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Das Grab in den Schären (eBook)

Ein Fall für Thomas Andreasson

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
400 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-32108-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Grab in den Schären -  Viveca Sten
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Ein neuer Roman der »Königin des schwedischen Krimis« Auf einer Insel im schwedischen Schärengarten werden auf einer Baustelle menschliche Knochen gefunden. Thomas Andreasson und sein Kollege Aram ermitteln, sie überprüfen zunächst die Vermisstenakten, und tatsächlich gelten zwei Frauen seit Jahren als vermisst: die 17-jährige Astrid und die 35-jährige Siri. Ist tatsächlich eine der Frauen einem Verbrechen zum Opfer gefallen und liegt auf der Insel begraben? Eine akribische Ermittlung beginnt... Auf Telegrafholmen, der Schäreninsel gegenüber von Sandhamn, werden bei Bauarbeiten Teile eines menschlichen Skeletts gefunden. Es ist ein ungewöhnlich heißer Spätsommer, und Thomas Andreasson wird mit den Ermittlungen betraut. Die Hinweise deuten auf zwei Frauen hin, die zehn Jahre zuvor als vermisst gemeldet wurden. Aber ist es wirklich eine der beiden Frauen, oder wer wurde tatsächlich auf der Insel begraben? Nora Linde ist nach einem tragischen Strafverfahren krankgeschrieben. Von Albträumen geplagt, kann sie nicht aufhören, über ihr Versagen nachzudenken. Als sie von den Ermittlungen auf Telegrafholmen erfährt, stürzt sie sich in die Arbeit und ermittelt auf eigene Faust, was ihre Freundschaft zu Thomas auf eine harte Probe stellt. Irgendjemand auf der Insel kennt die Wahrheit. Doch müssen noch mehr Menschen sterben, bevor sie ans Licht kommt?

Viveca Sten war Chefjuristin bei der dänischen und schwedischen Post, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Sie wohnt mit Mann und drei Kindern vor den Toren von Stockholm. Seit sie ein kleines Kind war, hat sie die Sommer auf Sandhamn verbracht, wo ihre Familie seit mehreren Generationen ein Haus besitzt. Ihre Sandhamn-Krimireihe feiert weltweit Erfolge und wurde für das ZDF verfilmt.

Viveca Sten war Chefjuristin bei der dänischen und schwedischen Post, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Sie wohnt mit Mann und drei Kindern vor den Toren von Stockholm. Seit sie ein kleines Kind war, hat sie die Sommer auf Sandhamn verbracht, wo ihre Familie seit mehreren Generationen ein Haus besitzt. Ihre Sandhamn-Krimireihe feiert weltweit Erfolge und wurde für das ZDF verfilmt. Dagmar Lendt ist Skandinavistin und übersetzt aus dem Norwegischen, Schwedischen und Dänischen. Bisher hat sie rund einhundert Bücher ins Deutsche übertragen, u.a. von Jon Fosse, Kjetil Try und Viveca Sten. Sie lebt in Berlin.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 19


Eine kleine Stimme in Noras Kopf flüsterte, dass es vollkommen wahnsinnig war, zu Johanna Strand zu gehen. Sie hatte nichts mit dem Fall zu tun, das war Sache der Polizei. Es stand ja noch nicht einmal fest, dass es Astrids Leiche war, die man gefunden hatte.

Trotzdem lenkte sie ihre Schritte Richtung Seglerdorf.

Sie hatte Mina nicht helfen können, aber vielleicht konnte sie etwas für Astrid tun?

Das Bild von Astrids Gesicht verschmolz mit dem von Mina. Beide hatten langes blondes Haar mit Strähnen, die sich um die Stirn lockten. Ein schönes Lächeln, das von Kummer und Wehmut getrübt wurde.

Minas trauriges Schicksal und ihr eigenes Versagen lagen wie eine ständige Last auf ihren Schultern. Ein unsichtbarer Begleiter, der sie den ganzen schweren Sommer hindurch verfolgt hatte. Vielleicht würde es sie erleichtern, wenn sie sich für Astrid ins Zeug legte, wenn sie sich auf etwas anderes konzentrierte als auf ihre eigenen Sorgen?

Sie wollte es wenigstens versuchen. Sie konnte nicht einfach die Augen davor verschließen.

Das Seglerdorf lag am Hang oberhalb des Seglerhotels. Knapp dreißig kleine hellgrüne Holzhäuser, die in den Dreißigerjahren gebaut worden waren. Ursprünglich hatten sie als Unterkünfte für die Teilnehmer an den Regatten des KSSS gedient, da man auf den Segelrennbooten damals nicht übernachten konnte. Inzwischen waren alle Häuser um- und ausgebaut, mit den genialsten Konstruktionen, um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen, obwohl es keinen Platz dafür gab.

