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Bretonische Nächte (eBook)

Spiegel-Bestseller
Kommissar Dupins elfter Fall
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
336 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-32084-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Bretonische Nächte -  Jean-Luc Bannalec
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Während auch noch im Oktober die Sonne vom Himmel strahlt und die Nächte lau sind, ereilt Inspektor Kadeg ein schwerer Schicksalsschlag. Seine Lieblingstante stirbt. Doch damit nicht genug. Der Inspektor wird auf ihrem Anwesen angegriffen und lebensgefährlich verletzt. Dupin und sein Team sind bis ins Mark erschüttert und suchen nach möglichen Gründen für die Tat. Schon bald häufen sich die Merkwürdigkeiten. Was hat es mit den sensationellen Vogelsichtungen an der Côte des Légendes auf sich, die Kadegs Tante kurz vor ihrem Tod notierte? Und welche Geheimnisse verbergen die anderen Familienmitglieder? Im wilden bretonischen Norden, zwischen rauem Atlantik und betörenden Apfelwiesen, entwickelt sich ein vertrackter und höchst persönlicher Fall. »Trotz des raschen Tempos der Ermittlungen bleibt [...] genug Raum für die Schilderungen der Bretagne und ihrer eigenwilligen Einwohner - Bannalec liebt beide offenbar sehr. Und er beschreibt so schön, dass sich der Leser wünscht, selber Bretone zu sein.« Westdeutsche Zeitung

Jean-Luc Bannalec ist der Künstlername von Jörg Bong. Er ist in Frankfurt am Main und im südlichen Finistère zu Hause. Die Krimireihe mit Kommissar Dupin wurde für das Fernsehen verfilmt und in zahlreiche Sprachen übersetzt. 2016 wurde der Autor von der Region Bretagne mit dem Titel »Mécène de Bretagne« ausgezeichnet. Seit 2018 ist er Ehrenmitglied der Académie littéraire de Bretagne. Zuletzt erhielt er den Preis der Buchmesse HomBuch für die deutsch-französischen Beziehungen.

Jean-Luc Bannalec ist der Künstlername von Jörg Bong. Er ist in Frankfurt am Main und im südlichen Finistère zu Hause. Die Krimireihe mit Kommissar Dupin wurde für das Fernsehen verfilmt und in zahlreiche Sprachen übersetzt. 2016 wurde der Autor von der Region Bretagne mit dem Titel »Mécène de Bretagne« ausgezeichnet. Seit 2018 ist er Ehrenmitglied der Académie littéraire de Bretagne. Zuletzt erhielt er den Preis der Buchmesse HomBuch für die deutsch-französischen Beziehungen.

Inhaltsverzeichnis

Der zweite Tag


Dupin liebte die Corniche. »Seine« Corniche. Wo Claire und er seit ein paar Jahren wohnten. Das westliche Stück der Küste Concarneaus, in der Nähe des großen Strands Sables Blancs. Mit den kleinen Sandbuchten inmitten heller Granitwelten, feinem, blendend weißem Sand, der einen irren Kontrast zu den zahllosen Türkis- und Blautönen des Meeres und dem morgenfrischen Himmelblau bildete. Die großzügige, von mächtigen Palmen gesäumte Promenade, den weit ins Meer reichenden Quai Nul.

Wie jeden Morgen im Sommer war er nach dem Aufstehen und einem sofortigen café schwimmen gewesen. Nach dem Duschen und einem zweiten café stand er nun neben seinem Wagen. Wie immer würde er auf dem Weg ins Kommissariat einen kurzen Zwischenstopp im Amiral einlegen. Für ein croissant oder pain au chocolat, je nachdem, das entschied die Laune, und für einen dritten café, dieses Mal mit einer ernst zu nehmenden Maschine gebrüht.

Gleich war es acht.

Auch heute, am zweiten Oktobertag, trumpfte der Sommer unverhohlen weiter auf, dabei war es wunderbar frisch, jetzt am Morgen. Eine noch ganz unverbrauchte Welt.

Die nächtliche Szene mit dem Professor kam Dupin mittlerweile so vor, als hätte er sie geträumt.

Er hatte sich auf dem Fahrersitz seines Citroëns niedergelassen, als der penetrante Ton seines Handys anhob.

Es war Nolwenn.

»Ja?«

»Wo sind Sie, Monsieur le Commissaire?«

»Was ist passiert?«

Etwas stimmte nicht, Dupin hörte es sofort.

»Kadeg – er wurde niedergeschlagen«, Nolwenn sprach tonlos, »im Garten seiner Tante, gestern Nacht. Er …«

»Was?«

Dupin erstarrte.

»Jemand hat ihn …«

»Wie geht es ihm?«

»Nicht gut. – Aber es ist nicht lebensgefährlich. Er wurde seitlich am Kopf getroffen. Rechts. Das Ohr sieht wohl übel aus. Er …«

»Wo ist er?«

»In Brest, Klinik Pasteur-Lanroze.«

»Ich fahre hin.«

Dupin hatte den Motor gestartet. Er gab Gas.

