Commissario Leone und die Tränen der Madonna (eBook)
368 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-98908-4 (ISBN)
Patrizia Zannini wurde in Stuttgart geboren. Sie ist gelernte Fotografin und hat Werbung studiert, danach war sie bei einem Stuttgarter Verlag als Konzeptionerin und Texterin tätig. Nach der Geburt ihrer beiden Söhne arbeitete sie als freie Werbetexterin und veröffentlichte ihre ersten Bücher, darunter eine Vielzahl an Kinderbüchern. Seit Erscheinen ihres erfolgreichen Debütromans 'Malocchio - der böse Blick' im Jahr 2013 widmet sie sich ganz dem Schreiben. Als Tochter eines italienischen Vaters verbrachte sie in der Kindheit und Jugend viel Zeit in Rom und in Italien. Mit ihrer neuen Krimi-Reihe, Commissario Leone, kehrt sie nach Rom zurück und entführt die Leserinnen und Leser in die Ewige Stadt und dabei schwingt deutlich ihre Liebe zu ihrer zweiten Heimat mit. Patrizia Zannini lebt gemeinsam mit ihren Söhnen und ihrem Mann, mit dem sie ihre Liebe für Reisen, Kunst und Musik teilt, in Stuttgart und Berlin.
Patrizia Zannini wurde in Stuttgart geboren. Sie ist ausgebildete Fotografin und studierte Werbung. Sie arbeitete erfolgreich als Texterin und Konzeptionerin in einem großen Verlag. Inzwischen widmet sich Patrizia Zannini ganz dem Schreiben. Sie lebt mit ihrer Familie in Stuttgart und Berlin.
Kapitel 1
Das Haus hatte Augen und Ohren. Es war weit über hundert Jahre alt und hatte unzählige Geschichten gesehen. Vor allem aber hatte es Ohren. Es war nur eine Frage der Zeit, bis jemand klingeln und nachsehen würde.
Enzo Leone öffnete die Tür und stand der alten Baronessa gegenüber. Die kleine, hagere Frau trug ein schlichtes dunkelgrünes Kleid. Ihre Lippen waren mit einem grellroten Lippenstift bemalt, die schlohweißen Haare hatte sie mit einer Reihe bunter Haarspangen festgeklemmt.
»Ach du bist es nur«, murmelte sie. »Mitunter gibt es hier oben merkwürdige Geräusche, wenn deine Eltern nicht da sind.«
»Alte Häuser machen zuweilen Geräusche, Baronessa. In diesem Fall bin ich es nur. Ich schaue hier nach dem Rechten.«
»Du weißt, warum man Geräusche hört?« Die faltige Hand der Alten legte sich kalt und trocken auf seinen Arm. Enzo kannte sie von früher. Als er noch ein kleiner Junge war, hatte er sich vor ihr gefürchtet. Sie war ihm unheimlich gewesen.
Geistergeschichten kursierten in diesem Gebäude seit ewigen Zeiten. Eine Frau soll durch das Haus gehen. Immer wieder wurde sie gesehen. Schwarz gekleidet mit weißen Strümpfen. Türen wurden zugeschlagen, obwohl kein Wind ging. Fenster standen offen, die niemand aufgemacht hatte.
»Das sind nur Geschichten, Baronessa.« Er trat einen Schritt zurück und hoffte, dass die Alte sich verabschieden würde, aber er täuschte sich.
»Es sind die Toten, die keine Ruhe finden. Irgendjemand hat sie gerufen, und nun gehen sie nicht mehr fort. Ich habe deiner Mutter von dem Weihrauch gegeben, der die Geister vertreibt, aber sie glaubt nicht an solche Dinge.« Sie machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Mamma?«, hallte es von etlichen Stockwerken weiter unten durch das Treppenhaus, in dem es nach frisch gekochtem Espresso duftete. »Mamma, wo bist du?« Schritte kamen langsam näher. Eine Frau erreichte schnaufend das letzte Stockwerk.
