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Schwarze Lügen, rotes Blut (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
416 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2754-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schwarze Lügen, rotes Blut - Kjell Eriksson
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Kommissarin Ann Lindell ist frisch verliebt in den Journalisten Anders Brant. Umso fassungsloser reagiert sie, als dieser plötzlich und ohne jede Erklärung verschwindet. Genau an dem Tag, an dem der Obdachlose Bosse Gränsberg ermordet aufgefunden wird. Regelrecht schockiert ist sie jedoch, als sie feststellt, dass die Telefonnummer auf dem Zettel in der Tasche des Ermordeten die von Anders ist. Während sie versucht mit Anders Kontakt aufzunehmen, wird die Ermittlungsarbeit in Uppsala zusehends komplizierter. Zwei weitere Todesfälle sind aufzuklären, die mit dem Mord an dem Obdachlosen zusammenzuhängen könnten ...



Kjell Eriksson, geboren 1953, hat Erfahrungen in mehreren Berufen gesammelt. Er lebt in der Nähe von Uppsala. Für seinen ersten Kriminalroman um die Ermittlerin Ann Lindell erhielt er 1999 den schwedischen 'Krimipreis für Debütanten'. Sein Roman 'Der Tote im Schnee' wurde zum 'Kriminalroman des Jahres 2002' gekürt, eine Ehrung, die bereits Autoren wie Liza Marklund, Henning Mankell und Håkan Nesser bekommen hatten. 

2


Der Ort war genauso jämmerlich, wie es garantiert auch das Leben des Toten gewesen war. Ein überflüssiger Ort, kalt, zugig und unbequem, ohne Schönheit oder den geringsten Reiz. Die Pflänzchen, die sich durch den Schotter nach oben gedrängt hatten, berichteten von chlorophyllarmer Kärglichkeit und reiner Misere. Es war ein Verbannungsort, ein Guantánamo der Vegetation.

Ola Haver glaubte, dass sogar die Arbeiter, die die Stelle grundiert, armiert, gegossen und darauf Schotter ausgebracht hatten, längst nicht mehr wussten, dass sie hier gewesen waren. Der Örtlichkeit fehlte es an Stolz.

Sein Vater hatte das einmal gesagt, als sie bei einer Unterführung und den Böschungen neben der Landstraße vorbeigekommen waren. Der Vater hatte völlig unmotiviert gebremst und am Straßenrand angehalten.

»Was für ein Scheißort«, stieß er hervor, während er die schotterbedeckten Hänge verächtlich musterte.

Er erklärte, dass er vor vielen Jahren am Bau der Unterführung beteiligt gewesen war, aber diesen Unort völlig vergessen hatte. Es war das erste Mal, dass ihn Ola Haver etwas Negatives über eine Arbeitstätte sagen hörte. Sonst wies er gewöhnlich mit Stolz auf all die Häuser und Anlagen hin, an deren Bau er mitgewirkt hatte.

Ein Unort, an dem man die traurige, schmuddlige Gestalt zu Havers Füßen erschlagen hatte. Der Mann lag auf dem Bauch, mit zertrümmertem Schädel, die Arme ausgestreckt, so als sei er aus einem Flugzeug ins Luftmeer gesprungen und ungebremst auf dem Boden aufgeschlagen. Ein gescheiterter Fallschirmspringer.

Das war es, was Ola Haver sah und dachte. Warum hier? Wann ist das passiert und wie? Er studierte den Toten, dessen im Schotter verkrallte Hände, die Wunden an den Fingerknöcheln, die fettigen Haare, den sauber ausrasierten Nacken, die derben Schuhe, mit farbigen Bändern nachlässig verschnürt, die Flecken auf der Hose und nicht zuletzt die Panik, die in der Gesichtshälfte zu lesen war, die auf eigentümliche Weise nach oben wies. Haver kam auf die Idee, dass der Mann im Augenblick des Todes versucht haben könnte, den Kopf zu drehen, um ein letztes Mal den Himmel zu sehen, was den unnatürlichen Winkel erklären würde. Hatte er an Gott geglaubt? Dieser völlig irrationale Gedanke ging dem Kriminalpolizisten durch den Sinn, und auch wenn es ihm unwahrscheinlich vorkam, wünschte er, dass es so gewesen wäre. Der Tote hatte den Himmel schauen dürfen. Denn selbst wenn er ein unverbesserlicher Sünder war, würde Gott Erbarmen zeigen mit einem Mann, der sein Leben auf so schmähliche Weise verloren hatte, davon war Haver überzeugt.

