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Greystone Manor (eBook)

Ein Olivia Lawrence-Fall
eBook Download: EPUB
2018 | 6. Auflage
269 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-7467-0913-0 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
5,99 inkl. MwSt
(CHF 5,85)
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Olivia Lawrence, Übersetzerin und Journalistin, sitzt an einem Vorfrühlingstag auf einer Bank in den Inns im Zentrum von London, als der Wind ihr ein Blatt Papier zuweht: eine Todesanzeige. Die Dame, derer darin gedacht wird, ist allerdings quicklebendig: die umstrittene Bildhauerin Victoria Gaynesford, die zurückgezogen in ihrem Landhaus Greystone Manor in den Chiltern Hills wohnt. Ehe Olivia sie noch warnen kann, geschieht ein Mord - und Olivia gerät in ein rätselhaftes Gespinst aus indianischen Steinfiguren und englischemTaxus, verjährtem Kunstdiebstahl und aktueller Todesgefahr. Ein Detektivroman in der klassischen englischen Tradition von Agatha Christie und Margery Allingham.

Gerda M. Neumann ist in Niedersachsen aufgewachsen. Sie studierte Germanistik und Geographie in Münster, arbeitete am Theater und ist regelmäßig in England. Sie hat eine Familie mit drei Kindern und lebt heute in einem Haus voller Bücher am Rand von München.

Gerda M. Neumann ist in Niedersachsen aufgewachsen. Sie studierte Germanistik und Geographie in Münster, arbeitete am Theater und ist regelmäßig in England. Sie hat eine Familie mit drei Kindern und lebt heute in einem Haus voller Bücher am Rand von München.

