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Jerry Cotton 3365 (eBook)

Blue Notes im Cotton Club

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Aufl. 2021
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-2465-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Jerry Cotton 3365 - Jerry Cotton
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Das Jazz-Oktett Martha's Goodmen befand sich auf einer Tournee. Als nach dem ersten Konzert in Harlem Lou Simmons, ehemaliger FBI Agent und seit einem Jahr Trompeter der Band, aus kurzer Distanz erschossen wurde, übernahmen Phil und ich den Fall. Nach einigen Überlegungen, die Tour abzusagen, entschieden sich die Musiker aufgrund drohender Konventionalstrafen, die Tournee fortzusetzen. Doch schon in der nächsten Nacht wurde Jason Newman, der Pianist der Big Band, in seinem Hotelzimmer erschossen aufgefunden ...


Blue Notes im Cotton Club

Der Mann ging gebückt die Treppe hinauf. Von hinten hätte man ihn für Mitte sechzig halten können, dabei war heute sein fünfzigster Geburtstag. Doch alle, die das wussten, waren tot, und die noch lebten, interessierte es nicht. Ihn selbst am allerwenigsten. Auf der rechten Seite zog ihn der Koffer hinab, und ein Beobachter hätte beim Anblick des Mannes auf der Treppe an einen Handlungsreisenden denken können – unterwegs von einem Vertreterhotel in der Provinz zum nächsten, nicht überrascht, wenn der Fahrstuhl kaputt war, schwitzend im billigen, aber unauffälligen olivgrauen Anzug, sein einziger Gefährte der schwere Aluminiumkoffer. Dem man von außen nicht ansah, was darin war. Vielleicht Warenmuster für Kunden. Vielleicht Unterlagen einer Buchprüfung. Vielleicht ein Waffenarsenal, um das Leben anderer Menschen zu beenden.

Mit einem erschöpften Seufzen stellte der Mann den Koffer vor seiner Zimmertür ab. Bevor er nach dem Schlüssel mit dem altmodischen Nummernanhänger in seiner Hosentasche suchte, warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. Timex, dreißig Dollar im Drugstore. Wenn er arbeitete, verwendete er außer seinem Werkzeug nur Wegwerfgegenstände. Erst wenn er wieder zu Hause war, umgab er sich mit seinem Reichtum. Er hatte sein Leben lang sparsam gelebt und sehr viele Aufträge ausgeführt. Es war kurz nach halb sechs am späten Nachmittag, bis zur ersten Besprechung blieben ihm noch vier bis fünf Stunden. Zeit, um seine Werkzeuge zu überprüfen, die Zugangs- und Abgangswege in Gedanken noch einmal durchzugehen. Zeit, um für eine halbe Stunde die Augen zu schließen und an die weißen Strände von Altata vor der Küste von Sinaloa zu denken. Er hielt inne, den Schlüssel schon in der Nähe der Öffnung. Er meinte, den kühlen Wind von der Baja California zu spüren, wie er sich mit der Hitze seiner Heimatstadt Culiacán vermischte. Er dachte an den Geschmack von Chilorios, das in dünne Streifen geschnittene Fleisch, in Chili gebraten, in einem knusprigen Taco, an einer Straßenecke. Wie lange war es her, dass er die Zeit und die Ruhe gehabt hatte, das einfache Leben in seiner Heimat zu genießen?

Ein paar Häuser entfernt kläffte ein Hund. Der Mann mit dem Koffer fuhr zusammen. Er würde nie begreifen, wie die Menschen in diesem Land ihre Häuser mit Hunden teilten, wie sie Hunde wie Freunde und Mitmenschen behandelten. In seiner Heimatstadt gab es nur zwei Arten von Hunden. Räudige Köter, die auf der Straße von Abfällen lebten, und scharfgemachte Kampfmaschinen, die die Anwesen der Bosse bewachten. So oder so lief ihm ein Schauer den Rücken hinunter, wenn er einen Hund bellen hörte.

