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Der gute Hirte (eBook)

Kriminalroman | Die neue große norddeutsche Krimiserie mit Ermittler Taifun Coban!
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
304 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2672-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der gute Hirte -  Cornelius Hartz
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Dieser Kommissar hat Kultpotential Taifun Çoban arbeitet als Experte beim LKA in Kiel. Der 42-jährige Deutschtürke ist auf die Identifizierung von Toten spezialisiert. Als er nach Harmsbüttel gerufen wird, um an der Seite des Dorfpolizisten Wernersen zu ermitteln, weiß er nicht so genau, was er davon halten soll. Die Polizeiwache nebst Poststation bei den Wernersens im Wohnzimmer? Ein Polizist, der Türken und Araber über einen Kamm schert? Eine Polizistin, die Fanta Braun heißt und darüber lachen kann? Doch dann kommt Bewegung in den Fall rund um den Toten aus der Baugrube, denn Taifun kann ihn identifizieren und mit einem Cold Case in Verbindung bringen. Und - getragen von Wernersens Ortskenntnis und Fantas Humor - nimmt er es mit der eingeschworenen Dorfgemeinschaft auf.

Cornelius Hartz kam 1973 in Lübeck zur Welt und wuchs im Südosten Schleswig-Holsteins auf, wo Der gute Hirte spielt. Heute lebt er als freier Autor und Übersetzer in Hamburg. Kriminalromane begeistern ihn, seit er als Jugendlicher die Schwedenkrimis von Sjöwall/Wahlöö für sich entdeckte. Mit Mitte dreißig begann er selbst Krimis zu schreiben, die alle mit seiner norddeutschen Heimat verbunden sind.

Cornelius Hartz kam 1973 in Lübeck zur Welt und wuchs im Südosten Schleswig-Holsteins auf, wo Der gute Hirte spielt. Heute lebt er als freier Autor und Übersetzer in Hamburg. Kriminalromane begeistern ihn, seit er als Jugendlicher die Schwedenkrimis von Sjöwall/Wahlöö für sich entdeckte. Mit Mitte dreißig begann er selbst Krimis zu schreiben, die alle mit seiner norddeutschen Heimat verbunden sind.

2


Donnerstag, 13. Mai 2021

»Schatz, du musst wissen, der Herr Çoban ist nämlich Mohammedaner.«

»Ja, Liebling, ich weiß.« Der Mann der Wirtin sah gar nicht erst von seiner Zeitung auf.

Taifun Çoban seufzte leise. Normalerweise hätte er jetzt zu einem Vortrag angesetzt, dass es korrekt »Moslem« oder »Muslim« heiße, und auch wenn seine Religion den Propheten Mohammed verehre, das Wort »Mohammedaner« doch eher aus einer Zeit stamme, als man seine Glaubensgenossen in Deutschland wahlweise auch gerne als »Muselmanen« tituliert hatte.

Also in etwa der Zeit von Karl May.

Aber was sollte man in einer Gastwirtschaft mit dem schönen Namen »Büttelkrog« in Harmsbüttel im Kreis Herzogtum Lauenburg im Südosten Schleswig-Holsteins auch anderes erwarten? Çoban sah die Frau in der Kittelschürze, die hinter dem Empfangstresen saß, nur etwas genervt an und atmete durch. »Ganz recht.«

»Ist ja auch mal was anderes, nicht, Schatz?«

Çoban fiel auf, wie ihre runden Brillengläser über dem geblümten Mundschutz jedes Mal, wenn sie atmete, ein wenig beschlugen, nur für eine Sekunde, dann waren sie wieder klar.

»Hm-hm«, brummte ihr Mann im Sessel über seinen Lübecker Nachrichten.

Çoban war sich nicht sicher, ob das Zustimmung, Ablehnung oder nur allgemeines Desinteresse an den Dingen jenseits der Zeitung bedeutete.

»Wissen Sie«, sagte die Wirtin, »wir hatten schon mal einen Chinesen hier. Aber der …« Sie machte eine unwirsche Handbewegung. »Na ja.«

Çoban fragte sich, was der Chinese wohl angestellt haben mochte. Und ob er nicht vielleicht in Wirklichkeit Koreaner oder Japaner gewesen war. Oder Deutscher, wie er.

»Und wie lange werden Sie bleiben, Herr Çoban?«

Gute Frage. Er hätte einiges darum gegeben, wenn er das gewusst hätte. Wer konnte schon sagen, wie lange eine solche Ermittlung dauerte? Mal waren es zwei Tage, mal zwei Monate. Er war auf das Schlimmste gefasst.

