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Das Haus in der Half Moon Street (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
416 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45914-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Haus in der Half Moon Street -  Alex Reeve
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Jede*r verbirgt ein Geheimnis. Aber manche töten dafür. In dem historischen Kriminalroman »Das Haus in der Half Moon Street« jagt der junge Leo Stanhope den Mörder seiner großen Liebe - und riskiert damit sein Leben. London 1880. Leo Stanhope, Assistent der Gerichtsmedizin, macht eine merkwürdige Entdeckung: In der Jackentasche eines angeblich in der Themse ertrunkenen Mannes findet er eine Ale-Flasche, in deren Etikett das Wort »Mercy« eingeritzt ist. Kurz darauf landet eine zweite Leiche aus der Themse auf seinem Tisch, und ihr Anblick wirft Leos Leben gewaltsam aus der Bahn: Es ist Maria, seine große Liebe. Und sie wurde ermordet. Bald fällt der Verdacht auf ihn, und so macht er sich selbst auf die Jagd nach dem Mörder. Doch dabei droht sein lange gehütetes Geheimnis ans Licht zu kommen - und das könnte ihn nicht nur die Freiheit, sondern sogar das Leben kosten. Glänzend recherchiert, fesselnd geschrieben und voller Atmosphäre: Das ist Alex Reeves historischer Kriminalroman »Das Haus in der Half Moon Street«, in dem der besondere Ermittler Leo Stanhope im viktorianischen London den Mörder seiner großen Liebe Maria jagt. »Es ist schwierig, im historischen Kriminalroman einen wahrhaft außergewöhnlichen Protagonisten zu erschaffen. Alex Reeve ist es geglückt.« - Sunday Times

Alex Reeve hat schon in vielen verschiedenen Jobs gearbeitet, unter anderem in einem Pub und als Englischlehrer in Paris. Heute ist er Universitätsdozent und lebt in Buckinghamshire. »Das Haus in der Half Moon Street« ist sein Debütroman und wurde in der britischen Presse hochgelobt. Es ist der Auftakt einer neuen historischen Krimireihe um Ermittler Leo Stanhope.

Alex Reeve hat schon in vielen verschiedenen Jobs gearbeitet, unter anderem in einem Pub und als Englischlehrer in Paris. Heute ist er Universitätsdozent und lebt in Buckinghamshire. »Das Haus in der Half Moon Street« ist sein Debütroman und wurde in der britischen Presse hochgelobt. Es ist der Auftakt einer neuen historischen Krimireihe um Ermittler Leo Stanhope.

1


Mr. Hurst wusch sich am Spülstein das Blut von den Händen und trocknete sie ab. Auf dem Handtuch blieben rosa Schmierflecken zurück.

Es war ein hundekalter Januartag, und es gab nirgendwo etwas Weiches, an dem ich mich hätte wärmen können. Der Untersuchungsraum lag in den Katakomben des Krankenhauses und war ringsum mit Fliesen verkleidet. Tageslicht kam nur durch die weit oben angebrachten Milchglasfenster herein, die auf gleicher Höhe lagen wie das Straßenpflaster draußen. Mr. Hurst schien die Kälte nicht zu bemerken. Seine Masse war größer als meine, und fraglos bewahrte er Wärme etwa in der Art, wie eine Kaminverkleidung es tut; darüber hinaus wärmte ihn von innen heraus der eigene Ruhm. Er war der beste Chirurg seines Fachs, als solcher anerkannt von jedermann, dessen Ansicht zählte – wobei die Gefahr, dass seine Patienten sich beschweren würden, bei ihm geringer war als bei anderen, denn sie waren bereits tot. Sein Spezialgebiet waren die Angeschwemmten, Hinabgestoßenen, Exhumierten und Vergifteten Londons, all die armen Teufel, deren Todesursache als verdächtig eingestuft wurde. Er schnitt sie auf und studierte ihre Innereien, und ich nähte sie wieder zu, so gut wie neu oder doch nicht viel schlechter, und schrieb die Befunde für die Polizei auf.

»Ertrunken. Flusswasser in den Lungen. Aufgedunsen. Keine Anzeichen eines Kampfes. Keine Blutergüsse, Stichwunden oder Ligaturen. Das hier war keine Fremdeinwirkung. Haben Sie das alles?« Ich nickte zitternd, während ich zusammengekauert auf meinem Stuhl an dem klappbaren Schreibtisch saß. »Fraglos war er betrunken und ist von der Brücke gefallen. Ein Narr weniger auf der Welt.« Er warf einen Blick auf die Taschenuhr. »Bringen Sie das hier zu Ende, ja? Ich habe eine Einladung zum Abendessen.« Er zog sich den Mantel über und verschwand.

Der Name des Toten war Jack Flowers, vormalig wohnhaft in Ludgate Hill und erst sechsundzwanzig Jahre alt – etwa in meinem Alter also. Er war seit sechs Jahren verheiratet. Eine Sekunde lang verspürte ich einen Stich der Eifersucht.

