60 Minuten - Jagd (eBook)
164 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60065-1 (ISBN)
Nick Pirog veröffentlichte seinen ersten Roman schon in jungen Jahren. Seitdem lebt und atmet er für das Schreiben. John Grisham und Michael Crichton sind Pirogs Vorbilder, sein Ziel: Den ultimativen Spannungsroman für die Generation Netflix zu schreiben! Seine Serie '60 Minuten' wird in den USA bereits gefeiert.
Nick Pirog lebt und atmet für das Schreiben. Seinen ersten Roman veröffentlichte er schon in jungen Jahren, seitdem lässt es ihn nicht mehr los. John Grisham und Michael Crichton sind Pirogs Vorbilder, sein Ziel: Den ultimativen Spannungsroman für die Generation Netflix zu schreiben! Seine Serie "60 Minuten" wird in den USA bereits gefeiert!
:02
Zum ersten Mal seit langer Zeit erwache ich eine Minute früher.
2:59 Uhr.
Ich werte das als gutes Zeichen.
Ich setze mich auf und schaue aus dem Fenster. Es liegen ein paar Zentimeter Schnee, dichte Flocken fallen in spitzem Winkel vom Himmel. Vor dem Haus meines Vaters parken fünf oder sechs Autos, darunter ein großer Ford-Truck, der mit ziemlicher Sicherheit Isabels Mann gehört.
Ich lächle.
Ich brauche drei Minuten, um meinen Smoking, meine Schuhe und meine schwarze Fliege anzuziehen.
Ich laufe ins Badezimmer, putze mir die Zähne – Ingrid könnte die Hochzeit abblasen, wenn ich mit dreiundzwanzig Stunden altem Morgenatem auftauche – und verlasse dann das Badezimmer.
Vom oberen Treppenabsatz aus spähe ich nach unten.
Das Wohnzimmer ist völlig verwandelt. Eine erstaunliche Reihe von Lichterketten wurde gespannt, die etliche Sträuße von Gerbera, Ingrids Lieblingsblumen, beleuchten. Es gibt zwei hohe Tische; der eine ist mit Horsd’oeuvres bedeckt, der andere mit einer zweistöckigen Hochzeitstorte. Ein mit einem burgunderroten Teppich ausgelegter Gang teilt zwölf weiße Stühle und verläuft von der untersten Treppe zu dem Torbogen, der nun mit grünen Efeuranken verziert ist. In der hinteren Ecke befinden sich ein Keyboard sowie ein Stativ und eine Videokamera.
Ich betrachte die Handvoll Menschen – die meisten halten ein Glas Wein in der Hand – und steige dann die Treppe hinunter. Alle Köpfe schwenken in meine Richtung, als ich die unterste Stufe erreiche.
Ein paar Leute klatschen.
Mein Vater, der so nobel aussieht, wie es mit einem zwanzig Jahre alten Smoking möglich ist, eilt auf mich zu und sagt: »Fünf Minuten Small Talk. Los!«
»Na gut«, sage ich mit einem Lachen. »Wo ist Ingrid?«
»Sie ist in meinem Schlafzimmer.«
»Richtig, ich darf sie nicht sehen.«
Mein Vater nickt und schiebt mich dann in Richtung von Ingrids Eltern und Schwester.
Ihr Vater hat die Statur eines Linebackers, der allerdings in den letzten drei Jahrzehnten ein bisschen viel Fett angesetzt hat. Im Gegensatz zu meinem Vater hat er volles, hellbraunes Haar, obwohl er es vermutlich färbt. Er streckt seine Hand aus und sagt: »Bist du bereit dafür?«
Ich zucke mit den Achseln und sage: »Eigentlich nicht, aber da alle extra mitten in der Nacht aufgetaucht sind, können wir es genauso gut durchziehen.«
Zum Glück findet er das lustig.
Dann stellt er mir Ingrids große Schwester vor. Sie ist ihre Halbschwester aus Dons erster Ehe und zwölf Jahre älter als Ingrid. Sie umarmt mich und erzählt mir, wie viel sie schon über mich gehört hat. Ich erwidere, dass ich auch schon viel von ihr gehört habe, obwohl Ingrid sie in Wahrheit vorher nur einmal erwähnt hatte. Hätte ich mehr Zeit zur Verfügung gehabt, hätte ich wohl mehr über sie erfahren, aber Ingrid ist ziemlich gut in dem, was sie das »Strukturieren deiner Zeit« nennt.
Ich umarme ihre Mutter und mache ihr ein Kompliment, wie schön sie in ihrem eleganten lavendelblauen Kleid aussieht, dann setze ich meine Runde fort.
Isabel ist die Nächste.
Sie ist zierlich, selbst mit fünf Zentimeter hohen Absätzen immer noch einen Kopf kleiner als ich, und sie trägt ein hellbraunes Kleid. Ich beuge mich hinunter und gebe meiner Haushälterin/Köchin/Assistentin der Geschäftsführung/zeitsparenden guten Fee einen Kuss und danke ihr, dass sie ihre Lasagne mitgebracht hat. Sie verkündet mir, dass sie vier volle Tabletts herbeigeschleppt hat, die für dreißig Personen ausreichen, dann stellt sie mir den Mann mit dem Schnurrbart neben sich vor.
Jorge.
Er umarmt mich lange und dankt mir dann herzlich für das Weihnachtsgeschenk, das ich ihnen gemacht habe: eine Reise für ihre ganze kleine Familie – sie haben zwei niños – nach Disney World.
»Donde Archie?«, unterbricht uns Isabel.
