Mord in der Mittsommernacht (eBook)
383 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-76886-9 (ISBN)
Ein Antiquitätenhändler wird tot am Strand von St. Kilda aufgefunden - war es Mord oder Selbstmord? Phryne Fishers Spürsinn ist gefragt. Und als wäre das nicht genug, soll sie noch ein illegitimes Kind ausfindig machen, dem ein großes Erbe winkt. Trotz der nicht endenwollenden Hitzewelle, die Melbourne heimsucht, heißt es nun, einen kühlen Kopf zu bewahren. Unerschrocken, mit Charme und Chuzpe nimmt Phryne Fisher die Ermittlungen auf und muss sich dabei mit unliebsamen englischen Aristokraten, dubiosen Geisterbeschwörern und allerlei merkwürdigen Gestalten herumschlagen ...
Glamourös, klug und unabhängig, eine moderne Frau und eine gewitzte Detektivin - das ist Miss Phryne Fisher. Die wohlhabende englische Aristokratin lässt sich in den wilden 1920er Jahren in Melbourne nieder, wo sie ihr Single-Dasein in vollen Zügen genießt - und nebenbei einen Mordfall nach dem anderen löst. Nicht immer zur Freude der örtlichen Polizei.
<p>Kerry Greenwood<strong>,</strong> geboren 1954 in Maribyrnong City, Australien, studierte Rechtswissenschaften und englische Literatur. Sie arbeitete als Rechtsberaterin für die Victoria Legal Aid und als Bewährungshelferin. Aus Leidenschaft für Literatur begann sie zu schreiben. Sie verfasst historische, Fantasy- und Kriminalromane und wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. 2003 mit dem Ned Kelly Award für ihre Kriminalromane. Kerry Greenwood lebt in Melbourne.</p> <p>Die überaus erfolgreiche Reihe um die lebenslustige Amateurdetektivin Phryne Fisher wurde für das australische Fernsehen in mehreren Staffeln verfilmt: <em>Miss Fishers kuriose Mordfälle</em> wurde weltweit ausgestrahlt, in Deutschland über netflix und ARD ONE.</p>
1
Auch wenn der Weg von Schmerz begleitet ist,
der schwaches Fleisch vor bittrer Well sich fürchten lässt?
Edmund Spenser
The Faerie Queene
Dabei hatte der Tag so erbaulich angefangen …
Das Jahr 1929, das gewissermaßen noch in den Kinderschuhen steckte, benahm sich ausgesprochen manierlich und zeigte sich von seiner besten Seite. Der Himmel war blau, die Luft war lau, und dass die sanfte Brise in St. Kilda nach Zuckerwatte und schalem Bier roch, konnte man dem neuen Jahr nun wirklich nicht vorwerfen. Nach ihrem morgendlichen Bad im kühlen Nass des Meeres hatte Phryne Fisher ihren exquisit geformten Körper unter der heißen Dusche mit duftend schäumender Kiefernnadelseife verwöhnt, mit einem flauschig weichen Handtuch trockengetupft und sich anschließend zum Frühstück niedergelassen. Zubereitet von Mrs Butler, dieser Perle von einer Köchin, und serviert von Mr Butler, diesem Juwel des Butlerberufs, bestand es unter anderem aus getoastetem Baguette mit hausgemachter Zitronenbutter und echtem Bohnenkaffee aus echten Kaffeebohnen – nicht aus einem Konzentrat aus der Flasche, auf deren Etikett das Konterfei eines Mannes mit einem Fez auf dem Kopf prangte.
An diesem sonnigen Morgen gingen die Mitglieder von Phrynes kleinem Haushalt in stillem Fleiß ihren jeweiligen Aufgaben nach. Ihre beiden Adoptivtöchter Ruth und Jane klebten im Wohnzimmer Rezepte in einen Ordner, ihre Vertraute Dot saß unter dem Jasmin im Garten und stopfte Strümpfe. Der schwarze Kater Ember jagte Spatzen, und Molly, die kleine schwarz-weiße Hündin, bewachte die Küchentür. Für den mehr als unwahrscheinlichen Fall, dass sich ein Einbrecher am helllichten Tag ins Haus stehlen wollte, bekäme er es mit ihr zu tun. Gleichzeitig konnte Molly auf ihrem Posten ein wachsames Auge auf die Köchin halten, deren Großzügigkeit in Sachen Leckerlis in Hundekreisen legendär war.