»Oh, Commissario. Buon giorno. Ich hoffe, meine Mutter hat Sie nicht belästigt. Sie ist manchmal ein wenig verwirrt.« Die Frau strich der Alten liebevoll über die Haare.
»Aber nein«, erwiderte Enzo, der absolut nicht wusste, was er weiter sagen sollte. Er war kein Mann, der sich gut auf Plaudereien verstand.
»Da passt man einmal nicht auf, und schon ist sie auf und davon. Wer weiß, wie lange ich das noch schaffe! Komm, lass uns nach unten gehen«, lamentierte sie, nahm den Arm der alten Frau und führte sie langsam die Treppen nach unten.
»Umherirrende Geister machen niemanden glücklich«, hörte Enzo noch die Stimme der Baronessa durch das Treppenhaus schallen, ehe er erleichtert die Wohnungstür schloss.
Sein Blick fiel auf eine Fotografie, die neben der Tür an der Wand hing. Er konnte sich nicht daran erinnern, sie zuvor gesehen zu haben. Es war letztes Jahr an seinem 30. Geburtstag. Er hatte seine Eltern abends in das Restaurant Le Isole in Aprilia eingeladen, einer aufstrebenden Stadt in der Nähe von Rom. Die Küche war vor allem für ihre Auswahl an Antipasti und Specialità della casa bekannt: Supplì, Gnocchi, Polenta, Bruschetta, Cotiche con fagioli, eine Schweineschwarte in weißen Bohnen, Antipasto di mare, Cozze und einige Spezialitäten mehr, die in kleinen Schalen serviert wurden. Sie hatten ausschließlich davon gegessen und die folgenden Gänge ausgelassen. Die Kellnerin hatte das Foto von ihnen gemacht. Enzo trug seinen beigefarbenen Anzug und ein weißes Hemd. Die Hände hatte er zur Hälfte in den Hosentaschen. Seine dunklen, fast schulterlangen Haare waren wie immer etwas durcheinandergewirbelt. Seine Eltern lachten, er jedoch schaute ernst und abwesend. Er lachte selten auf Bildern und wusste, dass er es auch sonst nicht sehr oft tat. Erst kürzlich hatte Olivia zu ihm gesagt, dass er einen Hang zur Melancholie hätte. Und wer könnte es besser wissen als Olivia, seine Assistentin, mit der er die meiste Zeit des Tages auf der Questura verbrachte. Seine Mutter, die nur wenig kleiner war als er, stand in der Mitte zwischen seinem Vater und ihm. Ihre blonden Haare hatte sie nach oben gesteckt. Sie trug ein helles Kleid mit großen bunten Blumen, das ihr gerade bis zu den Knien reichte. Im Gegensatz zu seinem Vater wirkte sie beinahe jugendlich. Sein Vater war groß gewachsen, der Kopf kahl, und er trug einen dünnen Oberlippenbart.
Enzo Leone ging zurück auf die Dachterrasse und gab den Blumen und Kräutern in den Terrakottatöpfen eine weitere Kanne Wasser. Wer wusste schon, wann er wieder hier sein würde? Und die Pflanzen hatten schon genug gelitten. Es war erst Anfang Juni, aber bereits derart heiß, dass man erahnen konnte, wie der Sommer noch werden würde. Dann verschloss er die Fensterläden und verließ das große Wohnhaus, das inmitten von Rom lag, in Richtung Questura.
»Sie hat geweint.« Signora Gaeta beugte sich weit über seinen Schreibtisch und kam ihm gefährlich nahe.
Enzo Leone widerstand dem Impuls, vor ihr zurückzuweichen, und blickte zur Tür, in deren Rahmen Ispettore Rossi lehnte und mit den Schultern zuckte. Was so viel heißen sollte wie: »Sie ließ sich nicht aufhalten.« Enzo verstand.
Signora Gaeta war nicht das erste Mal bis zu ihm vorgedrungen. Niemand auf der Questura schien in der Lage zu sein, diese Frau aufzuhalten. Nicht einmal Ispettore Rossi – und das sollte etwas heißen.
