Die Richterin und der Tanz des Todes (eBook)
352 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60109-2 (ISBN)
Liliane Fontaine ist der Geburtsname der Krimiautorin und Kunsthistorikerin Liliane Skalecki, die in Saarlouis nahe der französischen Grenze geboren wurde. Sie promovierte an der Universität des Saarlandes in den Fächern Kunstgeschichte und Klassische und Vorderasiatische Archäologie und wohnt heute mit ihrer Familie in Bremen. Die Autorin besitzt französische Wurzeln und lebt viele Wochen des Jahres in der Nähe von Nîmes, wo sie Kultur, Land und Leute und das Savoir-vivre Südfrankreichs genießt.
Liliane Fontaine ist der Geburtsname der Krimiautorin und Kunsthistorikerin Liliane Skalecki, die in Saarlouis nahe der französischen Grenze geboren wurde. Sie promovierte an der Universität des Saarlandes in den Fächern Kunstgeschichte und Klassische und Vorderasiatische Archäologie und wohnt heute mit ihrer Familie in Bremen. Die Autorin besitzt französische Wurzeln und lebt viele Wochen des Jahres in der Nähe von Nîmes, wo sie Kultur, Land und Leute und das Savoir-vivre Südfrankreichs genießt.
Kapitel 2
Die Bodega Los Gitanos war eines der angesagtesten Restaurants im Quartier La Placette inmitten der Altstadt von Nîmes. Einheimische wie Touristen schätzten die vielfältige Küche, eine mediterrane kulinarische Hochzeit zwischen Spanien und dem französischen Midi, und genossen dazu jeden Abend Livemusik. Manitas Carmona, der Herr des Hauses, hatte gerade die Schiefertafel, auf die er die Tagesgerichte aufschreiben würde, aufgestellt, als schon die ersten Touristen davor haltmachten und neugierig mit einem Akzent plappernd, den Manitas für holländisch hielt, die Tafel, auf der noch nichts zu sehen war, beäugten. Der Wirt zuckte entschuldigend mit den Schulten, zeigte mit den Fingern »fünf Minuten«, doch da waren die Touristen schon weitergegangen. Tja, so waren sie, die Feriengäste. Hatten eigentlich alle Zeit der Welt und dann doch nicht, sinnierte Manitas.
Maria, seine Frau, verteilte derweil Aschenbecher auf den Tischen im Außenbereich. Es war ein Wunder, dass sie nicht permanent geklaut wurden, diese gelben Ascher aus Kunststoff, dreieckig, mit dem Aufdruck RICARD, dem berühmten Pastis aus Marseille. Allerdings ließ Maria die wirklich alten Aschenbecher aus Opalex, Raritäten, die noch aus den Fünfzigerjahren stammten, nie aus den Augen. Sie standen nur auf der Theke in der Bodega, und wehe, jemand würde versuchen, sie einzusacken.
Die Aschenbecher harmonierten farblich mit den gelb-rot karierten Tischdecken, auf die Maria die Ständer mit den Speisekarten stellte. Die Karten sahen aus wie frisch aus der Druckerei, sauber und ohne ein Eselsohr, nie käme ihr eine angeschmutzte Karte auf den Tisch. Sie war auch für die Küche zuständig, während Manitas das Kulturprogramm managte. Wenn nicht gerade Gino, ihr Ältester, die Gäste mit seiner Gitarrenmusik erfreute, waren es meist befreundete Musiker, die sich am Abend hier ein gutes Zubrot verdienten. Hervé, der alte Akkordeonspieler, Bembé mit seinen Percussions oder das Trio Los Torros, die eine bunte Mischung von argentinischer Tangomusik bis hin zu Klängen des Buona Vista Social Clubs zum Besten gaben.
