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Oroonoko (eBook)

Roman und Zusatztexte - Mit dem Essay von Vita Sackville-West »Aphra, die Einzigartige«
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
256 Seiten
Unionsverlag
978-3-293-31130-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Oroonoko -  Aphra Behn,  Vita Sackville-West
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Aphra, »die Einzigartige«, wie Vita Sackville-West sie nennt, war die erste Berufsschriftstellerin Englands, und während ihrer kurzen Karriere - von der englischen Restauration 1660 bis zur sogenannten Glorious Revolution 1688/9 - schrieb sie über alles, was ihre Zeit bewegte: Sklaverei, Politik, Geld sowie sexuelle und kulturelle Gegensätze. Ihre burlesken und erotischen Texte spalteten die Gesellschaft jedoch: Den - naturgemäß männlichen - Kritikern war Behns freigeistige Gesinnung ebenso ein Dorn im Auge wie ihr ungestümer Lebenswandel und ihre spitze Feder. Mit Oroonoko, der tragischen Liebesgeschichte zwischen einem Prinzen und seiner Braut, die in die Sklaverei nach Südamerika verschleppt werden, schuf Behn ihr Hauptwerk und löste, durch die ebenso leidenschaftliche wie differenzierte Darstellung kolonialer Grausamkeit, Debatten aus, die sich über Jahrhunderte hinziehen sollten. Diese Ausgabe ermöglicht nun durch zusätzliche, erstmals ins Deutsche übersetzte Texte Einblicke in die dramatische Wirkungsgeschichte.

Aphra Behn (1640-1689), heute eine Ikone der feministischen Literaturwissenschaft, war die erste Frau, die ihren Lebensunterhalt als Schriftstellerin verdiente. Als junge Frau verbrachte sie einige Jahre in Surinam, ihr berühmtester Roman, Oroonoko, kurz vor ihrem Tod fieberhaft niedergeschrieben, spielt dort. Früh verwitwet, spionierte sie als Agentin für Charles II in den Niederlanden. Ihre zahlreichen Theaterstücke zählten zu den meistgespielten ihrer Zeit. Dennoch war ihr Leben ein ständiger Kampf um Brot und Ansehen. Virginia Woolf würdigt Behns Bedeutung als Schriftstellerin und als Kämpferin für die Unabhängigkeit der Frau in Ein eigenes Zimmer.

Aphra Behn (1640-1689), heute eine Ikone der feministischen Literaturwissenschaft, war die erste Frau, die ihren Lebensunterhalt als Schriftstellerin verdiente. Als junge Frau verbrachte sie einige Jahre in Surinam, ihr berühmtester Roman, Oroonoko, kurz vor ihrem Tod fieberhaft niedergeschrieben, spielt dort. Früh verwitwet, spionierte sie als Agentin für Charles II in den Niederlanden. Ihre zahlreichen Theaterstücke zählten zu den meistgespielten ihrer Zeit. Dennoch war ihr Leben ein ständiger Kampf um Brot und Ansehen. Virginia Woolf würdigt Behns Bedeutung als Schriftstellerin und als Kämpferin für die Unabhängigkeit der Frau in Ein eigenes Zimmer. Vita Sackville-West, geboren 1892 auf Schloss Knole in Kent, schrieb bereits mit elf Jahren ihre erste Ballade. Zahlreiche Novellen, Romane und Theaterstücke folgten. Nach längerem Aufenthalt in Persien kehrte sie mit ihrem Mann und zwei Kindern nach England zurück. Hier pflegte sie eine enge Freundschaft zu Virginia Woolf, die Woolf als Inspiration für ihr Schreiben diente. 1926 und 1933 wurde Sackville-West mit dem Hawthornden-Preis ausgezeichnet. Sie starb 1962 auf Sissinghurst Castle.

Vita Sackville-West

Aphra, die Einzigartige


Surinam


1

Aphra Behn, diese muntere Person – »gewandet in einen losen Morgenmantel, Hals und Brust frei: Welch ein Feuer in ihren Augen! Welch eine Leidenschaftlichkeit in den Bewegungen! Und die Entschlossenheit ihrer Züge!« –, wurde im Sommer 1640 in Wye bei Canterbury geboren, entschwindet in frühem Alter den englischen Gestaden und entzieht sich damit dem Bereich ehrbarer biografischer Bemühungen. Von dem Moment an, da sie als Säugling durch den Hopfengarten in die Kirche am Fuße des grünen Hügels von Wye getragen wurde, begann ihre an Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten reiche Lebensgeschichte. Ihre Eltern, ihr Geburtsort, der Status ihres Vaters, die Schreibweise ihres Namens, die Orte ihrer Kindheit und Jugend, die Schreibweise des Namens ihres Ehemannes, allein die Existenz eines Ehemannes – alle diese Einzelheiten geben Anlass zu Diskussion. Für den Biografen macht das die Sache heikel und aufregend zugleich. Soll man sie Aphra, Ayfara, Aphara, Aphora, Afra, Apharra, Afara nennen, oder, noch außergewöhnlicher, Aphaw oder gar Fyhare? Soll sie Amis oder Johnson heißen? Behn, Bhen oder Behen – welcher Schreibweise folgt er? Soll er sie in Wye lassen oder nach Surinam schicken. Wenn er sie nach Surinam schickt, lässt er sie die Reise einmal oder zweimal machen? Folgt er Van der Albert oder eher Van Bruin, zwei mutmaßlichen Liebhabern? Begraben unter einer schwarzen Marmorplatte in der Westminster Abbey, kann sie keine Fragen beantworten.

