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Blütengrab (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
448 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00690-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Blütengrab -  Ada Fink
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Ein brutaler und düsterer Thriller aus der Nachwendezeit. Ein spannungsgeladenes Ermittlerduo, sie aus dem Osten, er aus dem Westen. 1993, Ostdeutschland. Auf einem Bett aus Blütenzweigen und den Körper übersät mit germanischen Runen - so wird in einem abgelegenen Waldstück bei Wussnitz eine Mädchenleiche gefunden. Die ehrgeizige Kommissarin Ulrike Bandow und der neue westdeutsche Kollege Ingo Larssen übernehmen ihren ersten gemeinsamen Fall. Rätselhafte Spuren führen das ungleiche Ermittlerpaar bis in die deutsch-deutsche Vergangenheit, wo sie auf eine bisher unentdeckte, bizarre Mordserie stoßen. Jetzt ist der Täter zurückgekehrt, an den Ort, an dem alles begann. Um ihn aufzuhalten, müssen die Ermittler lernen, einander zu vertrauen. Doch das ist nicht einfach, denn Ulrikes eigene Schuld führt zu einem tiefen Abgrund, in den sie niemals schauen wollte...

Ada Fink ist das Pseudonym einer deutschen Roman- und Drehbuchautorin. Neben diversen Auszeichnungen und Nominierungen im Kino- und Fernsehbereich erreichte ihr Debütroman sogleich die Spiegel-Bestseller-Liste. Es folgten weitere erfolgreiche Veröffentlichungen unter ihrem Klarnamen. Ada Fink mag Mary Shelley und vegetarische Schnitzel, und hasst es, nachts in hell erleuchteten Räumen ohne Vorhänge zu sein. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Berlin und Brandenburg. 

Ada Fink ist das Pseudonym einer deutschen Roman- und Drehbuchautorin. Neben diversen Auszeichnungen und Nominierungen im Kino- und Fernsehbereich erreichte ihr Debütroman sogleich die Spiegel-Bestseller-Liste. Es folgten weitere erfolgreiche Veröffentlichungen unter ihrem Klarnamen. Ada Fink mag Mary Shelley und vegetarische Schnitzel, und hasst es, nachts in hell erleuchteten Räumen ohne Vorhänge zu sein. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Berlin und Brandenburg. 

Tag 2


Heute ist es Ulrike, die draußen vor der Polizeiinspektion an ein Auto gelehnt steht. Nachdem Larssen mit seinem albernen Opel vorgefahren ist, steigt er aus und kommt mit schleppenden Schritten auf sie zu. Er ist unrasiert und sieht nicht aus, als hätte er heute Morgen geduscht. Dieses angeranzte Auftreten hält ihn aber nicht davon ab, im Näherkommen verwundert Ulrikes Gesicht zu mustern. Ja, ja, ich weiß. Ulrike hat sich heute Morgen selbst erschrocken, als sie ihrem Spiegelbild gegenüberstand. Die Nase ist dick angeschwollen, und die lilafarbene Hautverfärbung zieht sich bis unter das linke Auge. Sie sieht aus, als hätte ihr jemand voll ins Gesicht getreten, was kein Wunder ist, denn so war es ja auch. Der morgendliche Kaffee war nur heiß gewesen und hatte nach nichts geschmeckt. Kein Geruchssinn mehr. Und an Sport war gar nicht erst zu denken, Ulrike musste die tägliche Laufrunde auf der Aschenbahn ausfallen zu lassen. Das war deutlich, Christa.

«Moin.» Larssen geht an ihr vorbei und will schon die Treppe zur Polizeiinspektion rauf, aber Ulrike steht ja nicht zum Spaß hier. «Kommen Sie eigentlich immer zu spät?»

Er bleibt stehen und dreht sich überrascht um. «Wieso? Warten Sie auf mich?»

«Ja, wir haben einen Termin in Schwerin. In der Rechtsmedizin.»

«Sagten Sie nicht gestern, Sie fahren mit dem Kollegen – wie hieß er noch? – …»

«Holger Kiezmann.»

«Genau, Kiezmann.»

