Geld oder Lebkuchen (eBook)
272 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-43983-1 (ISBN)
Dora Heldt, 1961 auf Sylt geboren, hat sich mit ihren Romanen und Krimis auf die Spitzenplätze der Bestsellerlisten und in die Herzen von Millionen von Leserinnen und Lesern geschrieben. Wie kaum eine andere Autorin in Deutschland kennt sie den Buchmarkt von allen Seiten: Die gelernte Buchhändlerin war über 30 Jahre lang Verlagsvertreterin für einen großen Publikumsverlag. Neben humorvollen Familien- und Frauenromanen (u.a. >Urlaub mit Papa<, >Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt< oder >Drei Frauen am See<, >Drei Frauen, vier Leben<) begeistert sie ihr Publikum mit lustig-skurrilen Sylt-Krimis, Erzählungen und Kolumnen. Die Liebe zu ihrer norddeutschen Heimat ebenso wie die zu den Menschen dort fängt Dora Heldt auf unnachahmliche Weise in all ihren Büchern ein.
Dora Heldt, 1961 auf Sylt geboren, hat sich mit ihren Romanen und Krimis auf die Spitzenplätze der Bestsellerlisten und in die Herzen von Millionen von Leserinnen und Lesern geschrieben. Wie kaum eine andere Autorin in Deutschland kennt sie den Buchmarkt von allen Seiten: Die gelernte Buchhändlerin war über 30 Jahre lang Verlagsvertreterin für einen großen Publikumsverlag. Neben humorvollen Familien- und Frauenromanen (u.a. ›Urlaub mit Papa‹, ›Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt‹ oder ›Drei Frauen am See‹, ›Drei Frauen, vier Leben‹) begeistert sie ihr Publikum mit lustig-skurrilen Sylt-Krimis, Erzählungen und Kolumnen. Die Liebe zu ihrer norddeutschen Heimat ebenso wie die zu den Menschen dort fängt Dora Heldt auf unnachahmliche Weise in all ihren Büchern ein.
»Mir ist langweilig«, langsam schnipste Ernst einen Krümel vom Tisch. »Mir ist so langweilig. Ich könnte verrückt werden.«
Seine Frau hob kurz den Blick von der Zeitung. »Sollen wir die Bank überfallen?«
»Was?«
»Die Bank überfallen«, wiederholte Gudrun. »So wie gestern im Film.«
»Blöder Witz.« Ernst starrte sie an, sie vertiefte sich aber schon wieder in die Zeitung. Langsam schob er seine Hand über den Tisch und schnipste gegen den nächsten Krümel. Dieses Mal traf er die Zeitung und machte die Siegerfaust. Seine Frau reagierte nur nicht. Ernst ließ den Arm wieder sinken. Vielleicht sollte man doch mal über einen Banküberfall nachdenken. Aber wozu? Im richtigen Leben wurden die Bankräuber ja immer erwischt. Und langweilten sich dann im Gefängnis. Er seufzte. Dann noch mal etwas lauter. Bis Gudrun ihn wieder ansah.
»Mein Gott, Ernst«, sie ließ die Zeitung sinken. »Dann mach doch irgendetwas. Aber stöhn hier nicht rum.«
»Was soll ich denn bitte schön machen?« Mit einem Anflug von Verzweiflung schüttelte er den Kopf und deutete nach draußen. »Man kann noch nicht mal spazieren gehen. Bei diesem Wetter.«
Energisch legte Gudrun die Zeitung zur Seite. »Nächstes Wochenende ist schon der erste Advent, es ist noch jede Menge zu tun. Was ist los mit dir? Du freust dich doch sonst auch auf Weihnachten. Du kannst die Lichterketten draußen anbringen, du kannst meine Weihnachtskugeln vom Boden holen, du kannst den Keller aufräumen, du kannst …«
»Draußen? Die Lichterkette?« Entsetzt sah er sie an. »Es stürmt und regnet draußen. Willst du mich umbringen?«
»Dann räum den Keller auf«, Gudrun stand auf und schob ihm die Zeitung hin, »oder lies die Zeitung. Da ist eine nette Kritik über den Film von gestern. Den wir so lustig fanden.« Sie stellte die leeren Kaffeetassen ineinander und ging in die Küche. Und sang dabei laut und schief: »Schneeflöckchen, Weißröckchen, wann kommst du geschneit.«
Ernst seufzte und zog die Zeitung heran. Die Fernsehkritik stand auf der dritten Seite.
Die Gentleman-Räuber. Die charmante Komödie nach einer wahren Begebenheit war der Quotenhit des gestrigen Abends …
Mithilfe seines Zeigefingers las Ernst den Artikel. Es war interessant, er hatte gar nicht gewusst, dass es die drei Männer, die vor vielen Jahren sehr höflich mehrere Banken überfallen hatten, wirklich gegeben hatte. Solche Geschichten mochte er. Professionelle Arbeit, gute Planung, keine Gewalt. Nur so wurde man erfolgreich. Und nicht erwischt.