Er öffnete die Tür, und seine Augen wanderten durch das schäbige Zimmer. Viele seiner Kollegen wohnten in den besten Hotels, sie mieteten die teuersten Autos, sie trugen die besten Anzüge, und er verstand ihre Gründe. Wenn sie aufflogen, hatten sie bis dahin wenigstens das Leben genossen. Aber er hatte andere Gründe. Er würde nicht auffliegen. Und das gelang nur, wenn man sich unauffällig verhielt. Und unauffällig war, als Mexikaner an seinen Einsatzorten im Latinoviertel in den billigsten Hotels abzusteigen und eins zu werden mit der anonymen Masse von ehrlich oder unehrlich vor sich hin schuftenden Glückssuchern und Pechvögeln. Und dazu gehörten Hotelzimmer, bei denen die sechsbeinigen Mitbewohner mit aufreizender Langsamkeit hinter den Fußleisten verschwanden, wenn man den Raum betrat.

Er wuchtete seinen Koffer auf das Bett, dessen Matratze unter dem Gewicht bedenklich nachgab. Als er sich den Stuhl vom klebrigen Schreibtisch heranzog, sah er sein Gesicht einen Moment lang im Spiegel. Schnell schaute er weg. Wie lange hatte er diesen Job gemacht, dass er darüber zum alten Mann geworden war? Es war Zeit aufzuhören. Sich zur Ruhe zu setzen. Sich darauf zu besinnen, was es sonst noch gab im Leben.

Mit einer geübten Bewegung ließ er die Verschlüsse des abgenutzten Koffers aufschnappen. Wie immer geschah dies absolut geräuschlos. Er hatte eine Gabe dafür, einfache und komplizierte Handlungen lautlos zu vollziehen. Diese Gabe machte ihn wertvoll für seine Auftraggeber, und sie hatte ihm vor drei Jahrzehnten seinen Spitznamen beschert – der Panther.

Wie immer erfüllten ihn Stolz und Genugtuung, wenn er ins Innere des Gepäckstücks sah. Vier unterschiedliche Waffen ruhten in ihren exakt geschnittenen Aussparungen der feinporigen anthrazitfarbenen Schaumstofffüllung. Seine Hand schwebte eine Weile über dem Koffer. Kleinkaliber, für Arbeiten im absoluten Nahbereich. Praktisch, weil vergleichsweise geräuscharm. Gut unter dem Anzug oder unter einem unauffälligen Kapuzenpullover zu verstecken. Ein Scharfschützengewehr, in seine Komponenten zerlegt, mit zusammengeklapptem Titanstativ. Ein 45er Colt für rabiate Arbeiten auf mittlerer Distanz, wenn man nicht zu präzise arbeiten und gegebenenfalls auf ein Verbluten hoffen musste. Eine nach seinen Spezifikationen modifizierte Uzi mit verlängertem Magazin, wenn es darauf ankam, in unübersichtlichen Situationen möglichst schnell möglichst viel Schaden anzurichten.

Der Panther nickte befriedigt. Über den geöffneten Kofferdeckel hinweg suchte er seinen eigenen Blick im trüben Hotelzimmerspiegel. Befriedigt stellte er fest, dass sich ein Leuchten in seine Augen stahl. Er war Juan Antonio Perez, und auch wenn er müde war, war er immer noch der beste Auftragskiller des Sinaloa-Kartells. Er lächelte. Er freute sich, weil er wusste, dass er seine Arbeit gut machen würde, egal wann der Auftrag kam und egal wer seine Kontakte waren. Und er freute sich, weil er merkte, dass er einen Entschluss gefasst hatte, in diesem Moment, in diesem Hotelzimmer. Es würde seine letzte Arbeit werden, und er würde sie gut machen. Und dann würde er heimkehren nach Sinaloa. Für immer.

Ich traute meinen Augen kaum, als ich auf mein Handy sah. Ich musste gerade erst eingeschlafen sein, als mich der Bereitschaftsdienst erreichte.

»Lass mich raten«, sagte ich verschlafen. »Mord?«

»Sieht zumindest danach aus«, erwiderte der Kollege. »Dein Partner Phil ist schon informiert. Er wartet auf dich ...«

»... an der altbekannten Straßenecke. Bin schon unterwegs.«

Ich beendete das Gespräch, schwang mich aus dem Bett, warf mir etwas Wasser ins Gesicht und zog die Sachen über, die ich in Erwartung solcher Vorfälle griffbereit hatte, und verließ mein Apartment.