Kapitel 3


Leonards Freund Arthur hatte die genauen Angaben gefunden und sie betrafen das laufende Jahr: Copper Hill in Buckinghamshire, 30. März, 15.00 Uhr im Gemeindesaal.
Olivia fühlte sich so kribbelig, als wäre sie im Begriff, etwas völlig Ungewöhnliches zu tun, was wirklich nicht der Fall war. Schrieb sie doch seit nunmehr vier Jahren regelmäßig für die ›Süddeutsche Zeitung‹ über Interessantes, Skurriles, Ungewöhnliches, das ihr in und um London herum auffiel. Die heutige Unternehmung ließ sich mit einem guten Aufhänger ohne Schwierigkeiten zu einer ›Londoner Skizze‹ verarbeiten. Andererseits machte man sich nicht alle Tage auf den Weg, einen Menschen kennenzulernen, dessen Todesanzeige sich im eigenen Hut verfangen hat. Auch gab einem dieser Umstand nicht selbstverständlich das Recht, ein Papier in die Manteltasche zu schieben, das noch gebraucht wurde. Die erschrockene Sekretärin hatte die Verse gewiss nicht auswendiggelernt, bevor sie sie unbedacht dem Wind überlassen hatte. Und was sollte sie nun abschreiben?
    Entschlossen stand Olivia auf, schraubte die Marmeladengläser zu und trank den letzten Schluck warmen Kaffee. Sie hatte oft genug darüber nachgedacht. Das Blatt Papier lag noch immer auf ihrem Schreibtisch und da blieb es jetzt auch.
    Als sie den schmalen gewundenen Gartenweg zur Garage hinunterging, wusste sie, was sie als erstes mit diesem herrlichen Samstagvormittag anstellen konnte: London im Frühling war nirgendwo schöner als im Regent’s Park. Sie liebte die weiße Prachtentfaltung des frühen 19. Jahrhunderts, in der noch die klare Linienführung des 18. Jahrhunderts fortlebte: Queen’s Gate, durch die Weite des Hyde Park nach Sussex Gardens und durch York Gate hinein in den Regent’s Park. Die Nash Terraces erstreckten sich so weit das Auge ihnen folgen konnte, davor schmale Grünanlagen, abgeschlossen von hohen, schwarzen, schmiedeeisernen Gittern und an der Straße entlang das Rosa der blühenden Kirschbäume. Langsam folgte sie der Straße, bis der Kreis sich wieder schloss. Sie steuerte zum inneren Zirkel des Parks und fuhr Runde um Runde, bis sie sich so einverstanden mit der Welt um sich herum fühlte, dass sie, nun wieder recht tatendurstig, diese friedvolle Oase verließ. Auf der A40 fuhr sie nach Westen aus London hinaus.
    Unmittelbar hinter High Wycombe bog sie von der Hauptstraße ab. Die gewundenen Straßen der Chiltern Hills nahmen sie auf. Die Täler waren hier enger und die Hänge steiler, als man es von der Landschaft Südenglands im allgemeinen erwartete. Olivia sah große Schafherden grasen. Weit zog sich der Wald die Hügelkuppen hinauf. Wo das Land weniger steil war, erkannte sie hinter den noch unbelaubten Hecken die charakteristischen Balkenzäune der Pferdekoppeln. Die Häuser der kleinen Dörfer, durch die sie kam, waren zumeist aus roten Ziegelsteinen gebaut, die älteren vorwiegend aus Flint. Sie mochte beides nicht besonders, es wirkte leicht düster. Ihr kamen Geschichten in den Sinn, die ihre Großmutter ihr als Kind erzählt hatte: von den Räubern, die in den Buchenwäldern der Chiltern versteckt lebten, so ähnlich wie im Märchen von den Bremer Stadtmusikanten.
    Der Gemeindesaal von Copper Hill war ein Ziegelsteinbau der spätviktorianischen Zeit. Die schmalen hohen Fenster auf beiden Längsseiten liefen oben spitz zu und erinnerten an Kirchenfenster. Olivia lehnte in der hintersten Fensternische und schaute hinaus auf den Platz vor dem Gemeindesaal: Er war von einer ebenfalls roten Mauer zur Straße hin abgeschlossen, beschattet von zwei gewaltigen Buchen und umstanden mit zahlreichen grünen Bänken. Durch die gegenüberliegenden Fenster fiel der Blick ins Freie auf weich dahin rollendes Weideland.    
    Inzwischen war es draußen wie drinnen ziemlich belebt, die meisten der Anwesenden schienen einander zu kennen und das Stimmengewirr verbreitete die fröhlich-geschäftige Atmosphäre, die Wohltätigkeitsveranstaltungen zu eigen war. Hier wurde sie von einigen Fremden durchkreuzt, Galeristen und Sammlern zumeist, die sichtlich distanziert, geschäftsmäßig und ein wenig ungeduldig eine störende, wenn auch gänzlich unbedeutende Dissonanz in die allgemeine Vertrautheit brachten. In der ersten Reihe saß seit kurzem der Pfarrer, hager, mit einer offenbar schwer zu bändigenden Fülle grauer Haare und einem wachen Blick unter den grauen buschigen Augenbrauen, die ihn beinahe listig wirken ließen. Er mochte ungefähr sechzig Jahre alt sein wie auch die etwas rundliche und ungemein herzlich wirkende Frau neben ihm. Die anderen Paare in der ersten Reihe hatten sich bequem zurechtgesetzt und ließen nur gelegentliche Bemerkungen zu ihren Nachbarn fallen, so dass Olivia ausschließlich ihre Rückseite studieren konnte.    
