Verdunkelung (eBook)
464 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60135-1 (ISBN)
Seine Bestseller-Erfolge zwangen Simon Scarrow dazu, den Lehrerberuf an den Nagel zu hängen, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Seine Nähe zu Deutschland, wo er zahlreiche Fans und Freunde hat, inspirierte den Autor zu seinen historischen Thrillern um den Berliner Kriminalinspektor Horst Schenke. Simon Scarrow recherchierte über Monate, um das düstere Berlin zu Beginn des Zweiten Weltkriegs lebendig zu machen.
Seine Bestseller-Erfolge zwangen Simon Scarrow dazu, den Lehrerberuf an den Nagel zu hängen, um zu schreiben. Seine Nähe zu Deutschland, wo er zahlreiche Fans und Freunde hat, inspirierte ihn zu »Verdunkelung«. Simon Scarrow recherchierte über Monate, um das düstere Berlin zu Beginn des Zweiten Weltkriegs lebendig zu machen. Weitere Romane um den Ermittler Horst Schenke sind in Arbeit.
Prolog
Berlin, 19. Dezember 1939
Die Weihnachtsfeier hatte gerade angefangen, als Gerda Korzeny und ihr Begleiter um halb acht eintrafen. Der Schnee lag so hoch auf den Straßen, dass sie ihre Stiefel abklopfen mussten, bevor sie die Eingangshalle betraten und dem Dienstmädchen ihre Mäntel und Pelzmützen reichten. Gerda zog die Stiefel aus und stellte sie neben die Tür, dann nahm sie ein Paar Abendschuhe mit Barockabsatz aus einer mitgebrachten Tasche und schlüpfte hinein. Sie betrachtete sich in einem Wandspiegel, strich ihr Abendkleid glatt und richtete mit den Fingerspitzen vorsichtig ihr brünettes Haar. Als sie bemerkte, dass ihr Begleiter hinter ihr schmunzelte, zog sie einen Schmollmund.
»Schon besser«, sagte sie. »Jetzt fühle ich mich wieder wie ein richtiger Mensch.«
Er nahm sie grinsend am Arm und stellte sich neben sie. In der akkurat gebügelten Uniform mit den glänzenden schwarzen Stiefeln gab er eine beeindruckende Figur ab.
»Was für ein hübsches Paar«, sagte er und kratzte sich mit einem behandschuhten Finger das Kinn. »Zu schade, dass wir nicht verheiratet sind. Jedenfalls nicht miteinander.« Sein Lächeln verblasste. Dann führte er sie in den großen Saal. Wenigstens die Hälfte der Gäste war bereits eingetroffen. Über einhundert Mitglieder der vornehmsten Kreise Berlins standen in Trauben unter dem funkelnden Kronleuchter, der den riesigen Saal mit seinem Licht erfüllte. Kellner in weißen Jacketts und beschürzte Kellnerinnen trugen Tabletts mit Champagnergläsern von Gruppe zu Gruppe.
Gespräche und Gelächter hallten von den hohen Wänden wider. Gerda sah sich in der Menge nach vertrauten Gesichtern um. Sie entdeckte einige ehemalige Kollegen aus ihrer Zeit als UFA-Star, darunter auch Emil Jannings, den beleibten Schauspieler mit hoher Stirn, der gerade wiehernd lachte, sowie mehrere Regisseure, Produzenten, Drehbuchschreiber und Komponisten. Leider waren viele von denen, die sie näher gekannt hatte, schon längst emigriert. Die meisten nach Hollywood, einige in europäische Länder, in denen sie nicht befürchten mussten, wegen ihrer politischen Einstellung oder Religionszugehörigkeit von der dortigen Regierung schikaniert zu werden.
Zu den Gästen zählten neben den Filmschaffenden auch Künstler und Schriftsteller, bekannte Sportler und ihre vermögenden Gönner wie beispielsweise der rennsportbegeisterte Graf Harstein, der früher ein leidenschaftlicher Anhänger der Silberpfeile gewesen war und den Rennstall finanziell unterstützt hatte. Dazwischen waren zahlreiche Uniformen von Heer, Marine und Luftwaffe sowie der Partei zu sehen. Ein Vertreter der letzteren Gruppe – ein SS-Offizier – bedachte Gerda mit einem kühlen Blick.
Sie drehte sich zu ihrem Begleiter um. »Mein Gott, dieser schmierige Fegelein ist auch hier. Tu mir einen Gefallen, und halt ihn mir vom Leibe.«
»Weshalb?«
»Weil er ein widerlicher Heuchler ist, mein lieber Oberst Karl Dorner. Er bringt es fertig, mich für meine Affäre zurechtzuweisen und im selben Atemzug zu versuchen, mich zu verführen. Bitte sei so nett, und sorge dafür, dass er mich heute Abend nicht belästigt.«
»Und wie soll ich das anstellen?«
»Wenn er mir unverschämt kommt, gebietet dir der Anstand, ihn in seine Schranken zu verweisen.«
»Ich weiß nicht, ob es besonders klug für einen Armeeoffizier wäre, sich mit einem Vertrauten Himmlers zu prügeln.«
»Es wäre doch vielmehr so, dass ein Kavalier einem impertinenten Emporkömmling eine Lektion erteilte.«
»Früher wäre ich deiner Bitte mit Freuden nachgekommen«, sagte Dorner. »Doch inzwischen beherrschen die Emporkömmlinge dieses Land und lassen keine Gelegenheit aus, alle anderen ständig an diese Tatsache zu erinnern. Aber ich werde ihn beschäftigen, so gut ich kann.«
Gerda lächelte. »Nur eine Stunde, dann können wir von mir aus wieder gehen. Ein Bekannter hat mir den Schlüssel zu seiner Wohnung überlassen. Er kommt vor Neujahr nicht nach Berlin zurück, wir haben also den Rest der Nacht ganz für uns.«
Der Offizier nahm lächelnd ihre Hand und küsste sie. »Ich kann es kaum erwarten.« Sie zitterte unter seiner Berührung.