Mr Butler brachte das Weinkellerbuch auf den neuesten Stand, eine seiner Lieblingsbeschäftigungen. Ein Tablett mit Gläsern stand bereit, falls es Miss Phryne plötzlich nach einer Erfrischung gelüsten sollte. Der Krug Citron pressé wartete schon in dem neumodischen amerikanischen Kühlgerät, zusammen mit geraspeltem Eis, Zitronenscheibchen und Pfefferminzstängeln.
Phryne arbeitete im Salon an der Gästeliste für ihre Geburtstagsfeier. Am dreizehnten Januar wurde sie neunundzwanzig. Ein Alter, das nachdenklich machte und in dem die meisten Frauen längst verheiratet waren und Kinder in die Welt gesetzt hatten, glücklich in einem Haus im Grünen samt Ehemann und Tennislehrer. Während sie nach einer türkischen Zigarette und dem Feuerzeug griff, erhaschte sie einen Blick auf ihr Spiegelbild. Sie sah eine kleine junge Frau mit knabenhafter Figur in einem Hauskleid in Scharlachrot und Gold, das Haar, so schwarz wie Krähengefieder, zu einer haubenartigen Frisur geschnitten, die zu beiden Seiten des Gesichts in einer kecken modischen Spitze auslief. Ihr Teint war hell, die Lippen rot, die Augen strahlend grün.
»Du siehst nicht wie neunundzwanzig aus«, sagte sie. »Du bist eine Schönheit!«
Sie warf der gespiegelten Phryne eine Kusshand zu und läutete nach ihrer zitronigen Erfrischung.
Kaum hatte Mr Butler das Tablett mit dem eisgekühlten Krug hereingebracht, klingelte es an der Haustür, so heftig und laut, dass Dot im Garten zusammenzuckte und sich in den Finger stach, dass Jane der Leimtopf aus der Hand fiel – und Mrs Butler ein Hühnerei. Es zerschellte auf den Küchenfliesen und wurde von der dankbaren Molly ruck, zuck aufgeschlabbert. Ember schimpfte den Spatzen hinterher, die aufgeregt davonflogen.
Mr Butler, der eilig zur Tür gehuscht war, meldete den Besuch von »Miss Eliza und einer … Person.«
»Na gut«, seufzte Phryne. Ihre Schwester Eliza, die sich mit Haut und Haaren der Wohlfahrt verschrieben hatte, schleppte ihr manchmal die rätselhaftesten Fälle ins Haus, stolz wie ein Irish Terrier, der eine tote Ratte apportiert. Doch weil Phryne ihre Schwester trotzdem sehr gern hatte, stand sie auf, um die Gäste zu empfangen.
Eliza war eine mollige, lebhafte Adelstochter, eine glühende Sozialistin und eine Frau, der der Anspruch auf den Titel »Trägerin der hässlichsten Hüte der Welt« allein von ihrer Seelenverwandten Lady Alice Harborough streitig gemacht werden konnte. Das Exemplar des Tages bestand aus struppigem, gelbem Stroh und saß ihr wie ein Kerzenlöscher auf dem Kopf. Ein Mensch, der weder einen Funken Kunstsinn noch einen Hauch Scham besaß, hatte sich erdreistet, das Monstrum auch noch mit einer durch eine Bakelitnadel daran befestigten getrockneten Hortensienblüte zu verzieren.
Nachdem Eliza ihrer Begleiterin einen Platz in einer weichen Sofaecke angeboten hatte, rupfte sie sich als Erstes den das Auge beleidigenden Kopfputz herunter.
»Uff! Ist das heiß da draußen. Danke, dass du uns empfängst, Phryne.« Sie wischte sich ein paar feine braune Haarsträhnen aus dem rosigen Gesicht.
»Kalte Zitrone?«, fragte ihre Schwester. »Oder lieber Tee?«
»Zitrone«, sagte Eliza. »Puh, danke, Mr Butler. Und für Sie, Mrs Manifold?«
»Nichts«, antwortete die Frau auf dem Sofa, die Phryne mit klugen Papageienaugen musterte. Sie hatte langes graues Haar, zum Zopf geflochten und hochgesteckt, und trug ein weites braunes Kleid, das aussah wie aus Sackleinen, und Sandalen an den bloßen Füßen. Als – allerdings höchst unwahrscheinlicher – modischer Bezugspunkt fielen Phryne dazu höchstens die präraffaelitischen Maler ein. Sie nippte an ihrer Zitrone und ließ Mrs Manifolds Inspektion über sich ergehen.