Nora wusste ungefähr, wo das Haus der Strands lag, in der dritten Häuserreihe vom Hafen aus gesehen. Als sie ankam, stand die Haustür wegen der Sommerhitze weit offen. Ebenso wie bei den anderen Häusern gab es einen Anbau und eine kleine Terrasse, auf der mehrere Töpfe mit weißen und gelben Blumen standen. Sogar eine Hängematte war aufgespannt, im Schatten eines einsamen Baums, der im Sand wuchs.

Nora betrat die hölzerne Terrasse.

»Hallo?«, rief sie vorsichtig. »Ist jemand zu Hause?«

Halb wünschte sie, niemand würde antworten. Dann könnte sie umkehren und weggehen. Den Impuls unterdrücken, sich einzumischen. Nach Hause gehen und das Picknick für Alskär vorbereiten, das Julia sich erbettelt hatte.

Wieder einmal die Gedanken an Astrid verdrängen.

Stattdessen hob sie die Hand und klopfte an die Tür.

»Wer ist da?«, antwortete eine Stimme.

Sekunden später tauchte Johanna Strand an der Schwelle auf. Heute hatte sie das lange blondierte Haar zu einem nachlässigen Knoten gebunden.

In ihren abgeschnittenen Shorts ähnelte Johanna beinahe dem jungen Mädchen, das sie gewesen sein musste, als Astrid verschwand. Aber die Gesichtszüge waren müde, mit feinen Linien um die Augen.

»Hallo«, sagte Nora.

Die Worte klebten ihr auf der Zunge fest. Wie sollte sie Johanna erklären, was sie wollte? Sie hatte hier nichts zu suchen.

»Ja bitte?«

Johanna betrachtete Nora verblüfft und wartete auf die Fortsetzung.

Entweder musste sie eine Erklärung liefern oder wieder gehen.

»Ich habe einige Fragen, die Astrid Forsell betreffen«, bekam Nora schließlich heraus.

»Astrid?«

Johanna erstarrte.

»Hat es was mit … Telegrafholmen zu tun?«, fragte sie und zeigte zur Insel.

Nora nickte.

»Entschuldigung, wie war Ihr Name noch gleich?«, fragte Johanna. »Ich kenne Sie, aber …«

»Ich heiße Nora Linde.« Nora zögerte. »Ich bin Anklägerin bei der Behörde zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität«, fügte sie hinzu.

Sollte Johanna doch ihre eigenen Schlüsse daraus ziehen.

Die junge Frau sank auf einen der Rattanstühle, die auf der Terrasse standen.

»Ist es Astrid, die man auf Telegrafholmen gefunden hat?«, flüsterte sie.

Nora nahm ihr gegenüber Platz.

»Um das zu sagen, ist es noch zu früh«, erwiderte sie und blieb, zumindest was das betraf, bei der Wahrheit.

Johanna nickte stumm.

»Sie war meine beste Freundin«, sagte sie. »Schon von klein auf. Wir sind zusammen in die Schwimmschule gegangen.«

Ihre Stimme klang belegt.

»Wir waren erst vier, als wir uns kennengelernt haben.«

»Ich verstehe, dass das schwer für Sie sein muss«, sagte Nora. »Ich werde nicht lange bleiben, das verspreche ich.«

Sie tätschelte Johannas Hand.

»Wie ging es Astrid in jenem letzten Sommer?«, fuhr sie fort. »Sie verschwand, unmittelbar bevor die Schule wieder anfing, wenn ich richtig informiert bin?«

Johanna strich eine Haarsträhne zurück. Es war, als müsste sie Anlauf nehmen.

»Ja, in der letzten Woche vor Beginn des Herbstschuljahrs. Unser Sommerjob wäre nur wenige Tage nach ihrem Verschwinden zu Ende gewesen.«

»Sie haben zusammen gearbeitet?«

»Ja, im Seglerrestaurant, als Bedienung. Meine Mutter kannte die Restaurantchefin, Lillian Eriksdotter, und hatte uns den Job besorgt.«

Johanna warf einen Blick zum Seglerhotel, das nur wenige Hundert Meter unterhalb des Hauses lag. Das schwarze Blechdach schimmerte zwischen den Bäumen hindurch, es konnte nicht mehr als eine Minute Fußweg entfernt sein.

»Es war ein guter Ferienjob«, sagte sie. »Viel Trinkgeld, aber wir mussten auch ganz schön rennen. Es hat uns beiden Spaß gemacht, obwohl die Kerle manchmal echt widerlich waren.«

Johanna klang ehrlich. Nora wollte mehr darüber wissen, wie es ihnen in dem Sommer ergangen war.

»Erinnern Sie sich noch, ob jemand dabei war, der Astrid nicht mochte? Jemand, der ihr hätte etwas antun können?«

Nora wollte Johanna nicht unnötig erschrecken. Aber wenn es Astrid war, die in dem Grab gelegen hatte, war das eine wichtige Frage.

Johanna löste den Haarknoten und befestigte ihn wieder, ehe sie antwortete.

