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Dürre (eBook)

Thriller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021
464 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-26708-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dürre - Uwe Laub
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Der Klimawandel beschleunigt sich unaufhaltsam. Dürren und Ernteausfälle nehmen weltweit zu. In ganz Europa herrscht Hungersnot. Um der wachsenden Bedrohung etwas entgegenzusetzen, beschließen die Länder drastische Maßnahmen: Landwirtschaftliche Betriebe werden verstaatlicht, eine App soll den CO2-Fußabdruck eines jeden Bürgers kontrollieren. Als die Geschwister Julian und Leni des CO2-Betrugs angeklagt werden, verlieren sie ihre Existenzgrundlage - und werden erbarmungslos gejagt.

Uwe Laub wurde 1971 in Rumänien geboren. Er war zwei Jahre alt, als seine Eltern mit ihm nach Deutschland zurückkehrten. Laub arbeitete mehrere Jahre im Pharma-Außendienst, seit 2010 führt er sein eigenes Unternehmen. Seine Liebe gilt dem Schreiben. Für seine Wissenschafts-Thriller recherchiert er intensiv zu Themen der Ökologie und Umwelt. Laub lebt in München und Fort Myers, USA.

»Die großartige Verbindung von Realität und Fiktion machen die Romane von Uwe Laub so lesenswert. In seiner informativ-kritischen Art legt Laub seine Finger in die große Wunde einer ignoranten Gesellschaft, die es eigentlich besser weiß, aber zu spät handelt.« Thomas Gisbertz, Krimi-Couch (13. September 2021)

1

November 2022

Nicht im Traum hätte Alex Baumgart jemals gedacht, dass ein zerknitterter, nach Bier stinkender Kassenbon einer verrauchten Studentenkneipe in Karlsruhe sein Leben verändern würde. Doch manchmal hielt das Schicksal Überraschungen bereit.

Alex hatte die Kneipe vor wenigen Minuten verlassen und eilte nun aufgekratzt über regennasse Bürgersteige nach Hause. Es war ein eiskalter, windiger Novemberabend, und Alex vergrub seine Hände tief in den Taschen seines gefütterten Anoraks. Nieselregen benetzte sein Gesicht und durchnässte seine schulterlangen Haare. Doch all das nahm Alex kaum wahr. Seine Gedanken kreisten einzig um den Kassenbon in seiner Hand. Seine Finger umklammerten das Thermopapier, als wollten sie es nie wieder freigeben.

Es war erstaunlich. In Podcasts hörte Alex häufig Geschichten erfolgreicher Menschen, die in ihrem Leben Außergewöhnliches geleistet und manchmal sogar ganze Imperien aufgebaut hatten. Befragte man diese Menschen nach dem Ursprung ihres Erfolgs, rangierten harte Arbeit und Durchhaltevermögen meistens auf den vorderen Plätzen. Die Fähigkeit, Rückschläge wegzustecken und unbeirrt an einem Ziel festzuhalten, wurde ebenfalls häufig genannt. Hakte man weiter nach und fragte Visionäre, wie alles begonnen hatte – genauer, an welchem Punkt ihres Lebens sie erkannt hatten, welchen Weg sie einschlagen mussten –, antworteten nicht wenige, alles habe mit einer simplen Idee begonnen. Während Alex im fahlen Licht einer Straßenlaterne eine menschenleere Straße überquerte und auf den gegenüberliegenden Bürgersteig wechselte, dachte er darüber nach, dass er das Potenzial besaß, zu einem dieser Visionäre zu werden. Vorsichtig rieb er die Finger seiner rechten Hand aneinander, nur um den Bon zu spüren. Unbewusst musste er grinsen. Er war an etwas Großem dran. Das stand für Alex Baumgart in diesem Augenblick außer Frage.

Der Bürgersteig endete und mit ihm die Straße. Durch einen offenen Hinterhof, vorbei an mehreren überquellenden Müllcontainern, gelangte Alex in den nördlichen Otto-Dullenkopf-Park. Nach fünf Semestern, die er nun schon am Karlsruher Institut für Technologie Informatik studierte, kannte er so ziemlich jeden Schleichweg in diesem Stadtteil. Der Wind frischte auf, und Alex beschleunigte seine Schritte. Der Weg durch den stockdunklen Park war zwar ein wenig unheimlich, aber er sparte Alex mehrere Minuten Fußmarsch. Und ab sofort war seine Zeit kostbar. Er konnte es kaum erwarten, eine erste Skizze seiner Vision zu Papier zu bringen.