«Ja, aber der muss zum Zahnarzt.» Ulrike stößt sich vom Auto ab und öffnet die Fahrertür. Larssen guckt etwas verwirrt und macht keine Anstalten, sich zu rühren. «Kommen Sie?» Und ohne eine Antwort abzuwarten, setzt sich Ulrike hinter das Steuer. Endlich gerät der Mann in Bewegung, geht um den Wagen herum und steigt ein. Larssen nimmt neben ihr Platz und beginnt, umständlich an seinem Sicherheitsgurt herumzufummeln. In aller Seelenruhe, und das dauert. Diese Langsamkeit muss man auch erst mal aushalten können. Wahrscheinlich ist er deswegen hier. Weil das zu Hause niemand ertragen hat. Er erinnert Ulrike an ein Reptil, das zu wenig Sonne abbekommen hat und gezwungen ist, alles auf Sparflamme zu erledigen. Das Knarzen seiner Lederjacke untermalt die Schwerfälligkeit seiner Bewegungen, und für einen Augenblick muss Ulrike den Impuls unterdrücken, laut loszulachen. Ich hab einen Leguan auf dem Beifahrersitz! Nach viel Gefummel und Gezurre klickt der Verschluss des Sicherheitsgurtes endlich. Larssen lehnt sich seufzend in den Sitz zurück, als hätte er sein Tageswerk vollbracht und sei nun bereit, sich seiner verkehrsgesicherten Erschöpfung hinzugeben.

Ulrike kann seine Gleichgültigkeit nicht einordnen, aber sie beschließt, sich trotzdem Mühe zu geben. Leider klingt ihre Stimme ungewollt ein bisschen aufgesetzt, zu munter, zu plapperig. «Was hat Sie denn eigentlich ausgerechnet hierher zu uns verschlagen?»

Larssen antwortet reserviert, aber freundlich. «Ich brauchte eine Ortsveränderung.»

Das klingt so bescheuert, dass Ulrike lachen muss. «In den Osten?»

Überraschenderweise lächelt er auch und schaut sie an. Ein erster offener Moment. «Ja. Gefällt es Ihnen hier nicht?»

«Mir? Ich bin in Wussnitz aufgewachsen. Das ist was anderes.»

«Immerhin sind Sie noch hier.»

«Richtig.» Ulrike nickt bestätigend und spart sich jede weitere Antwort. Es scheint ihn ohnehin nicht zu interessieren, was sie hier noch hält. Und was wäre die richtige Antwort? Marc? Er braucht sie. Und ich brauche, dass er mich braucht. So sieht’s aus.

Vom Beifahrersitz ist wieder ein Knurpsen zu hören. Larssen kramt in den Taschen seiner Lederjacke und hält ihr plötzlich ein Taschentuch hin.

Ulrike behält die Hände am Steuer. «Was soll ich damit?» Aber die Antwort ergibt sich von selbst, denn in diesem Moment fällt ein roter Tropfen in ihren Schoß. Die Nase hat wieder angefangen zu bluten.

«Danke.» Sie nimmt das Tuch und tupft damit vorsichtig ihre Nase ab. Jede Berührung schmerzt.

«Sind Sie sicher, dass die nicht gebrochen ist?»

«Ja, das ist nur ein bisschen geschwollen.» Und wie zur Bestätigung hat das Bluten schon wieder aufgehört.

«Mmh.» Larssen schaut den Rest der Fahrt schweigend aus dem Fenster, was wieder Desinteresse oder auch eine Art von Freundlichkeit sein kann. Schlau werde ich aus dem nicht.

 

«Sie ist zwischen elf und dreizehn Jahre alt, 1,62 m groß und mit 41 kg an der Grenze zum Untergewicht. Todeszeitpunkt vermutlich vorgestern Abend zwischen 22 und 23 Uhr. Acht Messerstiche, dieser hier …», sie zeigt auf eine Einstichstelle in der Brust, «… tödlich, direkt ins Herz. Die Wunden wie auch der gesamte Körper wurden nach der Tat gründlich gesäubert. Auch die Fingernägel. Was noch?» Die Pathologin Dr. Schönhoff hält einmal kurz inne, um auf ihrem Datenblatt nachzuschauen, ob sie etwas übersehen hat. «Tiefere Schürfspuren an den Hand- und Fußgelenken …»

«Fesseln?» Ulrike geht um den Seziertisch herum und schaut sich die beschriebenen Spuren an den Gelenken des Mädchens an. Larssen steht wie angewurzelt da und zeigt keinerlei Regung.

«Ja. Sehr wahrscheinlich hat sie versucht, sich zu befreien.» Die Pathologin schaut erst Ulrike an, dann zum apathisch vor sich hinstarrenden Larssen, dann wieder zu ihr, jetzt allerdings mit erhobenen Augenbrauen. Ulrike zuckt stumm mit den Achseln. Keine Ahnung, was mit dem ist. Die Pathologin fährt fort: «Das Mädchen wurde vor ihrem Tod sexuell missbraucht. Es gibt massive Verletzungen im Vaginalbereich.»

Gequält, geschunden, vergewaltigt. Ulrikes Blick geht zum Gesicht des Mädchens. Es tut mir so leid, was du ertragen musstest. Ich wünschte, ich hätte es verhindern können. Ulrike verbietet sich den letzten Gedanken. Das geht in die falsche Richtung. Sie kennt das Mädchen nicht und trägt auch nicht die Verantwortung für ihren Tod. Woher kommt also dieses Pochen im Rücken? Als würde ihr jemand auf die Schulter tippen, der sie zur Rede stellen will.