Wir wollen jedoch von Anfang an klarstellen, dass Aphra Behn kein Shakespeare ist, in dessen Fall der kleinste Hinweis zu seinem Leben kostbar wäre und wert, verfolgt zu werden. Der Biograf, der sich durch das Gewirr von Daten und Fakten wühlt, sich freudig auf die unerwartete Erhärtung einer Vermutung stürzt, eine plausible Theorie zerfleddert, zerfetzt und letztlich verwirft, der die Fakten geduldig entflicht, so wie man ein verheddertes Wollgewirr aufdröselt und zu einem ordentlichen Knäuel aufrollt – dieser Biograf könnte sich in überfeine Überlegungen versteigen und den gewöhnlichen Leser damit schlicht und einfach ermüden. Wenn der Biograf die Leser dazu überreden kann, sich auf sein spezifisches Wissen zu verlassen und ihm zu erlauben, ein allgemeineres Bild von Mrs Behn zu entwerfen, mag das völlig ausreichen: Mrs Behn in losem Morgenmantel, vielleicht ein wenig liederlich und manchmal ein bisschen derb, aber immer großzügig und warmherzig und freundlich, in ihrem schmuddeligen Zimmer in London, wo sie ihre hastig entworfenen Dialoge zu Papier bringt und bisweilen von jugendlichen Schreiberlingen aus der Grub Street unterbrochen wird, die an ihre Tür klopfen im Vertrauen darauf, dass sie mit Scherzen, Wärme und Verständnis empfangen würden sowie, wenn Not war, mit einer Unterstützung aus ihrer keinesfalls üppig gefüllten Geldbörse. Es gab eine Zeit, als der Name Aphra Behn kaum erwähnt wurde, oder wenn, dann hinter vorgehaltener Hand, denn er galt als Synonym für alles, was im Leben und in der Literatur anstößig war. »Sie war nichts weiter als eine Kokotte«, schreibt ein Autor verkniffen und spießig, »die durch Schlüpfrigkeiten hindurchtanzt.« Aber auch wenn ihre Stücke in Bordellen und Schlafzimmern spielen und ihre Sprache nicht für die Zartbesaiteten ist, und obwohl sie in ihrem Privatleben ihren Neigungen und nicht den herrschenden Konventionen folgte, ist Aphra Behn für die Geschichte der englischen Literatur viel bedeutsamer, als »nichts weiter als eine Kokotte« es je sein könnte. Die Tatsache, dass sie schrieb, ist fraglos wichtiger als die Qualität dessen, was sie schrieb. Aphra Behns Bedeutung liegt darin, dass sie die erste Frau in England war, die vom Schreiben lebte.

Es stimmt, dass »die beispiellose Orinda« der »einzigartigen Aphra« vorausging, aber für Orinda war Schreiben nicht ihr Beruf, sie musste damit nicht ihren Lebensunterhalt verdienen, auch schrieb sie weder Romane noch fürs Theater, vielmehr war sie eine wohlhabende Dilettantin, die sich an der Poesie versuchte, zudem Gastgeberin eines literarischen Salons, die Freundschaften förderte. Es hatte auch die Duchess of Newcastle gegeben, aber die Duchess of Newcastle war eine große und zugleich exzentrische Dame, und obwohl sie schrieb, sogar mit einiger Besessenheit, um Berühmtheit zu erlangen, konnte sie in der wankelmütigen Welt der literarischen Eifersüchteleien nicht als Konkurrentin gelten. Mrs Behn hingegen warf sich ins Gemenge. In der Grub Street mischte sie unter den Besten mit und forderte für sich gleiche Rechte wie die Männer. Sie war ein neues Phänomen – etwas dieser Art hatte es nie zuvor gegeben –, das, als es in Erscheinung trat, heftig abgelehnt wurde. Die Empörung ihrer Kritiker und Rivalen fand ein starkes Echo in ihrer eigenen Empörung darüber, dass sie nicht vorurteilsfrei beurteilt wurde. Im Bewusstsein ihrer Position als Pionierin und in dem Selbstvertrauen, dass sie der Aufgabe, die sie sich gestellt hatte, gewachsen war, reagierte sie mit spitzer Zunge und ebensolcher Feder auf die ungerecht gegen sie erhobenen Angriffe. »Ein erbärmliches Theaterstück, verdammt soll es sein, weil es von einer Frau war.« Doch obwohl manchmal wütend und oft verletzt, war sie nie entmutigt. Romane, Übersetzungen, Gedichte und Theaterstücke flossen aus ihrer Feder ebenso wie Beschimpfungen und Retourkutschen, die sie ihren Verlästerern entgegenschleuderte. Von dem Moment an, da sie zu schreiben begann, bis zu ihrem Tod, war sie nicht unterzukriegen. Mit ihrer Unbeirrbarkeit erwies sie ihren Geschlechtsgenossinnen einen keineswegs gering zu schätzenden Dienst. Eine Schar von Frauen folgte ihr auf dem Pfad, den sie mühevoll geschlagen hatte: Elizabeth Rowe, Mary Pix, Eliza Haywood, Jane Barker, Penelope Aubin, Mary de la Riviere Manley, um nur einige zu nennen, waren ihre unmittelbaren Nachfolgerinnen. Mrs Behns Werke mögen in Vergessenheit geraten sein, aber als Pionierin gebührt ihr ewige Ehrerbietung.