Inzwischen war er nackt, aber gefunden hatte man ihn vollständig bekleidet. Er hatte am Kai bei Limehouse im Wasser getrieben, eine noch verkorkte Flasche Barclay’s Light Ale in der Jackentasche. Seine Brieftasche war durchweicht. Ich zählte fünf Pennies und eine Viertelpennymünze, was bedeutete, dass der Kahnführer, der ihn herausgefischt hatte, ungewöhnlich ehrlich war. Eine Postkarte war auch dabei, verblichen und durchscheinend feucht. Kein handschriftlicher Gruß, aber ich erkannte eine Abbildung von einem Strand mit zwei Damen, die unter einer reich verzierten Seebrücke hindurchpaddelten; darüber stand der Name »Southend-on-Sea«. Der arme Teufel, da hatte er nun von einem freien Tag draußen in der Sonne geträumt, und geendet hatte er stattdessen auf dieser Metallplatte, wo seine Brust sich entfaltete wie die letzte Rose des Sommers.

Ich fragte mich, ob er gewusst hatte, was geschah in diesen letzten Momenten: der Gestank des Schlicks in seiner Nase, das Klatschen der Themse gegen sein Gesicht, die rußgeschwärzten Kais und weit entfernten Menschen, außer Reichweite, außer Hörweite, und wie seine Arme ermatteten, als die Kälte ihn einhüllte.

»Ich hoffe bloß, du warst wirklich sturzbetrunken«, sagte ich.

Meine Stimme hallte von den Wänden wider, und mein Atem wurde zu Nebel. Jack Flowers hatte keinen Atem mehr. Mr. Hurst hatte seine Lungen entnommen und gewogen – dreißig Unzen Gewicht bei der rechten, sechsundzwanzig bei der linken –, bevor er sie der Leiche wieder in die Brust schob.

Er erinnerte mich an einen Bären, dieser Jack Flowers. Er hatte stämmige Knie, dicke Arme und lockiges schwarzes Haar, das sich von seinem Kopf und Gesicht ohne Unterbrechung hinunter zur Brust erstreckte, sich dicht um seine Rute drängte und über seine Beine und Füße ausschwärmte. Sogar auf den Zehen sprossen kleine Ausläufer aus Haar.

Ich notierte »männlich« in meinem Formularbuch.

Ich wusch den Retraktor im Spülbecken und hängte ihn an der Wand auf. Ich hatte jeden einzelnen Haken beschriftet, sodass alles seinen Platz hatte: Messschieber, Knochensägen, Lineal, Trokar, Scheren, Pinzetten, eine Reihe von Skalpellen jeder Größe. Das Wasser war eiskalt, und meine Hände waren aufgequollen und wund, als ich sie abtrocknete. Ich wünschte, ich hätte Handschuhe und eine dickere Weste und einen Schal, den ich mir um den Hals wickeln und verknoten konnte.

Ich legte Brieftasche und Schlüssel zur Seite, um sie später der Witwe aushändigen zu können. Alles andere kam in einem Stoß in den Korb für Gegenstände, die entweder verbrannt oder an die Armen verteilt werden würden. Das heißt, alles mit Ausnahme der Flasche Bier, die wahrscheinlich einer der Pedelle nehmen würde, ohne sich von der Tatsache schrecken zu lassen, dass sie in der Tasche eines Toten in der Themse getrieben hatte. Ich spülte sie im Becken ab, und dabei sah ich, dass etwas auf das Etikett geschrieben war. Ich schaute genauer hin und konnte ein einzelnes Wort entziffern: MERCY. Es kam mir merkwürdig vor, das Wort. Gnade warum und wofür? Die Flasche war noch voll, also war es vielleicht eine inständige Bitte an den Dämon Alkohol, ein letzter Versuch, abstinent zu werden, oder ein an Gott gerichteter Wunsch, ein Flehen um Vergebung. Was es auch war, es war nicht erhört worden.

»Fast geschafft jetzt, Jack.«

Beim ersten Stich ließ sich die Nadel mühelos durch den Pelz der Brusthaare schieben.

Als ich fertig war, schob ich ihn zurück in die Leichenhalle und machte mich auf die Suche nach Pallett, dem jungen Kerl, den die Polizei uns hergeschickt hatte, damit er eine Kopie des Berichts abholte. Jetzt am frühen Abend war es ruhig im Krankenhaus. Dies war meine Lieblingszeit – die meisten Ärzte und Chirurgen waren nach Hause gegangen, und die Schwestern konnten sich etwas ausruhen. Bis auf Weiteres bellte niemand sie an, sie sollten mehr Schienen beschaffen oder die Lampe genau dorthin halten, nein, doch nicht dort hin, sondern da.

