Möbiusschleife (eBook)
321 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-7531-7350-4 (ISBN)
Marc Mandel wurde 1948 geboren. Er war jahrelang als Rockmusiker, Discjockey und Hotelpianist unterwegs. Da-neben schrieb er Rezensionen, Kolumnen, Glossen. Auf dem zweiten Bildungsweg erwarb er das Abitur; anschließend studierte er Philosophie und Germanistik. Seit zwanzig Jah-ren arbeitet er als Kulturjournalist, vor allem für das 'Darmstädter Echo'. Monografien: Mädchenlieder (2014, vergriffen), Morden (Short Stories 2014), Machen (Schreibfibel 2016), Machen 2.0 (Gedichtfibel 2019) - alle im chiliverlag. Er ist Herausgeber des Weihnachtsbuches 'Dichter-Lichter' der Autorengruppe Coortext (erschienen bei BoD 2020). Mehr Informationen finden Sie unter www.MarcMandel.Net.
Marc Mandel wurde 1948 geboren. Er war jahrelang als Rockmusiker, Discjockey und Hotelpianist unterwegs. Da-neben schrieb er Rezensionen, Kolumnen, Glossen. Auf dem zweiten Bildungsweg erwarb er das Abitur; anschließend studierte er Philosophie und Germanistik. Seit zwanzig Jah-ren arbeitet er als Kulturjournalist, vor allem für das 'Darmstädter Echo'. Monografien: Mädchenlieder (2014, vergriffen), Morden (Short Stories 2014), Machen (Schreibfibel 2016), Machen 2.0 (Gedichtfibel 2019) – alle im chiliverlag. Er ist Herausgeber des Weihnachtsbuches 'Dichter-Lichter' der Autorengruppe Coortext (erschienen bei BoD 2020). Mehr Informationen finden Sie unter www.MarcMandel.Net.
»Morgen Abend reden wir ausführlich drüber.«
»Wie bist du an das ‚Frischfleisch‘ ’rangekommen?«
»Zufall. In der vorigen Woche, am Mittwochabend, fuhr ich unseren Chef in ein Hotel. Sie erwartete ihn an der Tür. Die
‚Freie Post‘ hat dort ein Zimmer fest gemietet, für Konferenzen. Auch falls im Restaurant kein Platz ist. Spielt momentan keine Rolle, weil das Restaurant eh geschlossen ist.«
»Kennst du sie?«
»Vom Sehen. Dafür ihren Mann. Während der am Mittwoch seelenruhig im Büro arbeitete, lieh sich der Boss die Frau aus. Und was für eine. Figur eines Models. Mit einem atemberaubenden Vorbau, bei einem unschuldigen Ge-sichtchen. Zu frisch für so einen Knochen. Bestimmt verdorben – wenn sie sich mit dem Boss einlässt. Der ist zwanzig Jahre älter als ich. Sie absolut knusper. Kann ich nicht Nein sagen. Ich glaub‘, Bianca heißt sie.«
»Ich drücke dir die Daumen. Erzähl‘ mir morgen, wie es war.«
»Muss los.« Jonas klemmte sich eine Perle in das linke Nasenloch.
»Wirkt fast wie ein Nostril-Piercing.«
»Soll so sein.«
»Was ist mit deinem Kollegen, dem Mann dieser Bianca?«
»Max schwitzt im Spätdienst. Kommt frühestens um halb elf nach Hause. Auf der anderen Seite ist der selbst überall am Baggern.«
Flo streckte den Daumen in die Höhe.
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Maike Mainwald betrat um acht Uhr den Platz vor dem
‚Café Möbius’ an der Lindenhofstraße. Anfangs war sie unsicher, ob das der Platz war, den sie kannte: Dass die Fläche so groß war, merkte man erst, wenn keine Tische aufgestellt waren. Die Sitzmöbel standen zusammenge-klappt an der Hauswand. Das Eckhaus war hingegen un-verkennbar. Maikes Blick wanderte über die verlassene Terrasse an der Riedlinger Straße. Parkplätze ohne Ende.
Deshalb schlug sie diesen Treffpunkt vor.
In diesem Augenblick kam Jacqueline Korck von der Seite.
Sie war so alt wie Maike, trotzdem wirkte sie wie ein Mädchen. Ihre kurzen roten Haare umrahmten ein fröhliches Gesicht voller Sommersprossen. Jacqueline trug abgeschnittene Jeans zu einem ärmellosen Oberteil. Sie umarmten sich; schließlich sahen sie sich erst am Nachmittag.
Dadurch waren sie praktisch Familienmitglieder.
