Die Forsyte Saga (eBook)
1193 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-961725-1 (ISBN)
John Galsworthy (1867-1933), Sohn wohlhabender Eltern, erhielt 1932 den Literaturnobelpreis »für die vornehme Schilderungskunst, die in The Forsyte Saga ihren höchsten Ausdruck findet«. Die Übersetzer: Luise Wolf (1860-1942) übersetzte zahlreiche literarische Werke aus dem Englischen, Französischen und skandinavischen Sprachen. Leon Schalit (1884-1950) trug wesentlich zur Rezeption Galsworthys im deutschen Sprachraum bei. In Wien geboren, hielt er sich zu Studienzwecken häufig in England auf, wohin er 1938 mithilfe der Witwe von John Galsworthy fliehen konnte. Die Herausgeberin: Maria Slavtscheva lebt und arbeitet als freie Übersetzerin in Düsseldorf. Sie hat die klassisch gewordene Galsworthy-Übersetzung von Wolf und Schalit behutsam überarbeitet und präzisiert.
John Galsworthy (1867–1933), Sohn wohlhabender Eltern, erhielt 1932 den Literaturnobelpreis »für die vornehme Schilderungskunst, die in The Forsyte Saga ihren höchsten Ausdruck findet«. Die Übersetzer: Luise Wolf (1860–1942) übersetzte zahlreiche literarische Werke aus dem Englischen, Französischen und skandinavischen Sprachen. Leon Schalit (1884–1950) trug wesentlich zur Rezeption Galsworthys im deutschen Sprachraum bei. In Wien geboren, hielt er sich zu Studienzwecken häufig in England auf, wohin er 1938 mithilfe der Witwe von John Galsworthy fliehen konnte. Die Herausgeberin: Maria Slavtscheva lebt und arbeitet als freie Übersetzerin in Düsseldorf. Sie hat die klassisch gewordene Galsworthy-Übersetzung von Wolf und Schalit behutsam überarbeitet und präzisiert.
Vorwort
ERSTES BUCH: DER REICHE MANN
Nachsommer
ZWEITES BUCH: IN FESSELN
Erwachen
DRITTES BUCH: ZU VERMIETEN
Anmerkungen
Anhang
Zu dieser Ausgabe
Nachwort: Im Namen des Romans
Zeittafel
Zweiter Teil
Erstes Kapitel
Der Bau des Hauses
Es war ein milder Winter gewesen. Das Geschäft ging flau, und die Zeit war günstig zum Bauen, wie Soames vorausgesehen hatte, ehe er sich dazu entschloss. Der Rohbau des Hauses in Robin Hill war daher gegen Ende April vollendet.
Jetzt, wo für sein Geld etwas zu sehen war, fuhr er ein-, zwei-, ja sogar dreimal in der Woche hinaus und stelzte, stets darauf bedacht, seine Sachen nicht zu beschmutzen, stundenlang in dem Schutt umher, ging schweigend durch das unfertige Mauerwerk der Türbögen oder im Kreise um die Säulen im Mittelhofe.
Und er konnte dann minutenlang davor stehen bleiben, um die wahre Qualität ihres Materials zu prüfen.
Für den 30. April hatte er mit Bosinney verabredet, die Rechnungen durchzugehen, und fünf Minuten vor der festgesetzten Zeit betrat er das Zelt, das der Architekt dicht an der alten Eiche für sich hatte aufschlagen lassen.
Die Rechnungen lagen auf einem Klapptisch schon bereit, und mit einem Kopfnicken setzte sich Soames, um sie zu studieren. Erst nach einer Weile blickte er auf.
»Ich werde nicht klug daraus«, sagte er schließlich; »sie betragen beinahe siebenhundert mehr, als abgemacht war!«
Nach einem Blick auf Bosinneys Gesicht fuhr er schnell fort:
»Wenn Sie diesen Baumenschen gegenüber nur einen festen Standpunkt einnehmen, lassen sie schon nach. Sie betrügen einen überall, wenn man nicht aufpasst. Rechnen Sie von allem 10 Prozent ab. Es soll mir nicht darauf ankommen, wenn es die Grenze um hundert Pfund etwa übersteigt!«
Bosinney schüttelte den Kopf.
»Ich habe jeden Farthing abgezogen, den ich abziehen konnte!«
Soames stieß den Tisch mit einer zornigen Bewegung fort, so dass die Blätter zu Boden flatterten.