Wenig später betrat er die kleine Studentenbude, die er sich mit seinem besten Freund und Kommilitonen Tom Valcke teilte. Er streifte seine durchnässten Turnschuhe ab und eilte ins Wohnzimmer. Der Fernseher war aus, und die Tür zu Toms Zimmer stand einen Spaltbreit offen. Da kein Licht brannte, schien Tom noch unterwegs zu sein. Sein heutiges Date zog sich offenbar länger als üblich hin. Vermutlich waren die beiden in ihre Bude gegangen. Alex hoffte es, denn das würde ihm eine ruhige Nacht verschaffen, in der er ungestört arbeiten konnte.

Er ging in sein Zimmer, schälte sich aus dem Anorak und warf ihn auf den Wäscheberg, der sich auf einem Stuhl in der Ecke türmte. Er zog auch sein nach Rauch stinkendes T-Shirt aus und rubbelte sich damit die Haare trocken, bevor er es zu den anderen Klamotten auf den Haufen warf. Dann schlüpfte er in ein zerknittertes T-Shirt, das über dem Bettrand hing, schnappte sich seinen Notizblock, einen Kugelschreiber sowie den Laptop, ging ins Wohnzimmer und hockte sich im Schneidersitz auf das Sofa. Vorsichtig platzierte er den Bon neben sich und strich das Thermopapier glatt. Obwohl der Zettel leicht zerknittert war und der Rand eines feuchten Bierglases einen Teil der Beschriftung verwischt hatte, war der Text auf der Rückseite, auf den es Alex ankam, noch bestens zu erkennen. Während draußen der Regen stärker wurde und dicke Tropfen gegen die Fensterscheiben schlugen, nahm er Notizblock und Kuli in die Hand und begann, seine losen Gedankenfetzen in erste Stichworte zu fassen.

»Alter, was machst du da?«

Alex hätte vor Schreck beinahe seinen Kuli fallen lassen. Er sah von dem Notizblock auf, dessen Seiten sich mittlerweile ordentlich gefüllt hatten.

Tom Valcke stand in nassen Socken im Wohnzimmer und sah ihn fragend an. Er trug ein schwarzes Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln und durchnässte Bluejeans. Er schwankte leicht, seine Haare klebten klatschnass an seinem Kopf, die Augen waren glasig. Zu allem Überfluss stank er nach kaltem Zigarettenrauch.

»Schon zurück?«, entgegnete Alex wenig erfreut. »Lief es heute nicht so mit deinem Date?«

»Hä?« Tom runzelte die Stirn. »Wie kommst du darauf? Im Gegenteil. Die Kleine ging ab wie ein junges Kätzchen auf Katzenminze.«

»Und warum bist du dann schon wieder zurück? Ehrlich, so früh hab ich nicht mit dir gerechnet.«

»Alter, hast du was geraucht?«

»Nee. Wieso?«

Tom schüttelte den Kopf und trottete in sein Zimmer. Während er sich auszog und sämtliche Klamotten von sich warf, rief er durch die offene Tür: »Ich bin von dir ja einiges gewohnt, aber hast du mal auf die Uhr gesehen?«

Alex stutzte und warf einen Blick auf die Zeitanzeige im Display seines aufgeklappten Laptops, das neben ihm auf dem Sofa lag. 3:47 Uhr. Oha. Verwundert rieb Alex sich über den Nacken. Saß er tatsächlich seit über sechs Stunden hier an seinen Notizen? Es kam ihm vor, als hätte er erst vor wenigen Minuten die Kneipe verlassen. Er hatte vollkommen die Zeit vergessen, während er wie in Trance Seite um Seite des Notizbuchs vollgekritzelt hatte. Der Kassenbon war in eine der Sofaritzen gerutscht, und Alex zog ihn heraus.