Taifun Çoban war seit fünf Jahren Hauptkommissar beim LKA in Kiel. Dass er mit siebenunddreißig Jahren deutlich schneller befördert worden war als einige seiner blonden und blauäugigen Kollegen, nahm er als Ausgleich für all die Gelegenheiten, bei denen manche von ihnen ihn damals gefragt hatten, wo er denn seinen Gebetsteppich habe. Oder Schlimmeres. Wobei er sich hier auf dem Lande, in Dörfern wie Harmsbüttel mit seinen paar Hundert Einwohnern, mitunter wie ein Exot fühlte. Dort, wo man noch beim »Kaufmann« einkaufte. Wo man sicherlich nicht einmal mehr einen Briefkasten und die nächste Postfiliale in der Kreisstadt fand. Aber immerhin gab es eine Gaststätte mit Fremdenzimmern.

»Wie lange ich bleibe, weiß ich noch nicht«, sagte Çoban. »Ist das ein Problem?«

»Ach was«, gab die Wirtin zurück. »Wir haben drei Zimmer, aber die sind nie alle belegt. Höchstens wenn mal Goldene Hochzeit ist und Leute von anderswo kommen. Aber das geht ja im Moment eh noch nicht wieder, mit dem ganzen Corona-Gedöns. Sonst ab und zu ein Vertreter. Hier ist ja viel Agrar und so drum herum. Na ja. Aber ich bin sicher, Sie werden sich hier wohlfühlen.«

»Wie ist es denn mit WLAN?«, fragte Çoban, und als die Frau ihn verständnislos anschaute, setzte er hinzu: »Internet.«

»Ach so. Ja, das wollten wir immer mal machen, aber leider …« Sie seufzte und zuckte mit den Schultern. »Essen Sie denn auch hier?«

»Wenn das geht?« Daran hatte Çoban noch gar nicht gedacht. »Ich will natürlich keine Umstände machen.«

»Nein, nein, wir sind ja froh, wenn wir ein bisschen Umsatz machen, nech?«

»Kein Schweinefleisch.« Das war wieder ihr Mann, hinter der Zeitung. Der schien sich wirklich auszukennen.

»Jaja, das hab ich auch schon mal gehört. Das ist wirklich eine … Oh, und dann kann ich Ihnen als Mohammedaner ja auch gar keinen Begrüßungsschnaps … Na ja, kein Problem. Das kriegen wir schon alles hin.«

Zum ersten Mal schaute nun der Mann der Wirtin von seinen Lübecker Nachrichten auf. Er sah Çoban aus dicken Brillengläsern freundlich an, nickte und sagte, als hätte er die letzten Minuten nach der richtigen Vokabel gesucht: »Salam Aleikum!«

Çoban nickte zurück. »Moin.«

Etwas speziell die Leute hier. Und überhaupt: Er aß durchaus Schweinefleisch. In der Moschee war er schon lange nicht mehr gewesen. Für ihn gab es keinen Gott. Und dass er keinen Alkohol trank, hatte Gründe, die nichts mit irgendeiner Religion zu tun hatten. Aber er beschloss, dass er das den Harmsbüttelern nicht unbedingt auf die Nase binden musste.

Das Zimmer war zweckmäßig eingerichtet. Çoban legte sich angezogen auf die Tagesdecke. Der Raum wirkte in seiner Kargheit auf bedrückende Weise provinziell. Die Einrichtung war unmodern, an den Wänden hingen zwei hässliche, dilettantisch ausgeführte Aquarelle mit Meereslandschaften.

Das war also Harmsbüttel.

Es war eine Ewigkeit her, dass er diesen Namen das erste Mal gehört hatte. In der Ausbildung war das gewesen, als Beispiel für einen Cold Case: die kleine Susanne Hansen, elf Jahre alt, an Rauchvergiftung gestorben im Keller eines Einfamilienhauses, das abgebrannt war.