Es gibt ja Leute, die behaupten, New York sei eine Stadt, die niemals schlafen würde. Mag sein, denn hier ist immer irgendwo etwas los. Doch als ich aus der Tiefgarage auf die Straße fuhr, da döste die Stadt zumindest vor sich hin. Um halb drei in der Nacht hatten viele Läden schon geschlossen, andere noch nicht wieder geöffnet.

Phil stand an der Straßenecke, ganz in der Nähe seines Apartments, an der ich ihn morgens regelmäßig abholte. Er hielt zwei Kaffeebecher to go in den Händen.

Ich hielt in zweiter Reihe. Kein Problem zu dieser Uhrzeit. Sechs Stunden später hätte diese Aktion ein ohrenbetäubendes Hupkonzert nach sich gezogen, aber jetzt war die Straße wie ausgestorben.

Phil reichte mir die beiden Kaffeebecher durch das Beifahrerfenster. Er öffnete die Tür und schwang mich in den Boliden. Ich hatte einen Kaffee in eine Halterung gestellt, den anderen gab ich Phil, nachdem er sich angeschnallt hatte.

»Wohin geht es?«, wollte ich wissen.

»Immer geradeaus, die Avenue hoch.«

Ich schaltete das Warnlicht an und drückte das Gaspedal durch bis zum Bodenblech. Mit einer gehörigen Portion Geschick gelang es Phil, dass sein Kaffee im Becher blieb.

»Was ist denn los, Jerry? Wir haben es mit einem Toten zu tun, hat zumindest der Kollege von der Bereitschaft gesagt. Der wird es uns verzeihen, wenn wir 'ne Minute später am Tatort eintreffen.«

»Der Tote vielleicht schon. Aber ich würde gerne auch noch den Täter zu fassen bekommen.«

»Ist der denn noch vor Ort?«, fragte Phil erstaunt. »Hat der Kollege von der Bereitschaft dir das erzählt?«

»Der Kollege hat gesagt, du seist informiert.«

»Recht hat er«, sagte Phil grinsend. »Wenn der Täter noch vor Ort ist, dann kommt er jetzt auch nicht mehr weg. Die Kollegen vom NYPD sind ja schon da.« Er schaltete das Radio ein und suchte nach einem Sender.

»Dann leg mal los«, forderte ich meinen Partner auf.

»Also, wir fahren nach Norden. Grobe Richtung.«

»Wird das jetzt ein Ratespiel?« Ich nahm die Ampel bei Dunkelgelb.

»Warum nicht? Dauert ohnehin noch drei, vier Minuten, bis wir da sind.«

»Harlem«, tippte ich.

»Yep. Hier jetzt links.«

Ich zog den Wagen von der Madison Ave auf die West 119th Street. Die entstehenden Fliehkräfte musste Phil durch eine extreme Schräghaltung seines Kaffeebechers ausgleichen. Was man nicht alles lernt beim FBI.

»Weiter, Jerry. Harlem ist richtig. Und wohin genau fahren wir?«

Ich schüttelte den Kopf. »Zu einfach.«

»Zu einfach?«, fragte Phil...

Erscheint lt. Verlag 14.12.2021
Reihe/Serie Jerry Cotton
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • Action Abenteuer • action romane • action thriller • action thriller deutsch • alfred-bekker • Bastei • bastei hefte • bastei heftromane • bastei romane • bastei romane hefte • Bestseller • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • erste fälle • Fall • gman • G-Man • Hamburg • Heft • Heftchen • Heftroman • heftromane bastei • Kindle • Krimi • Krimiautoren • Krimi deutsch • krimi ebook • Krimi kindle • Kriminalfälle • Kriminalgeschichte • Kriminalgeschichten • Kriminalroman • Kriminalromane • kriminalromane 2018 • kriminalromane deutsch • Krimi Reihe • Krimireihen • krimi romane • Krimis • krimis&thriller • krimis und thriller kindle • Krimi Urlaub • letzte fälle • martin-barkawitz • Polizeiroman • Romanheft • Roman-Heft • schwerste fälle • Serie • Soko-Hamburg • spannend • spannende Krimis • spannende Thriller • Spannungsroman • Stefan Wollschläger • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Thriller • Wegner
ISBN-10 3-7517-2465-6 / 3751724656
ISBN-13 978-3-7517-2465-4 / 9783751724654
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