Wie alt war er wohl geworden? Etwa fünfundvierzig vermutlich. Sie hatten in seinen Taschen weder Portemonnaie noch sonst ein Dokument gefunden, das über sein Alter oder seine Identität berichten konnte.

Und warum gerade hier? Weil sein Leben so ausgesehen hatte wie dieser Ort? Möglicherweise hatte er in der Nähe gewohnt? Etwa hundert Meter weiter stand ein ausrangierter Bauwagen, war das vielleicht seine Unterkunft?

Und wann ist es passiert? Haver ahnte, dass der Mord einige Stunden zurücklag, wahrscheinlich schon einen ganzen Tag. Sie würden es zu gegebener Zeit schriftlich bekommen.

Wie ein Schatten schwebte die Gestalt seines Vaters über dem Ort. Oft, viel zu oft, wie er selbst fand, war er in Gedanken bei seinem Papa und dessen unerwartetem Tod. Er sprach selten oder nie von ihm, aber die Vorstellung, dass er jetzt schon länger lebte als sein Vater gelebt hatte, machte ihm zu schaffen.

Im Hintergrund hörte er die Kriminaltechniker reden. Morgansson palaverte ununterbrochen. Johannesson war wie üblich einsilbig. Haver stand zu weit entfernt, um zu verstehen, worum es ging.

Allan Fredriksson streunte wie immer scheinbar planlos umher. Er sucht wohl nach seltenen Gewächsen, dachte Haver, nicht ohne Verbitterung. Die Begeisterung des Kollegen für die Natur kannte keine Grenzen. Selbst an einem Tatort ließ er sich zu Betrachtungen hinreißen, registrierte und systematisierte und gab für sein Umfeld oft völlig exzentrische Kommentare zur Tier- und Pflanzenwelt ab. Befand er sich in möblierten Zimmern oder öffentlichen Gebäuden, wirkte er desorientiert. Fredriksson gehörte ins Freie, selbst wenn es sich um einen vom Menschen verdammten Ort handelte. Kräutern und Gewürm war der Platz egal. Sie bekamen immer etwas zu fassen, und das galt auch für den Waldfreak Fredriksson.

Ola Haver reagierte mit immer größerem Unwillen auf Fredrikssons Fähigkeit, das zutiefst Unmenschliche der von ihnen aufzuklärenden Gewaltverbrechen beiseitezuschieben zugunsten stiller Naturbetrachtung. So etwas war unwürdig, fand Haver. Für ihn war der Tod eine so unerhörte Begebenheit, dass nichts die Konzentration darauf stören durfte. Jedes Mal, wenn er vor einem leblosen Körper stand, dachte er an seinen Vater. Fredriksson hingegen redete vom Wachsen und Sprießen, von Schwarzspechten, seltsamen Insekten oder was auch immer ihm vor Augen kam. Haver quälten Gedanken an die Sinnlosigkeit, während Fredriksson geradezu stimuliert zu sein schien.

Vielleicht bin ich nur neidisch?, dachte Haver, als er Fredrikssons vorgebeugte Gestalt musterte. Der dünne Mantel des Kollegen war aufgeknöpft, und wenn der Wind zwischen die Betonpfeiler fuhr, flatterte er ihm um den mageren Leib.

Vielleicht war es ja ermutigend, dass Fredriksson selbst im erbärmlichsten Umfeld Leben und Weiterleben entdecken konnte? Haver spürte, wie sich sein schlechtes Gewissen regte. Wie kann ich mir anmaßen, nur mein Herangehen als richtig zu betrachten? Fredriksson ist als Polizist weder schlechter noch besser als jeder andere von uns, weshalb dann also seine Naturschwärmerei verdammen? Möglicherweise war das ja seine Art, mit der Wirklichkeit klarzukommen, sie für sich fassbar und erträglich zu machen.

Aus dem Augenwinkel bemerkte Haver, dass Johannesson näher kam. Der Kriminaltechniker, der erst seit einem halben Jahr zu ihnen gehörte, verhielt den Schritt, so als zögere er. Ola Haver machte eine unbewusste Bewegung, schüttelte heftig die Schultern, so als wolle er etwas Unbehagliches loswerden.

»Wie steht’s?«, fragte Johannesson.

Haver zog es vor, die Frage zu ignorieren.

