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Frau Morgenstern und die Verschwörung (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
336 Seiten
Grafit Verlag
978-3-89425-785-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Frau Morgenstern und die Verschwörung -  Marcel Huwyler
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Auftragskillerin Violetta Morgenstern ist eine Frau mit Prinzipien. Davor ist auch der Vatikan nicht gefeit ... Violetta Morgenstern, Pensionärin mit Vorliebe für kreative Selbstjustiz, erhält einen heiklen Auftrag im Namen des Staates: Mit ihrem Kollegen, dem Ex-Söldner Miguel Schlunegger, soll sie einen Kardinal aus dem Vatikan eliminieren. Der Grund: topsecret. Doch ein Attentäter kommt den beiden zuvor. Wer außer ihnen hat sonst noch Interesse am Tod des ranghohen Geistlichen - und vor allem warum? Das mörderische Duo stöbert in den finsteren Ecken der heiligen Hallen und kommt einem jahrhundertealten Geheimnis auf die Spur, das so ungeheuerlich ist, dass die Weltgeschichte neu gedacht werden muss.

Marcel Huwyler wurde 1968 in Merenschwand/Schweiz geboren. Als Journalist und Autor schreibt er Reportagen über seine Heimat und Geschichten aus der ganzen Welt. Er lebt in der Zentralschweiz. www.marcelhuwyler.com

Marcel Huwyler wurde 1968 in Merenschwand/Schweiz geboren. Als Journalist und Autor schreibt er Reportagen über seine Heimat und Geschichten aus der ganzen Welt. Er lebt in der Zentralschweiz. www.marcelhuwyler.com

1


Der Mann Gottes fuhr, als wäre der Teufel hinter ihm her.

War der ja auch.

Der Mann Gottes war morgens um halb vier, nach der dritten schlaflosen Nacht voller Endzeitgedanken und Panikattacken, aufgestanden, hatte zivile Kleidung angezogen, eine Reisetasche gepackt und sein Laptop sowie einen dicken Packen Papier in einen kleinen Rollkoffer gesteckt. Das Apartmentgebäude an der Casa Santa Rita Numero 66, in dem sich seine Dienstwohnung befand, verließ er durch einen Nebenausgang, vor dem um diese Zeit kein Gardist wachte. Während des kurzen Fußmarschs zum unterirdischen Parkhaus am Ende der Via San Bartolomeo klemmte er sein Rollköfferchen unter den linken Arm, damit die Räder auf dem Kopfsteinpflaster keinen Lärm verursachten. Als ranghoher Geistlicher in seiner Position stand ihm eine Limousine samt Chauffeur zur Verfügung, die er für seine Geschäftsfahrten täglich nutzte. In seiner Freizeit hingegen steuerte er gern auch einmal selbst eines der kleineren, schnittigeren Autos, die zum Fuhrpark gehörten.

Mit der Schlüsselkarte öffnete er die Lifttür zum Parkhaus und fuhr vier Stockwerke in die Tiefe, wo er sich an einem Bildschirmterminal per Code einen Fiat Abarth buchte. Eine italienische gelbe Rennkugel mit wenig Platz, angenehmen Extras und zu vielen PS. Das Navigationsgerät ließ er ausgeschaltet, den Weg kannte er auswendig. Zweimal im Jahr reiste er von Rom ins Klosterdorf St. Michael in den Schweizer Bergen, im Januar für einen zehntägigen Skiurlaub und dann für drei Wochen Ende Juli, wenn ihn die Hitze in Rom schier umbrachte. Und ans Fegefeuer erinnerte.

Normalerweise benötigte er für die Strecke achteinhalb Stunden. Jetzt, bei Nacht, wenig Verkehr und zunehmendem Verfolgungswahn, würde er es in sieben schaffen. Oder in noch kürzerer Zeit, denn er fuhr schnell, viel zu schnell, als trieben ihn seine rasenden Gedanken vor sich her. Er musste rasch handeln, musste binnen weniger Tage erschaffen, was er sich ausgedacht hatte. Sein Plan war so genial wie verzweifelt. Aber nur so konnte er sie aufhalten – und seinen eigenen Tod abwenden.

Kurz vor Parma hielt er an einer Raststätte, tankte Benzin und zwei doppelte Espresso und kaufte eine Sechserpackung Energydrinks, die ihn auf dem letzten Streckenabschnitt vor dem Sekundenschlaf bewahren sollten. Die drei schlaflosen Nächte in Folge machten sich bemerkbar. Ein nadelnder Schmerz im Hinterkopf, grollende Eingeweide und juckende Augen, als würden Sandkörner zwischen Pupillen und Lidern zerrieben. Und er sah alles giftgelb. Ja, die Welt hatte eine giftgelbe Tönung.

