer Duft nach Vanille und Tabak im Hausflur, wenn sie morgens ihre Wohnung verlässt und Hugo von Mühlbach bereits in seinem Anwaltszimmer sitzt. Martha mag diesen Geruch, der hat so was Gemütliches.
«Der Kommissar hat gemeint, Fräulein Malottke lag bestimmt das ganze Wochenende über so da», sagt Traudel, an Hugo von Mühlbach gerichtet. «Genauso lange habe ich sie auch nicht mehr gesehen.» Sie hält das Glas erneut zum Nachschenken hin. Wortlos greift Martha zur Flasche.
«Die Polizisten haben die Fenster aufgerissen, ohne vorher die Temperatur der Toten und der Umgebung zu messen, obwohl die Todesumstände offenbar unklar sind?» Verwundert schüttelt der Anwalt den Kopf.
«Der Doktor war ja noch nicht da. Der kam ein büschen später. Wieso fragen Sie? Ist das etwa wichtig?» Traudel sieht ihn überrascht an.
Martha allerdings wundert sich nicht über die Fragen ihres Untermieters. Als Anwalt gehört das wohl zu seinem Beruf.
«Selbstverständlich. Das Temperaturmessen ist wichtig zum Eingrenzen des Todeszeitpunktes. Wenn die Verwesung schon eingesetzt hat, wird es allerdings schwierig. Dann bleiben nur die Spuren am Tatort. Sind die denn wenigstens ordentlich gesichert worden?»
«Auf jeden Fall», sagt Martha schnell, um Hans nicht in falschem Licht dastehen zu lassen. Er hat schließlich nur getan, was sein Vorgesetzter ihm aufgetragen hat. «Die sind mit drei Mann durch die Wohnung marschiert. Und hinterher kamen welche von der Spurensicherung. Und einer von der Presse.»
«Und der Kommissar hat sogar das gerahmte Porträtfoto mitgenommen, das auf der Kommode stand», ergänzt Traudel.
«Er hat ein Foto eingesteckt? Das hab ich gar nicht mitgekriegt. Wer war denn drauf?» Martha reicht Traudel das gefüllte Glas.
«Letztes Mal stand da eins von Generaldirektor Pickering. Heute Mittag hab ich nicht genau drauf geachtet, ich war viel zu geschockt vom Anblick der Malottke. Und der Kommissar hat uns außerdem so schnell fortgeschickt.»
«Ein Foto von Pickering bei Fräulein Malottke?» Das wundert Martha nun schon. «Da hast du mir gar nichts von erzählt. Der ist doch verheiratet und hat vier Kinder.»
«Na, es soll Männer geben, denen genügt die eigene Ehefrau nicht, und man will schließlich keine Gerüchte in die Welt setzen.» Traudel nestelt erneut mit den Fingerspitzen an ihrem Haaransatz herum und lächelt von Mühlbach an. «Aber zum Glück sind nicht alle Männer so.»
«Als...
Erscheint lt. Verlag | 14.6.2022 |
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Reihe/Serie | Ein Heißmangel-Krimi | Ein Heißmangel-Krimi |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | 1950er Jahre • 50er Jahre • Alte Waage Leer • Amateurdetektivin • Aufbaujahre • Aufbruch • Bestseller-Autorinnen • Cocktailparty • Doppelmoral • Edelprostituierte • Emanzipation • Engelmacherin • Fernsehkoch • Flüchtlinge • Frauenpower • Frauenrechte • Freundschaft • Fünfziger Jahre • gemütlicher Krimi • Heißmangel • Hitlerjugend • Horst Buchholz • Karmann Ghia • Kinderheim • Kleingarten • Kriegsgefangenschaft • Kriegsgefangenschaft in Russland • Kriegswitwen • Krimi mit Herz • Kriminalroman • Krimi Neuerscheinung 2022 • Kulturspeicher • Ledigenwohnheim • Leer • Mode • Nachkriegsdeutschland • Nachkriegsgeneration • Nachkriegszeit • Nonnen • Ostfriesland • Ostfrieslandkrimi • persilschein • Petticoat • Pimpf • Prostitution • Provinzkrimi • Rock n Roll • Schlesien • Schwangerschaft • Stammtisch • Tanzmusik der 50er Jahre • Uneheliches Kind • Uniform • VW Käfer • Werft • Wilmenrod • Wirtschaftswunder • Wohlfühlkrimi • Wohnungsnot |
ISBN-10 | 3-644-01144-3 / 3644011443 |
ISBN-13 | 978-3-644-01144-1 / 9783644011441 |
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