Dr. Schönhoff übergibt Ulrike einen Stapel Fotos. Großaufnahmen jeder einzelnen Wunde. «Ja, und dann haben wir diese geritzten Zeichen in der Haut … Sie wurden vor dem Tod zugeführt.»

Ulrike stockt der Atem. «Sie lebte noch, als ihr die Haut zerschnitten wurde?»

«Ja.» Die Pathologin versucht gar nicht erst, ihre eigene Betroffenheit hinter einer professionellen Miene zu verstecken. Sie weist mit ihrem Finger auf das gezackte Zeichen auf der Stirn des Mädchens. «Hier sind die Schnitte so tief, dass man die Spuren sicherlich im Knochen sehen kann. Sie hat fürchterlich leiden müssen.»

Du perverses Schwein. Ulrike spürt Hass in sich aufwallen und hofft, dass dieses heftige Gefühl nicht ihr Urteilsvermögen vernebelt.

«Ein anderes Opfer mit solchen Malen gab es hier in der Gegend bisher noch nicht?»

Ulrike und Dr. Schönhoff schauen gleichzeitig zu Larssen, der plötzlich gesprochen hat. Die Pathologin antwortet irritiert. «Nein. Und wenn, hätte ich etwas davon mitbekommen.»

Aber Larssen lässt sich damit nicht abspeisen. «Ja, aber das wirkt doch alles sehr geplant und routiniert.»

«Es hat auch niemand was von Mord im Affekt gesagt.» Ulrike schaut ihm fest in die Augen.

«Nein, denn bisher wird hier ja auch nur ziemlich unbeholfen rumgestochert, was den Modus Operandi oder die Signatur betrifft.» Larssen lächelt milde und sagt nichts weiter.

Modus Operandi? Signatur? Ulrike ist sofort auf Zinne. Diese Arroganz, mit der der Typ sich hier hinstellt, mal eben irgendwelche Klugscheißer-Begriffe in den Raum wirft und sich dann überheblich wieder ins Schweigen verzieht. Weißt du, wo man gut dumm rumgrinsen kann? In Kiel.

Ulrike beschließt, darauf nicht einzugehen. Sie setzt ihr Gespräch mit der Pathologin fort, als hätte sie Larssens Kommentar gar nicht gehört. «Sonst noch irgendetwas Wichtiges?»

Dr. Schönhoff nickt. «Allerdings. Etwas, was Ihnen vielleicht helfen könnte, das Mädchen zu identifizieren.» Die Ärztin macht eine kurze Pause und schaut Ulrike an. «Das erzähle ich Ihnen aber nur, wenn Sie mir erlauben, Ihre Nase zu schienen.»

*

Kiezmann, Frede und Larssen sitzen schon um den Konferenztisch herum, und Ulrike ist sich bewusst, dass alle auf ihre Nase starren. Dr. Schönhoff hatte ihr einen zweifachen Nasenbruch attestiert und diesen mit einem dicken Pflaster geschient. Die besorgten Fragen der Kollegen hatte sie mit einem «Treppe runtergefallen» abgetan. Aber das Thema ist noch nicht erledigt, denn nun taucht der Chef im Türrahmen auf und bleibt erschrocken stehen: «Was hast du denn gemacht?»

Ulrike seufzt und wiederholt die Geschichte mit der Treppe, woraufhin Jürgen Dubbe vor Mitgefühl das Gesicht verzieht. «Das sieht übel aus.» Er setzt sich zu den anderen Männern an den Tisch und fordert Ulrike mit einem Nicken auf, die Besprechung zu beginnen.

Ulrike breitet die bisher entstandenen Fotos auf dem Tisch aus. «Den Bericht aus der Pathologie habt ihr gelesen. Ich möchte aber noch einmal darauf hinweisen, dass das Opfer zwei ältere Zahnfüllungen hat, deren Materialzusammensetzung vermuten lässt, dass das Mädchen aus Polen kommt.» Ulrike schaut Kiezmann an, heute im grauen Rolli, der sich bereits etwas notiert hat und murmelt: «Das übernehm ich.»

In der Mitte liegen die Bilder des Opfers, vom Fundort der Leiche, den geritzten Runen in der Haut und den Sachen, die sichergestellt wurden. Die...

Erscheint lt. Verlag 1.3.2021
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 90er Jahre • Arbeitslosigkeit • Deutscher Krimi • Frauenmorde • Neonazis • Ostdeutschland • Serienkiller • Serienmord • Serienmörder • Spannung • Thriller • Thriller Neuerscheinungen 2021 • Treuhand • Westdeutschland
ISBN-10 3-644-00690-3 / 3644006903
ISBN-13 978-3-644-00690-4 / 9783644006904
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