»Astrid war die Sorte Mensch, die jeder mag. Sie war nett und kam fast mit jedem gut aus. Sie konnte sogar betrunkene Gäste bändigen, die keinen Alkohol mehr ausgeschenkt bekamen. Sie hatte einfach so eine Art, war charmant und schlagfertig. Sie wollte später mal Architektin werden.«

Das entsprach dem Bild, das Nora von ihr in Erinnerung hatte.

»Hatte Astrid einen Freund?«, fragte sie.

Johanna zögerte mit der Antwort.

»Astrid fand die Jungs von der Insel blöd, sie waren ihr viel zu kindisch.«

Ihre Augen wurden feucht.

»Wir haben Witze darüber gemacht, dass das ›lokale Angebot‹ so schlecht war. Sie hatte nicht einmal Lust, mit ihnen zu flirten, obwohl es mehrere gab, die ständig hinter ihr her waren. Astrid hätte jeden haben können, den sie wollte. Sie wissen ja, wie das manchmal ist.«

Nora wusste gar nichts. Sie war nie eins von den beliebten Mädchen gewesen, keine, nach der die Jungs verrückt waren. Eine Zeit lang war sie sogar von der »angesagten Clique« auf der Insel so gemobbt worden, dass sie die Sommer auf Sandhamn gehasst hatte.

Die Rettung war in jenem Jahr gekommen, als sie vierzehn wurde. Da hatte sie mit einigen anderen am Konfirmationsunterricht in Sandhamns Kapelle teilgenommen und neue Freunde gefunden. Thomas und zwei Mädchen von den benachbarten Inseln hatten ihr durch die schwerste Teenagerzeit geholfen. Sie hatten auch ihr Selbstwertgefühl gerettet.

»Haben Sie sich jemals gefragt, was wohl aus Astrid geworden ist?«, fragte sie und wischte ein paar hellbraune Kiefernnadeln von der Tischplatte.

Johanna wandte das Gesicht ab.

»Sie ist einfach verschwunden«, sagte sie. »Hat sich in Luft aufgelöst, einfach so, obwohl wir beste Freundinnen waren. Sie hat mir kein Wort davon gesagt.«

»Was, glauben Sie, ist mit ihr passiert?«

Johanna betrachtete die Straße, auf der ein älteres Paar spazieren ging. Die Frau hatte einen bunten Stock in der Hand, schön mit Blumen geschmückt.

»Ich dachte, dass … es was mit ihrer durchgeknallten Mutter zu tun hat.«

»Monica Forsell? Was hatten die beiden für ein Verhältnis?«

Johanna lachte laut auf, aber es war keine Freude dahinter.

»Astrids Mutter war schrecklich«, sagte sie.

»Heißt das, sie war streng?«

»Sie war … unbeherrscht. Laut und streitsüchtig, eine richtige Egomanin. Bei ihnen zu Hause war dauernd was los. Monica hat zu viel getrunken, genau wie ihr Lover Zacharias. Astrid hasste die Sauferei und verabscheute den Kerl. Er war widerlich. Oft hat sie bei mir übernachtet, nur um nicht dort sein zu müssen.«

Johanna unterbrach sich und wischte sich die Nase.

»Wäre Astrid abgehauen, ohne Ihnen ein Wort zu sagen?«, fragte Nora.

Ein kleiner Vogel hatte sich wenige Meter entfernt auf der Holzterrasse niedergelassen. Er pickte eifrig ein paar helle Brotkrümel auf.

»Sie wusste, dass Monica als Erstes zu mir kommen würde, nachdem sie weg war«, sagte Johanna mit gedämpfter Stimme. »Vielleicht wollte sie sich nicht darauf verlassen, dass ich dichthalte. Aber ich hätte nie etwas gesagt, weder zu Monica noch zu Zacharias.«

Nora wünschte, sie hätte Stift und Papier dabeigehabt, um sich Notizen zu machen. Sie wollte mitten im Gespräch nicht ihr Handy herausholen.

Wie spät war es überhaupt? Jonas und Julia wunderten sich bestimmt, wo sie blieb. Sie war schon über eine Stunde weg.

»Wer ist dieser Zacharias?«, fragte sie, anstatt aufzustehen.

»Monicas Freund, der Tischler. Oder besser gesagt, ihr Ex. Nachdem Astrid verschwunden war, brach die Beziehung auseinander. Aber da war es zu spät.«

Johanna knabberte an einem Zeigefingernagel. Ihre Nägel waren so weit abgekaut, dass die Fingerkuppen darüber geschwollen waren.

»Sie fehlt mir jeden Tag«, sagte...

Erscheint lt. Verlag 4.3.2021
Reihe/Serie Thomas Andreasson ermittelt
Thomas Andreasson ermittelt
Thomas Andreasson ermittelt
Übersetzer Dagmar Lendt
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 10. Band • Eiskalte Augenblicke • Kommissar Thomas Andreasson • Krimi-Bestseller • Krimi-Neuerscheinungen 2021 • Mord • Nora Linde • Sandhamn • Schweden-Krimi • Urlaubskrimi
ISBN-10 3-462-32108-0 / 3462321080
ISBN-13 978-3-462-32108-1 / 9783462321081
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