»Wärst du denn nicht gerne jede Nacht mit mir zusammen, mein Schatz?«, fragte sie so leise, dass nur er es hören konnte. »Haben wir dieses Glück nicht verdient?«
Er seufzte. »Darüber haben wir doch schon gesprochen. Du weißt doch, dass ich es mir noch nicht leisten kann, mich von meiner Frau scheiden zu lassen. Und wenn du diesen Trottel, mit dem du verheiratet bist, jetzt verlässt, wirst du keinen roten Heller von ihm bekommen. Wovon sollen wir dann leben?«
Sie sah ihm in die Augen. »Aber wir haben uns. Reicht dir das denn nicht?«
»Nein, das reicht mir nicht. Und dir erst recht nicht. Nicht bei deinen Ansprüchen. Warum belassen wir nicht alles so, wie es ist, und erfreuen uns an dem, was wir haben?«
»Aber ich will mehr als nur den gelegentlichen gemeinsamen Nachmittag oder Abend. Ich will dich. Für dich bin ich nicht mehr als ein guter Fick. Stimmt doch, oder?«
Er erstarrte, dann lächelte er kalt. »Womöglich noch nicht einmal das. Aber zumindest leicht zu haben.«
»Scheißkerl.« Sie löste sich von ihm. »Glaubst du, dass du der einzige Mann bist, der mich begehrt? Dann pass nur auf.« Sie knipste ein strahlendes Lächeln an und ging auf eine Traube von Filmleuten zu. »Leni!«, rief sie.
Eine Frau im Hosenanzug mit schulterlangen Haaren und maskulinen Gesichtszügen erwiderte das Lächeln und breitete die Arme aus, um sie willkommen zu heißen. Sie gaben sich Küsse auf die Wangen, dann begrüßte Gerda die anderen, die sie kannte, und ließ sich diejenigen vorstellen, die sie nicht kannte.
Dorner beobachtete sie einen Augenblick lang vom Rand des Saales aus, dann ging er zu zwei Offizieren hinüber, die vor der breiten Treppe standen, die zur Galerie über dem großen Saal führte.
Er nickte den beiden Männern zu. Bei einem handelte es sich um seinen Adjutanten, der ebenso wie Dorner bei der Abwehr – dem militärischen Nachrichtendienst – tätig war. Der andere, General von Tresckow, trug den roten Kragenspiegel des Generalstabs. Obwohl er noch keine vierzig war, lichtete sich das Haar des ansonsten gut aussehenden Mannes bereits.
»Guten Abend, Herr General.« Dorner deutete eine Verbeugung an.
»Freut mich, Sie wiederzusehen, Dorner«, sagte von Tresckow. »Sagen Sie mal – die Dame, mit der Sie hier sind … die kommt mir irgendwie bekannt vor.«
»Gut möglich, Herr General. Sie ist Schauspielerin. Oder war es zumindest. Gerda hat sich vor ein paar Jahren aus dem Filmgeschäft zurückgezogen.«
»Ach, die Gerda! Ich dachte, sie wäre blond.«
»War sie damals auch. Brünett ist ihre Naturhaarfarbe.«
Der General blickte auf die Menschentraube, die sich, wie magnetisch von ihrem Charme angezogen, um Gerda gebildet hatte. »Ein Prachtweib, ganz gleich, ob blond oder brünett. Sie Glücklicher!«
»Ja, ich Glücklicher.« Dorner hob sein Glas, nahm einen Schluck und stellte sich so hin, dass er seinem Vorgesetzten die Sicht auf Gerda versperrte. »Also, Herr General, was hat der Generalstab nach Polen denn für die Westfront geplant?«
Von Tresckow hob den Zeigefinger. »Ich darf selbstverständlich keine Einzelheiten preisgeben, mein Lieber«. Der General lachte. »Sagen wir nur so viel: Wenn die Zeit reif ist, werden unsere französischen und britischen Freunde eine gehörige Überraschung erleben …«
Der General setzte zu einem Loblied auf die Überlegenheit der deutschen Waffentechnik und Militärtaktik an, doch Dorner konnte sich kaum darauf konzentrieren. Immer wieder kehrten seine Gedanken zu Gerda zurück. Dass er stets in ihr warmes Bett schlüpfen konnte, wenn es seine Bedürfnisse verlangten, war ihm nicht genug. Er war ein eifersüchtiger Mann und konnte die Vorstellung, sie mit einem anderen zu teilen, nicht ertragen. Sie waren zwar beide verheiratet, doch sie hatte ihm versichert, dass sie nicht länger mit ihrem Mann – einem Anwalt und hochrangigen Nazi – schlief. Dorner selbst hatte in jungen Jahren eine Bauerntochter geheiratet, deren Familie...
Erscheint lt. Verlag | 26.5.2022 |
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Reihe/Serie | Dunkles Berlin |
Dunkles Berlin | Dunkles Berlin |
Übersetzer | Kristof Kurz |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Blackout |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Berlin 30er Jahre • Berlin Babylon • Ermittler • Gestapo • Krimi historisch • Philip Kerr • Psychopath • Serienkiller • Times Bestseller • Zweiter Weltkrieg |
ISBN-10 | 3-492-60135-9 / 3492601359 |
ISBN-13 | 978-3-492-60135-1 / 9783492601351 |
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