»Das ist gut«, sagte er laut. »Ja, so macht man das.« Als er den Kopf hob, stand Gudrun plötzlich im Mantel vor ihm und drapierte ihr Halstuch, während sie ihn ansah.
»Wo willst du denn hin?«
»Das habe ich dir doch gestern Abend erzählt.« Gudrun schob Portemonnaie und Lesebrille in die Handtasche. »Das Festkomitee trifft sich um drei. Um die Termine zum Schmücken der Schulaula und die letzten Feinheiten für den Weihnachtsmarkt dort abzusprechen. Und du wolltest mich um 17 Uhr abholen. Das kannst du doch nicht schon wieder vergessen haben.«
Er hatte es natürlich nicht vergessen, genau da lag ja das Problem. Seit Gudrun in Rente war, organisierte sie mit Hella, Minna und Dietrich den alljährlichen Weihnachtsmarkt, dessen Höhepunkt die große Dorfweihnachtsfeier mit Baum, Chor, Geschenken für die Kinder der Gemeinde und sehr viel Glühwein und Keksen war. Das ganze Dorf versammelte sich an den Adventswochenenden, der Weihnachtsmarkt war einer der wichtigsten Treffpunkte des Jahres. Ein wirkliches Ereignis, das natürlich viel Vorbereitung erforderte.
Selbstverständlich hätte Ernst sofort mitgemacht, wenn sie ihn denn gefragt hätten. Er konnte hervorragend organisieren und war auch handwerklich begabt. Aber sie hatten ihn gar nicht gefragt, stattdessen hatten sie sich für Dietrich entschieden, kurz vor der Rente, Banker, mit zwei linken Händen, der nie Nein sagen konnte. Er hatte nach der Scheidung sein Haus auf der Insel verkaufen müssen, wohnte jetzt auf dem Festland und pendelte jeden Tag zur Arbeit in die hiesige Bankfiliale, wo er Filialleiter war. Dietrich tat den Damen leid, so ohne Frau und Haus auf Sylt. Und sie waren der Meinung, dass dieser Job gut für ihn, er wichtig fürs Komitee und überhaupt der Beste im Spendensammeln sei. Das machte er jedes Jahr aufs Neue, damit sie den Kindern ihre Weihnachtswünsche erfüllen konnten. Und Dietrich kannte sich ja mit Geld aus. Als Bankchef. Und damit nicht genug, er durfte auch noch die Geschenke verteilen. In einem schon ziemlich verfilzten Weihnachtsmannkostüm, das er gebraucht gekauft hatte. Jedes Jahr fuchtelte er dabei theatralisch mit den Armen und rief laut »Ho, Ho, Ho«, sobald er die Aula betrat. Ernst war sich sicher, dass zumindest die kleinen Kinder eine Mordsangst vor ihm hatten. Aber auf dem Ohr war Gudrun taub. Sie fand Dietrich als Weihnachtsmann toll, und fertig. Kritik an ihm oder am Komitee ließen die Damen nicht zu. Auch wenn Ernst eine wirklich große Hilfe sein könnte. Aber sie hatten ja Dietrich. Und waren der Meinung, dass vier Leute ausreichten. Als Ernst seine Mitarbeit angeboten hatte, wurde sie abgelehnt. Einfach so. Er könne ja beim Schmücken der Aula helfen, hatte Gudrun ihm vorgeschlagen, Dietrich könne ja nicht so gut auf eine Leiter steigen, weil er Höhenangst habe. Das wiederum hatte Ernst abgelehnt. Sollte der Banker auf der Leiter doch schwitzen. Ernst war raus. Und hatte jetzt Langeweile.
»Natürlich weiß ich das noch«, beeilte sich Ernst jetzt zu sagen. »Ich bin ja nicht senil. Um 17 Uhr bin ich da. Zur Abholung.«
»Gut«, Gudrun knöpfte sich ihren Mantel zu, »und im Übrigen hat es aufgehört zu regnen und der Sturm hat sich gelegt. Außerdem hat der Wetterdienst Schnee in den nächsten Tagen vorhergesagt. Vielleicht hebt das ja deine Laune. Und du denkst bitte dran, die Lichterkette noch an die Tanne zu hängen. Bevor es ganz dunkel wird.«
»Ich muss noch die Glühbirnen überprüfen«, antwortete Ernst. »Außenelektrik setzt Sorgfalt voraus. Das geht nicht so husch, husch.«
»Dann mach das sorgfältig.« Gudrun sah ihn an. »Aber die Lichterkette kommt noch dran, morgen will ich sie anmachen. Dann bis nachher.«
Ohne seine Antwort abzuwarten, verschwand sie. Resigniert atmete Ernst aus. Er fand auch das Wechseln kaputter Leuchtmittel wahnsinnig langweilig. Aber das interessierte ja niemanden.