»Wir sind drin, Maike. Um fünf aufgestanden. Um sechs kam der Umzugswagen. Mit zwei kräftigen Freunden von Norbert.«
»Ging alles glatt?«
»Im Leben nicht. Wir mussten doch zu dem Konzert um zwei. In dieser Zeit klotzten die anderen trotzdem ‘ran.
Seit drei Stunden ist die Tür geschlossen. Fünfte Etage. Der Aufzug lief wie ein Uhrwerk. Unfassbar. Unser Bett ist frei-geräumt. Morgen bringen die Schwiegereltern die Kinder.
Das Telefon funktioniert. Das WLAN schließt Norbert gerade an. Die anderen bauen Möbel auf. Ich bin kurz hierher geflüchtet, weil du mir das Handy geben willst. Zwei Minuten zur U-Bahn. Schöne Aussicht. Eine Irrsinnsadresse. Da wohnte vor zweihundert Jahren Arthur Schopenhauer. Das verdanken wir alles dir.«
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»Ich lieh dir Geld. Das hätte dir fast jeder gegeben, wenn du so ein Objekt kaufst.«
»Ohne Eigenkapital keine Hypothek. Wir mussten zwanzig Prozent anzahlen. Niemand hätte mir die hunderttausend Euro dafür gegeben. Dabei wollte ich unbedingt, dass Mia-Emily im August in diese Musterschule kann. Für Julian fand ich schon einen Kindergartenplatz. Lange Straße, gerade um die Ecke.« Sie wies auf einen Toyota in der Riedlinger Straße. »Dies ist übrigens das Auto, das dein Vater mir vor drei Jahren kaufte.«
»Darüber sprachen wir schon. Hoffentlich hält es noch lange. Ich half euch gern. Das Geld war von meiner Erbschaft übrig, weil ich das Häuschen der Großmutter auf der Schwäbischen Alb verkaufte. Die ETW in der Liebfrauenstraße war bezahlbar.« Sie überreichte ihr eine Trageta-sche. »Hier ist mein I-Phone. Ich habe es ausrangiert, weil ich alle zwei Jahre ein Neues bekomme. Wie ich vorhin sagte. Das Netzteil ist dabei. Das Handbuch findest du im Internet.«
»Danke, dass du mich gefragt hast. Das ist lieb von dir.
Norbert wartet bereits mit der SIM-Karte. Mein altes Telefon hat zehn Jahre auf dem Buckel. Was macht die Arbeit?«
»Sie sind Maike Mainwald, oder?« Eine kleine Frau stand vor ihnen. Mitten auf dem Platz. Um die vierzig, Nickelbrille, knallenge Jeans, hochhackige Stiefel, Schultertasche aus weißem Leder, schwarzer Bob, Zigarette in der Hand.
Maike schaute sie an: »Erraten – wer sind Sie?«
»So sind Sie mir beschrieben worden. Die Frau in Schwarz mit dem weißen Ampera. Kam zufällig vorbei. Gestatten Sie: Silke Mehringhausen, ‚Freie Post‘, Lokal-Ressort. Entschuldigen Sie mein Eindringen in Ihr Gespräch. Sie expe-dierten mir am Freitag das Foto des Landrates.«
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»Stimmt. Wir kennen uns allein vom Telefon. Ich weiß nun, wie Sie aussehen. Was war mit dem Bild?«
»Grundsätzlich: Es ist brauchbar. Ich bitte Sie dagegen, mir zukünftig mindestens drei Bilder eines Termins zu schicken. Die Redakteure wählen lieber selbst aus. Schönen Abend.« Warf ihre Kippe auf die Straße, nahm ein Zigaret-tenpäckchen aus der Tasche, steckte sich eine Neue an, stakste mit klackernden Absätzen davon.
»Was ist denn das für eine Ziege, Maike?«
»Die sah ich zum ersten Mal. So viel zu deiner Frage, was die Arbeit macht. Ich bin Dienstleisterin. Das bedeutet: Ich kann mir die Abnehmer nicht backen. Als Freiberuflerin musst du dich ständig bewegen, um deine Arbeitskraft zu verkaufen. Selbst schuld. Gibt es Neues von Jakup Kacpar?«
»Am Samstag war ich bei deinem alten Herrn im Hospiz.
Wer weiß, wie lange er mich noch erkennt. Es ist unfassbar traurig, wie so ein gebildeter Mann seinen Verstand verliert. Der Arzt meint, man müsste auf alles gefasst sein.«
»Ich weiß. Wie läuft denn seine Firma?«
»Seit er krank ist, höre ich nichts aus dem Geschäft. Im November hat er sein Büro ausgeräumt. Danach blieb ich zu Hause.«
»Er überschrieb mir alles. Ich war bei einer sogenannten Gesellschafterversammlung beim Notar. Statt seiner wurde ich beim Amtsgericht als Geschäftsführerin eingetra-gen. Alleinvertretungsberechtigt. Hört sich gut an, oder?