»Dann muss ich aber sagen«, stieß er aufgeregt hervor, »Sie haben da was Schönes angerichtet!«
»Ich habe Ihnen hundert Mal gesagt«, erwiderte Bosinney scharf, »dass Extraausgaben kommen würden, und habe Sie wieder und wieder darauf aufmerksam gemacht!«
»Das weiß ich«, knurrte Soames, »gegen eine Zehnpfundnote hier und da hätte ich auch nichts einzuwenden. Wie konnte ich aber wissen, dass Sie unter ›Extraausgaben‹ gleich siebenhundert Pfund verstehen?«
Die Charaktereigenschaften der beiden Männer trugen mit zu dieser nicht unerheblichen Meinungsverschiedenheit bei. Einerseits reizte es den Architekten bei der Hingabe an seine Idee und seine Schöpfung, an die er glaubte, wenn er aufgehalten und zu Notbehelfen gezwungen wurde; andrerseits wollte Soames in seiner nicht minder wahren und aufrichtigen Hingabe an das Beste, was mit Geld zu kaufen ist, nicht glauben, dass Dinge, die dreizehn Shilling wert waren, nicht auch für zwölf zu haben seien.
»Ich wollte, ich hätte es nie übernommen, Ihr Haus zu bauen«, sagte Bosinney plötzlich. »Sie kommen hier heraus und quälen mich zu Tode. Sie wollen für Ihr Geld doppelt so viel wie jeder andere, und jetzt, wo Sie ein Haus haben, von dessen Größe es in der ganzen Gegend kein zweites gibt, wollen Sie nicht zahlen. Wenn Sie die ganze Geschichte wieder los sein wollen, werde ich schon für den Betrag aufkommen, der den Kostenanschlag übersteigt, aber, der Teufel hole mich, wenn ich noch einen Finger für Sie rühre!«
Soames gewann seine Fassung wieder. Da er wusste, dass Bosinney kein Kapital besaß, betrachtete er diesen Vorschlag als tolle Unbesonnenheit. Er sah auch, dass ihm dies Haus, an dem sein Herz hing, auf unbestimmte Zeit hinaus vorenthalten bleiben würde, und gerade in dem entscheidenden Augenblick, wo alles auf die persönliche Sorgfalt des Architekten ankam. Außerdem musste auch auf Irene Rücksicht genommen werden! Sie war in der letzten Zeit sehr sonderbar. Er glaubte wirklich, dass sie den Gedanken an das Haus überhaupt nur erträglich fand, weil sie für Bosinney eingenommen war. Er durfte es doch zu keinem offenen Bruch kommen lassen.
»Sie brauchen sich nicht so zu ereifern«, sagte er. »Wenn ich mich in die Sache finden will, brauchen Sie sich doch nicht zu beklagen. Ich meine nur, dass wenn Sie mir sagen, eine Sache kostet so und so viel – so möchte ich – möchte ich eben wissen, woran ich bin.«
»Sehen Sie!«, sagte Bosinney, und Soames war ärgerlich und erstaunt zugleich über das Verschmitzte in seinem Blick. »Sie erhalten meine Dienste für einen schändlich billigen Preis. Für die Arbeit und die Zeit, die ich auf dieses Haus verwendet habe, hätten Sie bei Littlemaster oder einem anderen dieser Tölpel viermal so viel zahlen müssen. Sie aber wollen einen Baumeister ersten Ranges zu einem Preise vierten Ranges, und gerade das kriegen Sie!«
Soames sah, dass er es wirklich ernst meinte, und so ärgerlich er auch war, stiegen die Folgen eines Zwistes nur zu lebhaft vor ihm auf. Er sah das Haus unvollendet, seine Frau rebellisch und sich selbst dem allgemeinen Gespött ausgesetzt.
»Wir wollen die Sachen durchgehen«, sagte er mürrisch, »und sehen, wie das Geld draufgegangen ist.«
»Sehr gern«, pflichtete Bosinney bei. »Aber wir müssen uns beeilen, wenn Sie nichts dagegen haben. Ich möchte rechtzeitig zurück sein, um mit June ins Theater zu gehen.«
Soames warf ihm verstohlen einen Blick zu und sagte: »Sie treffen wohl bei uns mit ihr zusammen?« Er kam jetzt immer zu ihnen!
In der Nacht vorher war ein Regen niedergegangen – ein Frühlingsregen, und die Erde duftete nach Feuchtigkeit und wilden Gräsern. Der warme leise Wind bewegte die Blätter und die goldenen Knospen der alten Eiche hin und her, und im Sonnenschein sangen die Amseln sich die Seele aus dem Leib.
Es war ein Frühlingstag, der jeden mit einem unaussprechlichen Verlangen, einer schmerzlichen Süße, einem Sehnen erfüllt, dass er wie gebannt dasteht, die Blätter oder Gräser anschaut und die Arme ausbreiten möchte, um zu umarmen – er weiß nicht was. Von der Erde stieg eine schwache Wärme auf und stahl sich durch das frostige Gewand, in das der Winter sie gehüllt hatte. Es war ihr zärtliches Locken, sich in ihre Arme zu stürzen, sich hinzustrecken und die Lippen an ihre Brust zu pressen.
An einem solchen Tage hatte Soames einst Irenes Jawort erhalten, das er so oft von ihr begehrt hatte. Auf einem umgestürzten Baumstamme hatte er gesessen und zum zwanzigsten Male gelobt, dass sie so frei sein sollte, als habe sie ihn nie geheiratet, wenn ihre Ehe unglücklich werden sollte!