»Was habt ihr gefunden?«

Der Techniker bewegte unbestimmt die Hand.

»Ich glaube, das hier ist der Tatort«, sagte er. »Zwei Schläge und Schluss. Der Alte fiel direkt nach dem ersten Hieb und bekam einen weiteren auf den Hinterkopf. Dazu kann der Pathologe aber wohl mehr sagen.«

Der Alte, dachte Haver, der Ermordete war vielleicht jünger als er selbst.

»In der Hosentasche steckte ein Zettel«, sagte Johannesson.

»Ein Zettel?«

»Das Einzige, was wir gefunden haben.«

Raus mit der Sprache, dachte Haver. Im Hintergrund hustete Fredriksson. Am Morgen hatte er geklagt, dass er sich nicht wohlfühle.

»Eine Telefonnummer«, sagte Johannesson endlich.

Haver starrte zu den Autos auf der Fahrbahn unterhalb der Stelle, wo sie den Ermordeten gefunden hatten. Der Verkehr war dichter geworden. Die wissen nichts, dachte er. All die Leute, die jetzt zur Arbeit fahren, wissen zum Glück nicht, wie nahe sie dem Tod sind.

»Eine Telefonnummer?«

Der Techniker hielt eine Plastikfolie mit einem Zettel hoch. »Ich glaube jedenfalls, dass es eine Telefonnummer ist. Willst du sie aufschreiben?«

Haver nickte und kramte nach Stift und Papier. Sechs Ziffern, drei davon eine Vier. Immerhin etwas, dachte er, ein Vierer-Drilling, der schlägt zwei Paare. Wen hast du angerufen? Wen wolltest du anrufen?

Fredriksson näherte sich. Johannesson lächelte ihm überraschend zu.

»Ich gehe zum Bauwagen hoch«, sagte Haver und zeigte in die Richtung.

Von der Schnellstraße ertönte die trötende Hupe eines Trucks, Johannesson drehte sich um und studierte den Strom der Fahrzeuge, und falls es seine Absicht gewesen war, etwas zu sagen, überlegte er es sich doch anders und kehrte mit ausdrucksloser Miene zu dem Toten zurück.

Haver machte sich auf den Weg, bevor Fredriksson heran war.

Du bist an einem Ort mit Aussicht gestorben, dachte Haver und betrachtete die Bühne einer Tat, von der man in den Abendblättern bestimmt als »Obdachlosenmord« oder Ähnlichem berichten würde.

Die Reifen des Bauwagens waren ohne Luft, aber sonst war er in passablem Zustand. Die Anhängevorrichtung wirkte neu. Es war ein gelber Valla-Wagen kleineren Modells, mit Sitzplätzen für vier, vermutete Haver. Er stand zwischen ein paar kräftigen Tannen, Vertreter dessen, was vor nicht allzu langer Zeit als ländliches Gebiet bezeichnet werden konnte oder vielleicht als Grenzstreifen zwischen Stadt und Land. Jetzt hatte die expansive Stadt sich in die Natur hineingefressen, hatte den Wald verschlungen und durch Straßen und Verkehrsknotenpunkte ersetzt.

Die Tür war geschlossen. Haver streifte sich einen dünnen Handschuh über, drückte mit einem Finger die Klinke hinunter, und die Tür glitt willig auf. Linker Hand lag das, was einmal der Umkleideraum gewesen war, doch hatte man sämtliche Spinde entfernt. An der einen Wand stand ein Feldbett, am Fußende lag eine zerwühlte graue Decke. Auf der gegenüberliegenden Seite befanden sich ein paar große Plastikkisten mit Deckel und ein gigantischer Werkzeugkasten. An einem Nagel hing ein Helm. Den hätte er gebraucht, dachte Haver.

Er schlüpfte in die Schuhüberzüge und stellte sich direkt in die Tür, um einen...

Erscheint lt. Verlag 29.3.2021
Reihe/Serie Ein Fall für Ann Lindell
Ein Fall für Ann Lindell
Übersetzer Gisela Kosubek
Sprache deutsch
Original-Titel Svarta lögner, rött blod
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Geheimnisse • Grabstätte • Kleinstadt • Mord • mysteriöse morde • Schwedenkrimi • Uppsala • Verschwinden
ISBN-10 3-8412-2754-6 / 3841227546
ISBN-13 978-3-8412-2754-6 / 9783841227546
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