    Ein Gentleman mit einer Art hölzernem Koffer in den Händen trat zum Pfarrer, untadelig in jeder Hinsicht, der graue Anzug, der Schnitt der braunen Haare, die etwas steife Haltung und das fast unbewegte Gesicht; dabei nicht unsympathisch. Er wurde herzlich und wortreich begrüßt. Ein eifriger junger Mann stieß zu ihnen. Nach kurzem Hin und Her übernahm er den Holzkoffer, trug ihn zu dem vorn aufgestellten Tisch und stellte sieben Figuren daraus äußerst behutsam nebeneinander auf den dicken grünen Filz. Im Raum wurde es allmählich still. Die Besucher schauten die Figuren an, um derentwillen sie unter anderem hergekommen waren, und die Figuren, so erschien es zumindest Olivia, schauten die Besucher an. Zwei von ihnen waren aus Ebenholz, aufrecht stehend jede mit einem Buch in der Hand, die eine tief in Gedanken, die andere heiter und nahezu mitteilsam. Die übrigen fünf Gestalten zeigten eine so glatt polierte Oberfläche, dass Olivia aus ihrer Entfernung das Material nicht erkennen konnte. Sitzend oder kniend ruhten sie in sich und ihre Gesichter spiegelten unterschiedliche Emotionen. Eine dieser Figuren berührte Olivia außerordentlich, eine Frauengestalt, die nach langem Nachdenken nun den Entschluss zum Handeln gefasst zu haben schien, von sich selbst überrascht.
    In der Nähe wurde leise eine Tür geöffnet und wieder geschlossen und Olivia dadurch von den Figuren abgelenkt. Eine stattliche Dame, gekleidet in ein Ensemble aus fließend schilfgrüner Seide, war eingetreten, auf den hochgesteckten weißen Haaren ruhte eine leichte Kopfbedeckung aus Federn und einem dunkelgrünen Schleier, eine Halskette und Ohrringe aus grüner Jade vervollständigten den Eindruck kultivierter Eleganz. Leicht auf einen schwarzen Stock mit Silberknauf gestützt streifte ihr Blick über die Reihen aufmerksam nach vorn schauender Menschen, verweilte kurz auf Olivia und verfolgte mit gleichmütigem Interesse die Versteigerung der Figuren. Olivia hingegen war so vollständig gefangen, dass sie den Ablauf im Saal nur noch von Ferne wahrnahm. Sie fand es wirklich schwierig, den Blick wenigstens manchmal von dieser Frau abzuwenden, die in einer perfekt gelassenen Haltung dastand, als wäre sie selbst ein Kunstwerk: In gemessener, emotionsloser Distance zu den umgebenden Menschen wie Ereignissen, kontrolliert bis in die kleinste Bewegung, bot sie ein Musterbeispiel für das Auftreten der englischen Oberschicht. Und doch wob etwas Fremdes um sie, etwas nicht Hierhergehöriges, jederzeit zum Aufbruch bereit, am Ort gehalten durch die Augen, deren aufsaugende Teilnahme die formale Gelassenheit eigentümlich kontrastierte. Sie musste es sein, ›ihre‹ Lady mit den schönen Versen.
    Applaus brach die Stille des Raumes auf und das Bild der Lady bewegte sich, zeigte ein freundliches Lächeln und schritt nach vorn, von wo der Pfarrer ihm aufgeräumt entgegensah. Verhaltenes Räuspern, Stühle rücken und zunehmend lauter werdendes Murmeln wiesen Olivia darauf hin, dass die Versteigerung vorüber war, ohne dass sie irgendetwas mitbekommen hatte.    
    Der Pfarrer begrüßte Lady Gaynesford, stellte sie den Anwesenden vor und bedankte sich für ihre großzügige Gabe. Der Erlös der Versteigerung sei so weit über alle Erwartungen hinausgegangen, dass er der Künstlerin ein leuchtender Beweis ihrer Fähigkeiten und Berühmtheit sei. Für das Erziehungsprojekt auf Yukatan in Mexiko, dessen Patenschaft er und seine Gemeinde sich vor nunmehr fünfzehn Jahren verpflichtet hätten zu übernehmen, reiche der Betrag weiter in die Zukunft als ihre gegenwärtig ausgearbeiteten Pläne. Leises Gelächter hier und dort und einhelliger großer Applaus setzten den Schlusspunkt. Stühle scharrten, das Murmeln schwoll zu Stimmengewirr, wiederholt zuckten Blitzlichter der örtlichen Presse und von der Tür fand gelegentlich ein kühler Luftzug seinen Weg in den überheizten Raum – das normale Durcheinander der im Grunde geordneten Auflösung einer größeren Versammlung.    
    Lady Gaynesford hörte viele Komplimente und schüttelte noch mehr Hände, ebenso der Pfarrer. All den verschiedenen Prozeduren zuschauend bewegte Olivia sich allmählich nach vorn, als die alte Dame sie plötzlich zu sich heranwinkte. Automatisch schaute sie hinter sich, doch da war wirklich niemand mehr. Überrascht trat sie näher.
    »Meine Liebe, Pfarrer Wotheridge und seine Gattin begleiten mich zum Tee. Darf ich Sie bitten, sich uns anzuschließen?« Die Frage war so einladend wie definitiv und wenig später fand Olivia sich in dem weichen Rücksitz eines Bentley aus Copper Hill hinaus rollen. Hohe Hecken beiderseits der Straße ließen die Welt zurücktreten und bald bog der Wagen durch ein großes Tor in einen gepflasterten Hof ein. Durch eine Art Säulengang, der den Blick auf Rasenflächen und Taxusbüsche freigab, führte Lady Gaynesford ihren Gast, von dem sie jetzt immerhin den Namen wusste, ins Haus und in einen Salon, durch dessen große Glastüren auf beiden Seiten man ebenfalls in den Garten...

Erscheint lt. Verlag 18.3.2018
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Agatha Christie • Bildhauerin • detektivroman • England • Jaguar • Krimi • Mord • Olivia • olmekische figuren • Schokolade
ISBN-10 3-7467-0913-X / 374670913X
ISBN-13 978-3-7467-0913-0 / 9783746709130
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