Wahnsinn war giftgelb.

Einen Moment lang war er versucht, auf der Raststätte ein Nickerchen zu halten, ganz kurz nur, doch Angst und Auftrag trieben ihn weiter. Sein Verschwinden musste bald bemerkt werden. Tauchte er um acht nicht im Büro auf, würde sein Erster Sekretär Ignazio ihn auf dem Festnetz anrufen, feststellen, dass er nicht in der Wohnung war, in keiner Konferenz, in keiner Audienz und auch nicht an sein privates Handy ging. Also würde Ignazio, wie es das Notfallprotokoll verlangte, den internen Servizi Segreti verständigen und der wiederum ein paar wichtige Akteure in hohen Positionen. Und von dort würde die Information bald auch seine Organisation erreichen. Meine eigenen Leute, dachte er und musste gegen seinen Willen grinsen. Dann ginge es schnell. Sie würden die Log-ins seiner Schlüsselkarte auswerten, die Buchung des Fiat entdecken, seine Biografie checken und mit dem Bewegungsmuster seines Normjahrs abgleichen, eins und eins zusammenzählen – und unverzüglich ein Team losschicken. Richtung Schweiz.

Im Schritttempo passierte er die Grenze bei Chiasso. Der italienische Zöllner stutzte, salutierte und winkte ihn mit feierlicher Geste durch. Dessen Schweizer Kollege auf der anderen Seite des Schlagbaums erstarrte ebenso und betrachtete ehrfürchtig das Nummernschild, das mit den Buchstaben SCV begann. Ein päpstliches Dienstfahrzeug außerhalb von Vatikanstadt sah man nicht alle Tage.

Kurz vor Mittag erreichte er den Ort St. Michael und das Benediktinerkloster. Es war ein hellblauer Tag. Er inhalierte tief, genoss Würze, Frische, Reinheit. Warum, fragte er sich, riecht Bergluft immer unschuldig?

Hier war er als Junge elf Jahre zur Schule gegangen und hatte im Internat gewohnt. Seither war er mit Haus und Ordensleuten freundschaftlich verbunden und betrachtete St. Michael als seine zweite Heimat.

Pater Magnus versah an diesem Tag den Pfortendienst. Als er den unangemeldeten Besucher erblickte, schoss er vom Bürostuhl auf. »Eure Eminenz, niemand hat uns Ihr Kommen angekündigt, sonst hätten wir Vorbereitungen getroffen.«

»Ein spontaner Besuch, lieber Magnus. Mir war plötzlich danach.« Er versuchte ein Lächeln und hoffte, dass ihm sein Gegenüber nicht anmerkte, wie es in ihm drin aussah. Dass sein Verstand kurz vor der Kernschmelze stand. Und der Teufel hinter ihm her war. Die Teufel.

Er war ja auch einer von ihnen.

***

»Hallo, Mama, ich bin’s, Violetta.«

Sie kauerte sich vor den Ohrensessel mit dem roten Samtbezug und umfasste Mutters Hände, die einst zierlich waren und jetzt verdorrt und gefaltet in deren Schoß lagen, als würde sie beten.

»Was hattest du denn zum Frühstück?«, fragte Violetta Morgenstern, wohl wissend, dass man der Einundneunzigjährigen, die mittlerweile gar vergessen hatte, wie man schluckte, eine Nährlösung zugeführt hatte. »Weißt du noch, wie du mir und Papa früher an Sonntagen deine fluffigen Pancakes gebacken hast? Und wir so viel Ahornsirup darüber gossen, bis du schimpftest, wir würden das Zeug ja ertränken?« Sie strich ihr langes silbernes Haar zurück und lachte auf jene überbordende Art, wie Menschen es tun, denen nicht zum Lachen zumute ist.

Elisabeth Morgenstern saß da wie eine brüchig gewordene Wachsfigur und schaute mit zugefrorenen Augen weltvergessen ins Nirgendwo.

»Es ist schön, Mama, dass du da bist.«

Nichts ist so schwer zu ertragen wie ein geliebter Mensch mit verloschener Persönlichkeit und leer geräumtem Gedächtnis.