»Wir kommen auch. Riwal ist bereits unterwegs. Ich rufe Kadegs Frau an, sie weiß es schon. Die Arme.«

»Wie ist es dazu gekommen?«

»Wir wissen noch gar nichts, Monsieur le Commissaire, der Anruf kam gerade erst. Der Gärtner von Kadegs Tante hat ihn im Park ihres Anwesens gefunden. Stark lädiert, Kadeg war nur halb bei Bewusstsein.«

»Was hat Kadeg denn überhaupt da gemacht?«

»Das wissen wir nicht, er war zuvor beim Bestattungsinstitut. Wir gehen davon aus, dass er so gegen 23 Uhr 20 in Aber Wrac’h angekommen ist, er hat den Bestatter um 22 Uhr 50 verlassen. Es sind rund dreißig Minuten Fahrt. – Der Arzt sagt, Sie können später mit Kadeg sprechen. Er wird noch untersucht. Sie machen ein CT vom Kopf.«

»Wer ist vor Ort? In Aber Wrac’h, im Haus der Tante?«

»Vier Gendarmen aus Lannilis.«

»Ich möchte, dass alles großflächig abgesperrt wird. Das Haus, der Garten. Alles. – Und ich will den Gärtner sprechen.«

»Natürlich.«

»Und«, Dupin dachte nach, »und diese Nichte, die die Tante gestern gefunden hat. – Kadegs Cousine, nehme ich an.«

»Klar.«

»Gut. – Wir sehen uns in Brest, Nolwenn.«

»Bis gleich.«

Dupin hatte den Kreisverkehr am Ende der Corniche erreicht, jetzt ging es den Hügel hinauf, Richtung Route Nationale, er trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch.

»So ein Scheiß«, entfuhr es ihm.

 

 

 

 

Kadeg sah elend aus.

Der Kopf war verbunden, um das rechte Ohr ein dicker Verbandsknubbel. Im linken Arm steckte eine Infusionsnadel, daran ein Schlauch. Riwal stand am Kopfende des Bettes, er war selbst ganz bleich.

Der verantwortliche Arzt hatte neben der erheblichen Wunde am oberen Ohr und an der Kopfhaut eine »schwere Kommotio« diagnostiziert. Gehirnerschütterung. Eine vorläufige Diagnose. Insgesamt, hatte der Arzt ein paarmal mit ernster Miene wiederholt, habe Kadeg großes Glück gehabt. »Das hätte auch ganz anders ausgehen können. Als schweres Schädel-Hirn-Trauma.« Zudem hatte er von einem Schock gesprochen. Und tatsächlich wirkte Kadeg im Innersten erschüttert.

»Er … er muss schon da gewesen sein.« Kadeg sprach langsam, leise, die Stimme brüchig. »Irgendwo da bei den Bäumen, im Gebüsch. – Es war dunkel. Ich meine, bei ganzem Vollmond hätte ich ihn vielleicht gesehen. Aber …« Er brach ab.

Kadeg hatte die Sätze bereits ein halbes Dutzend Mal in unterschiedlichen Formulierungen wiederholt. Als könnte er den Angreifer vielleicht doch noch entdecken, wenn er es bloß ein weiteres Mal erzählte. So verhielt es sich mit Traumata: Das Gehirn spielte die traumatische Situation unendlich durch, in der unsinnigen Hoffnung, sie doch noch abwenden zu können.

»Er hat einfach zugeschlagen. Auf einmal, aus dem Nichts. Ich meine, ich weiß es nicht, ich kann mich nicht erinnern. Ein Ast, ein Brett vielleicht. Es ist wie ausgelöscht. Ich glaube, ich war manchmal ein bisschen wach, aber ich weiß es nicht mehr. – Es hat sich alles gedreht.«

»Der Arzt sagt, er sei wahrscheinlich zunächst länger bewusstlos gewesen und dann in eine Art Dämmerschlaf gefallen«, ergänzte Riwal.

Kadeg lag in einem der üblichen Krankenhausbetten. Wobei man sich hier, in der renommierten Klinik Pasteur-Lanroze im Norden Brests, Mühe gab, selbst den Betten ein lebendiges, nicht ganz so steriles Design zu geben. Das Kopfende des Bettes war in einem Algengrün verkleidet, das sich als Farbe auch im Nachttischschränkchen wiederfand. Der Wand hinter dem Bett hatte man ein beruhigendes Bordeauxrot verliehen. Nolwenn hatte ein »Chambre grand confort« für Kadeg ergattert – so hieß es tatsächlich –, was bedeutete: Es gab eine Sitzecke mit einem Sessel, einen imposanten Fernseher und – so stand es in der Beschreibung – »Gourmetverpflegung«.

»Sie haben wirklich überhaupt gar nichts von dem Angreifer sehen können?« Auch Dupin konnte nicht anders, als die Frage in unzähligen Varianten zu wiederholen.