Um kurz vor halb fünf erhellten alle Lämpchen der Lichterkette die Tanne und den Garten, zufrieden überprüfte Ernst ein letztes Mal die Zeitschaltuhr, das war also auch wieder erledigt. Es war schon gut, dass er diese handwerkliche Begabung hatte, Dietrich hätte sich bestimmt einen Elektriker holen müssen. Das sollte Ernst vielleicht mal Gudrun mitteilen. Die den Superweihnachtsmann ja für so perfekt hielt.
Mit einem Blick auf die Uhr beschloss er, sich jetzt auf den Weg zu machen und keinen weiteren Gedanken an Dietrich zu verschwenden. Vorher würde er noch einen kleinen Spaziergang durch den Ort unternehmen und bei einem Abstecher zur Bank gleich Kontoauszüge holen. Bewegung war ja wichtig, lückenlose Kontrolle des Kontostandes auch.
Als er kurz darauf in dicker Jacke vor die Tür trat, schauderte er kurz. Es war richtig kalt geworden, die Windböen hatten sich gelegt und er fand, dass es schon nach Schnee roch. Er nickte zufrieden. Kein Mensch kam bei Schmuddelwetter in weihnachtliche Stimmung, dafür brauchte es schon Schnee und Frost und Sternenhimmel. Und knackige Kälte, damit an den Buden vor der Schule auch Glühwein und Bratwurst schmeckten. Hoffnungsvoll sah Ernst in den Himmel. Schnee wäre schon schön. Wenigstens zur Eröffnung des Weihnachtsmarktes am nächsten Wochenende.
Ernst hob die Hand, als er zwei Gemeindemitarbeiter traf, die rote Schleifen an die Straßenlaternen banden, so langsam breitete sich die Adventsstimmung im Dorf aus. Auch in den Vorgärten waren die Vorbereitungen im Gange, Ernst entdeckte die ersten Lichterketten, die ersten Holzweihnachtsmänner und sah Bekannte, die sich auf Leitern oder hinter Fenstern abmühten, um Haus und Garten weihnachtlich zu schmücken. Beim Bäcker standen Nikoläuse aus Schokolade, in der Apotheke hingen bunte Kugeln an einem Tannenzweig, selbst der Fahrradladen hatte goldene Sterne in der Auslage. Das Dorf rüstete auf.
Als er auf die erleuchteten Fenster der hiesigen Bankfiliale zulief, fiel ihm der Film von gestern Abend wieder ein. Die Gentleman-Bankräuber waren immer gut gekleidet gewesen, lediglich eine schwarze Maske hatte ihre Gesichter verdeckt. Bei ihren Überfällen hatten sie sehr elegant ausgesehen. Ganz anders als diese groben Banditen mit Nylonstrümpfen, die man sonst so kannte. Das war ein ganz anderer Schnack. Eine sehr kultivierte Form des Bankraubs.
Die Bank hatte noch geöffnet, im Schalterraum war Licht, über der Tür hing eine Tannengirlande mit roten Schleifen. Ernst blieb vor dem Schaufenster stehen und sah sich die wenigen Immobilienangebote an. Und die Weihnachtsdekoration, die schon aufgebaut war. Ein Plastiktannenbaum mit roten Kugeln und blinkender Lichterkette. Und überall lag weißer Kunstschnee. Wie schon im letzten Jahr, denen fiel wohl auch nichts Neues ein.
Er betrat die Bank und blieb im Vorraum neben dem Kontoauszugdrucker stehen, nicht ohne in den Schalterraum zu sehen. Hinter dem Schalter saß Martina, sie arbeitete schon immer in dieser Filiale. Sie war ziemlich dick, vielleicht kam das vom vielen Sitzen. Und sie redete nicht viel, eigentlich nur das Nötigste. Aber das war eben ihre Art. Dafür konnte sie sehr gut rechnen und hatte ein überragendes Gedächtnis. Ernst konnte sie gut leiden. Besser als ihren Chef Dietrich...
Erscheint lt. Verlag | 20.10.2021 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Advent • Banküberfall • Bestseller • buchgeschenk weihnachten • buch weihnachten • christmas murder mystery • Cosy Crime • Cosy Crime Weihnachten • Cosy Mystery • detektivroman • Deutschland • Dora Heldt • Ermittlerteam • Frauenromane • Geschenk • Geschenk Freundin • Geschenk für die Freundin • geschenk für die mutter • Geschenk Weihnachten Freundin • Humor • Kluftinger Weihnachten • Krimi-Komödie • Krimi Sylt • lustiger Weihnachts-Krimi • lustige Weihnachten • Murder Mystery • Mystery-Krimi • Nordsee • Nordseeküste • Robin Hood • Romane für Frauen • Schleswig-Holstein • skurril • Sylt • warmherzig • Weihnachten • Weihnachtsbuch • Weihnachtsbuch 2021 • Weihnachtserzählung • Weihnachtsgeschenk • Weihnachtsgeschichte • Weihnachtsroman • Winterroman • Witziges Weihnachtsbuch |
ISBN-10 | 3-423-43983-1 / 3423439831 |
ISBN-13 | 978-3-423-43983-1 / 9783423439831 |
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