Vierunddreißig Jahre lang hatte Violetta Morgenstern ihre Eltern für tot gehalten, verunglückt und bis zur Unkenntlichkeit verbrannt bei einem Autounfall. Dann – das war erst ein Dreivierteljahr her – hatte sie erfahren, dass ihre Mama und ihr Papa seinerzeit Teil einer Geheimoperation des Schweizer Nachrichtendienstes waren, aus Sicherheitsgründen »sterben« mussten, darum untertauchten und mit neuer Identität versehen weiterlebten. Ohne dass ihre Tochter davon wusste, es hätte sie in Todesgefahr gebracht. Während Josef Morgenstern ein paar Jahre später bei einem Bergunfall tatsächlich ums Leben kam, lebte seine Frau all die Jahre weiter. Ende letzten Sommers traf Violetta ihre Mama zum ersten Mal wieder. Ein pensionierter Bundesagent, damals für die Operation verantwortlich, hatte Mutter und Tochter zusammengeführt. Hier, im Haus Flurpark, einem Pflegeheim für Menschen mit schwerer Demenz.

Vierunddreißig Jahre … Violetta hatte ihrer Mama so viel zu erzählen, hatte so viele Fragen. Es würde keine Antworten mehr geben. Was zählte, war nur noch der Moment, das unmittelbare Hier und Jetzt, und Violetta war klar, dass es auch sehr bald kein Morgen mehr geben würde.

Sie sah ihre Mama jeden zweiten Tag, meist schaute sie in der Frühe vorbei, auf ihrem Weg zur Arbeit. Die Besuche stimmten sie traurig und glücklich zugleich. Sie war nun wenigstens nicht mehr die einzige Morgenstern auf dieser einsamen Welt.

»Guten Morgen, Violetta. Der Frühling kommt. Schönes Kleid heute, gefällt mir. Wie fandest du den ›Tatort‹ gestern im Fernsehen? Deine Mutter hatte eine ruhige Nacht.« Violetta kannte niemanden, der Sätze und Themen so naht- und atemlos aneinanderreihen konnte wie Erika Pfrunder. Sie war die für Mutter Morgenstern hauptverantwortliche Schwester. Streng genommen stand »Pflegefachfrau« in ihrem Arbeitsvertrag, im Haus Flurpark war jedoch der gute alte Titel »Schwester« noch immer beliebt. Womöglich weil das familiärer klang.

Schwester Erika tunkte einen kleinen Frotteelappen in eine Tasse und betupfte damit die Lippen der Patientin. »Eisenkrauttee. Ich habe herausgefunden, dass deine Mama den besonders mag.«

»Herausgefunden? Wie denn? Ich meine, sie zeigt doch überhaupt keine Reaktion.«

»Aber hallo, so was spürt man.« Schwester Erika hatte oft diesen halb belustigten, halb gespielt entrüsteten Blick drauf. Ihre Art, mit der bitteren Situation der Patienten umzugehen.

Violetta war keine, die vorschnell Bekanntschaft schloss, Freundschaft schon gar nicht. Mit Schwester Erika hatte sie sich dagegen von Anfang an gut verstanden, was primär daran lag, dass niemand ihrer Mama näherstand als die eigentlich wildfremde Frau.

Erika Pfrunder war Anfang dreißig, nicht besonders groß, füllige Figur, blasser Hautton, das karamellblonde Haar keck kurz geschnitten. Und sie hatte das teigige Gesicht eines verwunderten Kindes. Mit ihrem Aussehen und der pludrig geschnittenen Dienstkleidung in Pastellpistazie erinnerte sie Violetta ein wenig an eines dieser »Pac Man«-Geistchen aus dem Videospiel der 1980er-Jahre.

»Na, Erika, wie ist das Wetter heute im Staate Illinois?«

»Bewölkt bei fünfzehn Grad.«

»Missouri?«

»Sonnige einundzwanzig Grad.«

»Und wo ist es am schönsten?«

»In Arizona, ganz klar. Herrliche dreißig Grad.«

»Du schaust dir tatsächlich jeden Morgen Route und Wetter im Internet an?«

»Hab neuerdings eine amerikanische Meteo-App auf meinem Handy. Träumen darf man ja.«

Erika und ihr Mann besaßen ein schweres Motorrad und sparten seit Jahren...

Erscheint lt. Verlag 28.9.2021
Reihe/Serie Frau Morgenstern
Frau Morgenstern
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Auftragskillerin • Auftragsmörderin • bissig • bissige Dialoge • Frau Morgenstern • Killerministerium • Kriminalroman • Mitreissend • Mordanschlag • mordende Rentnerin • Schwarzer Humor • Schweiz • Schweizer Krimi-Autor • Skurill • spannend • Vatikanbank
ISBN-10 3-89425-785-7 / 3894257857
ISBN-13 978-3-89425-785-9 / 9783894257859
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