2

Ursprünglich wurde angenommen – ein Irrtum, den die meisten Biografen fortgeschrieben haben –, dass ihr Vater ein Barbier namens John Johnson aus Canterbury war. Eine Überprüfung des Amtsregisters von Wye bringt die Wahrheit zutage: Weder wird jemand mit dem Namen Johnson erwähnt, noch war er Barbier, aber am 10. Juli 1640 wurden Peter und Ayfara, Sohn und Tochter von John und Amy Amis, zusammen in der Kirche der Heiligen Gregory und Martin getauft. Der Eintrag ist nicht schwer zu entziffern, er lautet:

Peter, Sohn & Ayfara, Tochter,

von John und Amy Amis. 10. Juli.

Selbst heute noch, in unseren modernen Zeiten, ist der Geist der Ungenauigkeit und Mythifizierung, der alle zu Aphra Behns Leben gehörigen Dokumente durchzieht, am Werk. Offenkundig war es dem Pfarrer von Wye im Jahr 1884 nicht möglich, den Eintrag zu lesen, der in schlichtem Englisch vor seinen Augen stand. Nachdem Edmund Gosse eines Manuskripts, das Anne Countess of Winchelsea gehört hatte, habhaft geworden war und darin die Bemerkung gelesen hatte, dass Mrs Behn in Wye geboren war, schrieb er an den Pfarrer dort und erkundigte sich, ob in den Annalen der Gemeinde eine Bestätigung dafür gefunden werden könne. Gab es, so fragte er, einen Eintrag zu John Johnson oder seiner Tochter? Der Pfarrer schlug in den Annalen nach und antwortete: Ja, Ayfara, Tochter von John und Amy Johnson, sei am 10. Juli 1640 getauft worden. Doch selbst ein ungebildeter Mensch hätte Mühe gehabt, in dem Eintrag den Namen Johnson zu finden. Es wurde auch erwähnt, dass die Spalte »Tätigkeit, Gewerbe, Beruf« leer sei, dabei gibt es in dem Geburtenregister keine solche Spalte. Es ist wahrhaftig ein seltsames Übel, das der Legende von Aphra Behn anhaftet.

Zumindest macht der Eintrag der Geschichte mit dem Barbier ein Ende und stellt unumstößlich fest, dass Aphras Geburtsname nicht Johnson, sondern Amis war. Weitere Unschärfen sind jedoch nicht so leicht auszuräumen. Die Informationsquellen sind äußerst unzuverlässig. Wir müssen unser Vertrauen in Aphras eigene Worte setzen, die allerdings häufiger die Worte der geborenen Schriftstellerin als die einer Chronistin sind, und auch die Aussagen ihres ersten Biografen sind in manchen Fällen, gelinde gesagt, höchst zweifelhaft. Aphra sei ein frühreifes Kind gewesen und habe schon in jungen Jahren Verse verfasst, und wie bei Frühreifen oft der Fall, habe ihre Gesundheit den Eltern Anlass zu Sorge gegeben. Die Tatsache, dass Aphra und ihr Bruder Peter am selben Tag getauft wurden, könnte darauf hindeuten, dass die beiden Zwillinge waren, eine Hypothese, die durch die körperliche Zartheit des Mädchens gestützt scheint. Von Aphra selbst erfahren wir, dass sie »kränkelnd war und Ausbrüche von gefährlichen Krankheiten erlitt, sobald außergewöhnliche Schwermut sie überkam«. Sie war also, wie wir heute sagen würden, ein hochsensibles Mädchen mit einer lebhaften Fantasie, das von den erstaunlichen Vorkommnissen und Ereignissen, deren sie Zeuge werden würde, über die Maßen angeregt wurde.

Nach der gemeinhin akzeptierten Version reiste die Familie Amis aus Wye von England nach Surinam, heute Holländisch-Guyana, wo John Amis den Posten »Gouverneur von sechsunddreißig Inseln, nebst dem Festland von Surinam« antreten...

Erscheint lt. Verlag 17.1.2022
Übersetzer Susanne Höbel, Susanne Althoetmar-Smarczyk
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Abolitionismus • Afrika • Biografie • Emanzipation • England • Frau • Geschichte • Ghana • Sklaverei • Suriname
ISBN-10 3-293-31130-X / 329331130X
ISBN-13 978-3-293-31130-5 / 9783293311305
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