»Nein.«

»Warum sind Sie gestern Nacht noch nach Aber Wrac’h gefahren, Kadeg?«

Dupin hatte begonnen, auf dem hellgrünen Linoleumboden des Zimmers hin und her zu laufen.

»Ich …« Kadeg stockte. »Nachdem ich meine Tante beim Bestatter so habe liegen sehen … Ich meine … Ich hatte es gar nicht geplant. – Es war ein Bedürfnis. Ich …«

Er hielt inne.

Dupin verstand das Bedürfnis gut. Das Zuhause der Menschen, Wohnungen, Häuser, in denen sie lange gelebt hatten, war weit mehr als Wände und ein Dach. Nach einer Zeit nahm es etwas von den Menschen selbst an. Als hätten sich ihr Geist und ihre Seele dort ausgebreitet, nirgendwo sonst blieben Verstorbene so präsent.

»Wie gesagt. Ich habe etwas gehört. Glaube ich. Geräusche. Ich meine, als ich auf der Terrasse war.« Auch diesen Teil der Geschichte hatte Kadeg schon mehrmals erzählt. »Bei den Apfelbäumen am Wald. Da kamen die Geräusche her, glaube ich. Ich habe laut gerufen, dass ich von der Polizei bin.«

Das war eine wichtige Information, die den Vorfall noch gravierender machte: Der Täter hatte gewusst, dass Kadeg Polizist war. Der Täter war bereit gewesen, einen Polizisten schwer zu verletzen, vielleicht sogar zu töten. Kopfverletzungen konnten immer den Tod bedeuten.

»Ich bin dann …«

»So, jetzt genügt es wirklich.«

Der hochgewachsene junge Arzt, der eben bereits auf ein baldiges Ende des Gesprächs gedrängt hatte, war auf leisen Turnschuhsohlen aufgetaucht und unterbrach Kadeg.

»Der Patient braucht jetzt dringend Ruhe.« Er trat an die Infusionsvorrichtung. »Wir werden die Kortisontherapie nun ein wenig reduzieren, sie putscht sehr auf. Dann wird er ohnehin keine Lust mehr auf Konversation verspüren. – Das Liebste wäre mir, er schliefe jetzt.«

Der Arzt hatte recht. Und mehr würden sie im Moment von Kadeg ohnehin nicht erfahren.

»Es sind übrigens drei Kolleginnen von Ihnen eingetroffen«, sagte er zu Dupin. »Sie warten vor dem Haupteingang, soll ich Ihnen ausrichten.«

Nolwenn, Nevou und Le Menn.

»Danke, Docteur.«

Dupin trat an Kadegs Bett. »Schonen Sie sich, Kadeg. – Wir kümmern uns um diese Sache, das verspreche ich Ihnen.«

Es hatte mehr Pathos in dem Satz gelegen, als Dupin beabsichtigt hatte.

»Und mein aufrichtiges Beileid zum Tod Ihrer Tante.«

Kadeg brachte bloß noch ein schwaches »Danke« hervor.

»Wir kriegen ihn, Thierry.« Riwal war die ganze Zeit nicht von Kadegs Seite gewichen.

Dupin nickte Kadeg zu, dann dem Arzt und verließ das Zimmer.

»Bis ganz bald«, versicherte Riwal seinem Kollegen und folgte Dupin.

Drei Minuten später standen sie mit Nolwenn, Nevou und Le Menn vor der Klinik. Nolwenn verlangte einen detaillierten Bericht.

Riwal gab alles genauestens wieder.

»Mehr hat man beim CT nicht festgestellt?«

»Nein«, sagte Riwal. »Es scheint nur die Gehirnerschütterung zu sein. Er muss eine Woche strikte Bettruhe einhalten. Das Ohr musste genäht werden.«

Dupin hatte begonnen, vor dem Eingang der Klinik auf und ab zu laufen, er spürte, wie die Rage in ihm zunahm und zu gleißender Wut wurde.

Niemand griff seine Leute an.

»Warum attackiert jemand einfach so einen Polizisten?«,...

Erscheint lt. Verlag 22.6.2022
Reihe/Serie Kommissar Dupin ermittelt
Kommissar Dupin ermittelt
Kommissar Dupin ermittelt
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte abers • Bannalec Band 11 • Bannalec neuer Band • Brest • Bretagne • Cay Rademacher • Cidre • Commissaire Dupin • Dupin 11 • Dupin neuer Band • Dupin Reihenfolge • frankreich-krimi • Frankreich-Urlaub • Inspektor Kadeg • Isabelle Bonnet • Kloster • Krimi-Bestseller • Krimi für Urlaub • Madame le Commissaire • Neuer Bannalec • neuer Krimi Bannalec • Normandie-Krimi • Pierre Martin • Provence-Krimi • spiegel bestseller
ISBN-10 3-462-32084-X / 346232084X
ISBN-13 978-3-462-32084-8 / 9783462320848
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