Mit sauberen Druckbuchstaben geschrieben, erschien auf der Tafel das Mittagsangebot. Artischocken mit Vinaigrette, wahlweise Lamm- oder Schweinekotelett auf Ratatouille, geeiste Melone, das alles inklusive eines Glases Vin de Table für 14,50 Euro. Dazu die Spezialität des Hauses, die auch am Abend angeboten wurde und nach der gerade die Touristen lechzten – eine Paella, die, so kam es ihm vor, zu jeder Tages- und Nachtzeit von Maria frisch zubereitet wurde.
»Maria.«
Seine Frau drehte ihm den Rücken zu, gab keinen Ton von sich und verschwand, nachdem sie die Tische vorbereitet hatte, ohne ein Wort im Lokal. Manitas seufzte tief. Das hatte man davon, wenn man als Südfranzose eine Spanierin heiratete. Sie hatte noch mehr Temperament als die hiesigen Frauen. Und sie verzieh nicht so schnell. Noch immer war Maria die schönste Frau, die er je gesehen hatte, und es erschien ihm wie ein Wunder, dass sie ihn gewählt hatte. Gut, er war auch ein attraktiver Mann, das bestätigten ihm die Blicke, die ihm die Frauen immer noch zuwarfen. Mittlerweile hatte sich Silber in Marias dunklen Zopf geschlichen. Sie war nie schlank gewesen, doch ihr Bauch wölbte sich mittlerweile schon enorm unter ihrem bunten Sommerkleid. Gut, manche würden behaupten, sie sei dick. Aber dick war relativ. Auch er war auseinandergegangen. Und sein schwarzer Schnurrbart wäre ohne Koloration und Wachs nicht so bedeutend, wie er nun einmal war.
Er ging Maria nach. Es war an der Zeit, sich zu versöhnen. Seine Frau ordnete ein paar gelbe Röschen in einer Vase. Manitas umschlang sie von hinten mit beiden Armen, zog sie an sich und küsste sie auf den Nacken. Das hatte noch nie seine Wirkung verfehlt.
»Lass das, estúpido. Ich muss mich um die Gazpacho für heute Mittag kümmern.«
»Du nennst mich einen Blödmann? Was hätte ich denn machen sollen? Sollen wir sie einfach ziehen lassen? Du bist doch die Erste, die nicht mehr aufhört, zu jammern und zu wehklagen.«
»Und du? Du denkst doch nur ans Geld, das Santana dir, gut, uns einbringt. Der Vater als Manager, nie das Kind auch nur einmal aus den Augen lassen. Sogar einen Verlobten hast du für sie ausgesucht. Ist das nicht ein bisschen sehr patriarchalisch gedacht? Denk mal darüber nach.« Maria drehte sich um, gab der Pendeltür zur Küche einen Tritt und verschwand in ihr Reich.
Manitas musste sich zusammenreißen, um ihr nicht hinterherzurennen und ihr ordentlich die Meinung zu geigen. Stattdessen kurbelte er die Markise heraus, goss die üppig wuchernden Oleander, die in riesigen vases d’Anduzes auf dem Trottoir zwischen der Straße und den Tischen standen, und stellte eine zweite Tafel auf mit der Ankündigung der Livemusik an diesem Abend. Er hatte von der Gruppe tatsächlich noch nie etwas gehört, aber der Typ, der angefragt hatte, war ihm sympathisch gewesen, und nach einer kleinen Kostprobe auf dem Saxofon waren sich die Männer schnell einig geworden. Manitas zahlte einen Grundbetrag, der Rest würde bei den Gästen als Spende an die Musiker von diesen selbst eingesammelt werden. Die Leute waren in Ferienstimmung, und wenn sie gut und reichlich gegessen und getrunken hatten, auch in Spendierlaune.
Diesmal in schwungvollen Lettern schrieb er den Bandnamen mit Kreide auf die schwarze Tafel. Ein wenig merkwürdig war der ja schon. Trois chinois et une contrebasse. JAZZ. In der Gruppe war zwar kein einziger Chinese, aber immerhin ein Kontrabass. Manitas summte die Melodie des Kinderliedes vor sich hin. Wenn er die Zeit dazu fand, gesellte er sich gerne zu den Bands, die die Gäste mit ihrer Musik verwöhnten. Er fand, dass er eine gute Singstimme hatte, und der Applaus nach seinen kleinen Gesangseinlagen schien ihm recht zu geben. Auch Santana hatte eine wunderschöne Stimme. Besser jetzt nicht an sie und den ganzen Ärger denken, sonst wäre ihm der Tag mal wieder total verdorben.