Aus der Männerabteilung konnte ich Stimmen hören, ein leises Gemurmel, gelegentlich unterbrochen von einem Triumphschrei, wenn ein Dreierpasch zwei Gleiche geschlagen hatte. Sie warteten auf ihr Abendessen. Später, wenn sie satt waren, würde es dort lebhafter zugehen. Meinungsverschiedenheiten konnten aus dem Ruder laufen. Es wäre nicht das erste Mal, dass jemand an etwas anderem starb als an den Beschwerden, mit denen er eingeliefert worden war, und sich in einem meiner Berichte wiederfand.

Ich traf Pallett an der Schwesternstation an. Sie bestand aus einem Schreibtisch, einer Wandtafel und einer Reihe von Schränken dem Haupteingang gegenüber. Nurse Coften blickte auf und lächelte. Mit ihrer ruhigen Eleganz hatte sie etwas von einer verbannten Herzogin aus einem fernen Land.

»Sind Sie seinetwegen hier?« Sie zeigte mit dem Federhalter auf Pallett, der zusammengesackt an der Wand lehnte und verlegen aussah. »Er hat hier herumgehangen und auf Cecilia gewartet – Nurse Rasmussen, meine ich.«

Pallett wurde rot bis an die Ohren. »Tu ich nicht«, sagte er. »Irgendwo muss ich ja warten, oder vielleicht nicht?«

»Er hat jetzt eine Uniform«, fuhr sie fort, während sie mit dem Federhalter von oben nach unten zeigte, um die Beobachtung zu illustrieren. »Er glaubt, sie wird beeindruckt sein.«

Die Uniform mochte für Pallett noch neu sein, aber neu war sie nicht. Der Helm saß oben auf seinem Kopf wie eine Kirsche auf dem Kuchen, und die Jacke war vor ihm schon von mehr als einem Mann getragen worden. Sie war zu klein für seine massige Gestalt, mit unterschiedlichen Knöpfen und einem Fleck, der möglicherweise Blut war. Aber nichtsdestoweniger war sie äußeres Zeichen seines Aufstiegs vom Lehrling in die Reihen von Her Majesty’s Constabulary beim dritten Versuch – ein Erfolg, von dem ich nicht mehr recht geglaubt hatte, dass er sich je einstellen würde. Pallett war ein ehrlicher Kerl, aber eine Leuchte war er nicht. Sie schickten bei der Polizei nicht ihren besten Mann los, um von meinesgleichen Berichte über ertrunkene Säufer einzuholen.

Ich las ihm den Bericht vor, was eine volle Minute in Anspruch nahm.

»Die Angehörigen sind in der Kapelle.« Nurse Coften zeigte mit ihrem Federhalter in die betreffende Richtung, während sie uns über den Rand ihrer Brille hinweg musterte. »Die Witwe wird Bescheid wissen wollen.«

»Aber ist das denn nicht Aufgabe des Krankenhauses, es ihr zu sagen?«, protestierte Pallett. »Es war doch kein Verbrechen!«

»Nein. Er wurde im Auftrag des Coroner hier untersucht. Er ist Ihre Verantwortung, nicht unsere. Was würde Miss Rasmussen denken?«

Er knickte ein. »Aber ich weiß nicht, was ich denen sagen soll.«

»Sagen Sie ihnen, dass es ein Unfall war. Sagen Sie, er ist in den Fluss gefallen – es war kein Verbrechen. Er wurde nicht niedergeschlagen oder ausgeraubt. Das ist es, was sie wissen wollen.«

»Und geben Sie ihnen das hier«, fügte ich hinzu. »Schlüssel und Brieftasche. Und sagen Sie ihnen außerdem, dass er keine Schmerzen erdulden musste.«

»Stimmt das?«

»Wahrscheinlich nicht, aber es wird sie trösten.«

Er nickte und strich sich über den Schnurrbart. Trotz seiner Größe war sein Schnurrbart ein dünner Flaum. Selbst ich hätte Besseres zustande gebracht. »Ertrunken, nicht niedergeschlagen, kein Verbrechen, keine Schmerzen.«

»Ganz genau. Sie machen das fabelhaft.«

Er rührte sich immer noch nicht von der Stelle. Nurse Coften und ich wechselten einen Blick. »Ich habe...

Erscheint lt. Verlag 1.10.2021
Reihe/Serie Ein Fall für Leo Stanhope
Ein Fall für Leo Stanhope
Übersetzer Christine Gaspard
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 19. Jahrhundert • besonderer Ermittler • britische Krimis • englische Krimis • Gerichtsmedizin • Historische Kriminalromane • Historische Krimis • historische Krimis England • historische Romane 19. Jahrhundert • historische Romane England • historische Romane London • Historische Romane Serie • historische Romane viktorianische Zeit • historische thriller • Krimi Großbritannien • Krimi historisch • krimi london • Kriminalromane Serien • krimi reihen • Krimis aus England • Krimis und Thriller • Leo Stanhope • London • Menschenhandel • Mord • Mordfall • Prostitution • Queen Victoria • Rosie Flowers • Themse • Viktorianischer Krimi • viktorianisches England
ISBN-10 3-426-45914-0 / 3426459140
ISBN-13 978-3-426-45914-0 / 9783426459140
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