Das musste auch damals, als sie den Fall durchgenommen hatten, schon über zwanzig Jahre her gewesen sein. Anfang der Achtziger, wenn Çoban nicht alles täuschte. Ob sich daran heute noch jemand erinnerte? Die Älteren von damals waren inzwischen wohl tot. Und die Jüngeren? In einundvierzig Jahren kann man viel vergessen. Den Mann, der mit seinem Haus verbrannt war. Der ein Mädchen entführt und über ein Jahr lang im Keller eingesperrt hatte. Der es in einem schmutzigen Raum ohne Licht eingesperrt und immer wieder vergewaltigt hatte. Ob man Susanne jemals gefunden hätte? Vielleicht war ihr auch einiges erspart geblieben. Wenigstens hatte sie am Ende nicht lange gelitten. Bei einer Rauchgasvergiftung genügten schon ein paar Atemzüge Kohlenmonoxid, und man verlor das Bewusstsein.

Einundvierzig Jahre. Und jetzt wieder ein Gewaltverbrechen in diesem Kaff. Oder zumindest war das Resultat dieses Verbrechens aufgetaucht. Konnte gut sein, dass das bei einigen alte Wunden aufriss. Ob beide Fälle etwas miteinander zu tun hatten? Keine vorschnellen Schlüsse, ermahnte sich Çoban, das bringt nichts. Einen Schritt nach dem anderen.

Die Arbeit in der Abteilung Identitätsfeststellung, kurz IDF, die Çoban leitete und die die Aufgabe hatte, unbekannte Tote zu identifizieren, führte ihn selten in Dörfer wie Harmsbüttel. Der Grund war ganz einfach der, dass dort in der Regel jeder jeden kannte. In der Stadt, ob nun in Kiel, Lübeck oder Husum, sah das ganz anders aus. Außerdem geschahen auf dem Lande weniger Gewaltverbrechen, zumindest wurden nicht so viele entdeckt. Zwar kam Çoban ebenso zum Einsatz, wenn jemand im Koma lag oder das Gedächtnis verloren hatte und sich an nichts mehr erinnerte, nicht einmal an sich selbst, aber auch das kam auf dem platten Land eher selten vor.

Nachdem er seinen Koffer ausgepackt hatte, machte sich Çoban auf den Weg zur Polizeidienststelle. Seine Kontaktperson dort war Polizeihauptmeister Wernersen.

Erstaunlich, dass es in so einem Ort überhaupt eine Dienststelle gab, dachte Çoban. Wahrscheinlich war sie bei den letzten fünf Umstrukturierungen durchs Raster gefallen.

Es war fast sommerlich warm. Kastanien mit dicken Stämmen säumten die menschenleere Dorfstraße. Çoban blieb stehen und lauschte. Nirgends war ein Auto zu hören, stattdessen zwitschernde Vögel. Links und rechts der Straße je ein alter Bauernhof. Fachwerk, zur Straße hin Rosensträucher. Eine echte Idylle.

Die Art von Idylle, in der Leichen unter dem Fundament von Einfamilienhäusern vergraben werden.

Dorfstraße 2 war die Adresse der Polizeiwache, das hatte Çoban sich gemerkt. Aber als er vor dem Haus stand, zog er dann doch sein Smartphone aus der Tasche, um noch einmal nachzusehen, denn Nummer 2 war ganz offensichtlich die Post. Ein großes gelbes Schild mit dem schwarzen stilisierten Posthorn sowie der DHL-Schriftzug schmückten die Backsteinfassade über dem Schaufenster, in dem ein paar gelbe Pakete gestapelt waren, die eine Werbetafel als »Packsets« anpries.

Er holte seinen schwarzen Dienst-Mundschutz aus der Tasche und befestigte ihn an den Ohren.

Eine altmodische Bimmel verriet, dass er eingetreten war. Doch er blieb allein.

»Hallo?«

Keine Reaktion.

Çoban öffnete noch einmal die Tür. An der Glasscheibe war von innen ein Schild mit den Öffnungszeiten befestigt: Mo–Fr 9–12/15–18, Sa 10–12. Er blickte auf seine Armbanduhr: Viertel vor zwölf. Hatte sich da jemand schon vorzeitig in die Mittagspause verabschiedet? Aber dann wäre doch sicherlich abgesperrt gewesen.

Er sah sich um. Die Decke des etwa fünf mal fünf Meter großen Raumes war mit gedunkeltem Profilholz vertäfelt, die Wände schmückte eine Tapete mit dezentem Blumenmuster. Ein...

Erscheint lt. Verlag 28.7.2022
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Ermittler • Feuer • Halma • Kiel • Mordermittlung • Norddeutschland • Pfarrer • Psychotherapie • Spezialist
ISBN-10 3-8437-2672-8 / 3843726728
ISBN-13 978-3-8437-2672-6 / 9783843726726
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