»Hey, Tom«, rief er, »ich muss dir was zeigen.«

»Alter, ich hab fünf Bier intus und zwei geile Nummern hinter mir. Ich hau mich ins Bett.«

»Nur kurz. Ich bin da an was dran. Ich will wissen, was du davon hältst.«

Nur in Unterhose erschien Tom in der Tür. »Ich kann dir sagen, was ich jetzt von ’ner ordentlichen Mütze voll Schlaf halte …«

»Geht auch ganz schnell.«

Tom musterte Alex und umgekehrt. Manchmal war Alex ein klein wenig neidisch auf Toms durchtrainierten Körper, der in Kombination mit seinem charismatischen Lächeln bei den Frauen definitiv gut ankam. Toms ständig wechselnde Eroberungen sprachen eine deutliche Sprache. Dann aber führte Alex sich jedes Mal vor Augen, dass Tom sich für diesen Körper mehrmals pro Woche im Fitnessstudio abquälte, und schon war Alex seine eigene hagere Statur vollkommen egal. Überhaupt brauchte man einen perfekt trainierten Körper seiner Auffassung nach nur dann, wenn man sonst nichts hatte oder konnte. Er selbst war einundzwanzig Jahre alt, untergewichtig und blass, und er strebte einen Bachelor in Informatik an, während eine Freundin nicht einmal ansatzweise am Horizont zu erahnen war. Er war kein Adonis, dafür wusste er, wie man Codes schrieb. Und darin war er besser als die meisten seiner Kommilitonen.

»Komm schon, Tom.« Er räumte den Platz neben sich frei und klopfte auf die Sitzfläche. »Nur fünf Minuten. Du wirst Augen machen.«

Tom seufzte. Er schlurfte zurück in sein Zimmer, zog sich ein weißes T-Shirt mit dem Aufdruck Kiss me, I will be rich one day über, und ließ sich dann neben Alex in die Sofakissen plumpsen. »Also?«

»Unsere ehemalige Stammkneipe, das Woodys, hat den verdammten Corona-Lockdown nicht überlebt, wie du weißt«, sagte Alex. »Deswegen hab ich mir heute mal die Kneipen rund um den Alten Schlachthof angesehen. Und in einer davon hab ich den hier bekommen …« Er hielt Tom den Bon vor die Nase.

»Alter, du lässt dir in einer Kneipe eine Rechnung geben und hebst sie auch noch auf?« Tom schüttelte verständnislos den Kopf. »Wegen Typen wie dir nennen sie uns Informatikstudenten Nerds. Ist dir schon klar, oder?«

»Sieh dir einfach an, was draufsteht.«

Tom zuckte mit den Schultern. »Du hattest heute Abend zwei Schöfferhofer Grapefruit Weizenbiere. Na und?«

»Nicht das.« Alex drückte ihm den Zettel in die Hand und deutete auf den Text, der auf der Rückseite in Kursivbuchstaben aufgedruckt war. »Das hier!«

»Für diesen Kassenbon«, las Tom gelangweilt vor, »wurden wertvolle Ressourcen wie Holz, Wasser und Energie verbraucht. Zudem befinden sich bedenkliche Chemikalien in den Farbentwicklern für Thermopapiere. Die geltende Kassenbonpflicht verursacht überflüssige Müllberge, deren Entsorgung wiederum Energie benötigt. Der unnötige CO2-Ausstoß im Zusammenhang mit der unsinnigen Kassenbonpflicht ist unverantwortlich. Jede zusätzliche Tonne in die Luft entlassenes CO2 trägt zur Klimaerwärmung bei und kostet uns somit nicht nur Geld, sondern langfristig auch unsere Zukunft. Diese Zeche zahlen wir alle! Bedanken Sie sich dafür bei Ihrer Regierung.«

Tom sah ihn fragend an. »Ja und? Diese bescheuerte Bonpflicht ist doch nichts Neues. Freu dich lieber, dass die Kneipen wieder geöffnet sind. Was ist an diesem Bon denn so wahnsinnig aufregend?«

»Ich hab mal auf die Schnelle recherchiert«, antwortete Alex. »Bei etwa zwanzig Milliarden Transaktionen pro Jahr im deutschen Handel und einem Kassenbon, der statistisch gesehen durchschnittlich zwanzig Zentimeter lang ist, produzieren wir rund 2,375 Millionen Kilometer oder 5 700 Tonnen zusätzliches Kassenpapier. Damit könnte man dreiundvierzig Fußballfelder bedecken. Hintereinander gelegt käme man auf eine Länge von 2,3 Millionen...

Erscheint lt. Verlag 13.9.2021
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bestsellerautor • climate fiction • CO2-Fußabdruck • CO2-Neutralität • Hitzewarnung • Klimaschutz • Klimawandel • Neuerscheinung September • Ökothriller • Regierung • Thriller Neuerscheinung 2021 • Überbevölkerung • Welternährung • Wissenschaftsthriller • Zertifikatshandel
ISBN-10 3-641-26708-0 / 3641267080
ISBN-13 978-3-641-26708-7 / 9783641267087
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