»Schwörst du es?«, hatte sie gefragt. Vor ein paar Tagen hatte sie ihn an diesen Schwur erinnert. »Unsinn!«, hatte er erwidert: »So etwas kann ich nicht geschworen haben!« Jetzt fiel es ihm durch einen fatalen Zufall wieder ein. Was für törichte Dinge schwören Männer doch um der Frauen willen! Um sie zu gewinnen, hätte er es jederzeit geschworen! Er würde es jetzt noch schwören, wenn er sie dadurch rühren könnte – aber niemand konnte sie rühren, sie hatte ein kaltes Herz!
Und Erinnerungen drangen mit dem frischen süßen Duft des Frühlingswindes auf ihn ein – Erinnerungen an sein Liebeswerben.
Im Frühling des Jahres 1881 hatte er seinen alten Schulkameraden und Mandanten George Liversedge aus Branksome besucht, der in der Absicht, seine Kiefernwälder in der Nähe von Bournemouth auszunutzen, Soames damit betraut hatte, die zu diesem Zwecke nötige Gesellschaft zu gründen. Mit ihrem feinen Gefühl für das Schickliche hatte Mrs Liversedge ihm zu Ehren eine Teegesellschaft mit Musik gegeben. Erst spät während der Darbietungen, die Soames, der nicht musikalisch war, unsagbar langweilten, fiel ihm das Gesicht eines Mädchens in Trauer auf, das allein dastand. Die Linien seiner hohen, noch ziemlich zarten Gestalt zeichneten sich durch den dünnen enganliegenden Stoff seines schwarzen Kleides ab, die Hände in schwarzen Handschuhen hielt es verschränkt, die Lippen waren leicht geöffnet, und die großen dunklen Augen schweiften von Gesicht zu Gesicht. Sein tief im Nacken aufgestecktes Haar schimmerte über dem schwarzen Kragen wie Gewinde leuchtenden Metalls. Und wie Soames dastand und es anschaute, durchzuckte ihn ein Gefühl, wie fast jeder Mann es einmal spürt – eine seltsame Befriedigung der Sinne, eine seltsame Gewissheit, die Romanschreiber und alte Damen Liebe auf den ersten Blick nennen. Verstohlen beobachtete er es, suchte sogleich die Gastgeberin auf und wartete beharrlich das Aufhören der Musik ab.
»Wer ist das Mädchen mit blondem Haar und dunklen Augen?«, fragte er.
»Die – ach, das ist Irene Heron. Ihr Vater, Professor Heron, starb dieses Jahr. Sie lebt mit ihrer Stiefmutter zusammen. Ein reizendes, ein hübsches Mädchen, aber ohne Geld!«
»Bitte, stellen Sie mich ihr vor«, sagte Soames.
Er wusste nur sehr wenig zu sagen und wurde durch sie nicht eben ermuntert. Aber er ging mit dem festen Entschluss fort, sie wiederzusehen. Ein Zufall half ihm, seinen Vorsatz auszuführen, als er sie mit ihrer Stiefmutter auf dem Steg traf, wo diese von zwölf bis eins spazieren zu gehen pflegte. Soames machte erfreut die Bekanntschaft dieser Dame, und es dauerte nicht lange, bis er in ihr die erwünschte Verbündete erkannte. Seine scharfe Witterung für die geschäftliche Seite des Familienlebens verriet ihm bald, dass Irene ihre Stiefmutter mehr als die fünfzig Pfund kostete, die sie ihr zubrachte, und ebenso, dass Mrs Heron, die noch in der Blüte des Lebens stand, sich wieder zu...
Erscheint lt. Verlag | 8.10.2021 |
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Mitarbeit |
Kommentare: Maria Slavtscheva |
Nachwort | Maria Slavtscheva |
Übersetzer | Luise Wolf, Leon Schalit |
Verlagsort | Ditzingen |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Klassiker / Moderne Klassiker |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | Das Schicksal der Irene Forsyte • Forsyte Anwesen • Forsyte Geschichte • Forsyte Haus • Forsyte Saga Deutsch • Forsyte Saga Neuübersetzung • Forsyte Saga Übersetzung • Forsyte Saga Wolf Schalit • Forsyte Villa • Galsworthy Das Ende vom Licht • Galsworthy Das Herrenhaus • Galsworthy Der Besitzmensch • Galsworthy der Patrizier • Galsworthy Die Dunkle Blume • galsworthy forsyte • Galsworthy Forsyte Bücher • Galsworthy Forsyte Saga Bücher • Galsworthy In den Schlingen des Gesetzes • Galsworthy Literaturnobelpreis • Galsworthy Nachsommer eines Forsyte • Galsworthy Roman • Galsworthy Saga • Soames Forsyte • That Forsyte Woman |
ISBN-10 | 3-15-961725-4 / 3159617254 |
ISBN-13 | 978-3-15-961725-1 / 9783159617251 |
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