Wegen meiner einen Stunde und Ingrids verrücktem Dienstplan als Detective der Mordkommission hat Isabel mehr Zeit mit Archie verbracht als irgendjemand sonst, und sie ist absolut vernarrt in ihn.
Ich schaue mich nach dem Team Randale um, kann sie aber nirgendwo entdecken. Vermutlich leisten sie im Schlafzimmer meines Vaters Ingrid Gesellschaft.
Sie winkt mich mit einem »Vámonos« weiter, und ich wechsle zur nächsten Gruppe.
In der hintersten Stuhlreihe sitzt ein älteres Paar. Sie sind beide in den Siebzigern und könnten leicht als Ehepaar durchgehen, doch sie sind getrennt gekommen. Der Herr ist Robert Yoully, ein alter Freund meines Vaters, den ich nie kennengelernt habe. Er ist weißhaarig und sieht in seinem langärmeligen schwarzen Klerikerhemd in jeder Hinsicht wie der Pfarrer aus. Auf seinem Schoß liegt eine zerfledderte Bibel, auf der er ein Glas Rotwein abgestellt hat. Die Frau, Bonnie, wohnt in dem Haus direkt gegenüber von meinem Vater. Sie ist herrlich mollig und hat sich in ein zwei Nummern zu kleines Blumenkleid gequetscht. Als ich klein war, hat Bonnie manchmal bei uns übernachtet und auf mich aufgepasst – in den wenigen Fällen, in denen mein Vater die Stadt verlassen musste. Sie hatte immer etwas für meine eine Stunde geplant, seien es Brettspiele oder Kekse backen, und wir waren in den letzten zehn Jahren per E-Mail in Kontakt geblieben.
Ich unterhalte mich kurz mit den beiden und schlendere dann weiter zu einer Gruppe von drei jungen Frauen, alle blond und alle in smaragdgrünen Kleidern – Ingrids Brautjungfern: Charlotte (ihre Trauzeugin), Rebecca und Megan. Alle sind beste Freundinnen aus Highschool-Zeiten.
Ich erkläre ihnen rasch, wie viel es Ingrid bedeutet, dass sie den ganzen Weg hierhergekommen sind, und das zu dieser »unchristlichen« Stunde.
Die nächsten Gäste sind zwei Männer, beide vom Alexandria Police Department.
Der jüngere der beiden ist Billy Torelli, ein Detective im zweiten Jahr und Ingrids aktueller Partner. Er trägt Jeans und ein lila Polohemd und hält in jeder Hand ein Bier.
In den vergangenen anderthalb Jahren bin ich ihm rund ein Dutzend Mal begegnet und mag ihn unheimlich gern.
»Danke, dass du dich eigens so in Schale geworfen hast«, sage ich.
»Was denn?«, erwidert er grinsend. »Das sind die besten Klamotten in meinem Schrank.«
»Das bezweifle ich nicht«, gebe ich spöttisch zurück.
Wir lachen beide.
Ich wende mich dem älteren Herrn zu.
Er ist makellos gekleidet in einem marineblauen Anzug.
»Ich habe schon so viel von Ihnen gehört, Captain Marshall«, sage ich und schüttele seine ausgestreckte Hand.
»Gleichfalls«, sagt er.
»Danke, dass Sie gekommen sind.«
»Ich hätte es um nichts in der Welt verpassen wollen.«
Ich weiß, wie nahe Ingrid und James Marshall sich stehen, denn er war ihr erster Partner, als sie fast ein Jahrzehnt zuvor zum Alexandria Police Department kam.
»Tut mir leid, dass Ihre Frau nicht kommen konnte.«
»Ja, Linda war ziemlich enttäuscht darüber, aber leider fiel Ihr Fest mit Rogers Anwerbungsreise – er ist unser Jüngster – zusammen.« Er zeigt auf sein iPhone und fügt hinzu: »Sie hat mir eine zwanzigminütige Anleitung gegeben, wie man auf diesem Ding ein Video dreht, und wenn ich es irgendwie vermassle, kriege ich vermutlich demnächst die Scheidungspapiere zugestellt.«
Ich kichere, und wir plaudern eine Minute über Roger, einen Star-Linebacker an einer der nahe gelegenen Highschools. Er wird von vielen der Top-Unis umworben, hat aber fest vor, irgendwo im Westen zu spielen.
Es klopft an der Eingangstür, und alle drehen sich um.
Ich dachte nicht, dass wir noch jemanden erwarten, und verfolge neugierig, wie mein Vater die Tür aufreißt.
Ein eiskalter Luftzug weht ins Wohnzimmer, als zwei Männer eintreten.
Im Wohnzimmer wird es still.
Es kommt nicht jeden Tag vor, dass man dem Präsidenten der Vereinigten Staaten gegenübersteht.
::::
Hinter mir murmelt es.
Ist das der Präsident?
Er sieht auch in natura fantastisch aus.
Schau nur, wie groß er ist.
Woher kennt er Henry und Ingrid?
Wer ist der andere Typ?
...Erscheint lt. Verlag | 24.3.2022 |
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Reihe/Serie | Die Henry-Bins-Serie |
Die Henry-Bins-Serie | Die Henry-Bins-Serie |
Übersetzer | Alexander Wagner |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | 3 a.m. |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Action-Thriller • Bruce Willis • CIA • Countdown • Hochzeit • Schlaf • Schlafkrankheit • Terrorismus • Verschwörung |
ISBN-10 | 3-492-60065-4 / 3492600654 |
ISBN-13 | 978-3-492-60065-1 / 9783492600651 |
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