Lieutenant Felix Tourrain war rundum mit sich zufrieden. Gerade hatte er ein Erpressungsopfer dazu gebracht, endlich den Mund aufzumachen und sich der Polizei anzuvertrauen. Gut gelaunt spazierte er zurück zu seinem Arbeitsplatz im Präsidium der Police judiciaire. Plötzlich blieb er wie angewurzelt stehen. Ein Plakat mit der Ankündigung einer Livemusikgruppe sprang ihm ins Auge. Trois chinois et une contrebasse. JAZZ. Das wäre doch was heute Abend für Sabine und ihn. Dazu ein gutes Abendessen in der Bodega los Gitanos. Perfekt. Aber besser war es, einen Tisch zu reservieren. Nîmes war in diesem Sommer geradezu überlaufen von Urlaubern, die es sich ebenfalls am Abend gut gehen lassen wollten.
Der Wirt, ein dunkelhaariger kräftiger Mann mit einem beeindruckenden Schnurrbart, nahm ein Notizbuch zur Hand, um die Reservierung einzutragen. »Auf welchen Namen?«
»Tourrain. Felix Tourrain.«
»Kann ich Ihnen sonst noch etwas Gutes tun?« Er wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum und verscheuchte eine Wespe, die zielstrebig auf den glänzenden Schnurrbart zugesteuert war.
Felix schaute auf seine Uhr. Eigentlich genau die richtige Zeit für einen kleinen starken Kaffee und eine erste Stärkung. »Einen café double und zwei Croissants, bitte.«
Er setzte sich auf den nächstbesten Stuhl und streckte seine langen Beine aus. In ein paar Tagen wollten er und Sabine in Urlaub fahren. In die Pyrenäen, da kam er her, dort waren seine Wurzeln. Und seine Urgroßmutter wurde fünfundneunzig. Von dort an die Atlantikküste, surfen und faulenzen. Ein perfekter Plan, ein noch perfekterer Urlaub, da war er sich sicher.
Der Kaffee und die buttrigen Blätterteighörnchen kamen, dazu der Midi Libre. Sehr aufmerksam. Ein Glas Wasser stand ebenfalls auf dem Tablett, darunter hatte der Wirt die Rechnung geklemmt. Das erste Croissant verschwand in Rekordgeschwindigkeit, das zweite tauchte Felix immer wieder in den Kaffee, bis auf der Oberfläche kleine Fettäuglein schillerten. Sabine bekam jedes Mal einen Anfall, wenn sie das sah. Und erst die Krümel, die in der schwarzen Brühe schwammen … Felix schmunzelte, als er sich Sabines Gesicht jetzt vorstellte. Die wunderschönen geschwungen Augen zu schmalen Schlitzen verengt, die Oberlippe gekräuselt. Es fehlte dann nur, dass sie ihm ein Stück Brot an den Kopf warf.
In diesem...
Erscheint lt. Verlag | 31.3.2022 |
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Reihe/Serie | Ein Fall für Mathilde de Boncourt |
Ein Fall für Mathilde de Boncourt | Ein Fall für Mathilde de Boncourt |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Band 5 • Bannalec • Ermittlungen • frankreich-krimi • Kriminalroman • Krimireihe • Languedoc • Madame le Commissaire • Madame le Juge • Mathilde de Boncourt • Neuerscheinung 2022 • Nimes • Richterin • Sophie Bonnet • Südfrankreich • Taschenbuch • Urlaubskrimi |
ISBN-10 | 3-492-60109-X / 349260109X |
ISBN-13 | 978-3-492-60109-2 / 9783492601092 |
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