»Phryne, Mrs Manifold hat einen Sohn«, begann Eliza.
»Hatte einen Sohn«, verbesserte Mrs Manifold sie mit tonloser, schroffer Stimme.
»Er wurde am Strand von St. Kilda aufgefunden. Ertrunken«, fuhr Eliza fort. »Er hatte einen alten Uniformmantel an, die Taschen voller Steine. Die Polizei geht von Selbstmord aus.«
»Undenkbar«, knarzte Mrs Manifold.
»Genau das hat Mrs Manifold auch bei der Polizei ausgesagt. Sie hat so lange nicht lockergelassen, bis schließlich doch noch eine amtliche Untersuchung der Todesursache angeordnet wurde. Man hat den Leichnam ihres Sohnes obduziert.« Eliza leerte ihr Glas in einem Zug und hielt es Mr Butler zum Nachfüllen hin. »Bitte sehr, hier ist der Bericht.«
»Eliza, für einen solchen Fall bin ich die Falsche«, protestierte Phryne, während sie nach dem Dokument griff. »Der Untersuchungsbeamte muss entscheiden, was …« Sie warf einen Blick auf die Akte. »… Augustin zugestoßen ist.«
»Das hat er schon«, sagte Mrs Manifold. »Er ist zu der Überzeugung gelangt, dass mein Augustin betrunken ins Wasser gefallen ist.«
»Er hat auf Unfalltod entschieden?«
»Ja, der Narr.«
»Ich lese hier, dass man bei der … entschuldigen Sie … bei der Magenöffnung erhebliche Mengen an Alkohol festgestellt hat. Anscheinend Whisky.«
»Aber wieso hätte Augustin Whisky im Magen haben sollen?«, rief Mrs Manifold. »Er hat nicht getrunken, höchstens zu Weihnachten ein Gläschen Sherry! Und wenn er sich tatsächlich das Leben hätte nehmen wollen, dann doch nicht durch Ertrinken. Er konnte schwimmen wie ein Fisch! Er wurde ermordet!« In ihrer Stimme schwang abgrundtiefe Verzweiflung mit. »Mein Sohn ist ermordet worden.«
»Erzählen Sie mir von ihm – und auch, woher Sie Eliza kennen. Ich lasse Ihnen einen Brandy mit Soda und ein paar Sandwiches bringen«, sagte Phryne, denn Mrs Manifold sah so aus, als ob sie dringend einer Stärkung bedurfte, und Mrs Butlers Sandwiches würden auch den Weg durch eine vor Gram zugeschnürte Mutterkehle finden. Die unerschütterliche Gewissheit der Trauernden beeindruckte Phryne. Andererseits war absolute Gewissheit bei einem Selbstmord immer ein wenig verdächtig. Der Selbstmord war von allen Todesarten die unglückseligste, weil er die Hinterbliebenen mit peinigenden Schuldgefühlen in den Wahnsinn trieb. »Hätte er doch nur mit mir geredet«, hieß es dann. »Hätte ich ihn doch nur an dem Abend besucht …«
Aber Phryne wusste aus eigener Erfahrung, dass man einen Menschen, der unbedingt sterben wollte, nicht aufhalten konnte und dass allein der Versuch grausam...
Erscheint lt. Verlag | 10.5.2021 |
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Reihe/Serie | Miss-Fisher-Krimis | Miss-Fisher-Krimis |
Übersetzer | Regina Rawlinson, Sabine Lohmann |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Angabe fehlt |
Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Historische Kriminalromane | |
Schlagworte | 20er Jahre • Australien • Cozy Crime • Detektivin • Essie Davis • Frauen • Frauenliteratur • Frauenroman • Geschenkbuch für Frauen • Geschenk für Frauen • Geschenk für Freundin • Glamour • insel taschenbuch 4848 • IT 4848 • IT4848 • Krimi • Miss Fisher • Miss Fishers mysteriöse Mordfälle • Mord • Mord in Montparnasse • Ned Kelly Award 2003 • Netflix • Phryne Fisher • REBEKKA-Übersetzerpreis 2023 • Serie • starke Frauenfigur • St. Kilda • Tod am Strand • weibliche Ermittlerin • Zwanziger Jahre |
ISBN-10 | 3-458-76886-6 / 3458768866 |
ISBN-13 | 978-3-458-76886-9 / 9783458768869 |
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