»Und was ist es diesmal?«, wollte Enzo wissen und konnte nicht verhindern, dass seine Stimme einen genervten Unterton annahm. Zweimal an einem Tag, das war selbst ihm zu viel und er fragte sich, was der Tag noch bringen würde. Es schien, als würde er heute die alten Frauen Roms anziehen. Kein gutes Omen, schoss es ihm durch den Kopf.
»Blut, Commissario – sie weint blutige Tränen.«
Normalerweise würde Enzo bei dieser Aussage aufhorchen. Doch er kannte Signora Gaeta nur allzu gut. Immer wieder kam sie mit irgendeinem unsinnigen Anliegen.
»Und wer genau weint?«, fragte er ohne besonderes Interesse.
»Die Madonna.«
Enzo stöhnte innerlich auf. Rasch warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. Gleich zwölf Uhr. Er wusste, dass er seine Mittagspause nun in der Kirche verbringen würde. Widerwillig kam er hinter seinem Schreibtisch hervor. »Dafür wird sich bestimmt eine Erklärung finden, Signora.« Er nahm sein Jackett vom Haken.
Die Alte folgte ihm mit kleinen, aufgeregten Schritten.
»Wollen Sie mit?«, fragte er Ispettore Rossi, der immer noch in der Tür stand. Etwas Schelmisches lag in seinem Lächeln.
»Ein Wunder? Das lasse ich mir nicht entgehen, Commissario«, antwortete er und setzte seine blaue Uniformmütze auf, die ihm augenblicklich ein strenges Aussehen verlieh. Und wie so oft war Enzo froh, dass er selbst in Zivil unterwegs sein konnte.
»Wir sind kurz weg!«, rief er beim Hinausgehen Olivia Greco zu, die seinen letzten Bericht in Form brachte, nur kurz aufblickte und nickte.
Sie traten vor die Questura. Die Luft flirrte über dem heißen Asphalt. Zu Fuß würden sie die Kirche schneller erreichen als mit dem Wagen.
Ein paar Passanten blickten neugierig zu ihnen herüber, als sie hinter Signora Gaeta über die beinahe menschenleere Piazza liefen. Sie mussten ein seltsames Bild abgeben. Die kleine untersetzte Frau trug eine schmutzige Schürze über einem wollenen Rock; ihre dunklen Strümpfe, die schon bessere Tage gesehen hatten, hingen erschlafft an ihren Knöcheln. Enzo kannte sie seit seiner Kindheit, als er noch in Rom gewohnt hatte. Erst nach dem Studium war er nach Nettuno gezogen. Direkt ans Meer. Bis heute arbeitete sie einmal die Woche bei seinen Eltern, wusch und bügelte die Wäsche. Das war für ihn auch die Erklärung, warum sie ihm gegenüber eine solche Penetranz entwickelt hatte. Und wohl auch dafür, warum er ihr ständig nachgab.
Eine Viertelstunde später stiegen sie die alten Stufen der unscheinbaren romanischen Basilika empor und betraten den kühlen Vorraum der Kirche. Enzo stippte mit dem Zeigefinger in das Weihwasserbecken und bekreuzigte sich, ehe er sich umblickte. Wunderschöne Mosaiken und herrliche Fresken verzierten die Wände. Gold suchte man hier vergeblich. Es war nicht die Pracht, die hier beeindruckte, es war vielmehr die Schlichtheit, die der Kirche eine nahezu überirdische Atmosphäre verlieh.
»Wo ist der Pfarrer?«, fragte Enzo...
Erscheint lt. Verlag | 24.2.2022 |
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Reihe/Serie | Italia mortale |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Commissario • Italien Krimi • Kriminalroman • Kriminalromane für Frauen • Länderkrimi • Madonna • Malocchio • Mord • Ostia • Regionalkrimi • Romane für den Sommer • Romane für den Urlaub • Roman Italien • Römische Ermittlungen • Römische Verwicklungen • Rom Krimi • Serienmörder • spannende Bücher • Suspense • Thriller • Wunder |
ISBN-10 | 3-492-98908-X / 349298908X |
ISBN-13 | 978-3-492-98908-4 / 9783492989084 |
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