Dabei habe ich keinen blassen Schimmer vom Immobiliengeschäft. Am Dienstag besuche ich seinen Compagnon.
Bei euch in Frankfurt.«
»Viel Spaß. Den mag ich nicht. Bestimmt kannst du besser mit ihm. Wenn du Näheres über den Ablauf im Geschäft 95
wissen willst, ruf‘ mich an. Ich erledigte alles Mögliche für Jakup Kacpar.«
»Danke. Wie kommst du denn finanziell zurecht, Jacqueline?«
»Das Geld fehlt mir, um ehrlich zu sein. Ich wollte den Umzug abwarten. Nächste Woche beginne ich mit der Jobsu-che. Hoffentlich nützt mir einer meiner Abschlüsse. Sonst gehe ich zu McDings.«
»Du hast Sozialpädagogik studiert. Danach Design. Passt bestimmt. Du wirst sehen.«
»Ob du ‘was hörst, in einem deiner Pressehäuser oder Verlage?«
»Bei den Printmedien sieht es momentan eher mau aus.
Ich stelle mich am Mittwoch einem Filmproduzenten vor.
Du lachst. Der sucht eine Kamerafrau. Dort arbeitet Sabine Klaarens, eine Bekannte. Ist mit Anja Seffken befreundet, der Künstlerin von heute Mittag. Sabine erzählte mir, dass sie für Museen arbeitet. Irgendwo gibt es da bestimmt einen Job für dich. Sobald ich etwas höre, sage ich Bescheid. Ich fahre gleich noch mal nach Kranichstein. Dort treffe ich Anja. Ich will ihr und Luisa beim Zusammenpa-cken helfen.«
»Danke, dass du das tust. Ich muss nach Hause. Sonst wären wir selbstverständlich ebenfalls dabei.«
»Ich will endlich deine Holzfiguren fotografieren. Wann darf ich euch denn in der neuen Hütte heimsuchen?«
»In vierzehn Tagen starten wir eine house-warming party.
Für dich. Eine Kollegin von Norbert kommt dazu. Die Um-zugshelfer ebenfalls. Ich hoffe, das ist bis dahin erlaubt.
Jedenfalls soll inzwischen alles soweit sein. Ich koche indisch, Norbert spielt Klavier, die Kinder geben sich ebenfalls Mühe.«
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Kurz nach halb neun empfahl Jonas Barkendorffs Naviga-tionsgerät, links abzubiegen. Der Nachrichtensprecher mischte sich ein: Explosion im Europäischen Raumfahrtzentrum. Barkendorff würgte das Radio ab. Sein Ziel lag links. Ein Hochhaus. Nirgends eine Parkfläche. Er schaltete den GPS-Empfänger aus, drehte um, fand schließlich einen freien Platz in der Bartningstraße.
Maximilian Schellfisch würde frühestens in zwei Stunden hier sein. Das sollte reichen.
Jonas überlegte. Ob er ihr Eifersucht vorspielen sollte?
Einen dummen Spruch ‘reindrücken, vom Shit, vom Alk, von seiner Schwester oder so? Müsste mit dem Teufel zu-gehen, wenn er am Abend nicht XXX in sein virtuelles Ta-gebuch tippte.
Barkendorff griff nach dem Hut auf dem Beifahrersitz. Er ging nach hinten, um das Sakko auszuziehen. Schließlich überlegte er es sich anders. Warf beides in den Kofferraum. Er schob einen Arm in eine Lederjacke, zögerte, griff schließlich nach dem Aufhänger. Die Jacke warf er sich über die Schulter. Jonas drückte auf den Klingelknopf mit dem Namen ‚Schellfisch‘.
Fünfzig Meter höher drehte Bianca Schellfisch den Ton des Fernsehers auf null.
Eine unbekannte Stimme quäkte aus der Sprechanlage.
»Ich bin Jonas Barkendorff von der ‚Freien Post‘. Kann ich Ihren Mann sprechen?«
»Max ist im Dienst.«
»Darf...
Erscheint lt. Verlag | 9.3.2021 |
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Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
Literatur ► Lyrik / Dramatik ► Dramatik / Theater | |
Schlagworte | coortext • Corona • Erotikthriller • Griesheim • Krimi • Mandel • Möbius |
ISBN-10 | 3-7531-7350-9 / 3753173509 |
ISBN-13 | 978-3-7531-7350-4 / 9783753173504 |
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Größe: 1,6 MB
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